Guitarfetish/Xaviere XV580SS vollmassiv für 260 Euro???

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Einm sicheres Indiz für Wahnsinn - so zumindestens meinte es Albert Einstein - sei es, dieselbe Handlung endlos zu wiederholen in der Hoffnung ein anders Ergebnis zu erzielen.

Dementsprechend sind wir Gitarristen wohl alle ziemlich Wahnsinnig, denn wir kaufen Gitarren und Zubehör in der Hoffnung den "heiligen Gral" zu finden.

Leute, Gitarren klingen wie Gitarren. Wenn eine Gitarre plötzlich wie ein Saxophon klingen würde, oder wie eine Triangel, dann wären wir Gitarristen die ersten, die sich beschweren würden. Gleichzeitig bezeichnen wir den Klang einer Gitarre als "räudig", basierend auf Feinheiten, die einem normalem Zuhörer gar nicht auffallen würden. Meine Partnerin mag den Klang meiner Ovation Celebrity CC44 mehr als den Klang meiner Martin D40. Okay, die Ovation fokussiert mehr, aber ich kann's nicht verstehen. Muss ich aber auch nicht, denn Geschmack ist - glücklicherweise - ja sehr individuell.

Geschmack ist individuell, Klang auch und jede Gitarre hat ihren eigenen Klang. Glücklicherweise sind relativ gute Gitaren heutzutage relativ preisguenstig und so könnte sich jeder Interessierte für relativ kleines Geld eine relativ gute Sammlung aufbauen.

Auf der Suche nach relativ guten Instrumenten für relativ kleines Geld bin ich ja schon viel in der Welt herumgekommen. Wie viele hier wissen bin ich begeistert von den absolut hervorragenden Instrumenten von Meister Binh aus Saigon/Ho Chi Minh City in Vietnam. Aber diese Einzelstücke nimmt man nicht so gerne mit in den Pub oder sonstwohin, wo ein Besoffener ins Schalloch kotzt oder ein anderer "under the affluence of incohol" über die Bühne stolpert und in die Gitarre (obwohl, in dem Fall war es eine Mandoline...) tritt, oder wenn - so man sich umdreht um den Mantel vom Haken zu nehmen - irgendein Idiot den leeren Gitarrenkoffer stiehlt...
... alles schon vorgekommen.

Also, der Gitarrero brauch nicht nur die "gute" Gitarre fürs Studio und für sonstige kontrollierte Umgebungen, sondern auch was zum verranzen. Etwas, wo es nicht viel ausmacht, wenn da ein Kratzer draufkommt, etwas, was auch mal einen Schlag oder Stoss mitnimmt und etwas, dass im Falle eines (Un)Falles keine großen Löcher ins Budget reisst. Natürlich sollte dieses Etwas auch noch gut klingen und gut bespielbar sein. Und das sind nun mindestens drei Wünsche auf einmal und mit Ausnahme eines Überraschungseies gibt es wenig, was hier tatsächlich punkten kann.

Oder fast...

Mittlerweile gibt es jede Menge brauchbarer Gitarren zum brauchbaren Preis. Yamaha FG- und FJ-Serien, Sigma, Seagull S6, Recording King, Blueridge - oft genug sogar Eigenmarken wie Harley Benton oder anderes. Viele dieser Gitarren sind für kleines Geld in einer großen Liga. Die FG von Yamaha spielt durchaus mit doppelt so teuren Taylors um die Wette, die Sigmas klingen so verdammt nach Martin, dass es schon fast gruselt, die Seagull hat ihren eigenen - aber dennoch hervorragenden Klang ... ist doch alles Super, oder?

Fast - denn leider Gottes sind viele Gitarristen Snobs. Eine Guild GAD25/125 "Made in China" und eine Martin D-15 nebeneinander gestellt ... welche Gitarre wird mehr Interesse anziehen. Die preiswerte Guild oder die Martin? Keine Frage..., "Uii... 'ne Martin!".

Daher suche ich gerne nach "Aussenseitern", noch unbekannten Marken, die ihre Reputation noch aufbauen müssen und die das über ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis machen.Diese Suche hat mich nach den USA geführt. Ich habe Freunde dort, somit ist der Versand kein Problem.
"Xaviere" ist eine Marke eines US-Amerikanischen Gitarrenversandhauses und deren Gitarren sind, wie wohl gefühlt 80% der Weltproduktion "Made in Fernost", aber was DXaviere von andweren Unterscheidet sind die Preise. Eine vollmassive Fichte/Palisander Dread mit typisch amerikanischer Abalone-Ausstattung kostet schlappe 260 Euro. Genau. 260
Euro. Richtig: 260 Euro. Vollmassiv. Teilmassiv liegt so um die 100-150 Euro. Richtig: 100-150 Euro.

Wie zum Henker können die das und was zum Teufel bauen die da?

Nun, der Einsatz ist nicht allzu hoch und so habe ich mir eine Xaviere XV580SS - vollmassiv - bestellt. Für 50 Euro mehr gab es noch einen sehr guten Koffer in Carbon-Optik dazu... warum also nicht.
Aus dem Koffer geschält, findet man also eine Standard-Dread mit den üblichen Eigenschaften. Die Fichtendecke ist besser als gedacht, etwas unregelmäßig aber durchaus noch in einem Bereich in dem ich ohne Bedenken zuschlagen würde, der Palisander für Zargen und Boden ist sogar noch besser, schön gleichmäßig gemasert, sehr schöne Schokoladenfarbe. Das Griffbrett ist auch Palisander - was erwartet man - genau wie der Steg. Ich mag zwar Ebenholz lieber, aber... auch hier keine Kritik. Das Griffbrett ist mit Binding eingefasst, die Bünde gut abgerichtet ... allerdings hätte man die Bünde schöner polieren können. Irgendwo merkt man den Preis. Aber eine halbe Stunde Bünde polieren ist etwas,was ich für den Preisunterschied gene mache. Ebenfalls gut gelungen sind die "winged Diamond" Abalone-Einlagen auf dem Griffbrett. Sieht mal etwas anders aus, als die üblichen Einlagen, ohne gleich zu aufdringlich zu wirken.
Wo man den Preis auch merkt, ist der Hals. Der ist zwar gut in der Hand liegend, aber wie üblich dreiteilig zusammengestückelt. Halsfuß und Kopfplatte sind angeleimt. Aber auch das ist mittlerweile auch bei deutlich hochpreisigeren Gitarren Standard.
Der Korpus ist mit Abalone eingefasst und mit dem üblichen Purfling in schwarz/weiss Optik versehen. Das Schalloch ziert ein dreifacher Ring aus Purfling, Abalone und wieder Purfling. Der Lack ist leider grenzwertig dick. Etwas, was man in China wohl immer noch nicht kann. Eigentlich sollte man doch auch hier mittlerweile gelernt haben. Es muss nicht immer Tauchlack sein. Es muss ja nicht das Taylor-Verfahren für dünne Katalyselacke oder aber ein aufwendiger Nitrolack wie bei Martin sein, Yamaha-Qualität täte es schon. Aber leider, leider wird in China immer noch zu dick aufgetragen.
Aber, mit Ausnahme des Lackes gibt es von aussen nichts zu bemängeln.

Allerdings ändert sich die Situation, wenn man mal ins Schalloch schaut. Dort zeigt sich dann, dass doch irgendwo gespart wurde. Klebereste wurden nicht entfernt und der allfällige Holzstaub hat sich dann gern mit den übergelaufenen Klebern vereinigt. Die Konstruktion an sich ist solide, keine Frage, die Bebalkung wurde sogar profiliert, nur sieht man hier, dass irgendwo doch das Diktat der Kosten herrscht. Aber ... wer schaut schon seiner Gitarre täglich ins Innenleben? Ein bisschen mit dem Staubsauger und einem langen Pinsel gearbeitet und schon hat man das, was eigentlich die Fabrik hätte machen sollen, selbst gemacht. Auch hier ist bei dem Preis nicht viel zu meckern.

Von der Bespielbarkeit ist die Xaviere XV580SS guter Standard, sie ist leicht einzustellen und weil sie sich in allen Belangen an dem großen Vorbild der Martin-Dread orientiert fühlt man sich auch gleich zu Hause.

Klanglich ist die Xaviere XV580SS deutlich oberhalb des doch recht günstigen Preises einzuordnen. Die Kombination von Fichte und Palisander ist ja "klassisch" für ein obertonreiches, komplexes Klangbild und die XV580SS ist hier keine Ausnahme. Sie liegt näher an der Martin D28 als an der D35 oder der D40, hat aber leider weniger Bass als die grossen Vorbilder. Die Höhen sind auch nicht so klar wie die der Martin-Gitarren, aber man darf nicht vergessen, dass wir hier von einer vollmassiven Gitarre für unter 300 Euro reden. Wahrscheinlich wird ein passender Satz Saiten auch hier eine deutliche Verbesserung ermöglichen, aber ich habe erstmal die Werksausstattung (D'Addario EJ16) als Referenz verwendet.

Fazit: man sieht... in den Preisen ist durchaus noch "Luft drin".

Gleichwertiges Material - vollmassiv - kostet hier in Europa durchaus noch das Doppelte.

Andersrum fragt man sich natürlich, wie das gehen kann. Eine vollmassive Dread mit doch recht ordentlicher Qualität und aufwendigen Einlagen für 260 Euro. Auch wenn dieser Preis ein Nettopreis ist - also ohne Steuer - und Xaviere wohl die Gitarren ohne Zwischenhandel direkt aus China importiert, so bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit. Kann das Holz für diese Gitarren ökologisch sinnvoll geschlagen werden? Wahrscheinlich kommt es aus einer Plantagenwirtschaft, aber wer weiss das schon? Können die Arbeiter, die diese Gitarren bauen genug verdienen um eine Familie zu ernähren oder schuften hier Kinder unter Sklavenbedingungen? Die etwas schlampige Ausführung der Innenseiten nährt zumindestens den Verdacht einer Akkordfertigung.

Bleibt ein schaler Nachgeschmack? Eher nein. Wer glaubt, dass die hochpreisigeren Gitarren der Handelsmarken in Europa unter anderen Umständen gefertigt werden, oder wer glaubt, das hier in der Holzauswahl ökologischer gedacht wird, der glaubt wohl auch noch an den Weihnachtsmann. Das, was vergleichbare Gitaren hier mehr kosten, das versickert im Zwischenhandel und beim Einzelhandel. Das soll kein Vorwurf sein - der Handel muss auch leben, aber es zeigt, was heutzutage an Qualität für kleines Geld geboten wird. Marken, die nicht mehr zu bieten haben als den "guten Namen" werden schlankweg zerrieben werden. Es fällt angesichts der Qualität der Xaviere XV580 schwer, die doppelt so hohen Preise für Cort, Blueridge, Recording King usw. für vergleichbare Qusalität zu verargumentieren.

Hier übrigens der Link zur Xaviere XV5800SS:
http://www.guitarfetish.com/OUR-BES...ewood-Back-and-Sides-with-Binding_p_4274.html

Achja... weil die Zustellung nach Europa mit ein paar Problemen versehen war (die Post wusste nicht, wo "Ireland" ist und hat die Gitarre zunächst nach Cork in Kanada ausgeliefert) habe ich von Xaviere/Guitarfetisch noch einen Voucher als Entschädigung bekommen. Das gab einen schönen Rabatt hierfür..
http://www.guitarfetish.com/Solid-Spruce-Top-Maple-Back-and-sides-with-Maple-Bridge_p_4273.html
 
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