Rockin'Daddy
Mod Emeritus
Bugera BC30-212
Im Rahmen einer langfristigen Initiative des Boardbetreibers ist es den "Illuminaten" (also HCAs, HFUs und MODs) des Musiker-Boards über die miCOM möglich, bestimmtes Equipment über Hersteller und Vertriebe anzufragen, um dieses ausgiebig zu testen. Ziel ist, der Community natürlich Neuigkeiten und (wie in diesem Falle) mehr oder weniger unentdeckte Perlen aus allen Sparten aus der Perspektive des MB-Mitglieds vorzustellen.
Schon im letzten Jahr hat sich Bugera in diese Liste eingetragen und dazu bereit erklärt, die Modelle ihrer aktuellen Amp-Palette zur Verfügung zu stellen.
Wie die meisten von Euch wissen werden, teilt sich Bugeras Angebot im E-Gitarrensektor (neben den verfügbaren Cabinets) in zwei verschiedene Bereiche auf. Da gibt es einmal die "Modern guitar amplifier"-Serie mit allerlei Topteilen und Combos, die sich an erfolgreichen modernen High-Gain Amps orientieren. Und es gibt die recht erfolgreiche "Vintage guitar amplifier"-Serie, die mit den bekannten V5, V22 und V55 Combos (mittlerweile alle als INFINIUM-Topteile und Combos erhältlich) eher die "gemäßigten" Rocker/Blueser/Jazzer etc. unter uns im Fadenkreuz haben. Zu dieser V-Serie zählt auch die 150 Watt Abrißbirne "1960" als Topteil (ebenfalls mit INFINIUM-Technologie) und eher einsam und versteckt lässt sich noch der mächtige BC30-212 finden. Die Internetrecherche über den BC30 ergibt zudem nur vereinzelt Video-Soundbeispiele auf YouTube und sehr knappe, oberflächliche Diskussionen mit wenig Informationsgehalt zum eigentlichen Produkt.
Für mich als eingefleischter "Fenderianer" kam zum Testen eigentlich nur die V-Serie in Frage und da es über V5,V22 und V55 bereits Unmengen guter Berichte und Diskussionen gibt, habe ich mich für den"Außenseiter" BC30-212 entschieden.
Das stellte die freundlichen Bugera-Jungs in Willich jedoch vor ein kleines logistisches Problem. Der Amp war zu dieser Zeit aufgrund der geringen Nachfrage kaum im freien Handel zu finden. Dazu kam erschwerend, daß der komplette Kundensupport inkl. Ersatzteilen etc. im Umzug nach Großbritannien begriffen war. Es war auf die Schnelle also kein Serienmodell greifbar. Jan Duwe (Entwicklungsleiter Bugera/Behringer) und Mario van Helden (Senior Produktspezialist Bugera/Behringer) machten also kurzerhand aus der Not eine Tugend und schickten mir stattdessen ein Vorserienmodell aus der Entwicklungsabteilung von Bugera in Willich. Dazu werde ich mich im Laufe des Tests noch äußern, denn das hat mir über die Wochen die ein oder anderen Kopfschmerzen bereitet.
Wie soll ich über ein Endprodukt aus der laufenden Serie urteilen, wenn ich "nur" ein Modell im Vorserienstadium auf dem Seziertisch habe?
Die Frage ist relativ schnell beantwortet: Eifrige Kommunikation mit Jan und Mario mit teils stundenlangen Telefonkonferenzen über technische Details und klare Aussagen über eventuell aufgetretene Fragwürdigkeiten. Das klappte sehr gut und hat mir viel Freude gemacht, auch weil ich dabei noch so einiges lernen konnte.
So, damit genug vorab Geplänkel. Kommen wir zum...
Ersteindruck:
Großes Mitleid mit dem UPS-Lieferfahrer! Der gute Mann hatte eine defekte Sackkarre und musste den unhandlichen Karton samt knapp 33 Kilo Inhalt auf der Schulter bis zu meiner Haustür tragen. Respekt!
Ich alter Sack wäre wohl bereits nach 20 Metern in die Knie gegangen und direkt dauerhaft neben dem Amp liegen geblieben.
Der BC30 ist samt zweier Manuals (in insgesamt 13 Sprachen) und Netzkabel in einer dicken Plastiktüte verpackt und mit großen Styropor-Schutzecken sicher im Karton fixiert. Die erste Herausforderung besteht darin, den offenen Karton mit beiden Füßen/Beinen seitlich festzuhalten, während der restliche Mensch mit Schweiß auf der Stirn das Monster aus dem Behältnis zieht.
Hat man das geschafft, ohne dabei mit geplatzten Adern im Hirnstamm zu Boden zu gehen, steht der Bugera in amtlicher Größe vor einem und das ist durchaus beeindruckend.
Der Amp ist etwa 69 cm breit, 52 cm hoch und fast 28 cm tief. Gott sei Dank, hat Bugera dem BC30 insgesamt drei sehr stabile und bequem breite Tragegriffe aus dickem gestepptem Kunstleder spendiert, die mit Einschlaggewinden und Maschinenschrauben auf der Oberseite befestigt sind. Einer mittig und jeweils einer an den Seiten angebracht. Damit ist der Amp mit zusätzlicher Manpower recht streßfrei über kurze Strecken zu transportieren, sollte sich ein Bandkollege mal bereit erklären. Denn alleine möchte man den Koloss eigentlich nirgendwo hin bewegen. Will sagen, ohne Sackkarre, gesundem Rücken und ordentlich Schmalz im Arm sind öffentliche Verkehrsmittel oder andere lange Strecken ohne entsprechende Transportmöglichkeiten keine Option.
Rein optisch präsentiert sich der BC30-212 in schwarzem, strukturiertem Tolex, wie man es auch von der restlichen V-Serie gewohnt ist. Es erscheint mir nicht besonders anfällig oder empfindlich, ist durchweg sauber verarbeitet und wird an allen acht neuralgischen Punkten zusätzlich von schwarzen geschraubten Metallecken geschützt. Die Front bietet durch das cremefarben abgesetzte Tolex rund um die Bedienelemente eine sehr nette Optik. Mittig das (im Betrieb beleuchtete) BUGERA-Logo. Zusätzlich ist dieser Bereich von der schwarzgrau, silbrigen Frontbespannung der Speaker durch eine schwarze Kunststoffleiste getrennt. Diese zeigt sich im seitlichen Gegenlicht leicht wellig, was aber beim direkten Blick auf die Front nicht zu erkennen ist.
Die komplette Front ist zusätzlich mit einem sauber ausgeführten goldenen Piping in das Gehäuse integriert. Solche Details gefallen mir immer sehr gut. Stand-und rutschfest ruht der Combo auf vier recht massiven Gummifüßen. Nothing special here.
Das Gehäuse des BC30-212 besteht komplett aus MDF, das Frontbaffle der Speaker hingegen aus zähem Sperrholz. Das macht aufgrund der großen Resonanzen und Belastungen, die im Betrieb von den beiden schweren 12 Zöllern ausgehen, durchaus Sinn. MDF wäre hier ein minderwertiger Kompromiss mit fragwürdiger Haltbarkeit.
Das Gehäuse ist innen komplett schwarz matt lackiert. Das Frontbaffle natürlich beidseitig. Zusätzlich erwähnen möchte ich auch hier die Verwendung von Einschlaggewinden und Maschinenschrauben für die Verschraubung der beiden Backbaffles (oben und unten) in den hinteren Gehäuseleisten. Das habe ich bei vielen deutlich höherpreisigen Marken schon mit simplen dünnen Holzschrauben gesehen, was sich für mich nur als zwielichtige Kosteneinsparung erklären lässt, denn es ist imho eine minderwertige Befestigung mit geringer Haltbarkeit. Erst recht, wenn man diese Bretter öfters zum Zwecke von Modifikationen und/oder Röhren-/Speakertausch entfernt und wieder einsetzt. Man darf nicht außer Acht lassen, daß die stabile Verschraubung der Baffles einen enormen Teil der Stabilität/Statik des Gehäuses ausmacht. Ausgeleierte Holzschrauben sind da nicht besonders hilfreich.
Frontpanel:
Die Bedienelemente auf der Vorderseite unterteilen sich in drei Sektionen.
Im Prinzip handelt es sich um einen Amp mit zwei voneinander unabhängigen Preamps plus Endstufe. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Beschaltung der High und Low-Inputs der Vorstufen, die jeder "Kanal" separat anbietet. Die High-Inputs zeigen jeweils eine Eingangsimpedanz von einem Megaohm mit 0dB. Die Low-Inputs hingegen sind mit einer Impedanz von 136 Kiloohm mit -6dB bedämpft. Somit verarbeitet der BC30 neben schwachen Vintage-Singlecoils oder Gretsch Filtertrons mit relativ wenig Output auch die Art Pickups problemlos, die dank ihres gewaltigen Outputs so manche Vorstufe ohne große Mühe ins Schwitzen bringen können.
Der Clean-Kanal auf der linken Seite des Panel zeigt sich mit dem obligatorischen Volume und einer passiven aber sehr effektiven Zweiband-Klangregelung (Bass und Treble), die sich gegenseitig stark beeinflusst.
Damit lassen sich extreme EQ-Settings einstellen, die mir bislang so noch nicht untergekommen sind. Von "telefonstimmenartigen" Effekten bis zum Mega-Handschuhton ist da alles drin. Für meine Bedürfnisse ist das fast schon wieder zu viel Regelweg. Während der gesamten Zeit mit dem Amp habe ich mich mit meinen Gitarren und Soundvorstellung eher eng um die Mittelstellung beider EQ-Potis bewegt. Aber ich bin auch sehr eingefahren, was meinen Ton angeht. Ich würde mich also nicht als besonders experimentierfreudig bezeichnen. Krieg ich einen halbwegs "fenderesken" Klang, bin ich zufrieden. Das kann der Kanal je nach Settings und Eingangspegel eigentlich auch ganz gut. Allerdings ist immer eine gehörige Schippe Rotz im Ton zu erkennen (ähnlich meinem Blues Deluxe/Deville mit ordentlich Presence, Mitten weit offen und Volume kurz vor dem ersten Anzerren) und so ist der ganze Amp auch abgestimmt.
(Volume etwa 11 Uhr, Master 8 Uhr, EQ 12 Uhr, abgenommen ist der 100 Watt Speaker. Kontrabass und Rhythmusgitarre sind von mir eingespielt, Drums sind aus der Internet-Dose. Gitarre ist eine Gretsch 5420, beide Pickups.)
https://soundcloud.com/oliver_langner/clean001-mp3
Der will nicht "smooth" oder leise spielen, der will nicht mal "nett" oder gar mein Freund sein. Der will sich vehement durchsetzen. Eher ein rücksichtsloser Einzelgänger als ein braver Teamplayer. Nicht falsch verstehen, der Bugera BC30 kann sich ja nach Spieler auch unterordnen aber sein angestammtes Metier ist das nicht.
Und wenn der erste Kanal schon immer leicht zornig klingt, was mag einen da im zweiten Kanal erwarten?
Der zweite Kanal in der Mitte des Panels hat natürlich wieder einen Volumepoti für die entsprechende Vorverstärkung (die erwartungsgemäß bei gleicher Potistellung schon deutlich über der des ersten Kanals liegt)
(Einstellungen wie oben, Tone-Switch auf Stufe 4)
https://soundcloud.com/oliver_langner/dirty002-mp3
und dazu ein wirklich interessantes und ungewöhnliches Feature:
Eine sechstufige Tone-Switch Regelung, die als passiver Hochpassfilter erster Ordnung (bekannt als low cut filter) arbeitet. Die unteren Grenzfrequenzen greifen je nach Schalterstellung bei 17Hz, 40Hz, 88Hz, 125Hz, 340Hz und 500Hz.
Und das macht mal richtig Laune! Damit kriegt man mit schwachbrüstigen Teles und Strats etc. sehr mächtige und raumgreifende Les Paul-Sounds mit ordentlich "Bottom" untenrum. Im Umkehrschluß heißt das auch, daß eine Les Paul mit ihrem tonalem Fundament plötzlich unglaublich spritzig, wendig und "stratig" klingen kann. Das gefällt mir viel, viel besser als jedes Gitarren-Modelling, das ich damals mit meiner '59 James Tyler Variax emulieren konnte. Das macht eben nicht nur Spaß, sondern ist ein durchaus sinnvolles Feature auf der Bühne und im Proberaum. Mich hat diese Flexibilität jedenfalls restlos begeistert.
Ganz wichtig ist (für die, die es noch nicht bemerkt haben): Es gibt keine ampinterne Möglichkeit der Kanalumschaltung, keinen Footswitch oder ähnliches. Das lässt sich einzig und allein über einen A/B, einen A/B/Y-Schalter oder ähnliches realisieren! Zwei komplett voneinander getrennte Kanäle eben. Auf diese Option sollte man jedoch nicht verzichten. Ich habe bei zwei Gigs einen Lehle-Switch dafür verwendet und es funktioniert perfekt, zumal die Kanäle sich je nach Einstellung wirklich gut ergänzen. Saubere Fingerpickings in der Begleitung und für die Soli ab in den zweiten Kanal mit richtig Dreck.
Und so richtig auf die Spitze treiben lässt sich das Ganze dann noch mit dem Patchen der Kanäle (also seriellem Betrieb beider Preamps hintereinander) per Einschleifen über den FX-Loop.
Das ist ein ziemliches Gewitter und lässt selbst meine '50s Classic Player nach High-Gain Monster klingen (mit den entsprechend verstärkten Nebengeräuschen der Singlecoils natürlich. Ihr hört es ja in den Aufnahmen). So habe ich mich jedenfalls mal ein paar Stunden in der "harten Ecke" rum getrieben und fand das klanglich richtig knorke.
Ich muß mal in mich reinhorchen, vielleicht hab ich ja doch irgendwo einen Hard'n'Heavy Rocker in mir. Spaß gemacht hat es allemal.
(Hier sind beide Kanäle seriell gepatched und beide Volumes voll offen. Master weit unten. Tone-Switch nach und nach durchgeschaltet, achtet auf die Markierungen! Gitarre Fender Telecaster 50's mit Nocaster-Pickups. Abgenommen ist der 80 Watt Speaker)
https://soundcloud.com/oliver_langner/cut001-mp3
Des weiteren stellt das Manual hilfreich einige Beschaltungsszenarien der Kanäle und der Send und Return Buchsen bereit, die für mich als "one pedal man" (Slapback echo) jedoch nicht relevant sind.
Die Endstufenregelung auf der rechten Seite des Panels hingegen ist in ihrem Aufbau wieder so dermaßen "vintage", daß man sich eventuell die Augen reibt. Das Mastervolume ist als PPIMV (post phase inverter master volume) ausgelegt. Diese Art der Schaltung wird bei vielen Amps nachträglich als Lautstärkeregulierung/-reduzierung verbaut, weil sie schlicht großartig reagiert und eigentlich eher wenig klangliche und dynamische Einbußen mit sich bringt. Der Bugera BC-30 arbeitet also "serienmäßig" mit diesem Schmankerl. Soweit, so gut.
Allerdings darf man sich aber auch keine Illusionen machen, den maximalen Bühnensound mit dort aufgerissener Endstufe nun plötzlich bei Wohnzimmer- oder gar Bedroompegel zu bekommen. Zum einen greifen da wieder die von uns Gitarristen so verhassten Gesetze der Psychoakustik, zum anderen arbeitet die Endstufe mit ihrem Arbeitspunkt im Class-A Betrieb (also immer auf "Vollgas") und natürlich Push/Pull.
Im Zusammenspiel mit dem relativ heiß laufenden Quartett EL84 will und muß die Endstufe arbeiten, soll sie das komplette tonale und dynamische Spektrum des Amps abbilden. Drastisch gesagt, alles unterhalb von vielleicht 10 Uhr Mastervolume Potistellung klingt im Vergleich zu hohen Lautstärken gefühlt regelrecht kastriert. In diesem Bereich kann der Amp seine vorhandenen Stärken einfach nicht ausspielen. Wer sich also einen Combo für hauptsächlich Recording- oder Übungszwecke zu Hause hinstellen möchte, ist mit diesem Amp denkbar schlecht beraten. Der BC30 ist ein ausgewachsener Proberaum-und Bühnenamp, der seine Muskeln spielen lassen will.
Alles andere ist wie ein wütender, blutverschmierter Bruce Willis im schmutzigen Unterhemd statt dem Tweedsakko tragenden Tom Hanks in "Schlaflos in Seattle". Mag irgendwie auf seltsame und skurrile Art und Weise funktionieren, muß man aber nun wirklich nicht haben und ist auch nicht Sinn der Übung.
Die Endstufensektion bietet weiterhin einen sogenannten Cut-Poti. Dieser stufenlos regelbare Tiefpassfilter erster Ordnung sitzt direkt vor der eigentlichen Endstufe. Das bedeutet, daß seine Wirkungsweise stark vom Mastervolume abhängig ist. Bei gehobener"Zimmerlautstärke" oder darunter ist eigentlich kein Effekt wahrnehmbar. Mit zunehmendem Pegel jedoch lässt sich damit noch mal ein ganzes Stück am Klangumfang der Endstufe kurbeln. Die Wechselwirkung ist sehr interessant, jedoch eben nur bei höheren Pegeln wirklich relevant. Ich habe es zumindest nur ansatzweise bei einigen Gigs testen können, zu Hause für die Aufnahmen hätte mich wohl sonst die Wohnungsbaugesellschaft zwangsräumen lassen.
Daher gibt es davon auch kein Recording.
Neben diesen Regelmöglichkeiten findet sich ganz rechts daneben noch das orange Jewellight als Betriebsanzeige und der Standby- nebst Powerswitch, beide als stabile Metallkippschalter ausgeführt.
Wie unschwer auf den Bilder zu erkennen ist, wird die Beschriftung der Potis auf dem schwarz glänzenden Frontbaffle (und auch das große BUGERA-Logo darunter) orange illuminiert, sobald der Amp (Power on) in Betrieb genommen wird. Das Jewellight allerdings reagiert erst, wenn der Amp zudem spielbereit aus dem Standby genommen wird. Das ist anfänglich etwas irritierend, weil man es einfach anders gewohnt ist, ergibt aber tatsächlich Sinn. Auf dunklen Bühnen oder weitere Entfernung lässt sich so erkennen, woher die Stille aus den Speakern nun wirklich stammt.
Ich wäre wohl nicht der Erste, der die ersten Takte eines Gigs mit hektischer Fehlersuche und Potidreherei an Gitarre und Amp beginnt,weil "Schlafmütz" verpennt hat, den Verstärker vorher aus dem Standby zu schubsen. True story!
Was die illuminierten Beschriftungen der Potis angeht, sehe ich das ähnlich. Ich habe von meinen Bandkollegen mehrmals ein scherzhaftes "Seit wann haben wir einen Spielautomaten im Proberaum?" gehört.
Zugegeben, das wirkt auf den ersten Blick schon sehr fancy und irgendwie übertrieben, weil ungewöhnlich. Andererseits ist es eine enorme Erleichterung auf der meist dunklen Bühne, wenn in Sekundenbruchteilen zwischen den Titeln oder gar mitten im Song der richtige Regler getroffen werden muß. Wie oft hab ich schon gebückt "Arsch gen Publikum" gestanden oder gar auf Knien den richtigen Poti gesucht, weil die Beschriftung im Dunkel der Backline nicht zu erkennen war. Okay, bekanntermaßen ist der Blues Deluxe/Deville (die ich für gewöhnlich spiele) da besonders fies und hat die Beschriftung auch noch falsch herum (also nur "von hinten"zu lesen). Jedoch ist die Beleuchtung des Bugera keineswegs penetrant hell, sondern eher dezent, auch wenn es auf den obigen Fotos durch das dunkle Zimmer und die uralte Kamera vielleicht etwas anders erscheint.
Für mich ist das also überhaupt kein Problem, sondern ich nehme die Hilfe gerne an und es gibt sicherlich auch viele Gitarristen, die das sogar zusätzlich als Eyecatcher mögen.
Allgemein lässt sich noch sagen, daß die mit cremefarbenen Chickenhead-Potiknöpfen versehenen Achsen angenehm sahnig, jedoch nicht zu schwergängig laufen. Klinkenbuchsen, Tone-Switch als auch Kippschalter rasten satt ein und machen einen recht wertigen Eindruck. Positiv ist ebenfalls, daß keine der Bedienelemente über das Gehäuse überstehen. Beim Transport in Fahrzeugen mit anderem Equipment zum Beispiel kann man also ruhigen Gewissens eng packen, ohne sich schlagartig selbst ins Bein zu schießen.
Man sollte meinen, das wäre eine Selbstverständlichkeit. Dem ist leider nicht so.
Nicht verschweigen möchte ich an diesem Punkt ein kratzendes Masterpoti, das im unteren Regelbereich bis etwa 8 Uhr keine zuverlässige Einstellung zuließ. Laut Jan und Mario jedoch ist das bei einer Vorserie keinesfalls ungewöhnlich. Aufgrund der qualitativen Anmutung der restlichen Potis sehe ich das auch völlig unproblematisch. Da hat sich ein Ausreißer in der frühen Entwicklung eingeschlichen.
Backpanel und Speaker
Beginnen wir wieder auf der linken Seite (von hinten gesehen).
Wenig überraschend findet sich die Kaltgerätebuche für die Netzversorgung. Darunter die Seriennummer und der Date Code der Produktion. Über der Buchse ist der Aufkleber mit der Typenbezeichnung für die Netzsicherung (Auslösecharakteristik T für "träge", 1,6 Ampere, 250 Volt), die sich rechts daneben in einem Bajonettverschuß befindet.
Neben den obligatorischen Herstellerinfos und Warnhinweisen kommen wir nun endlich zu den interessanten Details.
Der BC30 stellt pro Kanal einen seriellen FX-Loop zur Verfügung. Diese sind für Channel 1 und Channel 2 untereinander angeordnet. Ich sehe für mich als gelegentlichen User eines einzigen schlichten Analog Echos leider keine Möglichkeit, dieses parallel über beide Kanäle zu betreiben. Das ist für mich das große Manko zweier separater Vorstufen. Da hilft dann nur, das Pedal in guter alter Manier direkt hinter die Gitarre zu klemmen und von da aus in die A/B-Box zu gehen. Kein Problem, das funktioniert seit Anfang der fünfziger Jahre (uns Lester Polfus hat es uns vorgemacht) auch ohne Effektwege und es sind trotzdem zigtausende grandiose Titel so entstanden.
Neben den FX-Loops kommen wir zu einem ominösen Phase Switch (Normal/Reverse). Dieser Schalter sorgt für eine Phasenumkehr der internen und optionalen Speaker. Nun mag sich so mancher fragen, warum sollte ich das tun und was bringt es. Das Zauberwort heißt "Phasenauslöschungen". Was da genau passiert, möchte ich hier nicht ausführen, da es ein komplexes und umfangreiches Thema ist (Frequenzen, Amplituden, Interferenzen etc.). Es finden sich aber viele kompetente Beiträge dazu im Musiker-Board und Internet allgemein.
Nur kurz: Es kann ungemein hilfreich bei "echten" Stereo-Setups und bei Studio- und Recordingsituationen sein. Selbst bei Gigs mit Monitoring auf der Bühne kann das den ganzen Abend retten, wenn der gewohnte Sound auf und vor der Bühne plötzlich seltsam dünn und nasal klingt.
Der Switch ist also keineswegs eine sinnlose Spielerei, sondern ein Tool, das ein permanent auftretendes und alltägliches (leider auch oft unerkanntes) Problem der E-Gitarristen in vielen Situationen mit einem Druck auf diesen Schalter egalisieren kann.
Aha, Leistungsreduzierung klingt gut! Das ist nämlich der Schalter, der als Nächstes folgt. Der Bugera BC30 leistet satte 30 Watt aus vier EL84, die er auf zwei kräftige 12" Speaker drückt. Der damit erreichbare Pegel ist schlicht unerträglich und ich möchte keinem empfehlen, sich bei einem solchen Versuch direkt vor, neben oder hinter den Amp zu stellen. Ernsthaft! Der Tinnitus ist garantiert! Der BC30 ist brutal laut und steckt meinen Blues Deluxe mit 40 Watt ganz locker in die Tasche.
Ich habe den Bugera vor einem Soundcheck im "Roadrunners Paradise" in Berlin (sehr große Location und Bühne) ein einziges Mal komplett offen gehabt. Der Combo in der aller hintersten Ecke der Backline auf der Bühne, ich mit einer P90 bestückten Les Paul in etwa 12 Metern (länger war das Kabel nicht) Entfernung im Zuschauerraum. Durch die etwa 1,20m erhöhte Bühne zielten die Speaker auch noch direkt auf die Ohren...
Klanglich war das traumhaft, für den FOH und die Zuschauer in den ersten Reihen wäre das jedoch indiskutabel laut. Echte Endstufensättigung bei Vollgas aus diesem fiesen Gesellen zu bekommen, dürfte sich für die allermeisten Gitarristen weit oberhalb praktikabler Lautstärken bewegen, die heutzutage üblich sind. Aber es bleibt die Erinnerung und ein Pfeifen im Innenohr...
Es gibt mittlerweile einige technische Methoden der Leistungsreduzierung in der Endstufe. Angefangen von kräftezehrenden Attenuatoren oder Powersoaks über die Absenkung der Anodenspannung bis hin zum oft praktizierten Ziehen eines Endstufenpaares. Letzteres Prinzip macht sich quasi der BC30 zunutze. Durch die Betätigung des Schalters von "Full" auf "Half" schaltet der Bugera dem inneren Endstufenpaar des Quartetts die Spannung aus dem Gebälk. Das Ergebnis ist eine um 50% reduzierte Endstufenleistung auf "nur noch" 15 Watt.
Die Gänsefüßchen erlaube ich mir mit Hinweis darauf, daß halbe Leistung nicht halber Pegel bedeutet. Und zwar physisch wie auch akustisch nicht.
Im direkten Vergleich zum 30 Watt Modus wirkt der BC30 bis Mastervolume 11-12 Uhr nicht merklich leiser. Während der Amp aber danach im "Full" Power immer noch eine gute Schippe drauflegt, bricht er als 15 Watter dann allmählich weg und geht schön in die Sättigung. Das ist der Punkt, der mir persönlich am Besten gefällt, das ist mein "sweet spot". Da blühen die Noten schön auf, stehen ewig lang und es ist noch reichlich Transparenz da. Das ist zwar immer noch mächtig laut aber mit etwas Überzeugungsarbeit und Überredungskunst gegenüber dem Tontechniker und den Bandkollegen funktioniert das sicherlich.
Direkt damit verbunden ist der nebenliegende Impedanzwahlschalter. Dieser ist eben nicht nur für die Impedanzanpassung der Endstufe an die internen Speaker mit zusätzlichen Cabinets einzustellen, sondern bedarf auch nach dem Schalten in den Half Power-Modus der Korrektur. Durch das Wegschalten eines Röhrenpaares verdoppelt sich die Ausgangsimpedanz der Endstufe. Leider fehlt dieser Hinweis im Manual beim Kapitel "Leistungsreduzierung", ist aber überdeutlich an der Beschriftung des Schalters selbst ersichtlich. Des Weiteren bietet das Manual aber eine übersichtliche Tabelle über alle möglichen Belegungen der Speaker-Buchsen mit dazugehöriger Angabe der zu wählenden Ausgangsimpedanzen. Im Zweifel also einfach mal in die Bedienungsanleitung schauen, dann schlägt der AÜ auch keine Funken, kein Gitter brennt ab und man kann beruhigt weiter rocken.
Als Letztes finden sich auf dem Backpanel die beiden parallel geschalteten Speaker-Buchsen. Davon ist die linke Buchse bereits mit den beiden (seriell geschalteten = 16 Ohm) internen Speakern belegt.
Das Lautsprecherkabel zu den beiden Lärmpappen ist ordentliche Qualität und keine unterdimensionierte Telefonlitze. Sowas sind zwar nur kleine Details aber die machen unter dem Strich viel aus.
Puh.....,kurz durchatmen...
Mischbestückungen in Combos und Cabinets sind gerne praktiziert und beliebt. Speakerkombinationen aus unterschiedlichen Typen, Marken und Größen können eine echte Bereicherung sein. Nicht nur für den eigenen Geschmack, wenn sich bestimmte Lautsprechersounds überlagern und ergänzen, sondern zum Teil auch bei der Mehrfachmikrofonierung im Studio oder auf der Bühne. Bugera verbaut im BC30 ebenfalls zwei verschiedene Chassistypen. Dabei handelt es sich um einen 12G100B8 (12", Guitar, 100 Watt, 8 Ohm) und einen 12G80A8 (80 Watt). Die Speaker unterschieden sich nicht nur in ihren Leistungsdaten, dem technischen Aufbau und der Größe des Magneten,sondern vor allem ganz erheblich im Sound.
Während der 100 Watter ein ziemlich straffer, aggressiver und direkter Geselle ist, der sicherlich auch bei modernen Stilarten eine gute Figur machen würde (ich fühle mich unweigerlich an einen V30 erinnert), bringt der 80 Watter ein komplett anderes Fundament mit sich. Er klingt sehr rund, hat wunderschöne glockige Mitten und die von mir als Fender-User so geliebten glasigen Höhen. Auch da kann ich mir den Vergleich mit einem Keramik-Jensen nicht verkneifen.
Eigentlich eine Mischung, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnte. Im Zusammenspiel jedoch ergänzen sie sich astrein. Und je nach Belieben kann man damit bei der Mikrofonierung des Amps auf einen eher modernen Sound setzen oder eben ganz "vintagelastig" die Mikrofonmembranen ins Nirvana schicken. Schöne Idee mit großem Nutzwert!
(Bei der Aufnahme sind etwa alle 10 Sekunden die Speaker abwechselnd eingeblendet. Beginnend mit dem G80. Bitte auf die Markierungen achten!
Leider wirken die Unterschiede auf der Aufnahme wenig plastisch. Direkt vor dem Combo stehend jedoch ist es klar hörbar )
https://soundcloud.com/oliver_langner/speaker001-mp3
Die Befestigung der Chassis erfolgt natürlich auch hier mit Einschlaggewinden, Unterlegscheiben und Kreuzschlitz-Maschinenschrauben.
Ampchassis und Endstufe
Uff! Mein lieber Herr Gesangsverein!
13,8 Kilo allein für das Chassis ist natürlich eine Ansage. Aus soviel Metall in etwa bauen die Koreaner einen komplett neuen Hyundai Kombi!
Dementsprechend vorsichtig sollte man beim Ausbau auch sein, sonst ist schnell der Finger gequetscht. Auf den Rücken geworfen ist von der Vollröhrentechnik erst mal nur der rundum geschlossene Röhrenkäfig aus schwarz lackiertem Stahlblech mit der zusätzlichen Zwangsentlüftung in Form eines elektrischen Lüfters zu sehen.
Dieser Permanentlüfter ist im Betrieb übrigens völlig geräuschlos!
(Nach dem häufigen Demontieren und wieder Zusammensetzen des Ampschassis mit dem Käfig im Laufe des Tests mußte ich mehrmals mit meiner Hand unter dem Backpanel prüfen, ob ich auch die Entlüftung spüren kann und nicht versehentlich die Steckverbindung der Stromversorgung vergessen habe. Nichts zu hören von außen.)
Daneben thront unübersehbar der imposante Netztrafo. Ich habe selten in vintagebasierten Gitarrenverstärkern solch ein fettes Metallschwein gesehen.
Der Käfig samt Lüfter ist mit insgesamt sieben kleinen Schrauben am Chassis befestigt. Sind diese erst mal entfernt,
zeigen sich der ebenso großzügig dimensionierte Ausgangsübertrager auf der anderen Seite, mittig die Drossel und endlich ein freier Blick auf die Röhrenbestückung.
Vorab die Information, daß alle Röhrenfassungen aus hochwertigem Keramik bestehen und keine billigen und unter Umständen recht störanfälligen Kunststofffassungen verbaut sind. Gerade im Hinblick auf die unter Volldampf laufenden und thermisch damit ohnehin kritischen EL84 Pentoden ist das recht beruhigend, wie ich finde.
Beginnen wir mit den Doppeltrioden-Vorstufenröhren: Für den ersten Kanal sind eine 12AX7A und eine 12AX7B verantwortlich, welche parallel beschaltet sind. Der zweite Kanal hat im Eingang eine 12AX7A, die seriell vom Eingangssignal durchlaufen wird und last but not least sehen wir eine 12AX7C als Phasentreiber (welche eigentlich schon zur Endstufe zu zählen wäre) für das EL84 Quartett. Alle Vorstufenröhren und der Phasentreiber sitzen unter strammen Abschirmbechern mit Bajonettverschluß.
Zum einen halten diese Becher natürlich die kopfüber hängenden Röhren zuverlässig in Position, zum anderen werden dadurch elektromagnetische Einstreuungen in das Signal effektiv minimiert. Ich bilde mir ein, daß durch den Druck der Federn in den Bechern auf die Glaskörper der Röhren auch die Mikrofonie in Grenzen gehalten wird aber das ist ein rein subjektiver Eindruck.
Leider erwies sich die 12AX7A des ersten Kanals nach Abnehmen der Becher als arg mikrofonisch, so daß ich diese mit einem neuen Pendant von Thomann ersetzt habe. Diese funktioniert einwandfrei, die alte Röhre wanderte direkt in die Abfalltonne.
Unterhalb der Vorstufensektion stehen die gematchten EL84 in Reih und Glied. Das Quartett läuft Push/Pull mit fixed Bias in Class A, wobei ich davon ausgehe, daß sich der Arbeitspunkt gegen Vollaussteuerung eher nach A/B verschiebt. Gesichert über massive Tube-Retainer bewegen sich die Kolben keinen Millimeter. Sehr schön stabil das Ganze.
Daneben/darunter befindet sich der BIAS-Adjust für die Endstufe inklusive Messbuchse und dem Einstellpoti für die negative Gittervorspannung (->BIAS).
Den "Please refer to manual"-Hinweis darunter für Einstellungsdetails und Daten hätte man sich aber für den Endkunden schenken können, denn im Manual wird dieses Kapitel überhaupt nicht erwähnt und selbst im Internet lässt sich (im Gegensatz zu den ebenfalls EL84 befeuerten V22 und 6L6 getriebenen V55 Modellen, deren Einstellungen auf der Bugera-Homepage Erwähnung finden) keine Anleitung auftreiben. Das ist für den versierten Techniker kein Problem (es gibt ja genug Möglichkeiten der BIAS-Messung ohne Messbuchse). Für den Nutzer ohne technisches Hintergrundwissen, der sich auch aus dem offenen Chassis im Betriebsmodus tunlichst heraushalten sollte, ist das allerdings eher ärgerlich. Dazu bedarf es dann also speziellem Messwerkzeug (BIAS-Adapter) oder es muß tatsächlich kompliziert am offenen Herzen operiert werden, was ein gefährliches Unterfangen sein kann, wenn man allzu unbedarft daran geht. Die Bias-Einstellung erfolgt für alle vier Endstufenröhren, also beide Paare (innen und außen), gleichzeitig. Das erfordert bei einem notwendigen kompletten Wechsel unbedingt ein gematchtes Quartett, da es sonst bei "unrundem" Lauf beider Röhrenpaare zum bekannten Leerlaufbrummen und unerwünschten Übernahmeverzerrungen kommen kann.
Wie bei allen Verstärkern, die mehr oder minder auf dem Konzept des Vox AC30 basieren, laufen die EL84 bedingt durch den Arbeitspunkt (Class A), der aufzubringenden Leistung und dem technischen Aufbau diese Art Pentode immer sehr, sehr "heiß" und am Ende ihrer Spezifikationen. Damit unterliegen die EL84 entgegen anderen Pentoden (EL34) oder Beam Power Tetroden (6V6, 6L6, KT66 etc.) einem erhöhten Verschleiß.
Daß ich das so explizit erwähne, hat einen gewichtigen Grund:
Kommt man beim Bugera BC30 auf die Idee, den Röhrenkäfig samt verbauten Elektrolüfter im Betrieb komplett wegzulassen (zum Beispiel um verschiedene Vorstufen-, Endstufen- oder Gleichrichterröhren im direkten Vergleich zu tauschen/testen oder im worst case schnell auf das Innenleben zugreifen zu können), wird sich das komplette Chassis innerhalb weniger Minuten ohne Zwangsentlüftung der Endstufen stark erhitzen. Das wirkt sich unmittelbar auf die vorschnelle Alterung der EL84 und wahrscheinlich auch sämtlicher anderen elektronischen Komponenten im Chassis aus. Ich habe mehrmals den Amp ohne Käfig und Lüfter laufen lassen, um direkten und schnellen Zugriff auf alle Röhren zu haben. Nach etwa 10 Minuten war die Rück- und Vorderseite des Chassis dermaßen warm, daß ich mir ordentlich Sorgen machte und letztlich diese Zustände auf ein Minimum beschränkte.
Das wir uns nicht falsch verstehen! ALLE Verstärker in solcher Bauweise (und da gibt es einige Typen in sämtlichen Preisbereichen) zeigen dieses Verhalten. Manche ignorieren die starke Hitzeentwicklung mehr oder minder und vertrauen auf (meiner Meinung nach völlig unzureichende) passive Maßnahmen wie einfache Lüftungsöffnungen im Gehäuse und/oder dem Backbaffle. Manche jedoch be- oder entlüften die kritische Sektion aktiv per elektrischem Lüfter, was nach meinem Verständnis die deutlich langlebigere und zuverlässigere Konstruktion darstellt. Man muß sein Glück nicht permanent herausfordern (besonders wenn man den Amp professionell nutzen möchte) und die heutige Qualität der Röhren ist bei weitem noch nicht wieder auf dem qualitativen Stand der 50er und 60er Jahre, obwohl es imho langsam wieder bergauf geht. Insofern ist die Zwangsentlüftung (also die Abwärme der Endstufenröhren wird kontrolliert abgesaugt) des Bugera eine gute Sache. Man muß sich aber eben darüber im Klaren sein, daß ein unbedacht entfernter Röhrenkäfig samt Lüftung schnell zu einem unschönen Resultat führen kann. Hier kommen übrigens auch wieder die hochwertigen Keramikfassungen der Endstufenröhren ins Spiel, die solche Belastungen ohne Weiteres wegstecken können. Uns allen ist wohl nochdie Problematik der ersten Peavey Classic Röhrenfresser bekannt,deren Kunststofffassungen im Betrieb ganz schnell den Geist aufgaben und teils sogar zu Kurzschlüssen führten. So, gibt es noch was zur Endstufe zu sagen....? Nö, ich denke, das war soweit alles Wichtige.
Noch ein kurzer Blick ins Innere:
Zum Inneren des Ampchassis lässt sich eigentlich nur sagen, daß das in meinen Augen alles sehr ordentlich ausschaut. Es gibt keine Auffälligkeiten oder negativen Aspekte, die ich hier beleuchten könnte. Die Kabellage ist ordentlich verlegt, es finden sich keine Lötfehler oder Flußmittelreste. Die Platinenelemente sind stabil auf gelöteten Distanzstücken verschraubt, die Bauteile allgemein machen einen wertigen Eindruck.
Röhrenheizung und Endstufenanoden sind mit insgesamt vier separaten Feinsicherungen sehr übersichtlich abgesichert. Sollte sich mal ein Problem darstellen, das sich mit einem schlichten Sicherungswechsel nicht beheben lässt, grenzt das eine eventuell notwendige Fehlersuche enorm ein.
Ich möchte nun keinem elektrotechnischen Laien (wie mir zum Beispiel) empfehlen, ausgiebig in dem komplexen Layout herumzuwerkeln. Ich würde mir aufgrund der Übersichtlichkeit mit etwas Zeit und Geduld aber sicherlich den Austausch des ein oder anderen Bauteils zutrauen. Ansonsten sollte der Aufbau einen versierten Techniker nicht vor unvorhersehbare Probleme stellen.
Gleichrichtung
Die Gleichrichtung der Wechselspannung hinter dem Netztrafo geschieht beim Bugera BC30 nicht wie heutzutage in der Großserienfertigung üblich via Halbleiterdioden, sondern ganz "vintage" über (eine) Gleichrichterröhre(n). Diese Bauweise der Gleichrichtung hat klanglich einen enormen Einfluß auf das Gesamtbild. Während Dioden einen normalerweise sehr straffen, linearen und unnachgiebigen Charakter an den Tag legen, wirken Gleichrichterröhren ab einem gewissen Leistungspunkt der Endstufe sehr rund und federnd. Da beginnt der beliebte Gleichrichter-"Sag", also das Einbrechen der Versorgungsspannung der Endstufe, da die Gleichrichterröhre nur noch mühsam mit derselben nachkommt. Rein technisch gesehen bedeutet das eine Unterdimensionierung der Gleichrichtung, in unseren Ohren klingt das jedoch irre musikalisch. Ab Werk wird der BC30 mit einer einzelnen 5AR4 (besser bekannt als GZ34) ausgeliefert.
Eine guter und verlässlicher Partner für diesen Zweck. Alternativ darf der BC30 aber auch mit zwei eher recht seltenen und somit exotischen 5V4G in den Fassungen mit sogenannten "Bärenkrallen" betrieben werden.
Und da muß ich leider Bugera für das Manual mal mächtig auf die Finger klopfen. Während die korrekte Typenbezeichnung 5V4G zwar auf dem Ampchassis zu finden ist, lässt das Manual den Typ 5U4G verlauten.
Nun mag man meinen, das mache keinen Unterschied, ist ja schließlich nur ein Buchstabe. Richtig ist jedoch, diese beiden Röhrentypen verrichten zwar dieselbe Arbeit, haben jedoch stark voneinander abweichende Betriebsparameter und Leistungsdaten, sind also keinesfalls direkte Austauschtypen! Im schlimmsten Falle riskiert man beim Betrieb des Amps mit zwei 5U4G unter Umständen einen Defekt (sechs statt vier Ampere Heizstrom auf dem 5 Volt Abgriff) des Netztrafo und damit eine teure und unnötige Reparatur.
Bugera hat jedoch in der Bedienungsanleitung der jetzigen Serie nachgebessert. Im Internet findet sich dazu bereits der überarbeitete "Quick Start Guide"auf der Bugera Homepage des BC30 (siehe Link unten).
Natürlich habe ich mich um ein Paar 5V4G bemüht und das war eine ziemliche Sucherei in den Weiten des World Wide Web. Diese Röhren werden aktuell nicht mehr gefertigt und sind somit nur noch gebraucht im fragwürdigen Zustand oder eben zu noch fragwürdigeren Preisen NOS über diverse Portale zu ordern. Ich hatte Glück und bekam ein NOS-Pärchen von General Electrics aus den USA zu einem noch erträglichen Kurs.
Kurzinfo: Die heutzutage noch erhältlichen 5V4G sind geschätzt zu 95% ausgewachsene "Coke Bottles" in ihrer so eigenen Form und eben auch Bauhöhe. Es gab sie zwar auch vereinzelt als "einfache" 5V4 in kleiner Bauform aber diese sind noch seltener zu finden als die ohnehin schon raren Coke Bottles. Was will uns der Verfasser mit diesem Exkurs sagen? Die mächtigen Coke Bottles passen nicht unter den Röhrenkäfig! Keine Chance, da fehlen knappe zwei Zentimeter, um den Käfig wieder ordnungsgemäß mit etwas Luft zu den Kolben am Chassis zu verschrauben. Da war ich erst mal richtig baff und mußte zwei, drei Zigaretten zur Beruhigung rauchen.....
Wie ich nun oben ausführlich beschrieb, ist ein Betrieb des Amps ohne Käfig, der die notwendige Kühlung/Lüftung huckepack trägt, nicht empfehlenswert. Also sprach ich kurz mit Jan und Mario von Bugera und holte mir das Einverständnis, den Käfig dahingehend zu modifizieren. Ich habe dann mit einem dünnen Metallsägeblatt entlang der gestanzten Lüftungsschlitze eine Öffnung in den Käfig gesägt, die entstandenen Kanten entgratet und mit mattschwarzem Lack wieder versiegelt. Sieht nun fast aus, als gehöre es so.
Um ganz ehrlich zu sein, habe ich mir vom Wechsel der Gleichrichterröhre(n) deutlich mehr tonalen und/oder dynamischen Unterschied erhofft. Im Wohnzimmerbetrieb ist davon natürlich erwartungsgemäß nichts zu spüren. Im Proberaum jedoch hatte ich den Master bei etwa 12 Uhr, habe dann während der Probe (die entnervten Gesichter meiner Bandkollegen sind mir noch immer in guter Erinnerung) mehrfach die Gleichrichter getauscht und sehr genau hingehört.
Ich kann dem 5V4G Duo bestenfalls und mit viel gutem Willen eine minimal weichere Note beim Attack zugestehen. Die einzelne GZ34 scheint da etwas stabiler zu agieren. Allerdings fällt dieser Eindruck in meinem Falle unter "ferner liefen". Es mag durchaus sein, daß sich mit noch höherem Pegel eine deutlichere Differenz herausstellt. Dieser wäre jedoch weitab meiner praktischen Möglichkeiten im Proberaum und bei Livegigs. Man sollte als Semipro bei gemäßigten Lautstärken also keine Wunder erwarten, sondern allenfalls subtile Veränderungen in der dynamischen Ansprache.
Für manche Nutzer mag das ein ausreichender Grund sein, sich alte NOS-Schätzchen in den BC30 zu stecken. Für meinen Anspruch jedoch ist die Nuance einfach nicht relevant. Zumal GZ34 überall problemlos erhältlich sind, sollte es mal zu Problemen kommen, während die raren 5V4G als Duo nur schwer wieder aufzutreiben wären. Alles in allem ist das ein nett gemeintes Gimmick, daß sich für mich persönlich aber als wenig effektiv herausstellte.
Manual
Als letzten Punkt möchte ich mich noch ganz kurz zum Manual des Bugera BC30 äußern. Die Bedienungsanleitung ist vorbildlich und übersichtlich illustriert. Es zeigt neben ausreichender Beschreibung der einzelnen Komponenten (zu viel Geschreibsel führt auch eher dazu, das Manual wieder schnell zur Seite zu legen. Man will schließlich spielen und nicht Ewigkeiten mit vermeintlich sinnlosen Infos vergeuden) viele grafische Darstellungen möglicher Anschluß-Konfigurationen u.s.w.
http://www.bugera-amps.com/PDF/Downloads/BC30-212_QSG_WW.pdf
Das Nötigste kurz und knapp auf den Punkt gebracht, dazu noch knackige Tipps zu Einstellungen und Verkabelung. Finde ich alles sehr gut gelungen und es macht Spaß, darin etwas zu blättern.
Was mir sonst noch zum Bugera BC30 einfällt...
Wir müssen da nicht um den heißen Brei herumreden:
Der Bugera BC30-212 ist optisch wie auch in vielen technischen Details unübersehbar ein überarbeitetes Großserienpendant des Matchless DC-30. Daß Bugera das so offensichtlich darstellt, mag für viele störend sein. Aber letztlich ist es nur ehrlich und das rechne ich Bugera hoch an. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele dreiste Kopien bekannter Klassiker von Herstellern als eigenständige und selbst entwickelte Produkte angepriesen und dann im neu geschusterten Gewand auf den Markt gebracht werden.
Mir ist diese Offenheit Bugeras deutlich lieber als die späte und eventuell schmerzhafte Erkenntnis, da doch eigentlich mehr oder weniger eine Kopie eines bereits lang bestehenden Konzepts unter dem Pseudo-Deckmantel der firmeneigenen Innovation erworben zu haben.
Nicht zu vergessen ist, daß Bugera technisch eben nicht blind abgekupfert, sondern astreine Entwicklungsarbeit geleistet hat. Viele Details des Vorbilds wurden optimiert, konstruktive Fehler behoben und das Ganze dann in sauber gemachter Großserientechnik umgesetzt.
Die Konkurrenz des Bugera BC30-212 ist zwar dürftig gesät, dafür bewegt sie sich preislich jedoch in sämtliche Himmelsrichtungen...
Mir fallen dazu neben dem eigentlichen Vorbild Matchless DC-30 (momentaner Strassenpreis heftige 3190 €) natürlich der VOX AC-30 212 ein (ca. 850 €). Dann finde ich noch den Laney VC-30 212 (ca. 650 €) und ganz weit hinten im Hinterstübchen erinnere ich mich an den exklusiven Mesa Boogie Lonestar Special 212 (ca. 2700 €) und den Blackstar Artisan 30-212 (ca. 1500 €). All diese Verstärker haben viele konzeptionelle Gemeinsamkeiten, wie man ihren Daten unschwer entnehmen kann.
Der Bugera BC30-212 kommt nun mit einem Strassenpreis von momentan 385€ ins Haus.
Das kann man nun erst mal auf sich wirken lassen.
Bezüglich Ausstattung, Qualität und Leistung dürfte das wohl schlicht unschlagbar sein. Ich möchte nun keinesfalls die wirklich hochpreisigen Modelle auf eine Stufe mit dem BC30 stellen. Exklusivität, Herstellername und "Boutique" wollen bezahlt werden.
Somit sehe ich trotz kärglicherer Ausstattung eher den Großserien- VOX und Laney als direkte Konkurrenten. Preislich noch deutlich oberhalb des Bugera angesiedelt aber gerade deswegen sollte man bei Interesse an einem solchen Konzept unbedingt den BC30 in die Überlegungen miteinbeziehen.
Eine Pro und Kontra Liste erspare ich uns. Mein subjektiver Eindruck dürfte im Text hinreichend deutlich geworden sein. Der BC30 hat mich klanglich und konzeptionell jedenfalls überzeugt und er hat meine bis dato dürftigen Erwartungen wirklich weit übertroffen. Ich würde ihn jederzeit weiterempfehlen und hätte auch kein schlechtes Gewissen dabei.
Das Konzept ist puristisch, damit muß man umgehen können oder es sogar unbedingt wollen. Der Bugera BC30 macht es dem Nutzer nicht immer leicht und er stellt dessen Schwächen auch unverblümt bloß. Das ist einfach kein verzeihender "Geradebieger" oder "Schönfärber", wie er heutzutage oft zu finden ist, sondern eher ein Spezialist. Vielleicht daher sein bislang unbemerktes Dasein in der Bugera-Ampecke. Dabei hat der Combo irre viel zu bieten. Man muß sich aber schon mit ihm beschäftigen und ihn etwas kitzeln, ein wenig mit ihm kämpfen. So ähnlich wie mit einer alten Telecaster oder Strat mit fiesem 7,25"Fretboard Radius und entsprechend hoher Saitenlage. Da kommt auch nicht auf Anhieb Merle Travis oder "Slow hand"-Clapton raus. Wenn man sich aber reinhängt und es dann beherrscht, ist das Ergebnis umso schöner.
Was ich mir am Bugera BC30-212 noch wünschen würde...
Vor einiger Zeit haben mich Jan und Mario von Bugera in einem kleinen Interview mal gefragt, was ich mir am Bugera BC30 noch wünschen würde.
Neben einem langen Federhall-System für den Fender-Fan in mir, wäre aufgrund des Endstufenkonzepts sicherlich die neuartige Bugera "Varipower"-Regelung die perfekte Ergänzung. Damit wäre die enorme Lautstärke, bei der die Endstufe des Combos erst ihre tonalen Stärken ausspielen kann, ohne große klangliche Einbußen auf "erträglichen" und praktikablen Pegel eingebremst. Der Amp ist für dieses Feature (oder anders herum) eigentlich wie geschaffen, daher wundert es mich, daß diese Leistungsreduzierung nicht von Anfang an bei der Konstruktion Beachtung gefunden hat. So würde sich meiner Meinung nach der interessierte Kundenkreis deutlich breiter definieren.
Ich wäre auch der Infinium-Technologie im BC30 überhaupt nicht abgeneigt. Die Endstufe läuft immer hart an der Grenze zum Suizid. Wenn ich jetzt noch davon ausgehe, daß die Endstufenröhren im Laufe ihres ohnehin schon stressigen Lebens im Bugera BC30 in ihren Werten ordentlich auseinander driften werden (und das tun sie mit ziemlicher Sicherheit), würde ich mir eine permanente Überwachung der Parameter mit eigenständiger Regulierung wünschen. Infinium kann das, daher mein Votum auch dafür.
Natürlich kann (und muß) man das als versierter Ampschrauber des öfteren über eine manuelle Bias-Justage selbst tun. Das bedeutet aber nicht, daß alle vier EL84 gleichzeitig in ihrem optimalen Bereich arbeiten. Da würde ich mir diese Arbeit gerne abnehmen lassen und stattdessen die Zeit ins Gitarre spielen investieren.
Zum Schluß möchte ich mich nochmal ganz herzlich bei Jan und Mario von Bugera bedanken. Die Gespräche mit ihnen waren sehr informativ und sie standen mir mit Rat und Tat zur Seite, wenn ich mal wieder nicht weiter wusste...
Ich mußte das Review leider gehörig kürzen und die Software lässt auch nur 50 Anhänge (Bilder) pro Beitrag zu.
Das wäre wohl sonst eine Endlosnummer geworden. Wenn ihr also noch Fragen oder Anmerkungen zum Amp habt, dann her damit.
Im Rahmen einer langfristigen Initiative des Boardbetreibers ist es den "Illuminaten" (also HCAs, HFUs und MODs) des Musiker-Boards über die miCOM möglich, bestimmtes Equipment über Hersteller und Vertriebe anzufragen, um dieses ausgiebig zu testen. Ziel ist, der Community natürlich Neuigkeiten und (wie in diesem Falle) mehr oder weniger unentdeckte Perlen aus allen Sparten aus der Perspektive des MB-Mitglieds vorzustellen.
Schon im letzten Jahr hat sich Bugera in diese Liste eingetragen und dazu bereit erklärt, die Modelle ihrer aktuellen Amp-Palette zur Verfügung zu stellen.
Wie die meisten von Euch wissen werden, teilt sich Bugeras Angebot im E-Gitarrensektor (neben den verfügbaren Cabinets) in zwei verschiedene Bereiche auf. Da gibt es einmal die "Modern guitar amplifier"-Serie mit allerlei Topteilen und Combos, die sich an erfolgreichen modernen High-Gain Amps orientieren. Und es gibt die recht erfolgreiche "Vintage guitar amplifier"-Serie, die mit den bekannten V5, V22 und V55 Combos (mittlerweile alle als INFINIUM-Topteile und Combos erhältlich) eher die "gemäßigten" Rocker/Blueser/Jazzer etc. unter uns im Fadenkreuz haben. Zu dieser V-Serie zählt auch die 150 Watt Abrißbirne "1960" als Topteil (ebenfalls mit INFINIUM-Technologie) und eher einsam und versteckt lässt sich noch der mächtige BC30-212 finden. Die Internetrecherche über den BC30 ergibt zudem nur vereinzelt Video-Soundbeispiele auf YouTube und sehr knappe, oberflächliche Diskussionen mit wenig Informationsgehalt zum eigentlichen Produkt.
Für mich als eingefleischter "Fenderianer" kam zum Testen eigentlich nur die V-Serie in Frage und da es über V5,V22 und V55 bereits Unmengen guter Berichte und Diskussionen gibt, habe ich mich für den"Außenseiter" BC30-212 entschieden.
Das stellte die freundlichen Bugera-Jungs in Willich jedoch vor ein kleines logistisches Problem. Der Amp war zu dieser Zeit aufgrund der geringen Nachfrage kaum im freien Handel zu finden. Dazu kam erschwerend, daß der komplette Kundensupport inkl. Ersatzteilen etc. im Umzug nach Großbritannien begriffen war. Es war auf die Schnelle also kein Serienmodell greifbar. Jan Duwe (Entwicklungsleiter Bugera/Behringer) und Mario van Helden (Senior Produktspezialist Bugera/Behringer) machten also kurzerhand aus der Not eine Tugend und schickten mir stattdessen ein Vorserienmodell aus der Entwicklungsabteilung von Bugera in Willich. Dazu werde ich mich im Laufe des Tests noch äußern, denn das hat mir über die Wochen die ein oder anderen Kopfschmerzen bereitet.
Wie soll ich über ein Endprodukt aus der laufenden Serie urteilen, wenn ich "nur" ein Modell im Vorserienstadium auf dem Seziertisch habe?
Die Frage ist relativ schnell beantwortet: Eifrige Kommunikation mit Jan und Mario mit teils stundenlangen Telefonkonferenzen über technische Details und klare Aussagen über eventuell aufgetretene Fragwürdigkeiten. Das klappte sehr gut und hat mir viel Freude gemacht, auch weil ich dabei noch so einiges lernen konnte.
So, damit genug vorab Geplänkel. Kommen wir zum...
Ersteindruck:
Großes Mitleid mit dem UPS-Lieferfahrer! Der gute Mann hatte eine defekte Sackkarre und musste den unhandlichen Karton samt knapp 33 Kilo Inhalt auf der Schulter bis zu meiner Haustür tragen. Respekt!
Ich alter Sack wäre wohl bereits nach 20 Metern in die Knie gegangen und direkt dauerhaft neben dem Amp liegen geblieben.
Der BC30 ist samt zweier Manuals (in insgesamt 13 Sprachen) und Netzkabel in einer dicken Plastiktüte verpackt und mit großen Styropor-Schutzecken sicher im Karton fixiert. Die erste Herausforderung besteht darin, den offenen Karton mit beiden Füßen/Beinen seitlich festzuhalten, während der restliche Mensch mit Schweiß auf der Stirn das Monster aus dem Behältnis zieht.
Hat man das geschafft, ohne dabei mit geplatzten Adern im Hirnstamm zu Boden zu gehen, steht der Bugera in amtlicher Größe vor einem und das ist durchaus beeindruckend.
Der Amp ist etwa 69 cm breit, 52 cm hoch und fast 28 cm tief. Gott sei Dank, hat Bugera dem BC30 insgesamt drei sehr stabile und bequem breite Tragegriffe aus dickem gestepptem Kunstleder spendiert, die mit Einschlaggewinden und Maschinenschrauben auf der Oberseite befestigt sind. Einer mittig und jeweils einer an den Seiten angebracht. Damit ist der Amp mit zusätzlicher Manpower recht streßfrei über kurze Strecken zu transportieren, sollte sich ein Bandkollege mal bereit erklären. Denn alleine möchte man den Koloss eigentlich nirgendwo hin bewegen. Will sagen, ohne Sackkarre, gesundem Rücken und ordentlich Schmalz im Arm sind öffentliche Verkehrsmittel oder andere lange Strecken ohne entsprechende Transportmöglichkeiten keine Option.
Rein optisch präsentiert sich der BC30-212 in schwarzem, strukturiertem Tolex, wie man es auch von der restlichen V-Serie gewohnt ist. Es erscheint mir nicht besonders anfällig oder empfindlich, ist durchweg sauber verarbeitet und wird an allen acht neuralgischen Punkten zusätzlich von schwarzen geschraubten Metallecken geschützt. Die Front bietet durch das cremefarben abgesetzte Tolex rund um die Bedienelemente eine sehr nette Optik. Mittig das (im Betrieb beleuchtete) BUGERA-Logo. Zusätzlich ist dieser Bereich von der schwarzgrau, silbrigen Frontbespannung der Speaker durch eine schwarze Kunststoffleiste getrennt. Diese zeigt sich im seitlichen Gegenlicht leicht wellig, was aber beim direkten Blick auf die Front nicht zu erkennen ist.
Die komplette Front ist zusätzlich mit einem sauber ausgeführten goldenen Piping in das Gehäuse integriert. Solche Details gefallen mir immer sehr gut. Stand-und rutschfest ruht der Combo auf vier recht massiven Gummifüßen. Nothing special here.
Das Gehäuse des BC30-212 besteht komplett aus MDF, das Frontbaffle der Speaker hingegen aus zähem Sperrholz. Das macht aufgrund der großen Resonanzen und Belastungen, die im Betrieb von den beiden schweren 12 Zöllern ausgehen, durchaus Sinn. MDF wäre hier ein minderwertiger Kompromiss mit fragwürdiger Haltbarkeit.
Das Gehäuse ist innen komplett schwarz matt lackiert. Das Frontbaffle natürlich beidseitig. Zusätzlich erwähnen möchte ich auch hier die Verwendung von Einschlaggewinden und Maschinenschrauben für die Verschraubung der beiden Backbaffles (oben und unten) in den hinteren Gehäuseleisten. Das habe ich bei vielen deutlich höherpreisigen Marken schon mit simplen dünnen Holzschrauben gesehen, was sich für mich nur als zwielichtige Kosteneinsparung erklären lässt, denn es ist imho eine minderwertige Befestigung mit geringer Haltbarkeit. Erst recht, wenn man diese Bretter öfters zum Zwecke von Modifikationen und/oder Röhren-/Speakertausch entfernt und wieder einsetzt. Man darf nicht außer Acht lassen, daß die stabile Verschraubung der Baffles einen enormen Teil der Stabilität/Statik des Gehäuses ausmacht. Ausgeleierte Holzschrauben sind da nicht besonders hilfreich.
Frontpanel:
Die Bedienelemente auf der Vorderseite unterteilen sich in drei Sektionen.
Im Prinzip handelt es sich um einen Amp mit zwei voneinander unabhängigen Preamps plus Endstufe. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Beschaltung der High und Low-Inputs der Vorstufen, die jeder "Kanal" separat anbietet. Die High-Inputs zeigen jeweils eine Eingangsimpedanz von einem Megaohm mit 0dB. Die Low-Inputs hingegen sind mit einer Impedanz von 136 Kiloohm mit -6dB bedämpft. Somit verarbeitet der BC30 neben schwachen Vintage-Singlecoils oder Gretsch Filtertrons mit relativ wenig Output auch die Art Pickups problemlos, die dank ihres gewaltigen Outputs so manche Vorstufe ohne große Mühe ins Schwitzen bringen können.
Der Clean-Kanal auf der linken Seite des Panel zeigt sich mit dem obligatorischen Volume und einer passiven aber sehr effektiven Zweiband-Klangregelung (Bass und Treble), die sich gegenseitig stark beeinflusst.
Damit lassen sich extreme EQ-Settings einstellen, die mir bislang so noch nicht untergekommen sind. Von "telefonstimmenartigen" Effekten bis zum Mega-Handschuhton ist da alles drin. Für meine Bedürfnisse ist das fast schon wieder zu viel Regelweg. Während der gesamten Zeit mit dem Amp habe ich mich mit meinen Gitarren und Soundvorstellung eher eng um die Mittelstellung beider EQ-Potis bewegt. Aber ich bin auch sehr eingefahren, was meinen Ton angeht. Ich würde mich also nicht als besonders experimentierfreudig bezeichnen. Krieg ich einen halbwegs "fenderesken" Klang, bin ich zufrieden. Das kann der Kanal je nach Settings und Eingangspegel eigentlich auch ganz gut. Allerdings ist immer eine gehörige Schippe Rotz im Ton zu erkennen (ähnlich meinem Blues Deluxe/Deville mit ordentlich Presence, Mitten weit offen und Volume kurz vor dem ersten Anzerren) und so ist der ganze Amp auch abgestimmt.
(Volume etwa 11 Uhr, Master 8 Uhr, EQ 12 Uhr, abgenommen ist der 100 Watt Speaker. Kontrabass und Rhythmusgitarre sind von mir eingespielt, Drums sind aus der Internet-Dose. Gitarre ist eine Gretsch 5420, beide Pickups.)
https://soundcloud.com/oliver_langner/clean001-mp3
Der will nicht "smooth" oder leise spielen, der will nicht mal "nett" oder gar mein Freund sein. Der will sich vehement durchsetzen. Eher ein rücksichtsloser Einzelgänger als ein braver Teamplayer. Nicht falsch verstehen, der Bugera BC30 kann sich ja nach Spieler auch unterordnen aber sein angestammtes Metier ist das nicht.
Und wenn der erste Kanal schon immer leicht zornig klingt, was mag einen da im zweiten Kanal erwarten?
Der zweite Kanal in der Mitte des Panels hat natürlich wieder einen Volumepoti für die entsprechende Vorverstärkung (die erwartungsgemäß bei gleicher Potistellung schon deutlich über der des ersten Kanals liegt)
(Einstellungen wie oben, Tone-Switch auf Stufe 4)
https://soundcloud.com/oliver_langner/dirty002-mp3
und dazu ein wirklich interessantes und ungewöhnliches Feature:
Eine sechstufige Tone-Switch Regelung, die als passiver Hochpassfilter erster Ordnung (bekannt als low cut filter) arbeitet. Die unteren Grenzfrequenzen greifen je nach Schalterstellung bei 17Hz, 40Hz, 88Hz, 125Hz, 340Hz und 500Hz.
Und das macht mal richtig Laune! Damit kriegt man mit schwachbrüstigen Teles und Strats etc. sehr mächtige und raumgreifende Les Paul-Sounds mit ordentlich "Bottom" untenrum. Im Umkehrschluß heißt das auch, daß eine Les Paul mit ihrem tonalem Fundament plötzlich unglaublich spritzig, wendig und "stratig" klingen kann. Das gefällt mir viel, viel besser als jedes Gitarren-Modelling, das ich damals mit meiner '59 James Tyler Variax emulieren konnte. Das macht eben nicht nur Spaß, sondern ist ein durchaus sinnvolles Feature auf der Bühne und im Proberaum. Mich hat diese Flexibilität jedenfalls restlos begeistert.
Ganz wichtig ist (für die, die es noch nicht bemerkt haben): Es gibt keine ampinterne Möglichkeit der Kanalumschaltung, keinen Footswitch oder ähnliches. Das lässt sich einzig und allein über einen A/B, einen A/B/Y-Schalter oder ähnliches realisieren! Zwei komplett voneinander getrennte Kanäle eben. Auf diese Option sollte man jedoch nicht verzichten. Ich habe bei zwei Gigs einen Lehle-Switch dafür verwendet und es funktioniert perfekt, zumal die Kanäle sich je nach Einstellung wirklich gut ergänzen. Saubere Fingerpickings in der Begleitung und für die Soli ab in den zweiten Kanal mit richtig Dreck.
Und so richtig auf die Spitze treiben lässt sich das Ganze dann noch mit dem Patchen der Kanäle (also seriellem Betrieb beider Preamps hintereinander) per Einschleifen über den FX-Loop.
Das ist ein ziemliches Gewitter und lässt selbst meine '50s Classic Player nach High-Gain Monster klingen (mit den entsprechend verstärkten Nebengeräuschen der Singlecoils natürlich. Ihr hört es ja in den Aufnahmen). So habe ich mich jedenfalls mal ein paar Stunden in der "harten Ecke" rum getrieben und fand das klanglich richtig knorke.
Ich muß mal in mich reinhorchen, vielleicht hab ich ja doch irgendwo einen Hard'n'Heavy Rocker in mir. Spaß gemacht hat es allemal.
(Hier sind beide Kanäle seriell gepatched und beide Volumes voll offen. Master weit unten. Tone-Switch nach und nach durchgeschaltet, achtet auf die Markierungen! Gitarre Fender Telecaster 50's mit Nocaster-Pickups. Abgenommen ist der 80 Watt Speaker)
https://soundcloud.com/oliver_langner/cut001-mp3
Des weiteren stellt das Manual hilfreich einige Beschaltungsszenarien der Kanäle und der Send und Return Buchsen bereit, die für mich als "one pedal man" (Slapback echo) jedoch nicht relevant sind.
Die Endstufenregelung auf der rechten Seite des Panels hingegen ist in ihrem Aufbau wieder so dermaßen "vintage", daß man sich eventuell die Augen reibt. Das Mastervolume ist als PPIMV (post phase inverter master volume) ausgelegt. Diese Art der Schaltung wird bei vielen Amps nachträglich als Lautstärkeregulierung/-reduzierung verbaut, weil sie schlicht großartig reagiert und eigentlich eher wenig klangliche und dynamische Einbußen mit sich bringt. Der Bugera BC-30 arbeitet also "serienmäßig" mit diesem Schmankerl. Soweit, so gut.
Allerdings darf man sich aber auch keine Illusionen machen, den maximalen Bühnensound mit dort aufgerissener Endstufe nun plötzlich bei Wohnzimmer- oder gar Bedroompegel zu bekommen. Zum einen greifen da wieder die von uns Gitarristen so verhassten Gesetze der Psychoakustik, zum anderen arbeitet die Endstufe mit ihrem Arbeitspunkt im Class-A Betrieb (also immer auf "Vollgas") und natürlich Push/Pull.
Im Zusammenspiel mit dem relativ heiß laufenden Quartett EL84 will und muß die Endstufe arbeiten, soll sie das komplette tonale und dynamische Spektrum des Amps abbilden. Drastisch gesagt, alles unterhalb von vielleicht 10 Uhr Mastervolume Potistellung klingt im Vergleich zu hohen Lautstärken gefühlt regelrecht kastriert. In diesem Bereich kann der Amp seine vorhandenen Stärken einfach nicht ausspielen. Wer sich also einen Combo für hauptsächlich Recording- oder Übungszwecke zu Hause hinstellen möchte, ist mit diesem Amp denkbar schlecht beraten. Der BC30 ist ein ausgewachsener Proberaum-und Bühnenamp, der seine Muskeln spielen lassen will.
Alles andere ist wie ein wütender, blutverschmierter Bruce Willis im schmutzigen Unterhemd statt dem Tweedsakko tragenden Tom Hanks in "Schlaflos in Seattle". Mag irgendwie auf seltsame und skurrile Art und Weise funktionieren, muß man aber nun wirklich nicht haben und ist auch nicht Sinn der Übung.
Die Endstufensektion bietet weiterhin einen sogenannten Cut-Poti. Dieser stufenlos regelbare Tiefpassfilter erster Ordnung sitzt direkt vor der eigentlichen Endstufe. Das bedeutet, daß seine Wirkungsweise stark vom Mastervolume abhängig ist. Bei gehobener"Zimmerlautstärke" oder darunter ist eigentlich kein Effekt wahrnehmbar. Mit zunehmendem Pegel jedoch lässt sich damit noch mal ein ganzes Stück am Klangumfang der Endstufe kurbeln. Die Wechselwirkung ist sehr interessant, jedoch eben nur bei höheren Pegeln wirklich relevant. Ich habe es zumindest nur ansatzweise bei einigen Gigs testen können, zu Hause für die Aufnahmen hätte mich wohl sonst die Wohnungsbaugesellschaft zwangsräumen lassen.
Daher gibt es davon auch kein Recording.
Neben diesen Regelmöglichkeiten findet sich ganz rechts daneben noch das orange Jewellight als Betriebsanzeige und der Standby- nebst Powerswitch, beide als stabile Metallkippschalter ausgeführt.
Wie unschwer auf den Bilder zu erkennen ist, wird die Beschriftung der Potis auf dem schwarz glänzenden Frontbaffle (und auch das große BUGERA-Logo darunter) orange illuminiert, sobald der Amp (Power on) in Betrieb genommen wird. Das Jewellight allerdings reagiert erst, wenn der Amp zudem spielbereit aus dem Standby genommen wird. Das ist anfänglich etwas irritierend, weil man es einfach anders gewohnt ist, ergibt aber tatsächlich Sinn. Auf dunklen Bühnen oder weitere Entfernung lässt sich so erkennen, woher die Stille aus den Speakern nun wirklich stammt.
Ich wäre wohl nicht der Erste, der die ersten Takte eines Gigs mit hektischer Fehlersuche und Potidreherei an Gitarre und Amp beginnt,weil "Schlafmütz" verpennt hat, den Verstärker vorher aus dem Standby zu schubsen. True story!
Was die illuminierten Beschriftungen der Potis angeht, sehe ich das ähnlich. Ich habe von meinen Bandkollegen mehrmals ein scherzhaftes "Seit wann haben wir einen Spielautomaten im Proberaum?" gehört.
Zugegeben, das wirkt auf den ersten Blick schon sehr fancy und irgendwie übertrieben, weil ungewöhnlich. Andererseits ist es eine enorme Erleichterung auf der meist dunklen Bühne, wenn in Sekundenbruchteilen zwischen den Titeln oder gar mitten im Song der richtige Regler getroffen werden muß. Wie oft hab ich schon gebückt "Arsch gen Publikum" gestanden oder gar auf Knien den richtigen Poti gesucht, weil die Beschriftung im Dunkel der Backline nicht zu erkennen war. Okay, bekanntermaßen ist der Blues Deluxe/Deville (die ich für gewöhnlich spiele) da besonders fies und hat die Beschriftung auch noch falsch herum (also nur "von hinten"zu lesen). Jedoch ist die Beleuchtung des Bugera keineswegs penetrant hell, sondern eher dezent, auch wenn es auf den obigen Fotos durch das dunkle Zimmer und die uralte Kamera vielleicht etwas anders erscheint.
Für mich ist das also überhaupt kein Problem, sondern ich nehme die Hilfe gerne an und es gibt sicherlich auch viele Gitarristen, die das sogar zusätzlich als Eyecatcher mögen.
Allgemein lässt sich noch sagen, daß die mit cremefarbenen Chickenhead-Potiknöpfen versehenen Achsen angenehm sahnig, jedoch nicht zu schwergängig laufen. Klinkenbuchsen, Tone-Switch als auch Kippschalter rasten satt ein und machen einen recht wertigen Eindruck. Positiv ist ebenfalls, daß keine der Bedienelemente über das Gehäuse überstehen. Beim Transport in Fahrzeugen mit anderem Equipment zum Beispiel kann man also ruhigen Gewissens eng packen, ohne sich schlagartig selbst ins Bein zu schießen.
Man sollte meinen, das wäre eine Selbstverständlichkeit. Dem ist leider nicht so.
Nicht verschweigen möchte ich an diesem Punkt ein kratzendes Masterpoti, das im unteren Regelbereich bis etwa 8 Uhr keine zuverlässige Einstellung zuließ. Laut Jan und Mario jedoch ist das bei einer Vorserie keinesfalls ungewöhnlich. Aufgrund der qualitativen Anmutung der restlichen Potis sehe ich das auch völlig unproblematisch. Da hat sich ein Ausreißer in der frühen Entwicklung eingeschlichen.
Backpanel und Speaker
Beginnen wir wieder auf der linken Seite (von hinten gesehen).
Wenig überraschend findet sich die Kaltgerätebuche für die Netzversorgung. Darunter die Seriennummer und der Date Code der Produktion. Über der Buchse ist der Aufkleber mit der Typenbezeichnung für die Netzsicherung (Auslösecharakteristik T für "träge", 1,6 Ampere, 250 Volt), die sich rechts daneben in einem Bajonettverschuß befindet.
Neben den obligatorischen Herstellerinfos und Warnhinweisen kommen wir nun endlich zu den interessanten Details.
Der BC30 stellt pro Kanal einen seriellen FX-Loop zur Verfügung. Diese sind für Channel 1 und Channel 2 untereinander angeordnet. Ich sehe für mich als gelegentlichen User eines einzigen schlichten Analog Echos leider keine Möglichkeit, dieses parallel über beide Kanäle zu betreiben. Das ist für mich das große Manko zweier separater Vorstufen. Da hilft dann nur, das Pedal in guter alter Manier direkt hinter die Gitarre zu klemmen und von da aus in die A/B-Box zu gehen. Kein Problem, das funktioniert seit Anfang der fünfziger Jahre (uns Lester Polfus hat es uns vorgemacht) auch ohne Effektwege und es sind trotzdem zigtausende grandiose Titel so entstanden.
Neben den FX-Loops kommen wir zu einem ominösen Phase Switch (Normal/Reverse). Dieser Schalter sorgt für eine Phasenumkehr der internen und optionalen Speaker. Nun mag sich so mancher fragen, warum sollte ich das tun und was bringt es. Das Zauberwort heißt "Phasenauslöschungen". Was da genau passiert, möchte ich hier nicht ausführen, da es ein komplexes und umfangreiches Thema ist (Frequenzen, Amplituden, Interferenzen etc.). Es finden sich aber viele kompetente Beiträge dazu im Musiker-Board und Internet allgemein.
Nur kurz: Es kann ungemein hilfreich bei "echten" Stereo-Setups und bei Studio- und Recordingsituationen sein. Selbst bei Gigs mit Monitoring auf der Bühne kann das den ganzen Abend retten, wenn der gewohnte Sound auf und vor der Bühne plötzlich seltsam dünn und nasal klingt.
Der Switch ist also keineswegs eine sinnlose Spielerei, sondern ein Tool, das ein permanent auftretendes und alltägliches (leider auch oft unerkanntes) Problem der E-Gitarristen in vielen Situationen mit einem Druck auf diesen Schalter egalisieren kann.
Aha, Leistungsreduzierung klingt gut! Das ist nämlich der Schalter, der als Nächstes folgt. Der Bugera BC30 leistet satte 30 Watt aus vier EL84, die er auf zwei kräftige 12" Speaker drückt. Der damit erreichbare Pegel ist schlicht unerträglich und ich möchte keinem empfehlen, sich bei einem solchen Versuch direkt vor, neben oder hinter den Amp zu stellen. Ernsthaft! Der Tinnitus ist garantiert! Der BC30 ist brutal laut und steckt meinen Blues Deluxe mit 40 Watt ganz locker in die Tasche.
Ich habe den Bugera vor einem Soundcheck im "Roadrunners Paradise" in Berlin (sehr große Location und Bühne) ein einziges Mal komplett offen gehabt. Der Combo in der aller hintersten Ecke der Backline auf der Bühne, ich mit einer P90 bestückten Les Paul in etwa 12 Metern (länger war das Kabel nicht) Entfernung im Zuschauerraum. Durch die etwa 1,20m erhöhte Bühne zielten die Speaker auch noch direkt auf die Ohren...
Klanglich war das traumhaft, für den FOH und die Zuschauer in den ersten Reihen wäre das jedoch indiskutabel laut. Echte Endstufensättigung bei Vollgas aus diesem fiesen Gesellen zu bekommen, dürfte sich für die allermeisten Gitarristen weit oberhalb praktikabler Lautstärken bewegen, die heutzutage üblich sind. Aber es bleibt die Erinnerung und ein Pfeifen im Innenohr...
Es gibt mittlerweile einige technische Methoden der Leistungsreduzierung in der Endstufe. Angefangen von kräftezehrenden Attenuatoren oder Powersoaks über die Absenkung der Anodenspannung bis hin zum oft praktizierten Ziehen eines Endstufenpaares. Letzteres Prinzip macht sich quasi der BC30 zunutze. Durch die Betätigung des Schalters von "Full" auf "Half" schaltet der Bugera dem inneren Endstufenpaar des Quartetts die Spannung aus dem Gebälk. Das Ergebnis ist eine um 50% reduzierte Endstufenleistung auf "nur noch" 15 Watt.
Die Gänsefüßchen erlaube ich mir mit Hinweis darauf, daß halbe Leistung nicht halber Pegel bedeutet. Und zwar physisch wie auch akustisch nicht.
Im direkten Vergleich zum 30 Watt Modus wirkt der BC30 bis Mastervolume 11-12 Uhr nicht merklich leiser. Während der Amp aber danach im "Full" Power immer noch eine gute Schippe drauflegt, bricht er als 15 Watter dann allmählich weg und geht schön in die Sättigung. Das ist der Punkt, der mir persönlich am Besten gefällt, das ist mein "sweet spot". Da blühen die Noten schön auf, stehen ewig lang und es ist noch reichlich Transparenz da. Das ist zwar immer noch mächtig laut aber mit etwas Überzeugungsarbeit und Überredungskunst gegenüber dem Tontechniker und den Bandkollegen funktioniert das sicherlich.
Direkt damit verbunden ist der nebenliegende Impedanzwahlschalter. Dieser ist eben nicht nur für die Impedanzanpassung der Endstufe an die internen Speaker mit zusätzlichen Cabinets einzustellen, sondern bedarf auch nach dem Schalten in den Half Power-Modus der Korrektur. Durch das Wegschalten eines Röhrenpaares verdoppelt sich die Ausgangsimpedanz der Endstufe. Leider fehlt dieser Hinweis im Manual beim Kapitel "Leistungsreduzierung", ist aber überdeutlich an der Beschriftung des Schalters selbst ersichtlich. Des Weiteren bietet das Manual aber eine übersichtliche Tabelle über alle möglichen Belegungen der Speaker-Buchsen mit dazugehöriger Angabe der zu wählenden Ausgangsimpedanzen. Im Zweifel also einfach mal in die Bedienungsanleitung schauen, dann schlägt der AÜ auch keine Funken, kein Gitter brennt ab und man kann beruhigt weiter rocken.
Als Letztes finden sich auf dem Backpanel die beiden parallel geschalteten Speaker-Buchsen. Davon ist die linke Buchse bereits mit den beiden (seriell geschalteten = 16 Ohm) internen Speakern belegt.
Das Lautsprecherkabel zu den beiden Lärmpappen ist ordentliche Qualität und keine unterdimensionierte Telefonlitze. Sowas sind zwar nur kleine Details aber die machen unter dem Strich viel aus.
Puh.....,kurz durchatmen...
Mischbestückungen in Combos und Cabinets sind gerne praktiziert und beliebt. Speakerkombinationen aus unterschiedlichen Typen, Marken und Größen können eine echte Bereicherung sein. Nicht nur für den eigenen Geschmack, wenn sich bestimmte Lautsprechersounds überlagern und ergänzen, sondern zum Teil auch bei der Mehrfachmikrofonierung im Studio oder auf der Bühne. Bugera verbaut im BC30 ebenfalls zwei verschiedene Chassistypen. Dabei handelt es sich um einen 12G100B8 (12", Guitar, 100 Watt, 8 Ohm) und einen 12G80A8 (80 Watt). Die Speaker unterschieden sich nicht nur in ihren Leistungsdaten, dem technischen Aufbau und der Größe des Magneten,sondern vor allem ganz erheblich im Sound.
Während der 100 Watter ein ziemlich straffer, aggressiver und direkter Geselle ist, der sicherlich auch bei modernen Stilarten eine gute Figur machen würde (ich fühle mich unweigerlich an einen V30 erinnert), bringt der 80 Watter ein komplett anderes Fundament mit sich. Er klingt sehr rund, hat wunderschöne glockige Mitten und die von mir als Fender-User so geliebten glasigen Höhen. Auch da kann ich mir den Vergleich mit einem Keramik-Jensen nicht verkneifen.
Eigentlich eine Mischung, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnte. Im Zusammenspiel jedoch ergänzen sie sich astrein. Und je nach Belieben kann man damit bei der Mikrofonierung des Amps auf einen eher modernen Sound setzen oder eben ganz "vintagelastig" die Mikrofonmembranen ins Nirvana schicken. Schöne Idee mit großem Nutzwert!
(Bei der Aufnahme sind etwa alle 10 Sekunden die Speaker abwechselnd eingeblendet. Beginnend mit dem G80. Bitte auf die Markierungen achten!
Leider wirken die Unterschiede auf der Aufnahme wenig plastisch. Direkt vor dem Combo stehend jedoch ist es klar hörbar )
https://soundcloud.com/oliver_langner/speaker001-mp3
Die Befestigung der Chassis erfolgt natürlich auch hier mit Einschlaggewinden, Unterlegscheiben und Kreuzschlitz-Maschinenschrauben.
Ampchassis und Endstufe
Uff! Mein lieber Herr Gesangsverein!
13,8 Kilo allein für das Chassis ist natürlich eine Ansage. Aus soviel Metall in etwa bauen die Koreaner einen komplett neuen Hyundai Kombi!
Dementsprechend vorsichtig sollte man beim Ausbau auch sein, sonst ist schnell der Finger gequetscht. Auf den Rücken geworfen ist von der Vollröhrentechnik erst mal nur der rundum geschlossene Röhrenkäfig aus schwarz lackiertem Stahlblech mit der zusätzlichen Zwangsentlüftung in Form eines elektrischen Lüfters zu sehen.
Dieser Permanentlüfter ist im Betrieb übrigens völlig geräuschlos!
(Nach dem häufigen Demontieren und wieder Zusammensetzen des Ampschassis mit dem Käfig im Laufe des Tests mußte ich mehrmals mit meiner Hand unter dem Backpanel prüfen, ob ich auch die Entlüftung spüren kann und nicht versehentlich die Steckverbindung der Stromversorgung vergessen habe. Nichts zu hören von außen.)
Daneben thront unübersehbar der imposante Netztrafo. Ich habe selten in vintagebasierten Gitarrenverstärkern solch ein fettes Metallschwein gesehen.
Der Käfig samt Lüfter ist mit insgesamt sieben kleinen Schrauben am Chassis befestigt. Sind diese erst mal entfernt,
zeigen sich der ebenso großzügig dimensionierte Ausgangsübertrager auf der anderen Seite, mittig die Drossel und endlich ein freier Blick auf die Röhrenbestückung.
Vorab die Information, daß alle Röhrenfassungen aus hochwertigem Keramik bestehen und keine billigen und unter Umständen recht störanfälligen Kunststofffassungen verbaut sind. Gerade im Hinblick auf die unter Volldampf laufenden und thermisch damit ohnehin kritischen EL84 Pentoden ist das recht beruhigend, wie ich finde.
Beginnen wir mit den Doppeltrioden-Vorstufenröhren: Für den ersten Kanal sind eine 12AX7A und eine 12AX7B verantwortlich, welche parallel beschaltet sind. Der zweite Kanal hat im Eingang eine 12AX7A, die seriell vom Eingangssignal durchlaufen wird und last but not least sehen wir eine 12AX7C als Phasentreiber (welche eigentlich schon zur Endstufe zu zählen wäre) für das EL84 Quartett. Alle Vorstufenröhren und der Phasentreiber sitzen unter strammen Abschirmbechern mit Bajonettverschluß.
Zum einen halten diese Becher natürlich die kopfüber hängenden Röhren zuverlässig in Position, zum anderen werden dadurch elektromagnetische Einstreuungen in das Signal effektiv minimiert. Ich bilde mir ein, daß durch den Druck der Federn in den Bechern auf die Glaskörper der Röhren auch die Mikrofonie in Grenzen gehalten wird aber das ist ein rein subjektiver Eindruck.
Leider erwies sich die 12AX7A des ersten Kanals nach Abnehmen der Becher als arg mikrofonisch, so daß ich diese mit einem neuen Pendant von Thomann ersetzt habe. Diese funktioniert einwandfrei, die alte Röhre wanderte direkt in die Abfalltonne.
Unterhalb der Vorstufensektion stehen die gematchten EL84 in Reih und Glied. Das Quartett läuft Push/Pull mit fixed Bias in Class A, wobei ich davon ausgehe, daß sich der Arbeitspunkt gegen Vollaussteuerung eher nach A/B verschiebt. Gesichert über massive Tube-Retainer bewegen sich die Kolben keinen Millimeter. Sehr schön stabil das Ganze.
Daneben/darunter befindet sich der BIAS-Adjust für die Endstufe inklusive Messbuchse und dem Einstellpoti für die negative Gittervorspannung (->BIAS).
Den "Please refer to manual"-Hinweis darunter für Einstellungsdetails und Daten hätte man sich aber für den Endkunden schenken können, denn im Manual wird dieses Kapitel überhaupt nicht erwähnt und selbst im Internet lässt sich (im Gegensatz zu den ebenfalls EL84 befeuerten V22 und 6L6 getriebenen V55 Modellen, deren Einstellungen auf der Bugera-Homepage Erwähnung finden) keine Anleitung auftreiben. Das ist für den versierten Techniker kein Problem (es gibt ja genug Möglichkeiten der BIAS-Messung ohne Messbuchse). Für den Nutzer ohne technisches Hintergrundwissen, der sich auch aus dem offenen Chassis im Betriebsmodus tunlichst heraushalten sollte, ist das allerdings eher ärgerlich. Dazu bedarf es dann also speziellem Messwerkzeug (BIAS-Adapter) oder es muß tatsächlich kompliziert am offenen Herzen operiert werden, was ein gefährliches Unterfangen sein kann, wenn man allzu unbedarft daran geht. Die Bias-Einstellung erfolgt für alle vier Endstufenröhren, also beide Paare (innen und außen), gleichzeitig. Das erfordert bei einem notwendigen kompletten Wechsel unbedingt ein gematchtes Quartett, da es sonst bei "unrundem" Lauf beider Röhrenpaare zum bekannten Leerlaufbrummen und unerwünschten Übernahmeverzerrungen kommen kann.
Wie bei allen Verstärkern, die mehr oder minder auf dem Konzept des Vox AC30 basieren, laufen die EL84 bedingt durch den Arbeitspunkt (Class A), der aufzubringenden Leistung und dem technischen Aufbau diese Art Pentode immer sehr, sehr "heiß" und am Ende ihrer Spezifikationen. Damit unterliegen die EL84 entgegen anderen Pentoden (EL34) oder Beam Power Tetroden (6V6, 6L6, KT66 etc.) einem erhöhten Verschleiß.
Daß ich das so explizit erwähne, hat einen gewichtigen Grund:
Kommt man beim Bugera BC30 auf die Idee, den Röhrenkäfig samt verbauten Elektrolüfter im Betrieb komplett wegzulassen (zum Beispiel um verschiedene Vorstufen-, Endstufen- oder Gleichrichterröhren im direkten Vergleich zu tauschen/testen oder im worst case schnell auf das Innenleben zugreifen zu können), wird sich das komplette Chassis innerhalb weniger Minuten ohne Zwangsentlüftung der Endstufen stark erhitzen. Das wirkt sich unmittelbar auf die vorschnelle Alterung der EL84 und wahrscheinlich auch sämtlicher anderen elektronischen Komponenten im Chassis aus. Ich habe mehrmals den Amp ohne Käfig und Lüfter laufen lassen, um direkten und schnellen Zugriff auf alle Röhren zu haben. Nach etwa 10 Minuten war die Rück- und Vorderseite des Chassis dermaßen warm, daß ich mir ordentlich Sorgen machte und letztlich diese Zustände auf ein Minimum beschränkte.
Das wir uns nicht falsch verstehen! ALLE Verstärker in solcher Bauweise (und da gibt es einige Typen in sämtlichen Preisbereichen) zeigen dieses Verhalten. Manche ignorieren die starke Hitzeentwicklung mehr oder minder und vertrauen auf (meiner Meinung nach völlig unzureichende) passive Maßnahmen wie einfache Lüftungsöffnungen im Gehäuse und/oder dem Backbaffle. Manche jedoch be- oder entlüften die kritische Sektion aktiv per elektrischem Lüfter, was nach meinem Verständnis die deutlich langlebigere und zuverlässigere Konstruktion darstellt. Man muß sein Glück nicht permanent herausfordern (besonders wenn man den Amp professionell nutzen möchte) und die heutige Qualität der Röhren ist bei weitem noch nicht wieder auf dem qualitativen Stand der 50er und 60er Jahre, obwohl es imho langsam wieder bergauf geht. Insofern ist die Zwangsentlüftung (also die Abwärme der Endstufenröhren wird kontrolliert abgesaugt) des Bugera eine gute Sache. Man muß sich aber eben darüber im Klaren sein, daß ein unbedacht entfernter Röhrenkäfig samt Lüftung schnell zu einem unschönen Resultat führen kann. Hier kommen übrigens auch wieder die hochwertigen Keramikfassungen der Endstufenröhren ins Spiel, die solche Belastungen ohne Weiteres wegstecken können. Uns allen ist wohl nochdie Problematik der ersten Peavey Classic Röhrenfresser bekannt,deren Kunststofffassungen im Betrieb ganz schnell den Geist aufgaben und teils sogar zu Kurzschlüssen führten. So, gibt es noch was zur Endstufe zu sagen....? Nö, ich denke, das war soweit alles Wichtige.
Noch ein kurzer Blick ins Innere:
Zum Inneren des Ampchassis lässt sich eigentlich nur sagen, daß das in meinen Augen alles sehr ordentlich ausschaut. Es gibt keine Auffälligkeiten oder negativen Aspekte, die ich hier beleuchten könnte. Die Kabellage ist ordentlich verlegt, es finden sich keine Lötfehler oder Flußmittelreste. Die Platinenelemente sind stabil auf gelöteten Distanzstücken verschraubt, die Bauteile allgemein machen einen wertigen Eindruck.
Röhrenheizung und Endstufenanoden sind mit insgesamt vier separaten Feinsicherungen sehr übersichtlich abgesichert. Sollte sich mal ein Problem darstellen, das sich mit einem schlichten Sicherungswechsel nicht beheben lässt, grenzt das eine eventuell notwendige Fehlersuche enorm ein.
Ich möchte nun keinem elektrotechnischen Laien (wie mir zum Beispiel) empfehlen, ausgiebig in dem komplexen Layout herumzuwerkeln. Ich würde mir aufgrund der Übersichtlichkeit mit etwas Zeit und Geduld aber sicherlich den Austausch des ein oder anderen Bauteils zutrauen. Ansonsten sollte der Aufbau einen versierten Techniker nicht vor unvorhersehbare Probleme stellen.
Gleichrichtung
Die Gleichrichtung der Wechselspannung hinter dem Netztrafo geschieht beim Bugera BC30 nicht wie heutzutage in der Großserienfertigung üblich via Halbleiterdioden, sondern ganz "vintage" über (eine) Gleichrichterröhre(n). Diese Bauweise der Gleichrichtung hat klanglich einen enormen Einfluß auf das Gesamtbild. Während Dioden einen normalerweise sehr straffen, linearen und unnachgiebigen Charakter an den Tag legen, wirken Gleichrichterröhren ab einem gewissen Leistungspunkt der Endstufe sehr rund und federnd. Da beginnt der beliebte Gleichrichter-"Sag", also das Einbrechen der Versorgungsspannung der Endstufe, da die Gleichrichterröhre nur noch mühsam mit derselben nachkommt. Rein technisch gesehen bedeutet das eine Unterdimensionierung der Gleichrichtung, in unseren Ohren klingt das jedoch irre musikalisch. Ab Werk wird der BC30 mit einer einzelnen 5AR4 (besser bekannt als GZ34) ausgeliefert.
Eine guter und verlässlicher Partner für diesen Zweck. Alternativ darf der BC30 aber auch mit zwei eher recht seltenen und somit exotischen 5V4G in den Fassungen mit sogenannten "Bärenkrallen" betrieben werden.
Und da muß ich leider Bugera für das Manual mal mächtig auf die Finger klopfen. Während die korrekte Typenbezeichnung 5V4G zwar auf dem Ampchassis zu finden ist, lässt das Manual den Typ 5U4G verlauten.
Nun mag man meinen, das mache keinen Unterschied, ist ja schließlich nur ein Buchstabe. Richtig ist jedoch, diese beiden Röhrentypen verrichten zwar dieselbe Arbeit, haben jedoch stark voneinander abweichende Betriebsparameter und Leistungsdaten, sind also keinesfalls direkte Austauschtypen! Im schlimmsten Falle riskiert man beim Betrieb des Amps mit zwei 5U4G unter Umständen einen Defekt (sechs statt vier Ampere Heizstrom auf dem 5 Volt Abgriff) des Netztrafo und damit eine teure und unnötige Reparatur.
Bugera hat jedoch in der Bedienungsanleitung der jetzigen Serie nachgebessert. Im Internet findet sich dazu bereits der überarbeitete "Quick Start Guide"auf der Bugera Homepage des BC30 (siehe Link unten).
Natürlich habe ich mich um ein Paar 5V4G bemüht und das war eine ziemliche Sucherei in den Weiten des World Wide Web. Diese Röhren werden aktuell nicht mehr gefertigt und sind somit nur noch gebraucht im fragwürdigen Zustand oder eben zu noch fragwürdigeren Preisen NOS über diverse Portale zu ordern. Ich hatte Glück und bekam ein NOS-Pärchen von General Electrics aus den USA zu einem noch erträglichen Kurs.
Kurzinfo: Die heutzutage noch erhältlichen 5V4G sind geschätzt zu 95% ausgewachsene "Coke Bottles" in ihrer so eigenen Form und eben auch Bauhöhe. Es gab sie zwar auch vereinzelt als "einfache" 5V4 in kleiner Bauform aber diese sind noch seltener zu finden als die ohnehin schon raren Coke Bottles. Was will uns der Verfasser mit diesem Exkurs sagen? Die mächtigen Coke Bottles passen nicht unter den Röhrenkäfig! Keine Chance, da fehlen knappe zwei Zentimeter, um den Käfig wieder ordnungsgemäß mit etwas Luft zu den Kolben am Chassis zu verschrauben. Da war ich erst mal richtig baff und mußte zwei, drei Zigaretten zur Beruhigung rauchen.....
Wie ich nun oben ausführlich beschrieb, ist ein Betrieb des Amps ohne Käfig, der die notwendige Kühlung/Lüftung huckepack trägt, nicht empfehlenswert. Also sprach ich kurz mit Jan und Mario von Bugera und holte mir das Einverständnis, den Käfig dahingehend zu modifizieren. Ich habe dann mit einem dünnen Metallsägeblatt entlang der gestanzten Lüftungsschlitze eine Öffnung in den Käfig gesägt, die entstandenen Kanten entgratet und mit mattschwarzem Lack wieder versiegelt. Sieht nun fast aus, als gehöre es so.
Um ganz ehrlich zu sein, habe ich mir vom Wechsel der Gleichrichterröhre(n) deutlich mehr tonalen und/oder dynamischen Unterschied erhofft. Im Wohnzimmerbetrieb ist davon natürlich erwartungsgemäß nichts zu spüren. Im Proberaum jedoch hatte ich den Master bei etwa 12 Uhr, habe dann während der Probe (die entnervten Gesichter meiner Bandkollegen sind mir noch immer in guter Erinnerung) mehrfach die Gleichrichter getauscht und sehr genau hingehört.
Ich kann dem 5V4G Duo bestenfalls und mit viel gutem Willen eine minimal weichere Note beim Attack zugestehen. Die einzelne GZ34 scheint da etwas stabiler zu agieren. Allerdings fällt dieser Eindruck in meinem Falle unter "ferner liefen". Es mag durchaus sein, daß sich mit noch höherem Pegel eine deutlichere Differenz herausstellt. Dieser wäre jedoch weitab meiner praktischen Möglichkeiten im Proberaum und bei Livegigs. Man sollte als Semipro bei gemäßigten Lautstärken also keine Wunder erwarten, sondern allenfalls subtile Veränderungen in der dynamischen Ansprache.
Für manche Nutzer mag das ein ausreichender Grund sein, sich alte NOS-Schätzchen in den BC30 zu stecken. Für meinen Anspruch jedoch ist die Nuance einfach nicht relevant. Zumal GZ34 überall problemlos erhältlich sind, sollte es mal zu Problemen kommen, während die raren 5V4G als Duo nur schwer wieder aufzutreiben wären. Alles in allem ist das ein nett gemeintes Gimmick, daß sich für mich persönlich aber als wenig effektiv herausstellte.
Manual
Als letzten Punkt möchte ich mich noch ganz kurz zum Manual des Bugera BC30 äußern. Die Bedienungsanleitung ist vorbildlich und übersichtlich illustriert. Es zeigt neben ausreichender Beschreibung der einzelnen Komponenten (zu viel Geschreibsel führt auch eher dazu, das Manual wieder schnell zur Seite zu legen. Man will schließlich spielen und nicht Ewigkeiten mit vermeintlich sinnlosen Infos vergeuden) viele grafische Darstellungen möglicher Anschluß-Konfigurationen u.s.w.
http://www.bugera-amps.com/PDF/Downloads/BC30-212_QSG_WW.pdf
Das Nötigste kurz und knapp auf den Punkt gebracht, dazu noch knackige Tipps zu Einstellungen und Verkabelung. Finde ich alles sehr gut gelungen und es macht Spaß, darin etwas zu blättern.
Was mir sonst noch zum Bugera BC30 einfällt...
Wir müssen da nicht um den heißen Brei herumreden:
Der Bugera BC30-212 ist optisch wie auch in vielen technischen Details unübersehbar ein überarbeitetes Großserienpendant des Matchless DC-30. Daß Bugera das so offensichtlich darstellt, mag für viele störend sein. Aber letztlich ist es nur ehrlich und das rechne ich Bugera hoch an. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele dreiste Kopien bekannter Klassiker von Herstellern als eigenständige und selbst entwickelte Produkte angepriesen und dann im neu geschusterten Gewand auf den Markt gebracht werden.
Mir ist diese Offenheit Bugeras deutlich lieber als die späte und eventuell schmerzhafte Erkenntnis, da doch eigentlich mehr oder weniger eine Kopie eines bereits lang bestehenden Konzepts unter dem Pseudo-Deckmantel der firmeneigenen Innovation erworben zu haben.
Nicht zu vergessen ist, daß Bugera technisch eben nicht blind abgekupfert, sondern astreine Entwicklungsarbeit geleistet hat. Viele Details des Vorbilds wurden optimiert, konstruktive Fehler behoben und das Ganze dann in sauber gemachter Großserientechnik umgesetzt.
Die Konkurrenz des Bugera BC30-212 ist zwar dürftig gesät, dafür bewegt sie sich preislich jedoch in sämtliche Himmelsrichtungen...
Mir fallen dazu neben dem eigentlichen Vorbild Matchless DC-30 (momentaner Strassenpreis heftige 3190 €) natürlich der VOX AC-30 212 ein (ca. 850 €). Dann finde ich noch den Laney VC-30 212 (ca. 650 €) und ganz weit hinten im Hinterstübchen erinnere ich mich an den exklusiven Mesa Boogie Lonestar Special 212 (ca. 2700 €) und den Blackstar Artisan 30-212 (ca. 1500 €). All diese Verstärker haben viele konzeptionelle Gemeinsamkeiten, wie man ihren Daten unschwer entnehmen kann.
Der Bugera BC30-212 kommt nun mit einem Strassenpreis von momentan 385€ ins Haus.
Das kann man nun erst mal auf sich wirken lassen.
Bezüglich Ausstattung, Qualität und Leistung dürfte das wohl schlicht unschlagbar sein. Ich möchte nun keinesfalls die wirklich hochpreisigen Modelle auf eine Stufe mit dem BC30 stellen. Exklusivität, Herstellername und "Boutique" wollen bezahlt werden.
Somit sehe ich trotz kärglicherer Ausstattung eher den Großserien- VOX und Laney als direkte Konkurrenten. Preislich noch deutlich oberhalb des Bugera angesiedelt aber gerade deswegen sollte man bei Interesse an einem solchen Konzept unbedingt den BC30 in die Überlegungen miteinbeziehen.
Eine Pro und Kontra Liste erspare ich uns. Mein subjektiver Eindruck dürfte im Text hinreichend deutlich geworden sein. Der BC30 hat mich klanglich und konzeptionell jedenfalls überzeugt und er hat meine bis dato dürftigen Erwartungen wirklich weit übertroffen. Ich würde ihn jederzeit weiterempfehlen und hätte auch kein schlechtes Gewissen dabei.
Das Konzept ist puristisch, damit muß man umgehen können oder es sogar unbedingt wollen. Der Bugera BC30 macht es dem Nutzer nicht immer leicht und er stellt dessen Schwächen auch unverblümt bloß. Das ist einfach kein verzeihender "Geradebieger" oder "Schönfärber", wie er heutzutage oft zu finden ist, sondern eher ein Spezialist. Vielleicht daher sein bislang unbemerktes Dasein in der Bugera-Ampecke. Dabei hat der Combo irre viel zu bieten. Man muß sich aber schon mit ihm beschäftigen und ihn etwas kitzeln, ein wenig mit ihm kämpfen. So ähnlich wie mit einer alten Telecaster oder Strat mit fiesem 7,25"Fretboard Radius und entsprechend hoher Saitenlage. Da kommt auch nicht auf Anhieb Merle Travis oder "Slow hand"-Clapton raus. Wenn man sich aber reinhängt und es dann beherrscht, ist das Ergebnis umso schöner.
Was ich mir am Bugera BC30-212 noch wünschen würde...
Vor einiger Zeit haben mich Jan und Mario von Bugera in einem kleinen Interview mal gefragt, was ich mir am Bugera BC30 noch wünschen würde.
Neben einem langen Federhall-System für den Fender-Fan in mir, wäre aufgrund des Endstufenkonzepts sicherlich die neuartige Bugera "Varipower"-Regelung die perfekte Ergänzung. Damit wäre die enorme Lautstärke, bei der die Endstufe des Combos erst ihre tonalen Stärken ausspielen kann, ohne große klangliche Einbußen auf "erträglichen" und praktikablen Pegel eingebremst. Der Amp ist für dieses Feature (oder anders herum) eigentlich wie geschaffen, daher wundert es mich, daß diese Leistungsreduzierung nicht von Anfang an bei der Konstruktion Beachtung gefunden hat. So würde sich meiner Meinung nach der interessierte Kundenkreis deutlich breiter definieren.
Ich wäre auch der Infinium-Technologie im BC30 überhaupt nicht abgeneigt. Die Endstufe läuft immer hart an der Grenze zum Suizid. Wenn ich jetzt noch davon ausgehe, daß die Endstufenröhren im Laufe ihres ohnehin schon stressigen Lebens im Bugera BC30 in ihren Werten ordentlich auseinander driften werden (und das tun sie mit ziemlicher Sicherheit), würde ich mir eine permanente Überwachung der Parameter mit eigenständiger Regulierung wünschen. Infinium kann das, daher mein Votum auch dafür.
Natürlich kann (und muß) man das als versierter Ampschrauber des öfteren über eine manuelle Bias-Justage selbst tun. Das bedeutet aber nicht, daß alle vier EL84 gleichzeitig in ihrem optimalen Bereich arbeiten. Da würde ich mir diese Arbeit gerne abnehmen lassen und stattdessen die Zeit ins Gitarre spielen investieren.
Zum Schluß möchte ich mich nochmal ganz herzlich bei Jan und Mario von Bugera bedanken. Die Gespräche mit ihnen waren sehr informativ und sie standen mir mit Rat und Tat zur Seite, wenn ich mal wieder nicht weiter wusste...
Ich mußte das Review leider gehörig kürzen und die Software lässt auch nur 50 Anhänge (Bilder) pro Beitrag zu.
Das wäre wohl sonst eine Endlosnummer geworden. Wenn ihr also noch Fragen oder Anmerkungen zum Amp habt, dann her damit.
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