Mr.513
Registrierter Benutzer
*Anmerkung der Moderation: Ausgelagert aus https://www.musiker-board.de/reviews-e-git/550543-gitarre-linus-guitars.html*
Pekri59, hier warst Du schneller, einen Thread mit Inhalt der Linus Gitarren zu starten. Wie Peter Steinacher zum Gitarrenbau gekommen ist, kann man auf seiner Homepage nachlesen, auf der er auch alle Gitarren, die er für sich und Menschen, denen er eine bauen wollte, in Galerien beschreibt. Teilweise hat er auch Baudokumentationen hinterlegt, auch besondere Reperaturen oder zum Beipiel das "Makeover" an Pekri59s R9 ist dort vorgestellt.
Da ich auch zu den Glücklichen gehöre, die eine Gitarre besitzen, die Peter baute, will ich sie an dieser Stelle dem Musiker-Board Publikum (oder denjenigen, die sich in die Linus-Guitars-Thread "verirren") eingehender präsentieren.
Dass dies eine Lobhudelei werden wird, liegt auf der Hand.
Ich möchte mal mit nicht subjektiv eingefärbten Dingen beginnen, nämlich den technischen Daten. Erst im Anschluss werde ich auf die Entstehungsgeschichte und meine Eindrücke eingehen.
(Die Gitarre in der Totalen.)
Fabrikat: Linus
Nr. 131237
Model: Customanfertigung
Typ: Thinline Electric Guitar
Mensur: 25 1/4''
Hals: Riegelahorn gesperrt mit Palisander
Griffbrett:Ebenholz, 12″ Radius, 24 Bünde
Halsbreite: Sattel 43,2 mm - XII. 53,0 mm
Sattel: Bones
Inlays: Perlmutt - Einzelanfertigung, Skorpion am 12. Bund
Korpus: Ahornzargen mit Reifchen - Ahorn Soundblock
Top: Riegelahorn Bookmatched - Archtop.
Back: Riegelahorn Bookmatched - Archtop.
Tonabnehmer: 2x Humbucker - Handmade - 042 AWG - Alnico II
Fishman Piezotonabnehmer in der Bridge plus Fishman Powerchip.
Schaltung: 2 x Volumen, 2 x Resonanzfrequenz Wahlschalter (mit 6 Soundstellungen), 2 x Toggle Switch, 1 x Volumen Piezo
Hardware: Chrom
Tuner: PRS (Gotoh) Phase III Locking Tuner.
Bridge: Fishman Powerbridge VS-50P
Strings: D'addario .009 - .042
Pins: Schaller Security Locks
Gurt: PRS ACC-3112-TN
Zubehör: ein von Peter Steinacher angepasster Thoman ES-355 Koffer mit Linus-Leichentuch, Linus-T-shirt, 2 x Linus Plektren, 1 x Linus Visitenkarte,
Werkzeug, ein Bildband zur Entstehung der Gitarre einschließlich Übergabe.
(Ein paar Bilder von der Decke bzw. Oberseite.)
Wo fängt man jetzt am Besten an?
Linus Guitars war mir durch meine Präsenz bei www.guitarmaniacs.de [im Folgenden nur noch GM] geläufig. Ein Mitglied beschrieb dort seine Testeindrücke einer von Peter Steinacher gebauten Strat, die dann später ein anderes Mitglied von GM kaufte. Für den baute Peter Steinacher eine Les Paul Thinline. Dann gab es eine Spendenaktion bei GM, bei der dann eine Les Paul, die ebenfalls durch Linus gebaut werden sollte, ausgelobt worden ist (diese Gitarre hat Pekri59 weiter oben gezeigt). Die Aktion verlief jedenfalls im Sande, Peter Steinacher baute die Gitarre für sich.
(Ein paar Bilder von Kopfplatte und Ebenholzgriffbrett.)
Für den Herbst 2013 gab es für mich ein wichtiges Ereignis, da ich nach 13 Jahren treuen Dienens beruflich neue Wege gehen durfte. Ich wollte mich zum Abschluss dieser mitunter fordernden und prägenden, aber auch schönen Zeit selber beschenken. Was macht man da? Mountain Bike ist ein Hobby von mir, Gitarre ein anderes. Ein custom-made MTB hat zwar seinen Reiz, aber ich war und bin der Meinung, dass eine Gitarre besser geeignet ist, ein technischen Errungenschaften trotzendes und damit zeitloses Erinnerungsstück zu werden.
Mein Bestand an Gitarren umfasst grob gesagt eher Humbucker Gitarren (mindestens mit einem am Steg), unterschiedliche Vibratos, unterschiedliche Hersteller, unterschiedliche PU-Hersteller [PRS, DiMarzio, EMG, Seymour Duncan (und designed), namenlos], es überwiegt die Double Cut Korpusform.
2011 kaufte ich mir in den USA eine neue PRS, 2012 kamen eine gebrauchte 1995er Ibanez RG und eine umgebaute Legend Stratkopie (Max Mauluff Dentacaster. Dentacaster deshalb, weil der Träger des Pseudonyms "Max Mauluff" Zahnarzt ist. Sie sieht aus wie eine Fender Deluxe Lone Star Strat RW).
Bei dem US-Händler, bei dem ich meine PRS kaufte, tauchte im online-Katalog irgendwann eine Thinline auf, die mich optisch begeisterte. Die PRS Neal Schon Private Stock Limited. Eine Archtop Thinline. Was gar nicht ging, war das Floyd Rose. Gut, es ist Neal Schons Signature (die auch als NS-14 und NS-15 außerhalb des Private Stock labels angeboten werden).
Die Form gefiel mir auf alle Fälle sehr gut. Allerdings wollte ich nicht das Original, da die Gitarre ein Erinnerungsstück mit persönlichen Details werden sollte. Ich recherchierte ein wenig.
Mein Lastenheft umfasste:
- Form der PRS Neal Schon,
- gewölbte Decke, gewölbter Rücken
- eingeleimter Hals,
- 24 Bünde,
- 25 1/4 Zoll Mensur,
- unterfrästes Vintagevibrato mit Piezo,
- 2 Humbucker, die zu Singlecoils splittbar waren,
- je PU einen Lautstärke- und einen Ton-Regler,
- Farbe: bernsteinfarben mit burst,
- Material: Holzsorte war nicht vorgegeben.
(Auch auf dem Rücken liegend schön.)
Welcher Gitarrenbauer baut so etwas? Die mir in Deutschland bekannten Namen hatten ihre eigenen Modelle, die hatte ich dann gar nicht kontaktiert. Bei anderen lag der Kostenvoranschlag ganz weit außerhalb meiner Preisvorstellungen.
Ich hatte fast schon beschlossen, das Projekt abzubrechen bevor es überhaupt begonnen hatte.
An Peter Steinacher hatte ich gar nicht gedacht, zu dem gehörte ich nicht zu seinem Freundeskreis. Ich erwähnte jedenfalls gegenüber Max Mauluff die Sackgasse, in der ich mich befand. Er sagte mir, ich solle mal Peter Steinacher meine Idee vorstellen, wenn er Interesse daran hat (z. B. weil er sich daran weiterbilden kann, weil bisher noch nicht seinerseits verarbeitete Komponenten integriert werden sollten), würde er sich melden.
Anfang 2013 schrieb ich Peter Steinacher via Messenger eines Sozialen Netzwerks an, bekam aber keine Antwort. Nach zwei Wochen des Wartens kopierte ich die Nachricht in eine e-mail und schickte diese ab. Oh, Wunder. Er antwortete. Er antwortete sehr ausführlich mit eigener Vorstellung, mit Darstellung seiner Philosophie beim Instrumentenbau und machte eine Überschlagsrechnung. Wenn ich einverstanden sei, dann würde er sich an das Projekt heranmachen. Er würde mich von Zeit zu Zeit anschreiben, wenn es um Absprachen ginge.
Zum Material würde er auf heimisches Ahorn aus seinem Privatbestand für Hals und Korpus zurückgreifen, Griffbrett aus Ebenholz, den Hals würde er gerne mit 40 Jahre altem Palisander sperren.
Er richtete mir eine passwortgeschützten Bereich auf seiner Homepage an und begann mit den Materialvorarbeiten und auch dem Entwurf.
Diesen diskutierten wir von Februar bis Mai 2013, dann wurde gebaut, und die Gitarre war dann Ende November 2013 fertig.
Zu diesen Details gehörten u. a. das Layout der Potis und Toggles, der Skorpion nebst der Bundinlays, die Trussrodabdeckung aus Alu, die verchromten Aludeckel (ein Vorschlag Peters), die Mechaniken, die Farbe (ich wollte den gleichen bernsteinfarbton, den er bei der Gitarre realisiert hat, die das Hintergrundmotiv seiner Homepage ziert, allerdings wollte ich keine schwarze oder dunkle Kopfplatte (sowohl vorne wie hinten), sondern der Bernsteinton sollte auch hier aufgegriffen werdenes auch das Halsprofil und die Gestalt des Halsfußes festzulegen.
(Ein paar Bilder vom Vibrato: unterfräst und schwebend, beachtenswert sind auch die flachen PU-Rahmen.)
Ich gab Peter freie Hand zum Konstruieren. Für ihn war es ein besonderes Projekt, weil er ohne verfügbaren Bauplan und Maße - allein es gab die Bilder im Internet der PRS Neal Schon Modelle - ans Werk ging. Ihm gefiel dieser ursprüngliche Ansatz sehr gut (und trotz des Aufwands, der es für ihn bedeutete, alles vorher ganz genau zu planen, um dann nicht bei der Holzbearbeitung böse zu erwachen).
Er hatte, was den Korpusaufbau anging, meinerseits keine Vorgaben. Von daher baute er den Korpus auf wie eine klassische Akustikgitarre. Er fräßte die Hohlräume nicht aus einem massiven Block, sondern nahm nur einen Soundblock, bog als Zargen massive Ahornstreifen und befestigte an diesen Reifchen, um die Klebe-/Kontaktfläche zu Decke und Rücken zu vergrößern. Sicher bedeutete das eine Gewichtsersparnis, die Gitarre wiegt trotzdem 4,4 kg - sagt zumindest die Babywaage.
Das Halsprofil wurde PRS entliehen und entspricht dem Wide Fat Neck.
Im August waren die Holzarbeiten beendet und begann das Lackieren. Dies zog sich bis November hin, weil Peter die jeweilige Lackschicht in Ruhe einwirken lassen wollte.
(Hier sieht man die auch im Inneren ausgeführte Wölbung. Als keine billiges Archtop, bei dem nur die Oberflächen von Decke und Rücken gewölbt werden.)
Im November machte sich Peter an die Herstellung der Elektrik. Es gehört zu seinem Anspruch, möglichst viel selber herzustellen. Ein paar Dinge hat er nicht gebaut: die Mechaniken, die Toggles, das Vibrato, die Gurt-Pins, die Push-Pull-Potis, die Potiknöpfe und die Saiten. Der Rest ist "Marke Eigenbau", inkl. der Resonanzfrequenzschalter.
(Von oberen F-Loch her ist das Typenschild zu entdecken, Erbauer und Auftraggeber wurden verewigt. Ein Entfernen wird nicht zerstörungsfrei passieren.)
Kurz sei hier deren Prinzip erläutert (unter dem Begriff C-Switch führt sie auch Herr Lemme):
Die Tonbeeinflussung läuft über die Kondensatoren ab, deren Kapizität je nach Schalterstellung verändert wird (sie nimmt zu). Und somit wird der Ton wärmer. Da unterschiedliche Kondensatoren eingebaut werden, sind natürlich Feinabstufungen möglich, die beim letzten Stellungspunkt dann wie ein Jazztonabnehmer klingen.
Peter erwartete als Nachteil, dass unter Umständen beim Betreiben beider Magnettonabnehmer in Mittelstellung beim Volume eine nicht so saubere Regulierung im oberen weg möglich wäre. Er empfand dies beim Check als nicht störend.
Die Bandbreite der Magnetpickups erfüllen die Anforderungen von High-Gain bis Clean, Peter stuft sie für den sehr verzerrten Bereich möglicherweise als etwas zu klar und transparent ein, was mit den Rotary-Schaltern aber wieder in einen Bereich gebracht werden kann, der den Sound unterstützt. Peter selber empfindet diese PUs als sehr vielseitig, aber auch schwer zu spielen. Sie sind kräftig und gnadenlos in ihrer Art, das Signal zu übertragen. "Wer unsauber spielt, wird auch so klingen ☺", sagte er wörtlich.
Naja, diese handgewickelten Tonabnehmer sind optisch wie akustisch was sehr feines geworden. Zu meinen Spieleindrücken aber am Schluss noch ein paar Worte.
[Ein Detailbild der Schaltzentrale: Der Toggle schaltet (unten) den Piezo, (Mitte) Magnet-PU + Piezo, (oben) Magnet-PU. Die oberen Potis sind Volumenpotis (Push-Pull; gedrückt im HB-Modus), die unteren sind die Resonanzfrequenzschalter.]
Nach weit mehr als 200 Arbeitsstunden traf ich mich mit Peter bei ihm zu Hause. Über den gesamten Zeitraum war ich durch die mit den Arbeitsschritten wachsende Galerie, die Beschreibungen, aber auch die mitunter wortreichen e-mails bestens informiert.
(Mir gefällt der Rücken. Ich habe Bekannte, die Vorbehalte hatten gegen die Deckel auf der Rückseite, "Garagentor" fiel da als Bezeichnung. Ich erachtete sie als notwendig an hinsichtlich der von mir aufgestellten funktionalen Forderungen. Auch der Wartungsaspekt der Elektrik spielte eine Rolle. Die Umsetzung finde ich zumindest gelungen. Die offenen Phase III Mechaniken haben ihren Reiz. Deutsch für Gitarrenbauer, Lektion 1: Der Hals: "Ich bin 5 mal Ahorn und die 4 Palisander!")
Wenn man dann aber SEINEM Instrument gegenübersteht, was ein paar ganz persönliche Geheimnisse (ein paar Eingeweihte kennen diese) bekommen hat, ist das was anderes.
Passt mir die Ergonomie, fühle ich mich auf dem Hals wohl, wie klingt sie?
Kurz bevor ich die Thinline vom Ständer nahm dachte ich, die wird nicht so viel wiegen. Pustekuchen. Die hat trotzdem Masse. Die Silhuette ist schmaler als die der PRS, wie auch der Hals-Korpus-Anschluss anders ist. Eine 1:1-Kopie war nicht gefordert, sondern nur die Korpusform.
[Das Binding aus den Seiten der Decke und des Bodens. Der Toggle schaltet die Magnet-PUs: Hals (oben), Hals + Steg (Mitte), Steg (unten)]
Bei einem kühlen blonden Alkoholfreien hatten wir insgesamt 3 schöne Stunden. Dann machte ich mich auf den Heimweg, auf dem Rücksitz liegend meine ganz persönliche Gitarre.
(Ein Blick über die Mittelachse zur Kopfplatte.)
Wie klingt so eine Gitarre. Nicht angestöpselt kommt hier die semi-akustische Konstruktion zur Wirkung, die die Gitarre lauter macht als Solidbodies. Aber es ist eine E-Gitarre.
(Hier zeigt sich Peters Anspruch: Die marktverfügbaren Jacks passten von der Größe und Optik nicht. Also selber bauen.)
Der Piezo klingt super, die Mischstellungen (wenn man die unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten der Magnet-PUs mal nicht weiter beachtet) auch.
Die Magnet-PUs klingen als HB fett, als SCs finde ich, dass die Volumepoti etwas geschlossen werden sollte, damit ein wenig Twang-Flair entstehen kann.
Stochastisch habe ich noch nicht erfasst, wie viele Sounds möglich sind. Jeder Magnet-PU hat für sich 12 Sounds (SC oder HB mit jeweils 6 Stellungen am Resonatorfrequenzschalter), wird der Toggle für die Magnet-PUs auf Mittelstellung gebracht, hat man (ohne die Resonanzfrequenzwahl) die Alternativen HB-HB, SC-HB, HB-SC, SC-SC. Und wenn man dann noch die jeweilige Stellung der Rotaryschalter hinzuzieht, überlegt man sich, ob nicht ein normales Tonpoti gereicht hätte (Peter geht wieder diesen Weg für sich…).
Die Ergonomie der gesamten Gitarre passt mir, obwohl ich während des Baus kein Probetragen machen konnte, Glück gehabt.
(Seltene Einblicke: Peters Detailversessenheit zeigte sich auch bei den Deckeln. Es musste eine Ahornplatte drauf, wer will schon beim Blick durchs F-Loch auf Alu schauen?! Der Deckel für das Batteriefach trägt eine für mich sehr bedeutsame Gravur, die aber nicht jeder sehen braucht. Im E-Fach sieht man natürlich auch die schöne Riegelahornmaserung, aber auch die Ordnung und die von Peter hergestellten Resonanzfrequenzschalter. Die Federkammer beinhaltet neben den Federn auch eine Blackbox. Der 9 V Block ruht in einer Box.)
Meine Frau findet die Gitarre auch sehr schön (Und die Frage kam: "Noch eine Gitarre?!". Wie gut, dass es side-payments für die Erreichung von Kooperation gibt, weiß ich aus meinen Vorlesungen über die Sicherheitspolitische Theorie des Neorealismus).
Eine Gitarre wird bei mir noch einziehen: eine Tele. Diese werde ich mir auch von Peter Steinacher bauen lassen. Die Betreuung war excellent. Und während des Projekts ist eine Freundschaft zu ihm entstanden und andere lockere Bekanntschaften haben ihre Qualität auch verändert. Ich freue mich jetzt, dass ich als Zuschauer bei der Entstehung einer Gitarre eines Freundes beteiligt sein darf. Er hat schon ein paar Instrumente mit Linus Schriftzug. Und auf Pekri59s Ahorn-Pickguard bin ich auch gespannt.
Danke für die Geduld beim Studieren dieses etwas anderen Reviews.
Pekri59, hier warst Du schneller, einen Thread mit Inhalt der Linus Gitarren zu starten. Wie Peter Steinacher zum Gitarrenbau gekommen ist, kann man auf seiner Homepage nachlesen, auf der er auch alle Gitarren, die er für sich und Menschen, denen er eine bauen wollte, in Galerien beschreibt. Teilweise hat er auch Baudokumentationen hinterlegt, auch besondere Reperaturen oder zum Beipiel das "Makeover" an Pekri59s R9 ist dort vorgestellt.
Da ich auch zu den Glücklichen gehöre, die eine Gitarre besitzen, die Peter baute, will ich sie an dieser Stelle dem Musiker-Board Publikum (oder denjenigen, die sich in die Linus-Guitars-Thread "verirren") eingehender präsentieren.
Dass dies eine Lobhudelei werden wird, liegt auf der Hand.
Ich möchte mal mit nicht subjektiv eingefärbten Dingen beginnen, nämlich den technischen Daten. Erst im Anschluss werde ich auf die Entstehungsgeschichte und meine Eindrücke eingehen.
(Die Gitarre in der Totalen.)
Fabrikat: Linus
Nr. 131237
Model: Customanfertigung
Typ: Thinline Electric Guitar
Mensur: 25 1/4''
Hals: Riegelahorn gesperrt mit Palisander
Griffbrett:Ebenholz, 12″ Radius, 24 Bünde
Halsbreite: Sattel 43,2 mm - XII. 53,0 mm
Sattel: Bones
Inlays: Perlmutt - Einzelanfertigung, Skorpion am 12. Bund
Korpus: Ahornzargen mit Reifchen - Ahorn Soundblock
Top: Riegelahorn Bookmatched - Archtop.
Back: Riegelahorn Bookmatched - Archtop.
Tonabnehmer: 2x Humbucker - Handmade - 042 AWG - Alnico II
Fishman Piezotonabnehmer in der Bridge plus Fishman Powerchip.
Schaltung: 2 x Volumen, 2 x Resonanzfrequenz Wahlschalter (mit 6 Soundstellungen), 2 x Toggle Switch, 1 x Volumen Piezo
Hardware: Chrom
Tuner: PRS (Gotoh) Phase III Locking Tuner.
Bridge: Fishman Powerbridge VS-50P
Strings: D'addario .009 - .042
Pins: Schaller Security Locks
Gurt: PRS ACC-3112-TN
Zubehör: ein von Peter Steinacher angepasster Thoman ES-355 Koffer mit Linus-Leichentuch, Linus-T-shirt, 2 x Linus Plektren, 1 x Linus Visitenkarte,
Werkzeug, ein Bildband zur Entstehung der Gitarre einschließlich Übergabe.
(Ein paar Bilder von der Decke bzw. Oberseite.)
Wo fängt man jetzt am Besten an?
Linus Guitars war mir durch meine Präsenz bei www.guitarmaniacs.de [im Folgenden nur noch GM] geläufig. Ein Mitglied beschrieb dort seine Testeindrücke einer von Peter Steinacher gebauten Strat, die dann später ein anderes Mitglied von GM kaufte. Für den baute Peter Steinacher eine Les Paul Thinline. Dann gab es eine Spendenaktion bei GM, bei der dann eine Les Paul, die ebenfalls durch Linus gebaut werden sollte, ausgelobt worden ist (diese Gitarre hat Pekri59 weiter oben gezeigt). Die Aktion verlief jedenfalls im Sande, Peter Steinacher baute die Gitarre für sich.
(Ein paar Bilder von Kopfplatte und Ebenholzgriffbrett.)
Für den Herbst 2013 gab es für mich ein wichtiges Ereignis, da ich nach 13 Jahren treuen Dienens beruflich neue Wege gehen durfte. Ich wollte mich zum Abschluss dieser mitunter fordernden und prägenden, aber auch schönen Zeit selber beschenken. Was macht man da? Mountain Bike ist ein Hobby von mir, Gitarre ein anderes. Ein custom-made MTB hat zwar seinen Reiz, aber ich war und bin der Meinung, dass eine Gitarre besser geeignet ist, ein technischen Errungenschaften trotzendes und damit zeitloses Erinnerungsstück zu werden.
Mein Bestand an Gitarren umfasst grob gesagt eher Humbucker Gitarren (mindestens mit einem am Steg), unterschiedliche Vibratos, unterschiedliche Hersteller, unterschiedliche PU-Hersteller [PRS, DiMarzio, EMG, Seymour Duncan (und designed), namenlos], es überwiegt die Double Cut Korpusform.
2011 kaufte ich mir in den USA eine neue PRS, 2012 kamen eine gebrauchte 1995er Ibanez RG und eine umgebaute Legend Stratkopie (Max Mauluff Dentacaster. Dentacaster deshalb, weil der Träger des Pseudonyms "Max Mauluff" Zahnarzt ist. Sie sieht aus wie eine Fender Deluxe Lone Star Strat RW).
Bei dem US-Händler, bei dem ich meine PRS kaufte, tauchte im online-Katalog irgendwann eine Thinline auf, die mich optisch begeisterte. Die PRS Neal Schon Private Stock Limited. Eine Archtop Thinline. Was gar nicht ging, war das Floyd Rose. Gut, es ist Neal Schons Signature (die auch als NS-14 und NS-15 außerhalb des Private Stock labels angeboten werden).
Die Form gefiel mir auf alle Fälle sehr gut. Allerdings wollte ich nicht das Original, da die Gitarre ein Erinnerungsstück mit persönlichen Details werden sollte. Ich recherchierte ein wenig.
Mein Lastenheft umfasste:
- Form der PRS Neal Schon,
- gewölbte Decke, gewölbter Rücken
- eingeleimter Hals,
- 24 Bünde,
- 25 1/4 Zoll Mensur,
- unterfrästes Vintagevibrato mit Piezo,
- 2 Humbucker, die zu Singlecoils splittbar waren,
- je PU einen Lautstärke- und einen Ton-Regler,
- Farbe: bernsteinfarben mit burst,
- Material: Holzsorte war nicht vorgegeben.
(Auch auf dem Rücken liegend schön.)
Welcher Gitarrenbauer baut so etwas? Die mir in Deutschland bekannten Namen hatten ihre eigenen Modelle, die hatte ich dann gar nicht kontaktiert. Bei anderen lag der Kostenvoranschlag ganz weit außerhalb meiner Preisvorstellungen.
Ich hatte fast schon beschlossen, das Projekt abzubrechen bevor es überhaupt begonnen hatte.
An Peter Steinacher hatte ich gar nicht gedacht, zu dem gehörte ich nicht zu seinem Freundeskreis. Ich erwähnte jedenfalls gegenüber Max Mauluff die Sackgasse, in der ich mich befand. Er sagte mir, ich solle mal Peter Steinacher meine Idee vorstellen, wenn er Interesse daran hat (z. B. weil er sich daran weiterbilden kann, weil bisher noch nicht seinerseits verarbeitete Komponenten integriert werden sollten), würde er sich melden.
Anfang 2013 schrieb ich Peter Steinacher via Messenger eines Sozialen Netzwerks an, bekam aber keine Antwort. Nach zwei Wochen des Wartens kopierte ich die Nachricht in eine e-mail und schickte diese ab. Oh, Wunder. Er antwortete. Er antwortete sehr ausführlich mit eigener Vorstellung, mit Darstellung seiner Philosophie beim Instrumentenbau und machte eine Überschlagsrechnung. Wenn ich einverstanden sei, dann würde er sich an das Projekt heranmachen. Er würde mich von Zeit zu Zeit anschreiben, wenn es um Absprachen ginge.
Zum Material würde er auf heimisches Ahorn aus seinem Privatbestand für Hals und Korpus zurückgreifen, Griffbrett aus Ebenholz, den Hals würde er gerne mit 40 Jahre altem Palisander sperren.
Er richtete mir eine passwortgeschützten Bereich auf seiner Homepage an und begann mit den Materialvorarbeiten und auch dem Entwurf.
Diesen diskutierten wir von Februar bis Mai 2013, dann wurde gebaut, und die Gitarre war dann Ende November 2013 fertig.
Zu diesen Details gehörten u. a. das Layout der Potis und Toggles, der Skorpion nebst der Bundinlays, die Trussrodabdeckung aus Alu, die verchromten Aludeckel (ein Vorschlag Peters), die Mechaniken, die Farbe (ich wollte den gleichen bernsteinfarbton, den er bei der Gitarre realisiert hat, die das Hintergrundmotiv seiner Homepage ziert, allerdings wollte ich keine schwarze oder dunkle Kopfplatte (sowohl vorne wie hinten), sondern der Bernsteinton sollte auch hier aufgegriffen werdenes auch das Halsprofil und die Gestalt des Halsfußes festzulegen.
(Ein paar Bilder vom Vibrato: unterfräst und schwebend, beachtenswert sind auch die flachen PU-Rahmen.)
Ich gab Peter freie Hand zum Konstruieren. Für ihn war es ein besonderes Projekt, weil er ohne verfügbaren Bauplan und Maße - allein es gab die Bilder im Internet der PRS Neal Schon Modelle - ans Werk ging. Ihm gefiel dieser ursprüngliche Ansatz sehr gut (und trotz des Aufwands, der es für ihn bedeutete, alles vorher ganz genau zu planen, um dann nicht bei der Holzbearbeitung böse zu erwachen).
Er hatte, was den Korpusaufbau anging, meinerseits keine Vorgaben. Von daher baute er den Korpus auf wie eine klassische Akustikgitarre. Er fräßte die Hohlräume nicht aus einem massiven Block, sondern nahm nur einen Soundblock, bog als Zargen massive Ahornstreifen und befestigte an diesen Reifchen, um die Klebe-/Kontaktfläche zu Decke und Rücken zu vergrößern. Sicher bedeutete das eine Gewichtsersparnis, die Gitarre wiegt trotzdem 4,4 kg - sagt zumindest die Babywaage.
Das Halsprofil wurde PRS entliehen und entspricht dem Wide Fat Neck.
Im August waren die Holzarbeiten beendet und begann das Lackieren. Dies zog sich bis November hin, weil Peter die jeweilige Lackschicht in Ruhe einwirken lassen wollte.
(Hier sieht man die auch im Inneren ausgeführte Wölbung. Als keine billiges Archtop, bei dem nur die Oberflächen von Decke und Rücken gewölbt werden.)
Im November machte sich Peter an die Herstellung der Elektrik. Es gehört zu seinem Anspruch, möglichst viel selber herzustellen. Ein paar Dinge hat er nicht gebaut: die Mechaniken, die Toggles, das Vibrato, die Gurt-Pins, die Push-Pull-Potis, die Potiknöpfe und die Saiten. Der Rest ist "Marke Eigenbau", inkl. der Resonanzfrequenzschalter.
(Von oberen F-Loch her ist das Typenschild zu entdecken, Erbauer und Auftraggeber wurden verewigt. Ein Entfernen wird nicht zerstörungsfrei passieren.)
Kurz sei hier deren Prinzip erläutert (unter dem Begriff C-Switch führt sie auch Herr Lemme):
Die Tonbeeinflussung läuft über die Kondensatoren ab, deren Kapizität je nach Schalterstellung verändert wird (sie nimmt zu). Und somit wird der Ton wärmer. Da unterschiedliche Kondensatoren eingebaut werden, sind natürlich Feinabstufungen möglich, die beim letzten Stellungspunkt dann wie ein Jazztonabnehmer klingen.
Peter erwartete als Nachteil, dass unter Umständen beim Betreiben beider Magnettonabnehmer in Mittelstellung beim Volume eine nicht so saubere Regulierung im oberen weg möglich wäre. Er empfand dies beim Check als nicht störend.
Die Bandbreite der Magnetpickups erfüllen die Anforderungen von High-Gain bis Clean, Peter stuft sie für den sehr verzerrten Bereich möglicherweise als etwas zu klar und transparent ein, was mit den Rotary-Schaltern aber wieder in einen Bereich gebracht werden kann, der den Sound unterstützt. Peter selber empfindet diese PUs als sehr vielseitig, aber auch schwer zu spielen. Sie sind kräftig und gnadenlos in ihrer Art, das Signal zu übertragen. "Wer unsauber spielt, wird auch so klingen ☺", sagte er wörtlich.
Naja, diese handgewickelten Tonabnehmer sind optisch wie akustisch was sehr feines geworden. Zu meinen Spieleindrücken aber am Schluss noch ein paar Worte.
[Ein Detailbild der Schaltzentrale: Der Toggle schaltet (unten) den Piezo, (Mitte) Magnet-PU + Piezo, (oben) Magnet-PU. Die oberen Potis sind Volumenpotis (Push-Pull; gedrückt im HB-Modus), die unteren sind die Resonanzfrequenzschalter.]
Nach weit mehr als 200 Arbeitsstunden traf ich mich mit Peter bei ihm zu Hause. Über den gesamten Zeitraum war ich durch die mit den Arbeitsschritten wachsende Galerie, die Beschreibungen, aber auch die mitunter wortreichen e-mails bestens informiert.
(Mir gefällt der Rücken. Ich habe Bekannte, die Vorbehalte hatten gegen die Deckel auf der Rückseite, "Garagentor" fiel da als Bezeichnung. Ich erachtete sie als notwendig an hinsichtlich der von mir aufgestellten funktionalen Forderungen. Auch der Wartungsaspekt der Elektrik spielte eine Rolle. Die Umsetzung finde ich zumindest gelungen. Die offenen Phase III Mechaniken haben ihren Reiz. Deutsch für Gitarrenbauer, Lektion 1: Der Hals: "Ich bin 5 mal Ahorn und die 4 Palisander!")
Wenn man dann aber SEINEM Instrument gegenübersteht, was ein paar ganz persönliche Geheimnisse (ein paar Eingeweihte kennen diese) bekommen hat, ist das was anderes.
Passt mir die Ergonomie, fühle ich mich auf dem Hals wohl, wie klingt sie?
Kurz bevor ich die Thinline vom Ständer nahm dachte ich, die wird nicht so viel wiegen. Pustekuchen. Die hat trotzdem Masse. Die Silhuette ist schmaler als die der PRS, wie auch der Hals-Korpus-Anschluss anders ist. Eine 1:1-Kopie war nicht gefordert, sondern nur die Korpusform.
[Das Binding aus den Seiten der Decke und des Bodens. Der Toggle schaltet die Magnet-PUs: Hals (oben), Hals + Steg (Mitte), Steg (unten)]
Bei einem kühlen blonden Alkoholfreien hatten wir insgesamt 3 schöne Stunden. Dann machte ich mich auf den Heimweg, auf dem Rücksitz liegend meine ganz persönliche Gitarre.
(Ein Blick über die Mittelachse zur Kopfplatte.)
Wie klingt so eine Gitarre. Nicht angestöpselt kommt hier die semi-akustische Konstruktion zur Wirkung, die die Gitarre lauter macht als Solidbodies. Aber es ist eine E-Gitarre.
(Hier zeigt sich Peters Anspruch: Die marktverfügbaren Jacks passten von der Größe und Optik nicht. Also selber bauen.)
Der Piezo klingt super, die Mischstellungen (wenn man die unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten der Magnet-PUs mal nicht weiter beachtet) auch.
Die Magnet-PUs klingen als HB fett, als SCs finde ich, dass die Volumepoti etwas geschlossen werden sollte, damit ein wenig Twang-Flair entstehen kann.
Stochastisch habe ich noch nicht erfasst, wie viele Sounds möglich sind. Jeder Magnet-PU hat für sich 12 Sounds (SC oder HB mit jeweils 6 Stellungen am Resonatorfrequenzschalter), wird der Toggle für die Magnet-PUs auf Mittelstellung gebracht, hat man (ohne die Resonanzfrequenzwahl) die Alternativen HB-HB, SC-HB, HB-SC, SC-SC. Und wenn man dann noch die jeweilige Stellung der Rotaryschalter hinzuzieht, überlegt man sich, ob nicht ein normales Tonpoti gereicht hätte (Peter geht wieder diesen Weg für sich…).
Die Ergonomie der gesamten Gitarre passt mir, obwohl ich während des Baus kein Probetragen machen konnte, Glück gehabt.
(Seltene Einblicke: Peters Detailversessenheit zeigte sich auch bei den Deckeln. Es musste eine Ahornplatte drauf, wer will schon beim Blick durchs F-Loch auf Alu schauen?! Der Deckel für das Batteriefach trägt eine für mich sehr bedeutsame Gravur, die aber nicht jeder sehen braucht. Im E-Fach sieht man natürlich auch die schöne Riegelahornmaserung, aber auch die Ordnung und die von Peter hergestellten Resonanzfrequenzschalter. Die Federkammer beinhaltet neben den Federn auch eine Blackbox. Der 9 V Block ruht in einer Box.)
Meine Frau findet die Gitarre auch sehr schön (Und die Frage kam: "Noch eine Gitarre?!". Wie gut, dass es side-payments für die Erreichung von Kooperation gibt, weiß ich aus meinen Vorlesungen über die Sicherheitspolitische Theorie des Neorealismus).
Eine Gitarre wird bei mir noch einziehen: eine Tele. Diese werde ich mir auch von Peter Steinacher bauen lassen. Die Betreuung war excellent. Und während des Projekts ist eine Freundschaft zu ihm entstanden und andere lockere Bekanntschaften haben ihre Qualität auch verändert. Ich freue mich jetzt, dass ich als Zuschauer bei der Entstehung einer Gitarre eines Freundes beteiligt sein darf. Er hat schon ein paar Instrumente mit Linus Schriftzug. Und auf Pekri59s Ahorn-Pickguard bin ich auch gespannt.
Danke für die Geduld beim Studieren dieses etwas anderen Reviews.
- Eigenschaft
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator: