Armin H.
NP Custom Guitars
Hartung/Forge Nightfall II Custom
Heute wollte ich Euch, wie vor zwei Wochen bereits angesagt, meine allerneueste Errungenschaft vorstellen. Und ich will es gleich vorwegnehmen, dieser kleine rote Teufel ist ein wahres handwerkliches Meisterstück und hat sich innerhalb kürzester Zeit, in meiner ganz persönlichen Rangliste, sehr weit nach oben gespielt. Nachdem ich die Nightfall kurz nach ihrer Ankunft zum ersten Mal hier gepost hatte, bekam ich so einige Anfragen. Ob das denn wirklich mein Ernst sei, die Gitarre würde doch überhaupt nicht zu mir passen, und dann die Farbe, so ungeheuer Rot, wo doch alle meine Gitarren und nicht nur die, Schwarz seien. Glücklicherweise war keiner dabei, der mich gefragt hätte, ob denn nicht schon zu alt für so etwas sei, denn da bin ich nun wirklich sehr empfindlich. Für solche Gedanken hatte ich ehrlich gesagt gar keine Zeit, weil ich die Gitarre erst kurz vor Auktionsende entdeckt hatte und so sehr damit beschäftigt war, mir alle notwendigen Informationen und verlässliche Meinungen einzuholen, um in der kurzen Zeit eine vernünftige Entscheidung zu fällen.
Normalerweise bin ich bei Gitarren in dieser Preisklasse kein Blindkäufer, aber hier war zumindest klar, dass ich bei diesem Kaufpreis das gute Stück bei Missfallen auch recht schnell wieder los werden würde. Mein verlässlichster Ratgeber in Sachen Hartung/¬Forge Guitars war in diesem Fall Chris (exoslime), von dem ich wusste, dass er bereits seit längerer Zeit eine Embrace von Frank spielte und gerade dabei war, sich eine weitere bauen zu lassen. Ansonsten waren die Maße für mich besonders wichtig, da ich gerade zwei Gibson nach kurzer Zeit wieder verkauft hatte, weil ich mir der kürzeren Mensur nicht klarkam. Besonders bei schnellem Spiel und häufigen Bendings neige ich dazu, mal eben über das tonale Ziel hinaus zuschießen. Ich spiele seit mehr als 30 Jahren Fendermaße, die für mich als Stratist den optimalen Wohlfühlfaktor haben und wüsste auch gar nicht, warum ich mich da noch umstellen sollte.
Die Fakten:
Typ: Solidbody E-Guitar
Scale: 25½" 24 frets
Body Wood: Alder
Top Wood: Flamed Maple
Neck Wood: Flamed Maple
Fingerboard Wood: Ebony
Inlays: Custom Sign (pearl)
Pickups: Häussel Humbuckers Bridge: TOZZ B Neck: Hot Spezial N
Controls: 3 Way Toggle Switch 2x Volume ( Push/Pull for split)
Bridge: Tune-o-matic Bridge
Tuners: Sperzel Locking Tuners
Finish: Red high gloss
Finish: Custom Inlay HB Ebony
Fertigung & Konstruktion
Custom Made
Die Nightfall kommt in einem sehr stabilen FC von Rockcase, in Trapezform und der Gitarre exakt auf den Leib geschneidert. Zusätzlich gibt es für den kleinen Transport noch einen Formkoffer der Firma SKB mit der Aufschrift ¬Forge Guitars, dem Namen der Firma, bevor Frank sich von seinem damaligen Partner getrennt hatte. Nun heißt die Company Frank Hartung Guitars und ist im thüringischen Langewiesen, etwa 40 km südlich von Erfurt zu Hause. Alle Arbeiten, von der Selektion der Tonhölzer bis zum finalen Finish werden von Frank selbst durchgeführt. Jede Gitarre die die Werkstatt verlässt ist ein Unikat, das bei Bedarf bis ins Kleinste mit dem Kunden durchgesprochen wird, wobei Kundenwünsche nicht als Extras gehandelt werden, vielmehr gehören sie hier zum Gesamtpaket und das heißt Custom. Mit Custom Shop im herkömmlichen Sinn, wie er von den beiden großen Herstellern praktiziert wird, hat das aber nur wenig zu tun, denn hier hat der Kunde direkten Einfluss auf die Fertigung und kann auch eigene Wünsche in der Formgebung, aber auch in der Auswahl der Hölzer und spezielle Vorlieben bei der Griffbrettbreite oder des Halsradius einfließen und umsetzen lassen. Und Custom bedeutet auch, dass diese Gitarre nur ein einziges Mal so gebaut wurde. Es gibt noch ein ähnliches Modell mit Häussel P-90, Mahagonibody und einer kürzeren Mensur, die Nightfall I, die auch schon einmal im April 2006 in Gitarre und Bass besprochen wurde. Aber diese Nightfall, so wie sie hier steht, ist einzigartig. Und das hinterlässt, zumindest bei mir, auch ein einzigartiges Gefühl.
Der Body
Als ich den Deckel des Flightcase öffnete blieb mir tatsächlich für einen kleinen Augenblick die Luft weg, denn was ich da sah, hatte wahrlich nichts mehr mit Serienfertigung zu tun. Ein bis ins Kleinste tadellos verarbeitetes Instrument. Eigentlich hatte ich mir den Body etwas größer vorgestellt. Der Doublecutaway ist tatsächlich etwas kleiner als der einer Stratocaster und von dieser Ähnlichkeit einmal abgesehen, ist es hier auch schon mit den Gemeinsamkeiten vorbei. Die Decke ist wunderschön gearbeitet, die Wölbung unterstreicht die Konturen der beiden Hörner, wo sie auch am stärksten ist und läuft dann nach hinten über die Brücke gleichmäßig aus. Wo Andersorten mit Kopierschablonen und Fräsen gearbeitet wird, werden die Decken bei Frank komplett von Hand ausgearbeitet. Man kann sich denken, welche Arbeit dahintersteckt, bis eine solche Decke ihre endgültige Form erreicht hat. Der zweiteilige Korpusboden besteht aus Erle, mit einer einteiligen Decke aus Flamed Maple, das eine wunderschöne gleichmäßige Maserung hat und durch die Lackierung fast 3-dimensional scheint. Der Konturschnitt ist hier vielleicht nicht ganz so spektakulär wie bei der Embrace oder Diavolo, wo Frank das speziell von ihm gestaltete und die meisten Hartung Gitarren zeichnende, Flow Carving Design, das inzwischen ebenso wie die Gestaltung der Kopfplatten, zu einer unverwechselbaren Optik dieser Gitarren wurde, verwendet. Es würde meiner Meinung nach hier auch nicht so gut passen. Die Abdeckung für das Elektrofach auf der Bodyrückseite ist aus dem gleichen geflammten Ahorn wie der Hals. Das wohlgeformte Sharping auf der oberen Rückseite lässt selbst meinen ausgeprägte Bauchmuskelstrukturen genügend Bewegungsfreiheit. Man hat an alles gedacht.
Während für die Vorderseite des Korpus, wie auch für Teile der Kopfplatte, ein Red High Gloss Finish gewählt wurde, das der Decke nicht nur einen unwahrscheinlichen Glanz, sondern auch Leben einhaucht, denn die Decke verändert sich ständig mit dem Betrachtungswinkel, wurde die Rückseite der Nightfall hochglänzend lackiert. Obwohl ich schon sehr lange mit Gitarren zu tun habe und auch viele besessen und noch mehr gespielt habe, muss ich gestehen, dass mir eine solche Lackierung bislang noch nicht untergekommen ist. Leider lässt sich die wunderbare Ausführung und Wirkung mit dem Fotoapparat nur sehr unzureichend dokumentieren, da sich die Farbe je nach Lichteinfall ändert. Am Ende des Korpus gibt es einen geschwungenen Einschnitt in Form einer Welle, dadurch wirkt nicht nur der Body sehr lebendig und dynamisch, sondern dieser Schwung geht durch die gesamte Gitarre und setzt sich bis zur Kopfplatte durch.
Hals & Griffbrett
Für den Hals kam bestes und wunderschön geflammtes Ahorn zum Einsatz. Die Oberfläche wurde mehrfach ultradünn lackiert, sodass schon von Anfang an ein sehr vertrautes und griffiges Spielgefühl aufkommt. Für das Griffbrett wurde Ebenholz verwendet. Es wurde mit einem Compound Radius versehen, der eine bessere Bespielbarkeit ergibt. Dazu eine kurze Erklärung für die, die mit dem Begriff wenig anzufangen wissen. "Compound Radius"- Griffbretter sind eine Entwicklung von Warmouth -Guitars und sorgen für leichteres Akkordspiel, genauso wie für leichteres Solieren in höheren Lagen. Der Radius nimmt über die Länge des Griffbretts zu, beginnend stärker gerundet am Sattel und flacher werdend in Richtung Korpus. Die Vorteile sind eine sehr niedrige Saitenlage über das gesamte Griffbrett und ein erleichtertes Stringbending. Die Gitarre hat einen Zweioktavenhals, 24 vorbildlich abgerichtete Medium Jumbo Frets und eine 25,5" Mensur, wie sie beispielsweise auch bei Fender Gitarren, von Mustang und Jaguar einmal abgesehen, die Regel sind.
Die Griffbretter sind Endclosed, d.h., die Bundschlitze im Griffbrett sind bis auf 2 mm vor der Kante eingefräst - die Bundenden werden vor dem Einbringen ins Griffbrett abgesetzt. Überstehende störende Bundkanten können nun nicht mehr auftreten. Das Griffbrett aus Ebenholz ist weder eingefasst noch lackiert, sondern lediglich poliert. Auf Griffbrettmarkierungen wurde ganz bewusst verzichtet, das hätte auf diesem edlen Holz nur gestört. Lediglich auf der Griffbrettoberseite markieren kleine Dots aus Pearl die üblichen Positionen. Am 12. Bund wurden aus Perlmutt die Zahlen 7 und 8 eingelegt, deren Bedeutung allerdings ein Geheimnis bleibt. Anders bei dem exakt gefeilten Sattel, hier dürfte es sich ziemlich eindeutig um organisches Material handeln, vielleicht ein kleiner Mammutzahn. Die auffällig modellierte und leicht abgewinkelte Kopfplatte, inzwischen ein Markenzeichen von Frank Hartung Guitars, ist sehr kompakt gehalten und soll die Entfaltung der Obertöne forcieren. Die Saitenführung über den Sattel erfolgt nahezu gerade und endet bei Mechaniken der Firma Gotoh, bei denen sich die eingefädelten Gitarrensaiten mit einem schmalen Geldstück oder einem Schraubenzieher fixieren lassen und die auch ansonsten äußerst exakt und stimmstabil ihren Dienst verrichten. Durch die tief eingeschnittenen Cutaways lässt sich der Hals bis in die hohen Lagen sehr komfortabel spielen. Die Halstasche reicht bis weit hinter dem Neckpickup in den Body hinein, sodass der Hals bombenfest eingepasst werden konnte. Auch hier sind alle Arbeiten mit äußerster Präzision ausgeführt.
Hardware & Elektrik
Die Tune-O-Matic Bridge wurde auf der gewölbten Decke versenkt montiert, was bessere Schwingungseigenschaften durch den geringen Abstand der Saiten zum Body bringt. Die Saiten werden von hinten durch den Body geführt und über speziell angefertigte Hülsen aus Edelstahl zur Bridge umgelenkt. Durch die verrundeten Hülsen ist ein Abknicken der Saiten ausgeschlossen und eine perfekte Klangübertragung garantiert. Als Pickups wurden zwei Tonabnehmer von Harry Häussel ausgesucht. Für den Steg fiel die Wahl auf den TOZZ B, ein kräftiger Rockpickup mit druckvollen Bässen und einem immer präsenten Anschlagsattack, zupackenden Höhen und dezent zurückgenommenen Mitten, der aber auch gerne mal zum bluesen einlädt. Als Pedant in der Halsposition wurde der HOT N ausgewählt, ein sehr kräftiger und bluesiger Halspickups mit wohldosierten Mitten und Output, dennoch transparent und sauber. Beide Pickups sind passend zum Griffbrett in Ebenholz gefasst, genau wie die dazu passenden Rähmchen, Harry H. macht´s möglich. Die Humbucker sind vieradrig und können beide gesplittet werden. Die dafür vorgesehenen Push-Pull Poti, je ein MasterVolume und ein Master Ton, mit Potiknobs aus Ebenholz, wurden unterhalb der Brücke leicht in die Decke versenkt. Dahinter befindet sich ein 3-Wege Toggle Switch mit einer aufgeschraubten schwarzen Kappe aus, ... Plastik. Das Elektrofach ist von der Bodyrückseite her zugänglich, es macht einen sehr aufgeräumten Eindruck und wurde mit Isolierfarbe behandelt. Die beiden Push-Pull Poti, sowie das Toggle Switch sind sauber verlötet, wobei sehr darauf geachtet wurde die Kabellängen so kurz wie möglich zu halten.
Nach dieser doch sehr ausführlichen Beschreibung und bevor ich zum praktischen Teil komme möchte ich noch sagen, dass mir völlig klar ist, dass nur ein sehr kleiner Teil der User in diesem Forum Instrumente in dieser Qualität und vor allen Dingen Preisklasse spielen. Und das trifft im Normalfall auch auf mich zu. Ich hatte gerade das Geld und die Gelegenheit und habe mich deshalb für diese Gitarre entschieden. Auf der anderen Seite, wenn ich bedenke, dass ich vor knapp 18 Monaten noch über einen Fuhrpark von mehr als 20 Gitarren verfügt habe, von denen ich sicher zu keiner Zeit mehr als drei oder vier wirklich regelmäßig gespielt habe. Der Rest wurde gekauft, weil es gerade eine günstige Gelegenheit war, weil ich das Modell schon immer haben wollte, oder weil es einfach schön ist so viele Gitarren zu besitzen. Inzwischen hat sich meine Einstellung hierzu etwas geändert und ich glaube, dass es für mich mehr Sinn macht, eine Handvoll Gitarren zu spielen, die für mich das Optimum an Spielfreude, Handling und gutem Ton zu bieten haben, als 25 durchschnittlich Gute, von denen 80 % dauerhaft in Gitarrensärgen ruhen, um ab und zu mal für ein Groupshot Picture aufgestellt zu werden. Haben Gitarren von 3000 € aufwärts überhaupt eine Daseinsberechtigung und lohnt sich eine solche Investition? Diese Frage kann nur jeder für sich beantworten, aber wir wollen einmal sehen ob uns der Praxistest einer Antwort etwas näher bringt.
Sound &Handling
Im Grunde genommen ist das für mich immer der schwierigste Teil eines jeden Reviews. Denn es gibt nichts Schwierigeres, als Sounds oder Töne so zu beschreiben, dass am Ende jeder weiß, was gemeint ist. Ich habe da schon sehr weitschweifige und blumige Umschreibungen gelesen, ohne dass ich mir einen Reim darauf machen konnte, aber diese Risiken geht man ein und in diesem Fall ganz besonders gerne. Die Gitarre unplugged auf dem Knie bin ich überrascht, wie kompakt und handsam sich das Instrument anfühlt. Hier stört nichts, nichts muss erst zurechtgerückt werden und das angenehme Gewicht ist exzellent austariert. Ich habe sicherlich fünfmal gewogen und das mit einer wirklich exakten Elektronischen doch über 3060 Gramm wollte die digitale Anzeige nicht hinaus, mit einem frischen Satz Elexir 0.10 - 0.46. Ein Gewicht, bei dem man auch bei Extremjams nicht so schnell schlappmacht. Der Hals ist rund und griffig und hat mehr Fleisch als die meiner beiden Stratocaster. Das zeigt sich auch im unverstärkten Ton und da kann mir jemand tausend Mal etwas anderes sagen, ein dünner Hals klingt nicht. Hier aber klingt und schwingt die ganze Gitarre, man hört und spürt das Holz und nicht das blecherne Geklimper von Saiten. Der Ton ist eine ganze Spur heller als bei einer Les Paul, was sicherlich der Erle zuzuschreiben ist. Ich habe schon sehr oft erlebt, dass mich eine E-Gitarre, die mir unplugged nichts gegeben hat, in den meisten Fällen auch später am Amp nicht begeistern konnte.
Ich sitze oft stundenlang Unplugged auf dem Sofa und spiele so vor mich hin und versuche dabei in die Gitarre zu hören. Man bemerkt auf diese Weise die ganzen Zwischentöne, das Verhalten einer Gitarre bei unterschiedlich starkem Anschlag, was bei einem aufgedrehten Amp einfach nur untergeht. Vor allen Dingen gewöhnt man sich eine sehr viel sauberere Spielweise an. Trotz dieses hellen Grundtons ist der Klang sehr ausgewogen, die Bässe sind kompakt und straff, etwas zurückhaltend in den Mitten, aber mit glockenklaren Höhen. Die Nightfall ist unverstärkt nicht sehr laut, dafür sehr genau und auflösend in der Abbildung von Akkorden. Wer hier möglicherweise vom Äußeren auf eine Metalaxt geschlossen hat, hat sich wirklich gründlich vertan. Ich denke, ich muss mich noch ein klein wenig an das etwas breitere Griffbrett gewöhnen, aber ansonsten lassen sich Hals und Griffbrett, mit der von mir favorisierten langen Mensur und den hervorragend polierten Bünden, wirklich traumhaft spielen. Wenn es um Hälse und Mensuren geht, bin ich wirklich sehr empfindlich und ich mache auch kein Geheimnis daraus, dass ich meine beiden Gibsons genau aus diesem Grund nach einem halben Jahr wieder verkauft habe. Bei meiner Fernandes Revival 62er Strat habe ich ganze vier Hälse wechseln müssen, bis ich endlich glücklich und zufrieden war. Aber hier ist es das erste Mal, dass ich mich von Anfang an, auf einem Hals ganz wie zu Hause fühle.
Als erster Kandidat bietet sich mein Fender Champ an. Nicht nur weil er zurzeit auch im Wohnzimmer neben meinem PC steht, sondern weil ich mit seiner Hilfe und sehr zum Ärger meiner Gemahlin, seit mehr als einer Woche hier im Wohnzimmer, mein Pedalboard einrichte. Dass ich das Board auf dem Wohnzimmertisch stationiert habe, so komme ich besser an alle Kabel, findet sie gelinde gesagt ziemlich uncool. Der Bosnier im Zweiten findet das übrigens auch, wenn auch aus anderen Gründen und meistens immer dann, wenn meine Frau nicht zu Hause ist und ich die Gelegenheit nutze die ganzen Einstellungen unter realistischen Bedingungen zu testen. Möglicherweise ist es aber auch so, dass für ihn zwei kaskadierend geschaltete Verzerrer, nachdem ich sie durch den Flanger gejagt habe, wie der Raketenbeschuß auf Sarajevo klingt. Ich sage dann immer zu ihm: Junge jetzt projizierst Du aber wieder, ich bin Rockmusiker und kein Serbe. Außerdem gibt es bei uns in Neukölln ein ungeschriebenes Gesetz: Egal was passiert, keine Cops, denn die sind völlig unmusikalisch.
Hier erfüllt sich nun alles, was unplugged versprochen war und noch viel mehr. Die beiden Häussel sind wirklich perfekt gewählt. Der Tozz am Steg ist ein perfekter Rockpickup, der aber auch sehr bluesig kann. Vom Output erinnert er mich ein wenig an den Duncan SH-4, mit seinem immensen Reichtum an Obertönen. Der Tozz ist ein Kraftpaket, das jeden angeschlagenen Ton kraftvoll wiedergibt und die Nightfall ein fettes Fundament gibt. Über den kleinen Champ klingt er sehr bluesig und knackig. Die Nightfall hat einen sehr eigenen Klang, weit von einer Paula entfernt, nicht diese drückenden Mitten und die etwas muffige Kompression. Sie hat nicht diesem ganz fetten Sound, wie man ihn von den ganzen neueren Burstbucker Paulas kennt und wie er von vielen Les Paul Spielern auch gewollt ist. Ich hatte dazu in meinem Review über die Gibson LP Double Cutaway und die Seth Lover Pickups einiges geschrieben und will das jetzt hier nicht noch einmal wiederholen. Ich mochte diesen Sound noch nie und habe deshalb auch sehr schnell die ungewachsten Wolfetone Marshallheads in meine Les Paul gebaut, die dieser Tendenz ganz gut entgegengewirkt haben.
Wenn ich einen passenden Vergleich finden soll, dann klingt die Nightfall eher wie eine SG Special, mit diesem sehr brillanten, offenen und sauberen Klang. Aber da hören die Ähnlichkeiten nämlich auch schon wieder auf. Die Bespielbarkeit ist traumhaft und die Gitarre setzt jeden Anschlag exakt um. Ihr Potenzial ist viel größer als das einer SG. Bendings spielen sich wie Butter und ich muss immer wieder aufpassen, um im Eifer nicht über das Ziel hinaus zuschießen. Ich habe während dieses Reviews öfter mal zu meiner No One, der alten Fernandes Revival Strat, gewechselt und dabei immer wieder festgestellt, dass die Nightfall die perfekte Ergänzung ist und dass das genau der Sound und vor allen Dingen die Bespielbarkeit ist, die ich bei den Gibsons gesucht habe. Über den Neck PU, einem Hot N, wird es richtig bluesig. Der Hals Pickup klingt eine Spur wärmer, und ehe man sich versieht, hat man plötzlich sogar Jazziges im Programm. Da bieten sich Standards wie Brubecks Take Five direkt an und ich wundere mich einmal mehr über die Vielseitigkeit dieser Gitarre. Schnell habe ich in meinen Hiwatt 50 Custom 212 gekabelt und vorsorglich noch einmal die Fenster überprüft. Hatte ich beim Champ nur ein wenig Reverb hinzugefügt, nehme ich jetzt das Baldringer Dual Drive und etwas Delay zu Hilfe. Der Hiwatt hat nämlich nur einen Kanal, aber der hat es in sich. Und wirklich, alles klingt noch einmal eine Nummer größer, präsenter und mit mehr Headroom. Nicht jede Gitarre ist dem Power Boliden aus dem englischen Nottingham gewachsen. Ich hatte schon Gitarren, die hier einfach nur noch klein und trostlos klangen. Anders die Nightfall die hier auf Augenhöhe antritt. Custom meets Custom. Ursprünglich wollte ich die beiden Häussel Pickups gegen ein Set Wolfetone Marshallheads austauschen, aber die beiden Schwaben sind wie gemacht für diese Rockgitarre, nicht anderes präsentiert sie sich hier.
Dual Drive Kanal A, Marshall Super Lead Mod.: It´s Rock ´n Roll Show Time. Die Nightfall ist in ihrem Element und zum ersten Mal erlebe ich, wie feinfühlig die Gitarre auf jede noch so kleine Veränderung am Volume Poti reagiert. Mit einer Einstellung am Baldringer habe ich das ganze Programm, von fast Clean über Crunch, Low Gain bis zum ganz fetten Leads und vielen Zwischentönen. Dabei hängt die Gitarre so am Anschlag, dass es ist zum Niederknien ist. Natürlich bestimmen Hölzer, Bauweise und nicht zuletzt die Pickups den Grundsound ganz entscheidend, aber am Ende sind es die Finger und das Feeling des Gitarristen, der den Ton angibt und hier lässt die Nightfall eine ganze Menge zu. Allerdings und das ist die andere Seite der Medaille, deckt sie auch jedes unsaubere Spiel gnadenlos auf. Das bedeutet nicht, dass man ein Virtuose sein muss, um dieser Gitarre einem guten Klang zu entlocken. Aber man sollte schon etwas Erfahrung mitbringen und vor allen Dingen sauber spielen, denn mit Geschwindigkeit lässt sich hier nichts vertuschen.
Der Kanal B des Dual Drive hat das Bogner Extasy Mod., also US Gain und die Chance für die Nightfall ihre Qualitäten bezüglich Sustain und fette High Gain Sounds zu demonstrieren, Oye Como Va, da würde auch der gute alte Carlos nicht ablehnen. Da möchte man den ganzen Tag nur noch Bendings spielen. Und wer nun denkt die Party sei schon zu Ende, der möge sich doch bitte an die Push-Pull Funktion der Poti erinnern. Denn zieht man an den Potiknobs, so verabschiedet sich die jeweils äußere Spule und die Pickups arbeiten im Singlecoilbetrieb. Aber die beiden Humbucker klingen nun nicht wie der typische Singlecoil, sondern vielmehr wie ein P-90 und nicht die geringste Spur von Rauschen oder Brumm. Das erweitert die klangliche Bandbreite der Nightfall immens. Diese Gitarre ist wirklich extrem flexibel und geht weit über meine anfänglichen Erwartungen hinaus.
Fazit
Es macht verdammt viel Spaß die Möglichkeiten und Grenzen dieser Gitarre auszuloten, aber ich befürchte, dass vorher an meine eigenen Grenzen stoßen dürfte. Frank Hartung ist wohl einer der innovativsten jungen Gitarrenbauer, mit dem Anspruch auf höchstmögliche Qualität was die Werkstoffe seiner Instrumente angeht. Alle Arbeiten werden von ihm selbst und mit großem handwerklichen Können ausgeführt, wobei die Gitarren in engster Zusammenarbeit mit den Kunden entstehen. Man erkennt sehr schnell wie detailbesessen hier gearbeitet wird. Kompromisse oder halbherzige Lösungen wird man hier vergebens suchen. Die Nightfall ist meine erste Gitarre aus seiner Werkstatt und sie ist in allerkürzester Zeit zu einem meiner Lieblinge aufgestiegen und täglich mehrere Stunden gespielt. Meine Erfahrungen in den ersten beiden Wochen habe ich versucht Euch in diesem Review zu schildern. Obwohl ich über die Jahre viele Erfahrungen mit Gitarren gesammelt habe, können natürlich auch mir Irrtümer unterlaufen, aber ich versuche immer alles doppelt und dreifach zu recherchieren. Wer selbst schon einmal ein Review hier im Board verfasst und veröffentlicht hat, weiß wie viel Arbeit dahinter steht und Irrtümer nie völlig ausgeschlossen werden können.
Custom oder Katalog?
Bleibt noch die anfängliche Frage nach Custom und ob es Sinn macht sich eine solche Gitarre anfertigen zu lassen. Ich denke darauf gibt es keine endgültige Antwort, aber mich würde Euere Meinung dazu interessieren. Ihr könnt dazu gerne im Anschluss posten. Ich kann diese Frage für mich inzwischen mit ja beantworten, natürlich immer vorausgesetzt, dass man sich das auch leisten kann und deshalb nicht andere wichtige Dinge zurückstehen müssen. Für Anfänger macht es natürlich wenig Sinn, weil man in diesem Stadium zuerst einmal Erfahrungen sammeln muss, um überhaupt zu wissen, was man möchte und wohin die Reise gehen soll. Ich denke auch nicht, dass diese Instrumente nur professionellen Musikern vorbehalten sein sollten. Wenn man über Jahre Erfahrungen gesammelt hat und sich herausgestellt hat, das die Musik einen bestimmten Stellenwert im Leben eingenommen hat, sei es indem man in einer Band spielt, oder auch alleine regelmäßig Musik macht, kann es durchaus sinnvoll und förderlich sein, sich in Zusammenarbeit mit einem Gitarrenbauer ein Instrument anfertigen zu lassen. Verglichen mit anderen Hobbies wie Tauchen, Segeln, Fallschirmspringen oder auch nur Tennis ist Gitarre spielen ein relativ preiswertes Hobby ohne große Folgekosten, von Saiten oder der anteilmäßigen Proberaummiete einmal abgesehen.
Preis: ca. 3200 €
Heute wollte ich Euch, wie vor zwei Wochen bereits angesagt, meine allerneueste Errungenschaft vorstellen. Und ich will es gleich vorwegnehmen, dieser kleine rote Teufel ist ein wahres handwerkliches Meisterstück und hat sich innerhalb kürzester Zeit, in meiner ganz persönlichen Rangliste, sehr weit nach oben gespielt. Nachdem ich die Nightfall kurz nach ihrer Ankunft zum ersten Mal hier gepost hatte, bekam ich so einige Anfragen. Ob das denn wirklich mein Ernst sei, die Gitarre würde doch überhaupt nicht zu mir passen, und dann die Farbe, so ungeheuer Rot, wo doch alle meine Gitarren und nicht nur die, Schwarz seien. Glücklicherweise war keiner dabei, der mich gefragt hätte, ob denn nicht schon zu alt für so etwas sei, denn da bin ich nun wirklich sehr empfindlich. Für solche Gedanken hatte ich ehrlich gesagt gar keine Zeit, weil ich die Gitarre erst kurz vor Auktionsende entdeckt hatte und so sehr damit beschäftigt war, mir alle notwendigen Informationen und verlässliche Meinungen einzuholen, um in der kurzen Zeit eine vernünftige Entscheidung zu fällen.
Normalerweise bin ich bei Gitarren in dieser Preisklasse kein Blindkäufer, aber hier war zumindest klar, dass ich bei diesem Kaufpreis das gute Stück bei Missfallen auch recht schnell wieder los werden würde. Mein verlässlichster Ratgeber in Sachen Hartung/¬Forge Guitars war in diesem Fall Chris (exoslime), von dem ich wusste, dass er bereits seit längerer Zeit eine Embrace von Frank spielte und gerade dabei war, sich eine weitere bauen zu lassen. Ansonsten waren die Maße für mich besonders wichtig, da ich gerade zwei Gibson nach kurzer Zeit wieder verkauft hatte, weil ich mir der kürzeren Mensur nicht klarkam. Besonders bei schnellem Spiel und häufigen Bendings neige ich dazu, mal eben über das tonale Ziel hinaus zuschießen. Ich spiele seit mehr als 30 Jahren Fendermaße, die für mich als Stratist den optimalen Wohlfühlfaktor haben und wüsste auch gar nicht, warum ich mich da noch umstellen sollte.
Die Fakten:
Typ: Solidbody E-Guitar
Scale: 25½" 24 frets
Body Wood: Alder
Top Wood: Flamed Maple
Neck Wood: Flamed Maple
Fingerboard Wood: Ebony
Inlays: Custom Sign (pearl)
Pickups: Häussel Humbuckers Bridge: TOZZ B Neck: Hot Spezial N
Controls: 3 Way Toggle Switch 2x Volume ( Push/Pull for split)
Bridge: Tune-o-matic Bridge
Tuners: Sperzel Locking Tuners
Finish: Red high gloss
Finish: Custom Inlay HB Ebony
Fertigung & Konstruktion
Custom Made
Die Nightfall kommt in einem sehr stabilen FC von Rockcase, in Trapezform und der Gitarre exakt auf den Leib geschneidert. Zusätzlich gibt es für den kleinen Transport noch einen Formkoffer der Firma SKB mit der Aufschrift ¬Forge Guitars, dem Namen der Firma, bevor Frank sich von seinem damaligen Partner getrennt hatte. Nun heißt die Company Frank Hartung Guitars und ist im thüringischen Langewiesen, etwa 40 km südlich von Erfurt zu Hause. Alle Arbeiten, von der Selektion der Tonhölzer bis zum finalen Finish werden von Frank selbst durchgeführt. Jede Gitarre die die Werkstatt verlässt ist ein Unikat, das bei Bedarf bis ins Kleinste mit dem Kunden durchgesprochen wird, wobei Kundenwünsche nicht als Extras gehandelt werden, vielmehr gehören sie hier zum Gesamtpaket und das heißt Custom. Mit Custom Shop im herkömmlichen Sinn, wie er von den beiden großen Herstellern praktiziert wird, hat das aber nur wenig zu tun, denn hier hat der Kunde direkten Einfluss auf die Fertigung und kann auch eigene Wünsche in der Formgebung, aber auch in der Auswahl der Hölzer und spezielle Vorlieben bei der Griffbrettbreite oder des Halsradius einfließen und umsetzen lassen. Und Custom bedeutet auch, dass diese Gitarre nur ein einziges Mal so gebaut wurde. Es gibt noch ein ähnliches Modell mit Häussel P-90, Mahagonibody und einer kürzeren Mensur, die Nightfall I, die auch schon einmal im April 2006 in Gitarre und Bass besprochen wurde. Aber diese Nightfall, so wie sie hier steht, ist einzigartig. Und das hinterlässt, zumindest bei mir, auch ein einzigartiges Gefühl.
Der Body
Als ich den Deckel des Flightcase öffnete blieb mir tatsächlich für einen kleinen Augenblick die Luft weg, denn was ich da sah, hatte wahrlich nichts mehr mit Serienfertigung zu tun. Ein bis ins Kleinste tadellos verarbeitetes Instrument. Eigentlich hatte ich mir den Body etwas größer vorgestellt. Der Doublecutaway ist tatsächlich etwas kleiner als der einer Stratocaster und von dieser Ähnlichkeit einmal abgesehen, ist es hier auch schon mit den Gemeinsamkeiten vorbei. Die Decke ist wunderschön gearbeitet, die Wölbung unterstreicht die Konturen der beiden Hörner, wo sie auch am stärksten ist und läuft dann nach hinten über die Brücke gleichmäßig aus. Wo Andersorten mit Kopierschablonen und Fräsen gearbeitet wird, werden die Decken bei Frank komplett von Hand ausgearbeitet. Man kann sich denken, welche Arbeit dahintersteckt, bis eine solche Decke ihre endgültige Form erreicht hat. Der zweiteilige Korpusboden besteht aus Erle, mit einer einteiligen Decke aus Flamed Maple, das eine wunderschöne gleichmäßige Maserung hat und durch die Lackierung fast 3-dimensional scheint. Der Konturschnitt ist hier vielleicht nicht ganz so spektakulär wie bei der Embrace oder Diavolo, wo Frank das speziell von ihm gestaltete und die meisten Hartung Gitarren zeichnende, Flow Carving Design, das inzwischen ebenso wie die Gestaltung der Kopfplatten, zu einer unverwechselbaren Optik dieser Gitarren wurde, verwendet. Es würde meiner Meinung nach hier auch nicht so gut passen. Die Abdeckung für das Elektrofach auf der Bodyrückseite ist aus dem gleichen geflammten Ahorn wie der Hals. Das wohlgeformte Sharping auf der oberen Rückseite lässt selbst meinen ausgeprägte Bauchmuskelstrukturen genügend Bewegungsfreiheit. Man hat an alles gedacht.
Während für die Vorderseite des Korpus, wie auch für Teile der Kopfplatte, ein Red High Gloss Finish gewählt wurde, das der Decke nicht nur einen unwahrscheinlichen Glanz, sondern auch Leben einhaucht, denn die Decke verändert sich ständig mit dem Betrachtungswinkel, wurde die Rückseite der Nightfall hochglänzend lackiert. Obwohl ich schon sehr lange mit Gitarren zu tun habe und auch viele besessen und noch mehr gespielt habe, muss ich gestehen, dass mir eine solche Lackierung bislang noch nicht untergekommen ist. Leider lässt sich die wunderbare Ausführung und Wirkung mit dem Fotoapparat nur sehr unzureichend dokumentieren, da sich die Farbe je nach Lichteinfall ändert. Am Ende des Korpus gibt es einen geschwungenen Einschnitt in Form einer Welle, dadurch wirkt nicht nur der Body sehr lebendig und dynamisch, sondern dieser Schwung geht durch die gesamte Gitarre und setzt sich bis zur Kopfplatte durch.
Hals & Griffbrett
Für den Hals kam bestes und wunderschön geflammtes Ahorn zum Einsatz. Die Oberfläche wurde mehrfach ultradünn lackiert, sodass schon von Anfang an ein sehr vertrautes und griffiges Spielgefühl aufkommt. Für das Griffbrett wurde Ebenholz verwendet. Es wurde mit einem Compound Radius versehen, der eine bessere Bespielbarkeit ergibt. Dazu eine kurze Erklärung für die, die mit dem Begriff wenig anzufangen wissen. "Compound Radius"- Griffbretter sind eine Entwicklung von Warmouth -Guitars und sorgen für leichteres Akkordspiel, genauso wie für leichteres Solieren in höheren Lagen. Der Radius nimmt über die Länge des Griffbretts zu, beginnend stärker gerundet am Sattel und flacher werdend in Richtung Korpus. Die Vorteile sind eine sehr niedrige Saitenlage über das gesamte Griffbrett und ein erleichtertes Stringbending. Die Gitarre hat einen Zweioktavenhals, 24 vorbildlich abgerichtete Medium Jumbo Frets und eine 25,5" Mensur, wie sie beispielsweise auch bei Fender Gitarren, von Mustang und Jaguar einmal abgesehen, die Regel sind.
Die Griffbretter sind Endclosed, d.h., die Bundschlitze im Griffbrett sind bis auf 2 mm vor der Kante eingefräst - die Bundenden werden vor dem Einbringen ins Griffbrett abgesetzt. Überstehende störende Bundkanten können nun nicht mehr auftreten. Das Griffbrett aus Ebenholz ist weder eingefasst noch lackiert, sondern lediglich poliert. Auf Griffbrettmarkierungen wurde ganz bewusst verzichtet, das hätte auf diesem edlen Holz nur gestört. Lediglich auf der Griffbrettoberseite markieren kleine Dots aus Pearl die üblichen Positionen. Am 12. Bund wurden aus Perlmutt die Zahlen 7 und 8 eingelegt, deren Bedeutung allerdings ein Geheimnis bleibt. Anders bei dem exakt gefeilten Sattel, hier dürfte es sich ziemlich eindeutig um organisches Material handeln, vielleicht ein kleiner Mammutzahn. Die auffällig modellierte und leicht abgewinkelte Kopfplatte, inzwischen ein Markenzeichen von Frank Hartung Guitars, ist sehr kompakt gehalten und soll die Entfaltung der Obertöne forcieren. Die Saitenführung über den Sattel erfolgt nahezu gerade und endet bei Mechaniken der Firma Gotoh, bei denen sich die eingefädelten Gitarrensaiten mit einem schmalen Geldstück oder einem Schraubenzieher fixieren lassen und die auch ansonsten äußerst exakt und stimmstabil ihren Dienst verrichten. Durch die tief eingeschnittenen Cutaways lässt sich der Hals bis in die hohen Lagen sehr komfortabel spielen. Die Halstasche reicht bis weit hinter dem Neckpickup in den Body hinein, sodass der Hals bombenfest eingepasst werden konnte. Auch hier sind alle Arbeiten mit äußerster Präzision ausgeführt.
Hardware & Elektrik
Die Tune-O-Matic Bridge wurde auf der gewölbten Decke versenkt montiert, was bessere Schwingungseigenschaften durch den geringen Abstand der Saiten zum Body bringt. Die Saiten werden von hinten durch den Body geführt und über speziell angefertigte Hülsen aus Edelstahl zur Bridge umgelenkt. Durch die verrundeten Hülsen ist ein Abknicken der Saiten ausgeschlossen und eine perfekte Klangübertragung garantiert. Als Pickups wurden zwei Tonabnehmer von Harry Häussel ausgesucht. Für den Steg fiel die Wahl auf den TOZZ B, ein kräftiger Rockpickup mit druckvollen Bässen und einem immer präsenten Anschlagsattack, zupackenden Höhen und dezent zurückgenommenen Mitten, der aber auch gerne mal zum bluesen einlädt. Als Pedant in der Halsposition wurde der HOT N ausgewählt, ein sehr kräftiger und bluesiger Halspickups mit wohldosierten Mitten und Output, dennoch transparent und sauber. Beide Pickups sind passend zum Griffbrett in Ebenholz gefasst, genau wie die dazu passenden Rähmchen, Harry H. macht´s möglich. Die Humbucker sind vieradrig und können beide gesplittet werden. Die dafür vorgesehenen Push-Pull Poti, je ein MasterVolume und ein Master Ton, mit Potiknobs aus Ebenholz, wurden unterhalb der Brücke leicht in die Decke versenkt. Dahinter befindet sich ein 3-Wege Toggle Switch mit einer aufgeschraubten schwarzen Kappe aus, ... Plastik. Das Elektrofach ist von der Bodyrückseite her zugänglich, es macht einen sehr aufgeräumten Eindruck und wurde mit Isolierfarbe behandelt. Die beiden Push-Pull Poti, sowie das Toggle Switch sind sauber verlötet, wobei sehr darauf geachtet wurde die Kabellängen so kurz wie möglich zu halten.
Nach dieser doch sehr ausführlichen Beschreibung und bevor ich zum praktischen Teil komme möchte ich noch sagen, dass mir völlig klar ist, dass nur ein sehr kleiner Teil der User in diesem Forum Instrumente in dieser Qualität und vor allen Dingen Preisklasse spielen. Und das trifft im Normalfall auch auf mich zu. Ich hatte gerade das Geld und die Gelegenheit und habe mich deshalb für diese Gitarre entschieden. Auf der anderen Seite, wenn ich bedenke, dass ich vor knapp 18 Monaten noch über einen Fuhrpark von mehr als 20 Gitarren verfügt habe, von denen ich sicher zu keiner Zeit mehr als drei oder vier wirklich regelmäßig gespielt habe. Der Rest wurde gekauft, weil es gerade eine günstige Gelegenheit war, weil ich das Modell schon immer haben wollte, oder weil es einfach schön ist so viele Gitarren zu besitzen. Inzwischen hat sich meine Einstellung hierzu etwas geändert und ich glaube, dass es für mich mehr Sinn macht, eine Handvoll Gitarren zu spielen, die für mich das Optimum an Spielfreude, Handling und gutem Ton zu bieten haben, als 25 durchschnittlich Gute, von denen 80 % dauerhaft in Gitarrensärgen ruhen, um ab und zu mal für ein Groupshot Picture aufgestellt zu werden. Haben Gitarren von 3000 € aufwärts überhaupt eine Daseinsberechtigung und lohnt sich eine solche Investition? Diese Frage kann nur jeder für sich beantworten, aber wir wollen einmal sehen ob uns der Praxistest einer Antwort etwas näher bringt.
Sound &Handling
Im Grunde genommen ist das für mich immer der schwierigste Teil eines jeden Reviews. Denn es gibt nichts Schwierigeres, als Sounds oder Töne so zu beschreiben, dass am Ende jeder weiß, was gemeint ist. Ich habe da schon sehr weitschweifige und blumige Umschreibungen gelesen, ohne dass ich mir einen Reim darauf machen konnte, aber diese Risiken geht man ein und in diesem Fall ganz besonders gerne. Die Gitarre unplugged auf dem Knie bin ich überrascht, wie kompakt und handsam sich das Instrument anfühlt. Hier stört nichts, nichts muss erst zurechtgerückt werden und das angenehme Gewicht ist exzellent austariert. Ich habe sicherlich fünfmal gewogen und das mit einer wirklich exakten Elektronischen doch über 3060 Gramm wollte die digitale Anzeige nicht hinaus, mit einem frischen Satz Elexir 0.10 - 0.46. Ein Gewicht, bei dem man auch bei Extremjams nicht so schnell schlappmacht. Der Hals ist rund und griffig und hat mehr Fleisch als die meiner beiden Stratocaster. Das zeigt sich auch im unverstärkten Ton und da kann mir jemand tausend Mal etwas anderes sagen, ein dünner Hals klingt nicht. Hier aber klingt und schwingt die ganze Gitarre, man hört und spürt das Holz und nicht das blecherne Geklimper von Saiten. Der Ton ist eine ganze Spur heller als bei einer Les Paul, was sicherlich der Erle zuzuschreiben ist. Ich habe schon sehr oft erlebt, dass mich eine E-Gitarre, die mir unplugged nichts gegeben hat, in den meisten Fällen auch später am Amp nicht begeistern konnte.
Ich sitze oft stundenlang Unplugged auf dem Sofa und spiele so vor mich hin und versuche dabei in die Gitarre zu hören. Man bemerkt auf diese Weise die ganzen Zwischentöne, das Verhalten einer Gitarre bei unterschiedlich starkem Anschlag, was bei einem aufgedrehten Amp einfach nur untergeht. Vor allen Dingen gewöhnt man sich eine sehr viel sauberere Spielweise an. Trotz dieses hellen Grundtons ist der Klang sehr ausgewogen, die Bässe sind kompakt und straff, etwas zurückhaltend in den Mitten, aber mit glockenklaren Höhen. Die Nightfall ist unverstärkt nicht sehr laut, dafür sehr genau und auflösend in der Abbildung von Akkorden. Wer hier möglicherweise vom Äußeren auf eine Metalaxt geschlossen hat, hat sich wirklich gründlich vertan. Ich denke, ich muss mich noch ein klein wenig an das etwas breitere Griffbrett gewöhnen, aber ansonsten lassen sich Hals und Griffbrett, mit der von mir favorisierten langen Mensur und den hervorragend polierten Bünden, wirklich traumhaft spielen. Wenn es um Hälse und Mensuren geht, bin ich wirklich sehr empfindlich und ich mache auch kein Geheimnis daraus, dass ich meine beiden Gibsons genau aus diesem Grund nach einem halben Jahr wieder verkauft habe. Bei meiner Fernandes Revival 62er Strat habe ich ganze vier Hälse wechseln müssen, bis ich endlich glücklich und zufrieden war. Aber hier ist es das erste Mal, dass ich mich von Anfang an, auf einem Hals ganz wie zu Hause fühle.
Als erster Kandidat bietet sich mein Fender Champ an. Nicht nur weil er zurzeit auch im Wohnzimmer neben meinem PC steht, sondern weil ich mit seiner Hilfe und sehr zum Ärger meiner Gemahlin, seit mehr als einer Woche hier im Wohnzimmer, mein Pedalboard einrichte. Dass ich das Board auf dem Wohnzimmertisch stationiert habe, so komme ich besser an alle Kabel, findet sie gelinde gesagt ziemlich uncool. Der Bosnier im Zweiten findet das übrigens auch, wenn auch aus anderen Gründen und meistens immer dann, wenn meine Frau nicht zu Hause ist und ich die Gelegenheit nutze die ganzen Einstellungen unter realistischen Bedingungen zu testen. Möglicherweise ist es aber auch so, dass für ihn zwei kaskadierend geschaltete Verzerrer, nachdem ich sie durch den Flanger gejagt habe, wie der Raketenbeschuß auf Sarajevo klingt. Ich sage dann immer zu ihm: Junge jetzt projizierst Du aber wieder, ich bin Rockmusiker und kein Serbe. Außerdem gibt es bei uns in Neukölln ein ungeschriebenes Gesetz: Egal was passiert, keine Cops, denn die sind völlig unmusikalisch.
Hier erfüllt sich nun alles, was unplugged versprochen war und noch viel mehr. Die beiden Häussel sind wirklich perfekt gewählt. Der Tozz am Steg ist ein perfekter Rockpickup, der aber auch sehr bluesig kann. Vom Output erinnert er mich ein wenig an den Duncan SH-4, mit seinem immensen Reichtum an Obertönen. Der Tozz ist ein Kraftpaket, das jeden angeschlagenen Ton kraftvoll wiedergibt und die Nightfall ein fettes Fundament gibt. Über den kleinen Champ klingt er sehr bluesig und knackig. Die Nightfall hat einen sehr eigenen Klang, weit von einer Paula entfernt, nicht diese drückenden Mitten und die etwas muffige Kompression. Sie hat nicht diesem ganz fetten Sound, wie man ihn von den ganzen neueren Burstbucker Paulas kennt und wie er von vielen Les Paul Spielern auch gewollt ist. Ich hatte dazu in meinem Review über die Gibson LP Double Cutaway und die Seth Lover Pickups einiges geschrieben und will das jetzt hier nicht noch einmal wiederholen. Ich mochte diesen Sound noch nie und habe deshalb auch sehr schnell die ungewachsten Wolfetone Marshallheads in meine Les Paul gebaut, die dieser Tendenz ganz gut entgegengewirkt haben.
Wenn ich einen passenden Vergleich finden soll, dann klingt die Nightfall eher wie eine SG Special, mit diesem sehr brillanten, offenen und sauberen Klang. Aber da hören die Ähnlichkeiten nämlich auch schon wieder auf. Die Bespielbarkeit ist traumhaft und die Gitarre setzt jeden Anschlag exakt um. Ihr Potenzial ist viel größer als das einer SG. Bendings spielen sich wie Butter und ich muss immer wieder aufpassen, um im Eifer nicht über das Ziel hinaus zuschießen. Ich habe während dieses Reviews öfter mal zu meiner No One, der alten Fernandes Revival Strat, gewechselt und dabei immer wieder festgestellt, dass die Nightfall die perfekte Ergänzung ist und dass das genau der Sound und vor allen Dingen die Bespielbarkeit ist, die ich bei den Gibsons gesucht habe. Über den Neck PU, einem Hot N, wird es richtig bluesig. Der Hals Pickup klingt eine Spur wärmer, und ehe man sich versieht, hat man plötzlich sogar Jazziges im Programm. Da bieten sich Standards wie Brubecks Take Five direkt an und ich wundere mich einmal mehr über die Vielseitigkeit dieser Gitarre. Schnell habe ich in meinen Hiwatt 50 Custom 212 gekabelt und vorsorglich noch einmal die Fenster überprüft. Hatte ich beim Champ nur ein wenig Reverb hinzugefügt, nehme ich jetzt das Baldringer Dual Drive und etwas Delay zu Hilfe. Der Hiwatt hat nämlich nur einen Kanal, aber der hat es in sich. Und wirklich, alles klingt noch einmal eine Nummer größer, präsenter und mit mehr Headroom. Nicht jede Gitarre ist dem Power Boliden aus dem englischen Nottingham gewachsen. Ich hatte schon Gitarren, die hier einfach nur noch klein und trostlos klangen. Anders die Nightfall die hier auf Augenhöhe antritt. Custom meets Custom. Ursprünglich wollte ich die beiden Häussel Pickups gegen ein Set Wolfetone Marshallheads austauschen, aber die beiden Schwaben sind wie gemacht für diese Rockgitarre, nicht anderes präsentiert sie sich hier.
Dual Drive Kanal A, Marshall Super Lead Mod.: It´s Rock ´n Roll Show Time. Die Nightfall ist in ihrem Element und zum ersten Mal erlebe ich, wie feinfühlig die Gitarre auf jede noch so kleine Veränderung am Volume Poti reagiert. Mit einer Einstellung am Baldringer habe ich das ganze Programm, von fast Clean über Crunch, Low Gain bis zum ganz fetten Leads und vielen Zwischentönen. Dabei hängt die Gitarre so am Anschlag, dass es ist zum Niederknien ist. Natürlich bestimmen Hölzer, Bauweise und nicht zuletzt die Pickups den Grundsound ganz entscheidend, aber am Ende sind es die Finger und das Feeling des Gitarristen, der den Ton angibt und hier lässt die Nightfall eine ganze Menge zu. Allerdings und das ist die andere Seite der Medaille, deckt sie auch jedes unsaubere Spiel gnadenlos auf. Das bedeutet nicht, dass man ein Virtuose sein muss, um dieser Gitarre einem guten Klang zu entlocken. Aber man sollte schon etwas Erfahrung mitbringen und vor allen Dingen sauber spielen, denn mit Geschwindigkeit lässt sich hier nichts vertuschen.
Der Kanal B des Dual Drive hat das Bogner Extasy Mod., also US Gain und die Chance für die Nightfall ihre Qualitäten bezüglich Sustain und fette High Gain Sounds zu demonstrieren, Oye Como Va, da würde auch der gute alte Carlos nicht ablehnen. Da möchte man den ganzen Tag nur noch Bendings spielen. Und wer nun denkt die Party sei schon zu Ende, der möge sich doch bitte an die Push-Pull Funktion der Poti erinnern. Denn zieht man an den Potiknobs, so verabschiedet sich die jeweils äußere Spule und die Pickups arbeiten im Singlecoilbetrieb. Aber die beiden Humbucker klingen nun nicht wie der typische Singlecoil, sondern vielmehr wie ein P-90 und nicht die geringste Spur von Rauschen oder Brumm. Das erweitert die klangliche Bandbreite der Nightfall immens. Diese Gitarre ist wirklich extrem flexibel und geht weit über meine anfänglichen Erwartungen hinaus.
Fazit
Es macht verdammt viel Spaß die Möglichkeiten und Grenzen dieser Gitarre auszuloten, aber ich befürchte, dass vorher an meine eigenen Grenzen stoßen dürfte. Frank Hartung ist wohl einer der innovativsten jungen Gitarrenbauer, mit dem Anspruch auf höchstmögliche Qualität was die Werkstoffe seiner Instrumente angeht. Alle Arbeiten werden von ihm selbst und mit großem handwerklichen Können ausgeführt, wobei die Gitarren in engster Zusammenarbeit mit den Kunden entstehen. Man erkennt sehr schnell wie detailbesessen hier gearbeitet wird. Kompromisse oder halbherzige Lösungen wird man hier vergebens suchen. Die Nightfall ist meine erste Gitarre aus seiner Werkstatt und sie ist in allerkürzester Zeit zu einem meiner Lieblinge aufgestiegen und täglich mehrere Stunden gespielt. Meine Erfahrungen in den ersten beiden Wochen habe ich versucht Euch in diesem Review zu schildern. Obwohl ich über die Jahre viele Erfahrungen mit Gitarren gesammelt habe, können natürlich auch mir Irrtümer unterlaufen, aber ich versuche immer alles doppelt und dreifach zu recherchieren. Wer selbst schon einmal ein Review hier im Board verfasst und veröffentlicht hat, weiß wie viel Arbeit dahinter steht und Irrtümer nie völlig ausgeschlossen werden können.
Custom oder Katalog?
Bleibt noch die anfängliche Frage nach Custom und ob es Sinn macht sich eine solche Gitarre anfertigen zu lassen. Ich denke darauf gibt es keine endgültige Antwort, aber mich würde Euere Meinung dazu interessieren. Ihr könnt dazu gerne im Anschluss posten. Ich kann diese Frage für mich inzwischen mit ja beantworten, natürlich immer vorausgesetzt, dass man sich das auch leisten kann und deshalb nicht andere wichtige Dinge zurückstehen müssen. Für Anfänger macht es natürlich wenig Sinn, weil man in diesem Stadium zuerst einmal Erfahrungen sammeln muss, um überhaupt zu wissen, was man möchte und wohin die Reise gehen soll. Ich denke auch nicht, dass diese Instrumente nur professionellen Musikern vorbehalten sein sollten. Wenn man über Jahre Erfahrungen gesammelt hat und sich herausgestellt hat, das die Musik einen bestimmten Stellenwert im Leben eingenommen hat, sei es indem man in einer Band spielt, oder auch alleine regelmäßig Musik macht, kann es durchaus sinnvoll und förderlich sein, sich in Zusammenarbeit mit einem Gitarrenbauer ein Instrument anfertigen zu lassen. Verglichen mit anderen Hobbies wie Tauchen, Segeln, Fallschirmspringen oder auch nur Tennis ist Gitarre spielen ein relativ preiswertes Hobby ohne große Folgekosten, von Saiten oder der anteilmäßigen Proberaummiete einmal abgesehen.
Preis: ca. 3200 €
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