Gibt es keinen Akkord-Typ X7b5 bzw. ist dies die Umkehrung eines anderen?

  • Ersteller Klängeräuschreiber
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...die Beatles haben induktiv probiert und daraus die Musiktheorie gelernt bzw. für sich entdeckt.
Ja, kreative Häppchen, die in der Diskussion mit und unter Anleitung und Mitwirkung von ihrem Produzenten George Martin in den besten Fällen zu Meisterwerken der Popmusik wurden. Martin hatte ein Studium an der Guildhall School in den Fächern Piano & Oboe nebst Kursen in Komposition & Orchestration absolviert.

Gruß Claus
 
In Takt 3 und 4 kann ich persönlich da niemals ein "d" spielen.
Das empfinde ich ganz anders. Ich kann mir für diese Stelle viele Phrasen vorstellen, in denen das „c#“ UND das „d“ vorkommen ...

Aber was das angeht ...
Die Noten sind hier ein Versuch, nachträglich Beziehungen darzustellen. Je nach Herangehensweise können aber die Resultate verschieden sein.
... gebe ich Dir völlig recht.

Thomas
 
... da niemals ein "d" spielen. Ich sehe diese Stelle genauso, wie es im real book steht, nämlich in der Melodie ein des, nicht cis, das sich dann beim folgenden g-Moll wieder zum "d" auflöst.
Da verstehst Du etwas falsch.
Bei einer Chordscale gibt es immer sogenannte "conditional avoids". Die entstehen immer dann zwischen 2 Tönen wenn sie einen Halbtonschritt in der Chordscale bilden.
Dabei will man Primary Dissonances (= Halbton, M7, b9) vermeiden. Wenn Du im G7(#11) Voicing die Quinte über die #11 legst entsteht genau dieser Halbton. Wenn Du aber die Quinte unterhalb der #11 legst entsteht keine primary dissonance, also z.B. so -->
G d f b c#'. Zugegeben, schöner ist dieses Voicing natürlich ohne die Quinte, aber es würde gehen.
Conditional avoid heißt, dass bestimmte Töne einer Chordscale nur in bestimmten Situationen verboten sind.
Im Fall von G7(#11) im 3. Takt von "Desafinado" geht es aber in erster Linie um die Wahl der korrekten Chordscale und die ist hier nun mal Mixo#11 (= g a b c# d e f)
Welche Chordscale (=Tonleiter für die Improvisation) würdest Du denn bei einem G7(b5) suggerieren? Da einen Tonleiter ja immer nur eine Quinte haben darf dürfte Deine Chordscale ja kein "d" enthalten.
Ein Akkordsymbol darf nicht im Wiederspruch zur richtigen Chordscale darstehen!
 
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Auf jeden Fall schon mal Danke allen, ist alles sehr erhellend!
 
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Akkordsymbole wie X7#11 sind ja nicht verboten, nur weil da ein Programmierer nur terzgeschichtete Akkorde mit einem Rahmenintervall einer Oktave jenseits irgendeiner Partitur vordefiniert, als "reasonable default". Was einer – d.h. bis auf weiteres ich – in einer "Partitur" zusätzlich oder ersetzend reinschreibt, weil er X6 oder X7#11 oder so kontextbezogen passender hält für ein bestimmtes Stück, ist davon unabhängig.
Neben Akkorden (X, Xaug, Xm, Xm7, Xdim, X7, X7b5, Xm7b5, Xmaj7, Xmmaj7, Xdim7) definiere ich auch Skalen vor. Letztere führe ich hier nicht auf, um nicht Themenausweichungen zu provozieren.

Dass es ein m7b5 gibt und ein Dur-Pendant, das konsequent und ohne Berücksichtigung von Stimmführungskontexten neben m7b5 als 7b5 aufgeführt werden sollte, ist anscheinend nur mir klar, ihr – im Gegensatz zu mir ja Musiker – seid dagegen. Das akzeptiere ich als Meinungsverschiedenheit.
Da Xm6 aus Xm7b5 ableitbar, da nur eine Umkehrung ist (dfah versus hdfa), wie oben zu X6 aus Xm7, werfe ich Sextakkorde auch wieder raus. Und die Nonenakkorde und Undezimakkorde und so weiter, die erstrecken sich notatorisch über ne Oktave, die müsste ich zu addN-Gedöns umdenken, da Geltungsbereiche über Doppeloktaven einen Rattenschwanz anderer Komplikationen nach sich zögen. In einer Zusammenstellung von "vernünftigen Voreinstellungen" würde dies ohnehin nur die Übersicht beeinträchtigen.

Danke vielmals, auch für die Nebendiskussionen. Meine Frage ist geklärt. Ab nun beschränke ich mich aufs reine Mitlesen und wenn ich gut bin, gelingt mir das auch.
 
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nasi_goreng
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Dass es ein m7b5 gibt und ein Dur-Pendant, das konsequent und ohne Berücksichtigung von Stimmführungskontexten neben m7b5 als 7b5 aufgeführt werden sollte, ist anscheinend nur mir klar, ihr – im Gegensatz zu mir ja Musiker – seid dagegen. Das akzeptiere ich als Meinungsverschiedenheit.
Du siehst Grenzen, wo andere Grauzonen sehen. Grauzonen sind aber vielfältiger. Sie können je nach Sichtweise so oder anders gedeutet werden, aber genau das wird Musik und den Menschen, die sie machen, viel eher gerecht.

Es gibt den klaren Gegensatz „du“-„wir“ nicht. Es gibt keine Festlegung, dass es einen Dur7b5 nicht gibt. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen auf so eine Tonansammlung, denn Musiktheorie war nicht zuerst da, sondern folgte immer einer Praxis. Sie versucht, mal mehr, mal weniger erfolgreich, kulturell und historisch gebundene musikalische Strukturen zu systematisieren.

Akkordsymbole sind wie Wörter in einem Satz, sie sind eine Abstraktion von menschlichen Emotionen und alleine daher kaum aussagekräftig. Sie brauchen einen Sinnzusammenhang drumherum. Wenn man ihnen den nimmt, bleibt wenig übrig.

Ich kann dir daher nur empfehlen, dich den Grauzonen und unterschiedlichen Deutungen zu stellen. Auf Dauer wird man dadurch zum vielseitigeren Musiker.

Ich programmiere übrigens auch, kann daher deine Äußerungen dazu weitgehend nachvollziehen.
 
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Wieder mal spannend, wie aus einer scheinbar einfachen Frage eine interessante Diskussion entstehen kann ;)

Vom Konsens der Akkord-Skalentheorie ist mir die Sache auch klar und Cudo hat das schön beschrieben. (y)

Welche Chordscale (=Tonleiter für die Improvisation) würdest Du denn bei einem G7(b5) suggerieren? Da einen Tonleiter ja immer nur eine Quinte haben darf dürfte Deine Chordscale ja kein "d" enthalten.
Ein Akkordsymbol darf nicht im Wiederspruch zur richtigen Chordscale darstehen!

Man muss vielleicht noch bedenken, dass die Chord-Scale-Denkweise sicherlich deutlich jünger ist als der Akkord Dur 7b5 bzw. Dur 7#11 no 5.

Ich bin jetzt nicht so der Auskenner in klassischer Musiktheorie und zu faul zum Suchen, aber ich denke, bei Cesar Franck, Wagner oder Mahler findet man bestimmt etwas.
Soweit ich das kenne, haben die nicht in Skalen gedacht, sondern mehr akkordisch. Und wenn man beim Dur-Septakkord die Quinte erniedrigt, käme der Akkord raus.
Persönlich hätte ich auch kein Problem damit. Vielleicht hat's auch Diether de la Motte irgendwo beschrieben.

Keine Umkehrung dieses angenommenen Akkords ist seine Grundstellung, denn die Grundstellung eines Akkords besteht immer aus Terzen, enthält niemals Sekunden. Richtig?
Richtig - man könnte das als eine verminderte Terz bezeichnen, da die Töne aus verschiedenen Skalen stammen würden.

Es ging um das Wahrnehmen dieses Tones als #11 und NICHT als b5. Das hat unter anderem Stimmführungstechnische Gründe

Hm, gerade die Stimmführung abwärts könnte doch aber ein Grund für das Notieren einer b5 sein ... mir kommen da schon einige Argumente in den Sinn, die für eine b5 sprechen könnten
1725447186696.png

Variante 1 wäre von der Stimmführung her logischer als die zweite ... und auch als Akkord irgendwie logischer anzusehen mit der optischen Terzschichtung. Und da nehme ich das auch als eine absteigende Linie wahr.
Die #11 ist eine Oktave höher logisch, inmitten des Grundakkords scheint es mir nicht so eindeutig.

Skalentechnisch gesehen ist die Sache klar, aber wie gesagt ist ja die Denkweise in der klassischen Musik nicht nicht so, dass Akkorde durch die Skalen definiert werden, sondern eher andersrum - man hat einen Akkord und wählt die dazu passenden Töne. Wenn dabei Tonvorräte (==Skalen) entstehen, die Terzen enthalten, ist das dort kein Problem. Insofern wäre da auch eine Skala mit 1, 2, 3, 4(avoid), b5, 6 (oder b6), b7 denkbar. Oder liege ich da falsch?
 
...ich denke, bei Cesar Franck, Wagner oder Mahler findet man bestimmt etwas. Soweit ich das kenne, haben die nicht in Skalen gedacht, sondern mehr akkordisch.
Ja, natürlich.
Auch ist die Akkordskalen-Theorie ein eklektizistisch angepasstes Konzept zur Untersuchung von Popularmusik vor allem ab der Wende zum 20. Jahrhundert in Genres wie Blues, Jazz, Pop und Rock, es war nie als Passepartout gedacht. Zugleich stellt das Konzept durch die Darstellung der Beziehungen von Akkorden zu Skalen eine unterrichtbare Grundlage der Improvisation dar, die umfangreicheren Lehrwerke wie Sikora, Löffler, Petzold gehen darauf ein.

Gruß Claus
 
Grund: Letzten Satz ergänzt
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Insofern wäre da auch eine Skala mit 1, 2, 3, 4(avoid), b5, 6 (oder b6), b7 denkbar. Oder liege ich da falsch?
Das wäre dann der zweite Modus einer Tonleiter, die meistens mit Harmonic Lydian bezeichnet wird.

1725449871506.png

Mit der b6 wäre es eine Ganztonleiter mit eingefügter Quarte. Vielleicht Whole Tone Bebop oder so. :rofl: Klick

Viele Grüße,
McCoy
 
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