Das 'Aus' für alten Jazz in Deutschland ?

  • Ersteller naldosuhr
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Schön, mal wieder Klarinette zu hören :). Mir ist gerade aufgefallen, dass ich lange nicht mehr eine Solo-Klarinette gehört habe und dass das schade ist. So ein schönes Instrument!

Ich bin nur durch Zufall zu Jazz gekommen, weil in meiner Schule ein sehr ambitionierter Musiklehrer war, von dem ich viel gelernt habe. Er war sehr jazzbegeistert. Ich habe dann einige Jahre in einer Big Band gesungen, die Auftritte waren eigentlich immer ausverkauft. Die ganzen Klassiker scheinen schon ein größeres Publikum anzusprechen.

Da eine Freundin von mir Klarinette gespielt hat, haben wir uns öfter mit Feidmans Kleszmermusik in die Fußgängerzone gestellt, ich habe sie auf der Gitarre begleitet. Wir haben uns gewundert, wie viel positive Rückmeldung kam und wie viele Leute gefragt haben, ob wir auf deren Hochzeit oder Geburtstag spielen würden, obwohl sie gar kein Bezug zu dieser Musik hatten. Sie kannten sie bis dahin einfach nicht.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass man mit jazzigen Dingen ein breiteres Publikum ansprechen könnte, wenn man dafür wieder mehr Präsenz schaffen könnte. Wahrscheinlich nicht mit den komplexeren Dingen (Free-Jazz), aber die Musikbeispiele oben könnten schon einige Leute hören wollen.
Das ist aber nur meine persönliche Einschätzung aus den Erfahrungen, die ich gemacht habe.
Hätten wir hier in der Nähe eine Kneipe, wo mal live Jazz gespielt wird, würde ich auf jeden Fall hingehen und einige in meinem Bekanntenkreis sicher auch. Leider gibt es das nicht.
 
Ich könnte mir schon vorstellen, dass man mit jazzigen Dingen ein breiteres Publikum ansprechen könnte, wenn man dafür wieder mehr Präsenz schaffen könnte. Wahrscheinlich nicht mit den komplexeren Dingen (Free-Jazz), aber die Musikbeispiele oben könnten schon einige Leute hören wollen.
Da kann man durchaus ein breiteres Publikum ansprechen, aber Jazz hat bei vielen Menschen leider einen schlechten Ruf (Frank Zappa ist schuld! :D).

Ich hatte einmal mit einem sehr modernen Jazztrio (Fender Rhodes, Bass, Drums) einen Auftritt auf einem öffentlichen Platz, auf dem gleichzeitig auch ein Flohmarkt eines gemeinnützigen Vereins stattfand. Die Betreiberen des Flohmarkets wurde kurz vorher informiert, daß da auch ein Jazzkonzert stattfindet. Ihre Reaktion war bezeichnend. Wörtlich: "Jazz? Oh nein, das ist ja schrecklich!" Sie hatte Angst, daß wir die Flohmarktbesucher vertreiben.

Nach dem Konzert kam sie dann zu uns und war sehr begeistert: "Ja, wenn das Jazz ist, dann mag ich ja auch Jazz!"

Mit Oldtime Jazz existiert dieses Problem allerdings mehr oder weniger gar nicht. Wenn wir das spielen, ist eigentlich immer viel Publikum da. Da sind nur manchmal ein paar eingefleischte Metaller, Bluesfans oder Mitglieder der Jazzpolizei, die sich abwenden. Aber auch von denen sind immer wieder einige nach unserem Auftritt begeistert. Oft kommt es eben nicht drauf an, was man spielt, sondern wie man es spielt: Mit Spaß, Leidenschaft und Lebensfreude.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Till Brönner ist fraglos ein Spitzentrompeter .
Allerdings Profi.
Uns wurde vom Publik immer bescheinigt, daß
bei Amateuren mehr Spielfreude rüberkommt.
 
Uns wurde vom Publik immer bescheinigt, daß
bei Amateuren mehr Spielfreude rüberkommt.
Das kann ich so nicht bestätigen. Bei Chick Corea, Ron Carter, McCoy Tyner, Sonny Rollins und vielen anderen habe ich mega Spielfreude in den Konzerten erlebt, die sich auch unmittelbar auf das Publikum übertragen hat. Gerade von Chick Corea erzählen die Bandmitglieder immer wieder, wie sehr er für Spielfreude in der Band gesorgt hat.

Ich habe die kurzen Statements auf Youtube wiedergefunden. Vor allem Chicks letzte Sätze darin sind bezeichnend: "My greatest joy is, when the band is smiling. You know why: Because I know, that if the band is smiling and we are having a good time, that audience [is going to(?)] smile. That is the secret weapon."


View: https://www.youtube.com/watch?v=CboBZCPzpwk

Diese Auffassung habe ich mir zu Herzen genommen. Von mir gibt es den Bandkollegen gegenüber immer nur Zustimmung, Unterstützung, Anfeuern, Lächeln, Freude über ihre Soli etc. Denn wenn sie sich freuen, spielen sie noch besser, und das überträgt sich auf das Publikum. In der Probe kann man natürlich Verbesserungsvorschläge machen, aber ein "das war schlecht" gibt es von mir nie!

Viele Güße,
McCoy
 
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Da gebe ich Dir absolut recht.
Ich habe es leider nur viel zu
selten geschafft, meinen Ärger
über unüberhörbare Schnitzer
von Musikerkollegen auf der
Bühne zu unterdrücken.
 
Unser Big Band Leiter meinte immer "für Jazz reicht's" und lächelte damit auch die zum Teil schiefen, weil noch etwas unerfahrenen Posaunen weg. ;) Auf die Art hatten wir immer ein entspanntes Klima und entsprechend viel Spielfreude. Da würde ich auch sagen, dass sich das aufs Publikum überträgt. Auch wenn nicht alles perfekt ist.
 
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"für Jazz reicht's"
Das Problem bei dem mir sehr gut bekannten Spruch ist, dass ihn nach wie vor viel zu viele Leute ernst nehmen (oder zumindest hinnehmen) und nicht so sarkastisch, wie er nur gemeint sein kann. Sowohl Musiker, als auch Publikum und vor allem Veranstalter.
 
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Man braucht in einer Band halt eine gute Balance aus Anspruch und aus Spielfreude, sage ich mal. Bei zu hohem Anspruch kann die Spielfreude leiden, aber ohne einen gewissen Anspruch oder Ehrgeiz geht es natürlich auch nicht.
Wir hatten in der Big Band sowohl sehr erfahrene Musiker und Anfänger. Das ist schwer unter einen Hut zu bringen. Aber die Anfänger sind durch das gute Klima in der Band und die Ermunterungen und Tipps der erfahrenen Musiker sehr schnell besser geworden. Dadurch hatten wir auch alle möglichen Altersgruppen und entsprechend auch Jazz-Nachwuchs, sozusagen.
Da kann man natürlich nicht so hohe Maßstäbe anlegen wie an eine Band, die nur aus Profis besteht.
Man braucht eine Balance, die angemessen ist bei der Art Band, die man hat. Und realistische Erwartungen. Damit sich kein "Panik-vor-Fehlern-Klima" etabliert. Das ist nämlich auch nicht schön.
Und "für Jazz reicht's" ist natürlich mit Humor zu betrachten, den man sich ja möglichst auch bewahren sollte.
 
Mit Oldtime Jazz existiert dieses Problem allerdings mehr oder weniger gar nicht. Wenn wir das spielen, ist eigentlich immer viel Publikum da. Da sind nur manchmal ein paar eingefleischte Metaller, Bluesfans oder Mitglieder der Jazzpolizei, die sich abwenden.
In Leipzig gab es vor 20 Jahren den "Blauen Salon" im Hotel Kosmos in der Gottschedstraße (vor dessen Umbau - nicht zu verwechseln mit dem heutigen "Blauen Salon" am Markt) und dort im Rahmen der (zweiwöchentlichen?) Jazz-Session (mit dem Pianisten Stephan König) in regelmäßigen Abständen auch offizielle "Oldtime Sessions". Dort wurde (nach meinem Empfinden - meine Hörerfahrungen beschränken sich vorwiegend auf die Originalaufnahmen aus den 20ern des letzten Jahrhunderts) auf durchaus gutem Niveau gespielt - mit kompletten stilechten Rhythmusgruppen, mindestens drei Bläsern und allem, was dazugehörte. Publikum war auch reichlich da.

Leider verließen die Sessions irgendwann den "Blauen Salon". Ob es sie anderswo noch gibt - und wenn ja, ob auch die Oldtime-Sessions noch existieren... wer weiß... (ich wohne leider schon lange nicht mehr dort).

Michael
 
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In Dresden ist einmal im Jahr richtig Dixie-Fieber
Das macht wirklich Spaß, überall Konzerte und viele Bands spielen auch in den Fußgängerzonen oder abends in Kneipen für lau.

Es gibt soweit ich weiß auch ein paar lokale Bands, von Amateur bis Profis. Ich habe allerdings über paar Ecken gehört, dass nach Corona nur noch sehr wenige Auftritte sind, wo man auch ein bisschen Gage bekommt.

Oldtime-Sessions kenne ich sonst auch nicht. Aber wenn man ne gute Trompete und Klarinette hat, kriegt man den Rest der Musiker bestimmt zusammen. Die Musik macht schon Spaß.
 
Ich spiele heute Abend wieder alten Jazz, sessionmäßig (Hausband mit Gästen). Das ist mein 17. Oldtime-Auftritt dieses Jahr, morgen ist noch einer. Zum Teil auf Hut (heute), zum Teil mit Gage (morgen). Also, hier läuft es ganz gut.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Also, hier läuft es ganz gut.
Wo ist "hier"? ;)

Hab dieses Jahr auch schon einige gespielt und einige Anfragen absagen müssen, im Münchner Raum geht da auch noch nicht die Welt unter. Aber weniger ist es schon geworden, manche Locations haben sich seit Corona spürbar aus dem Konzertbereich zurückgezogen.
 
Ich hätt auch was in den Hut geschmissen wenn ich gewusst hätte wo genau
 

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