Gibson RD Artist Bass

GothicLars
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Nachdem ich viele wutentbrannte Nachrichten bekommen habe, weil ich schon so lange kein Review mehr geschrieben habe, habe ich mir mal wieder einen Klassiker aus meinem Fundus vor die Brust genommen. Einen...

Gibson RD Artist Bass

Was Bässe angeht, konnte der Traditionshersteller nie so ganz an die Erfolge seiner Gitarrenmodelle anknüpfen. Und erst recht nicht an die der kalifornischen Konkurrenz. Das erfolgreichste Modell dürfte wohl der Thunderbird sein und auch die EB-Reihe erfreut sich einer gewissen Beliebtheit, weiß der Geier warum.
Trotzdem, oder gerade deswegen, hat Gibson immer wieder versucht durch Innovationen zu glänzen. So auch hier, was sich schon im Namen widerspiegelt. “RD” steht nämlich für “Research & Development”. Das Neuartige an dem Bass war die aktive Elektronik und die ist tatsächlich recht speziell, denn sie beinhaltet eine Compressor und Expansion Schaltung.

Ist das nicht fantastisch?
Die Antwort lautet: Nein.

20240711_115648.jpg


Spezifikationen

Entfernt erinnert der Offset-Body an einen Thunderbird. Vom Hals her ist der aber deutlich fleischiger. Außerdem fehlen die Konturen des T-Birds, die den Body schlanker machen und Gewicht sparen, wodurch er auf ein recht ansehnliches Gesamtgewicht kommt. Als weiteren Unterschied kann man, neben der Holzwahl, auch noch den eingeleimten Hals (beim T-Bird durchgehend) erwähnen.
  • Body: Maple
  • Neck: Maple
  • Fretboard: Maple
  • Pickups: 2x Series V Humbucker
  • Electronic: 2x Vol, Bass, Treble, Compressor/Expansion/Bright, PU Selector
  • Weight: 5.4 kg
  • incl. Case
Die Elektronik stammt von der damals jüngst gekauften Firma Moog und wird mit einer 9V Batterie befeuert. Das Ahorn Griffbrett hatte übrigens nur die Version mit Natural Finish, die anderen hatten Palisander Griffbretter.
Die Saiten können wahlweise durch den Body gezogen - was aber Extra-Longscale-Saiten nötig macht und somit die Auswahl erheblich einschränkt - oder an der Bridge eingehängt werden.

Es wurden übrigens von 1977 bis 1979 nur 2640 Stück gebaut, was ihn zu einer kleinen Rarität macht. 2018 wurde das Modell von Gibson wiederaufgelegt, der hatte aber Humbucker mit offenen Pole-Pieces, eine Full-Contact Babicz Bridge und verfügte lediglich über eine semiparametrische Zweiband-Elektronik ohne C/E-Schaltung, womit der eigentlich den Namen “RD” gar nicht mehr verdient hat. Sogar das Tribal-Inlay auf dem Headstock wurde eingespart. Skandal!!! Der coole Body ist aber wenigstens derselbe.

20240711_115755.jpg

Neben dem hier besprochenen RD Artist gab es übrigens noch den RD Standard mit kleineren JB-ähnlichen PUs und ohne aktiver Elektronik.

Verarbeitung

Meiner ist von 1978 und rein rechnerisch, somit heute 46 Jahre alt was aber nicht sein kann, denn das würde bedeuten, dass ich auch 46 Jahre alt wäre. Ein gutes Beispiel dafür, dass Mathematik noch nicht so ganz ausgereift zu sein scheint. Aber damit sollen sich andere Leute beschäftigen, zurück zum Bass.

Wegen des Alters kann man jedenfalls nicht mehr peinlich genau hinsehen, ob die Lackierung bei Auslieferung wirklich 100% sauber war. Dafür hat man “Langzeitdaten”.
Mein Bass wurde offensichtlich viel gespielt, was man an den Abnutzungsspuren sehen kann, wo sich der Lack abgegriffen hat, aber keine Macken oder Buckle-Wear. Deswegen mussten die Bünde auch schon einmal abgerichtet werden, was aber fachmännisch gemacht wurde. Trotz des Alters und häufigen Gebrauchs funktioniert aber heute noch alles einwandfrei an dem Bass und das ist schließlich das, worauf es ankommt. Hier kann man also sagen, dass Gibson alles richtig gemacht hat.

Auffällig ist das riesige E-Fach, in dem sich tatsächlich eine genauso große Platine von Moog befindet. Das Batteriefach hat aber zum Glück einen separaten Deckel, der sich mit zwei Schrauben öffnen lässt.

Der Hals-Kopf-Übergang wurde verstärkt. Der sollte nicht so leicht den Kopf verlieren.

20240711_115703.jpg 20240711_115841.jpg 20240711_115824.jpg

Spielgefühl

Eines ist mal sicher, der Award für den “Most Comfy Bass Ever” dürfte an diesem Schmuckstück vorbeigehen. Die Kopflastigkeit ist zwar nicht zu verleugnen, hält sich aber, trotz des kräftigen Halses und der dafür prädestinierten Bodyform, in Grenzen. Ich hatte einen Thunderbird, der deutlich kopflastiger war. Der Body hat da wohl einfach genug Gegengewicht. Aber eben dieses Gewicht ist natürlich auch deutlich spürbar.

Ich bin außerdem kein Freund von Gurtpins hinten am Halsansatz. Damit neigt der Bass immer etwas dazu, nach vorne zu kippen.

Ansonsten muss man sich an die Ausmaße eines Gibson-Basses einfach erstmal gewöhnen. Wer kuschelige Fender-Bässe kennt, dem kommt die “Armkannte” erstmal wie ein Fremdkörper vor. Andere Spieler mögen sich über die Auflagemöglichkeit freuen.

Der kräftige Hals erinnert mich am ehesten an einen Precision, was mir durchaus entgegen kommt.

Sound

Mit seinen zwei Humbuckern und den durchgehend (naja, geleimten) Hals lässt sich die Verwandtschaft zum Thunderbird nicht ganz leugnen, jedoch kommt der RD deutlich attackreicher und knuspriger daher.
Und wie man das von Pickups in diesen Positionen erwartet, hat der Neck-PU ein deutliches “Roarrr” und der Bridge-PU prägnante knöcherne Mitten. Beide bringen dabei eine schöne Portion Höhen rüber, sodass der Anschlag immer gut artikuliert rüberkommt. Zusammen gespielt gibt es diese typische Mitten-Auslöschung und so klingt der Bass auch am besten, wie ich finde. In jeder Position sind außerdem die satten aber straffen Bässe gegenwärtig, beim Neck PU aber natürlich etwas deutlicher als an der Bridge.
Aber wegen blumigen Beschreibungen, wie die Tonabnehmer klingen, seid ihr ja nicht hier. Ihr wollt wissen, was die Knöppe machen, richtig?
Die oberen beiden Potis sind Volume-Regler, die unteren beiden sind für Bässe und Höhen Boost und Cut und gut abgestimmt. Damit lässt sich wirkungsvoll in den Klang eingreifen. Der weiße Schalter unten ist ein PU Selector und der schwarze Schalter ist für das Eingemachte.

20240711_115715.jpg


Der schwarze Schalter ist in der Mittelposition neutral. Nach vorne hin schaltet man in den Bright-Mode der nochmal eine ordentliche Portion Obertöne hinzufügt.
Die hintere Position aktiviert die benannte Compressor/Expannsion-Schaltung. Der Hals Pickup wird dabei richtig fett komprimiert. Das Signal wird ordentlich glatt gebügelt und man hat ein viel Sustain. Der Anschlag wird dabei aber auch gut runtergedrückt.
Auf den Bridge PU wirkt die Schaltung genau umgekehrt - Pegelspitzen werden hervorgehoben. Wenig Sustain aber ordentlich Attack. Das in Kombination klingt wirklich interessant. Ein attckreicher Sound der in ein langes fettes Sustain ausläuft. Das ist nichts für Puristen und nicht dazu gedacht, subtil zu klingen. Das Signal klingt schon ordentlich bearbeitet.
Allerdings lässt sich die Intensität durch ein Loch in der Rückseite auch mit einem Schraubenzieher einstellen.
Aber braucht man das in einem Bass? Ich habe den Schalter natürlich schon das ein- oder andere Mal benutzt, aber im Endeffekt bin ich dann doch immer beim cleanen Sound gelandet. Einen Compressor habe ich schließlich auf dem Board. Allerdings nicht diese Kombi.

Fazit

Jetzt mal Butter bei die Fische. Die Elektronik ist vielleicht beste Feature nach Basssaiten mit Kiwi-Geschmack. Die macht diesen Bass schließlich auch einzigartig und auf so etwas stehe ich einfach.
Doch auch ohne dieses Compressor/Expansion-Schaltung ist das ein Bass mit Style und wirklich coolem Sound und auf jeden Fall einen Blick wert. Besonders interessant natürlich für Gibson-Liebhaber und den Freunden von klassischen, aber nicht ganz alltäglichen Bässen. Allerdings muss man schon so etwa mit 3.000 € rechnen, was ihn nicht gerade zu einem Schnäppchen macht.
Das Handling gibt einen das Gefühl, dass man muss es sich es erst verdienen muss, aber dann wird man mit einem fetten Sound belohnt und den mögen wir ja schließlich alle.
Ist es ein must have? Vielleicht nicht gerade.
Würde ich ihn noch einmal kaufen? Auf jeden Fall!

Pro
  • Sound
  • Verarbeitung
  • Interessante Elektronik
Contra
  • Gewicht
  • “Interessante” Elektronik
  • Preis
 
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Vielen Dank @GothicLars , dass Du Dich dem Gibson RD Artist Bass angenommen hast.

Ich habe ein paar Ergänzungen aus meiner Erfahrung mit meiner noch vorhandenen

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SG R1 Artist 80.jpg


Gibson Les Paul Artist aus '79 und den wieder verkauften (weil zur LP kein Plus) Gibson Firebird II RD Artist aus '78, Gibson RD Artist aus '77 und Gibson SG R1 Artist aus '80:

Die Elektronik stammt von der damals jüngst gekauften Firma Moog
Nur damit die Angabe nicht missverstanden wird: Gekauft wurde seinerzeit Moog, wie auch schon vorher Gibson, von dem Norlin Konzern. U.a. daraus resultierte die Kombination von Gibson mit aktiver Moog-Elektrik.

Die Bright, Compression und Expansion Schaltungen führten zu einer schweren Spielbarkeit, weil unheimlich sauberes Spielen erforderlich war, was die meisten eben nicht drauf hatten. So konnten die meisten auch die Sound-Möglichkeiten dieser Schaltungen nicht wirklich ausschöpfen. Daher kamen die RD/Artist Modelle nicht besonders an und wurden alsbald wieder eingestellt.

Markant ist bei den RD/Artist Modellen, dass die Tone-Potis von -5 bis + 5 einstellbar waren, also anders als passive Filter dank der aktiven Schaltungen eben genau auch Höhen hinzufügbar machten.

Wer sich intensiv mit den Soundmöglichkeiten befasst, findet sehr wohl ganz markante Soundmöglichkeiten - ob man sie mag oder nicht, muss man ja eh selbst wissen; ich bin von der LP Artist und ihren Möglichkeiten begeistert.

Vom Bass hab ich nicht viele Infos, aber ein paar Soundbeispiele aus dem Jahr 1978 - siehe im Anhang des Beitrages.

Noch etwas Angeberwissen:

Der berühmteste Player von Gibson RD Artist Bässen war John Entwistle - er hatte mindestens zwei: einen Ahorn (wie @GothicLars ; da gibt es mindestens ein Bild ) und einen mit der hier gezeigten Burst Lackierung (außerdem gab es den Bass noch in schwarz und auch damals wurden nachweislich ein paar Exemplare ohne die Elektrik hergestellt, wovon mir aber nur ein schwarzer bekannt ist):

1720699867042.png


Leider von keiner offiziellen Seite verifiziert ist die Geschichte, dass Entwistle auch an der Entwicklung beteiligt war. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, da Entwistle bei einigen Herstellern und Modellen mitgemischt hat.

Anders als die vor einigen Jahren mit begrenzter Stückzahl mit und auch ohne Elektrik wieder aufgelegte RD Gitarre gab es vom Bass kein Revival.
 

Anhänge

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  • 1978RDartist5.mp3
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  • RDArtistneck-comp+comp.mp3
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  • RDArtistmellowtobright.mp3
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  • RDArtistbridge-exp+exp.mp3
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Sorry für meinen Fehler - da war ich geistig zu weit abwesend :rolleyes:
 
Das Ahorn Griffbrett hatte übrigens nur die Version mit Natural Finish, die anderen hatten Palisander Griffbretter.
Vielen Dank @GothicLars für das Review. Eine kleine Korrektur möchte ich noch anfügen: Das Griffbrettmaterial war immer abhängig von der Lackierung. Die transparente Lackierung, wie bei deinem "RD Artist", hatte ein Ahorn-Griffbrett. Die schwarze Lackierung hatte immer ein Ebenholz-Griffbrett. Bei den 3-Tone-Sunburst-Modellen handelte es sich meinem Wissen nach auch um Ebenholz-Griffbretter. Gleiches gilt auch für den "RD Standard". Ein passiver Bass mit optisch schlankeren Tonabnehmern und Volume-Volume-Tone-Schaltung.
Ich habe auch mal ein Foto eines RD Artist in Silver-Burst mit Ahorn-Griffbrett und schwarzer Kopfplatte gesehen, da vermute ich aber, dass es sich um ein Refinish handelt.
 
Stimmt, Ebenholz. Ich hatte aus irgendeinem Grund Palisander im Kopf.
 
Ohne sichtbare PU‘s, sieht das irritierend aus …

Wurde der Korpus auch für ein Nicht-Moog Modell verwendet? Spielt mein Basser so einen?

IMG_3727.jpeg


Gruß
Martin
 
Soweit ich sehe, spielt Dein Basser einen EB-13

1721462215041.png

Der ist von der Formgebung her eine wilde Mixtur, aber vom RD schon etwas entfernt.
 
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Wurde der Korpus auch für ein Nicht-Moog Modell verwendet? Dann hat mein Basser so einen in Betrieb.
Ja, wie erwähnt gab es den RD Standard, der keine aktive Elektronik hatte und ein Reissue 2018 mit einer komplett anderen Elektronik.
Der von Dir gezeigte Bass ist aber ein EB-13, wie omnimusicus ja schon erkannt hat.
 
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