gitarrero!
Mod Emeritus
Hallo zusammen!
Es ist mal wieder an der Zeit, interessante Ibanez-Obskuritäten ins Rampenlicht zu zerren. Heute sind ungewöhnliche Sabers an der Reihe.
Sogar in den frühen Jahren ihrer Existenz wurde innerhalb der 1987 eingeführten Saber-Serie (ursprünglich mit vollem Namen Ibanez Roadstar Pro 540S genannt) fleißig experimentiert und variiert. Allein die Anordnung der Korpus-Bedienelemente machte in nur drei Jahren zwei wesentliche Evolutionsschritte durch, aber auch an anderen Parametern wurde munter gedreht. Um zwei dieser Experimente soll es hier und heute gehen: Erstens die 1988er 540S-CT4 mit spezieller Holzauswahl und zweitens die 1989-1990 erhältlichen, eng verwandten 540S-CT5 und 540S-CT6 mit einem bemerkenswerten Konstruktionskniff unter der Haube. Im Folgenden liste ich für die genannten Modelle jeweils ein paar Punkte und Merkmale auf.
540S-CT4 (1988)
Merkmale und Feststellungen:
540S-CT5 (1989) und 540S-CT6 (1990)
Da die Varianten CT5 und CT6 bis auf Kleinigkeiten gleich ausgestattet sind, werfe ich sie mal in einen Topf. Es gibt im Gegensatz zur CT4 sogar Katalogmaterial; hier die entsprechenden Auszüge.
Merkmale und Feststellungen:
Was ich an Literatur gefunden habe:
Hier die Halskonstruktion:
Ein Exemplar der 1989er 540S-CT5MS (Marine Sunburst) fiel mir unlängst in die Hände, und zwar in einem ganz schön gerockten Zustand – sie hatte offenbar eine bewegte Geschichte, diverse Modifikationen sowie einen Absturz hinter sich. Ein gewisser Jemand (garantiert nicht der freundliche Vorbesitzer, unser Board-Kollege @badagrad , nochmal vielen Dank für alles!) hat in der Vergangenheit die Humbucker-Rahmen ausgetauscht, einen MIDI-Tonabnehmer mitsamt Controller auf die Decke geschraubt (sowas tut man doch nicht!) sowie das Volume-Poti versetzt und hierfür ein drittes Potiloch gebohrt (sowas tut man doch erst recht nicht!!), und er hat sie sehr intensiv gespielt (das ist unbedingt erwünscht, denn dazu sind die Dinger schließlich da).
Das überflüssige dritte Loch zwischen den Potis beherbergt jetzt einen Kill Switch – das ist zwar eine „faule“, aber funktionale und optisch akzeptable Lösung. Zwei der MIDI-PU-Löcher habe ich mit einem Stück Zahnstocher verdübelt, dann mit einem farblich passenden Lackstift draufgetupft und mit Sekundenkleber aufgefüllt. Das dritte Loch verschwindet unterm Steg-PU-Rahmen. Bei besagtem Absturz ist ein kapitaler Schaden am Zargen entstanden und der Unfallgegner (was auch immer das Übles gewesen sein mag) hat dabei sämtliche Lackschichten splittern lassen und sogar das aufgeleimte Ahornfurnier durchgehackt. Die Wunde ging also bis runter aufs Mahagoniholz – aua!
Diesen Schaden habe ich vom Profi fachgerecht beheben lassen - das hätte ich mir nicht zugetraut bzw. ich hätte es wohl nur verschlimmbessert. Der Krater wurde mit schwarzer Epoxy-Spachtelmasse aufgefüllt und die Stelle verschwindet optisch im Burst-Rand. Bei der Gelegenheit wurde der Lack noch etwas aufgehübscht, also nass geschliffen und an der Schwabbel aufpoliert, so dass der Body jetzt wieder attraktiv ausschaut. Der fehlende Vibratohebel fürs HQ Tremolo ist sehr exotisch und nur bei dem US-Spezialanbieter https://www.fretsonthenet.com/ als Replikat zu bekommen, die restlichen Parts wie z.B. eine Ersatzkappe für den Single-Coil mit intaktem "IBZ USA"-Logo hatte ich noch in der Bastelkiste.
So, das sind also die 540S-Varianten CT4 und CT5/CT6. Es stellt sich die Frage: Gab es womöglich auch CT1, CT2, CT3? Wurden sie vielleicht als Vorschlag kreiert, haben aber nie die Marktreife erlangt? Deswegen geht an dieser Stelle ein Appell an alle Saber-Fans: Haltet stets die Augen auf und werft bei ungewöhnlichen Modellen immer einen Blick in die Halstasche, ob sich dort oder am Halsfuß irgendwelche Stempel oder Notizen aus der Produktion befinden. Das Ibanez-Produktportfolio der späten 80er Jahre trieb kuriose Blüten und vielleicht identifizieren wir ja noch das eine oder andere verschollene oder undokumentierte Mitglied der 540er-Familie.
Bis bald mal wieder! Freue mich auf Rückmeldungen und Kommentare.
Es ist mal wieder an der Zeit, interessante Ibanez-Obskuritäten ins Rampenlicht zu zerren. Heute sind ungewöhnliche Sabers an der Reihe.
Sogar in den frühen Jahren ihrer Existenz wurde innerhalb der 1987 eingeführten Saber-Serie (ursprünglich mit vollem Namen Ibanez Roadstar Pro 540S genannt) fleißig experimentiert und variiert. Allein die Anordnung der Korpus-Bedienelemente machte in nur drei Jahren zwei wesentliche Evolutionsschritte durch, aber auch an anderen Parametern wurde munter gedreht. Um zwei dieser Experimente soll es hier und heute gehen: Erstens die 1988er 540S-CT4 mit spezieller Holzauswahl und zweitens die 1989-1990 erhältlichen, eng verwandten 540S-CT5 und 540S-CT6 mit einem bemerkenswerten Konstruktionskniff unter der Haube. Im Folgenden liste ich für die genannten Modelle jeweils ein paar Punkte und Merkmale auf.
540S-CT4 (1988)
Merkmale und Feststellungen:
- Spot Production Modell von 1988, Stückzahl unbekannt. Vermutung: Vertrieb nur in Europa in der Größenordnung wenige Dutzend.
- War in keinem Katalog abgebildet.
- Einzige mir bekannte offizielle Doku: Meinl-Preisliste Januar 1989 mit Farbcode LA = Light Amber und Bruttoverkaufspreis DM 2.190,- ohne Case (das sind 15% mehr als der Preis einer normalen 540S). Straßenpreis war um die DM 1.700,- herum.
- Wesentliche Besonderheit: Korpusholz ist Esche - eine klare Abweichung vom Saber-Standard Mahagoni.
- IBZ USA (made by DiMarzio) Pickups HSS - die damalige Default-Bestückung der 540S
- Drei Minischalter zur Pickup-Anwahl, 1988er-Anordnung von Buchse und Potis - spätere Baujahre bekamen den 5-Weg-Klingenschalter mit schwarzem Kunststoff-Extragehäuse (damit der Schalter überhaupt in den Korpus reinpasst, der sich ja zum Zargen hin verdünnt).
- Ein prominenter Nutzer hierzulande +/- 1990 war Andreas Schmid-Martelle von der Jule Neigel Band.
540S-CT5 (1989) und 540S-CT6 (1990)
Da die Varianten CT5 und CT6 bis auf Kleinigkeiten gleich ausgestattet sind, werfe ich sie mal in einen Topf. Es gibt im Gegensatz zur CT4 sogar Katalogmaterial; hier die entsprechenden Auszüge.
Merkmale und Feststellungen:
- Die Variante CT5 war 1989 das allererste Saber-Modell mit AANJ (All Access Neck Joint) und ovalen Abalone-Griffbretteinlagen.
- Flame Maple Furnier auf Vorder- und Rückseite des Mahagonibodys, technisch damit der Vorläufer der 1991 eingeführten 540SFM.
- Halskonstruktion wie MX und VM: Zweistufiger Halsfuß, Verbindung zum Korpus mit zwei Holzschrauben plus zwei Maschinenschrauben in Einschlagmuttern, gewinkelte Kopfplatte. Im Katalog steht "NECK 1pc. Maple", aber in Wahrheit ist er mehrteilig, da die Kopfplatte angeschäftet und am Halsfuß nochmal ein Holzstückchen angeleimt ist.
- Die CT5 wird erwähnt in der Meinl-Preisliste Januar 1989 für DM 2.160,- ohne Case (das sind 14% mehr als der Preis einer normalen 540S).
- Die CT6 kommt mit Minischalter (Funktion nicht dokumentiert - Vermutung: Coil Split Hals- und Steg-Humbucker) und Custom Made Inlay im letzten Bund (was man nicht mit Custom Shop gleichsetzen darf), sonst sind die Features gleich wie bei der Variante CT5.
- Es gab unterschiedliche Finishes je nach Vertriebsgebiet, siehe Tabelle.
- Die berühmten Beehive Knobs gab es nur auf den europäischen und japanischen Modellvarianten, in USA hatten die Gitarren die normalen Dome Speed Knobs alias Tek Grip.
- Inkonsequente und mitunter verwirrende Typenbezeichnungen mit und ohne Leerzeichen oder Bindestrich, siehe Tabelle.
- Lustiger Hardware-Mix: HQ Tremolo und Magnum Lock Klemmmechaniken in Chrome, PU-Rahmen in Black, Beehive Knobs in Cosmo Black, Tek Grip Knobs in Black.
- IBZ USA (made by DiMarzio) Pickups HSH, zweite Generation, F-spaced Humbucker F1 & F2 plus C1 Single-Coil
Was ich an Literatur gefunden habe:
Hier die Halskonstruktion:
Ein Exemplar der 1989er 540S-CT5MS (Marine Sunburst) fiel mir unlängst in die Hände, und zwar in einem ganz schön gerockten Zustand – sie hatte offenbar eine bewegte Geschichte, diverse Modifikationen sowie einen Absturz hinter sich. Ein gewisser Jemand (garantiert nicht der freundliche Vorbesitzer, unser Board-Kollege @badagrad , nochmal vielen Dank für alles!) hat in der Vergangenheit die Humbucker-Rahmen ausgetauscht, einen MIDI-Tonabnehmer mitsamt Controller auf die Decke geschraubt (sowas tut man doch nicht!) sowie das Volume-Poti versetzt und hierfür ein drittes Potiloch gebohrt (sowas tut man doch erst recht nicht!!), und er hat sie sehr intensiv gespielt (das ist unbedingt erwünscht, denn dazu sind die Dinger schließlich da).
Das überflüssige dritte Loch zwischen den Potis beherbergt jetzt einen Kill Switch – das ist zwar eine „faule“, aber funktionale und optisch akzeptable Lösung. Zwei der MIDI-PU-Löcher habe ich mit einem Stück Zahnstocher verdübelt, dann mit einem farblich passenden Lackstift draufgetupft und mit Sekundenkleber aufgefüllt. Das dritte Loch verschwindet unterm Steg-PU-Rahmen. Bei besagtem Absturz ist ein kapitaler Schaden am Zargen entstanden und der Unfallgegner (was auch immer das Übles gewesen sein mag) hat dabei sämtliche Lackschichten splittern lassen und sogar das aufgeleimte Ahornfurnier durchgehackt. Die Wunde ging also bis runter aufs Mahagoniholz – aua!
Diesen Schaden habe ich vom Profi fachgerecht beheben lassen - das hätte ich mir nicht zugetraut bzw. ich hätte es wohl nur verschlimmbessert. Der Krater wurde mit schwarzer Epoxy-Spachtelmasse aufgefüllt und die Stelle verschwindet optisch im Burst-Rand. Bei der Gelegenheit wurde der Lack noch etwas aufgehübscht, also nass geschliffen und an der Schwabbel aufpoliert, so dass der Body jetzt wieder attraktiv ausschaut. Der fehlende Vibratohebel fürs HQ Tremolo ist sehr exotisch und nur bei dem US-Spezialanbieter https://www.fretsonthenet.com/ als Replikat zu bekommen, die restlichen Parts wie z.B. eine Ersatzkappe für den Single-Coil mit intaktem "IBZ USA"-Logo hatte ich noch in der Bastelkiste.
So, das sind also die 540S-Varianten CT4 und CT5/CT6. Es stellt sich die Frage: Gab es womöglich auch CT1, CT2, CT3? Wurden sie vielleicht als Vorschlag kreiert, haben aber nie die Marktreife erlangt? Deswegen geht an dieser Stelle ein Appell an alle Saber-Fans: Haltet stets die Augen auf und werft bei ungewöhnlichen Modellen immer einen Blick in die Halstasche, ob sich dort oder am Halsfuß irgendwelche Stempel oder Notizen aus der Produktion befinden. Das Ibanez-Produktportfolio der späten 80er Jahre trieb kuriose Blüten und vielleicht identifizieren wir ja noch das eine oder andere verschollene oder undokumentierte Mitglied der 540er-Familie.
Bis bald mal wieder! Freue mich auf Rückmeldungen und Kommentare.