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Intro
Es ist jetzt nicht grade so, dass ich nicht eine schöne Auswahl hochwertiger Gesangsmikros hätte - Shure, Sennheiser, sE electronic und gelegentlich AKG und Beyerdynamic setze ich üblicherweise ein. Aber ich bin halt auch ein Spielkind, und wenn ein neues (besser noch ein neuartiges) Mikro meine Aufmerksamkeit erregt, dann kann es schonmal sein, dass ich schwach werde. Da ich in grauer Vorzeit mal einen unerfreulichen Vorfall mit einem Pult mit deaktivierter Phantomspeisung hatte, ziehe ich dynamische Mikros vor. Inzwischen habe ich meine eigenen Pulte, und trotzdem habe ich selbst für Overhead Mikros noch ein dynamisches Backup dabei. Kannste nix machen, ein Trauma halt.
Da mich der Kollege @Simon99 mit diesem Bericht hier (Link) neugierig gemacht hat, fiel meine Wahl auf das neue Mikro aus dem Hause Shure.
Shure Nexadyne 8/S
Auftritt des neuen Shure Nexadyne, ein dynamisches Mikro, das es mit Nierencharakteristik gibt (dann heisst es Nexadyne 8/C) und mit Superniere (dann heisst es Nexadyne 8/S). Da ich ein Mikro dieser Preisklasse am ehesten noch meinen Solisten gebe und eher nicht für den Chor einsetze, ist es bei mir die Version 8/S geworden. Für die Nexadyne-Serie hat Shure eine neue Art der Kapsel entwickelt, und da Shure im Lauf der letzten knapp 100 Jahre schon viele bahnbrechende Entwicklungen gemacht haben, wurde ich neugierig. Es gibt das Mikro sowohl als Handheld als auch als Aufsatz für die Shure Funkstrecken, die einen Wechselkopf haben (BLX und GLX-D sind damit raus). Siehe https://www.thomann.de/de/search_dir.html?sw=nexadyne
Dieses Mal habe ich beim Musikhaus Kirstein bestellt, weil deren Preis um 10 EUR günstiger war als der der Konkurrenz. Inzwischen haben alle großen Versender nachgezogen. Zur Lieferung gibt es nichts Besonderes zu sagen, das läuft dort genauso gut wie bei meinem Haus- und Hoflieferanten, dem großen T.
Verpackung und Inhalt
Ökoterrorismus im Hause Shure! Wo ist meine Hochglanzverpackung, wo der leuchtende Druck auf der Schachtel? Ja, auch Shure geht mit der neuen Zeit und verkauft das Mikro in einem recyclebaren Karton mit eher dezenten Farben. Ohne das nun im Detail getestet zu haben, es sieht alles weniger giftig und chemisch aus als die übliche Hochglanzverpackung. Natürlich muss man Shure dafür loben, aber erstmal kommt das unerwartet. Mal sehen, welche Hersteller hier noch nachziehen werden.
In der Verkaufsverpackung findet sich mal keine gepolsterte Kunstledertasche, sondern ein richtiges kleines Case, das bei Shure unter der Bezeichnung "ANXNC Reißverschluss-Tasche" läuft. Bei mir kommt das Mikro in ein Case, da ist es egal, aber Sänger & Sängerinnen, die ihr Mikro im Rucksack, der überdimensionalen Handtasche oder einem Seesack transportieren, dürften die zusätzliche Stabilität sehr zu schätzen wissen.
Weiter finden sich die typische Shure-Mikrofonhalterung A25E und das zu kleine Reduzierstück von 5/8- auf 3/8-Zoll in der Tasche (hier muss ich ja sagen: "Not a fan" - da haben andere Hersteller Schöneres) - und natürlich das Mikro selbst. Und das hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich.
Technologie
Shure hat sich für die Nexadyne-Serie (nicht als Erster am Markt, aber das erste Mal im Hause Shure) etwas Neues einfallen lassen. Kennt noch jemand diese Bilder aus den späten 60er und 70er Jahren, wo bei großen (lauten) Konzerten oft zwei Mikros mit Gaffa zusammengeklebt wurden? Sah shice aus, half aber damals, die Feedbacks in bestimmten Frequenzbereichen einzudämmen. Und so etwas Ähnliches hat Shure sich nun auch gedacht, und den Göttern sei's gedankt, sie haben das alles in ein Mikro gebaut. Shure selbst beschreibt das auf seiner Webseite wie folgt:
The Next Icon. Entwickelt für beste Leistungen, Auftritt für Auftritt.
Das dynamische Nexadyne™ 8/S Gesangsmikrofon ist ein dynamisches Mikrofon mit Supernierencharakteristik für professionelle Gesangsauftritte. Die Nexadyne Gesangsmikrofone verfügen über die patentierte Shure Revonic™ Dual-Engine Schallwandlertechnologie, bei der zwei präzise aufeinander abgestimmte dynamische Schallwandler für eine außergewöhnliche Klarheit sorgen. Das Ergebnis ist eine leistungsstarke Mikrofonserie, die modernste akustische Signalverarbeitung, außergewöhnliche Supernierenrichtcharakteristik und erstklassige Rauschminderung vereint. Die fokussierte und natürliche Supernierencharakteristik des Nexadyne 8/S sorgt dafür, dass der Gesang bis in die letzte Reihe dringt. Das Nexadyne 8/S wird in dezenter schwarzer Ausführung und mit Mikrofonklemme und Case geliefert.
Shure Nexadyne 8/S
Shure Nexadyne 8/C
Erster Eindruck und Bilder der Testumgebung
Also raus aus der Verpackung und rein in den Test! Klein, stark, schwarz, mit einer sehr angenehmen Beschichtung, die auch verschwitzen Händen noch Halt bieten dürfte, und mit vertrauenerweckendem Gewicht, aber eben auch nicht zu schwer - ja, das Nexadyne liegt wirklich gut in der Hand und fühlt sich im positiven Sinne gewohnt und freundlich an. Definitiv kein Fremdkörper für einen Sänger (und damit meine ich ab hier immer m/w/*).
Elf Freunde sollt Ihr... ach Quatsch, fünf Vergleichskandidaten sollt Ihr sein! Das Audio Technica AE 3000 oben links hat sich da nur zufällig hin verirrt. Am Ende waren es von links nach rechts ein uraltes Beyerdynamic M69 (sogar noch mit Kleintuchelanschluss), dann unser Ehrengast, das Shure Nexadyne 8/S, danach das sE electronic V7, anschließend das Sennheiser e935 und zu guter Letzt das Shure Beta57a, welches ich gerne als Allzweckwaffe für Gesang und Instrumente einsetze.
Das Beyerdynamic ist in das Vergleichsfeld gerutscht, weil es meiner Stimme schmeichelt - in die Vermietung geht das bei mir eher nicht, dafür ist es zu alt, zu selten und zu gut erhalten. In den Verleih gingen bislang nur die drei anderen Kandidaten, e935, V7 und Beta57a, immer sehr zur Zufriedenheit meine Klientel. Mal sehen, ob das Nexadyne dazu kommt.
Die Testumgebung: Meine mittlerweile auch nicht mehr ganz frische, aber immer noch wohltönende RCF ART 412a Mk II:
Und das SoundCraft EFX-8, welches ich nach wie vor für die Kleinstjobs mag - wenn das jetzt noch einen LoCut hätte, wäre es für meine Einsätze und für meinen Geschmack das perfekte Analogpult. Alle Gains auf 12 Uhr, EQ neutral, Panorama in die Mitte. Das Bild habe ich gemacht, noch bevor mit etwas Verspätung das M69 dazu stieß, darum steht im fünften Kanal noch alles auf Kraut und Rüben:
Alsdann, das Mikro kurz vor die Lippen gehalten und mal etwas gesprecht. Vorab, mit jedem der fünf Mikros kriegt man ohne große Mühen (also mit lediglich dezenter Bearbeitung am EQ) einen überzeugenden Sound hin, da gibt es keine Totalausfälle. Auch die Handlinggeräusche sind bei allen Kandidaten im Rahmen. Folgend eine Charakterisierung und der Versuch zu beschreiben, worin sich die Kandidaten unterscheiden:
Beyerdynamic M69
Bei Nahbesprechung tönt es warm, angenehm und mit diesen besonders schönen Beyerdynamic-Höhen (weil brilliant klingend, aber doch irgendwie ganz sanft). Wer das mit einem neumodischen Mikro und nochmals leicht verbessert erleben will, möge mal ein TG V70d antesten. Auch das günstigere V50d geht in diese Richtung. Der für den Charakter des Signals so wichtige Mitteltonbereich wird vom M69 ausgewogen übertragen. Wo das M69 gegenüber den anderen Kandidaten etwas abfällt, sind die Plosivlaute - P, T, K kommen ohne LoCut etwas böllerig, und wenn man das mit dem Bassregeler am EQ eindämmen will, muss man es fast schon übertreiben, so dass die Stimme ein wenig dünn wirkt. Okay, Markteinführung war 1971, und in den Jahren danach ist die technische Entwicklung bei Mikrofonen deutlich vorangekommen. Und natürlich wird das auch besser, wenn man einen ganz normalen LoCut aktiviert.
sE electronic V7
Das V7 hat einen Sound, den ich irgendwie bereits "fertig produziert" finde - als hätte da ein Tontechniker schonmal den LoCut aktiviert, Bässe leicht reduziert und die Höhen ganz dezent angehoben, also all das, was ich bei den anderen Mikros bisher immer selbst machen musste. Bei winzigen Sprachbeschallung (also Mikro, Kabel, Aktivbox - so winzig) war das V7 bislang mein Favorit. Nicht dass e935 oder Beta57a da schlecht wären, aber das V7 kommt zur Not wirklich gut ohne jede Bearbeitung am EQ aus. Bei der Unterdrückung der Handgeräusche ist es sogar der Spitzenreiter im Testfeld - leiseste Geräusche, die auch noch ganz tief im Basskeller liegen, d.h. wenn man da noch einen LoCut am Pult setzt, sind die Handlinggeräusche so gut wie weg. Auch die Plosivlaute sind im positiven Sinne unauffällig.
Sennheiser e935
Eine Stimme, so klar wie der Norden - ich habe extra mal nachgesehen, Wedemark, wo Sennheiser seinen Sitz hat, liegt ein Stückchen nördlich von Hannover. Ja kein Wunder, dass das so klar und rein und dialektfrei tönt! In weiten Bereichen hat das e935 und e945 einen linearen und damit neutralen Mitteltonbereich, und dann ganz weit oben gibt es eine sanfte, breitbandige Anhebung der Höhen, was für elegante Deutlichkeit aber eben auch Durchsetzungsfähigkeit sorgt. Die Deutlichkeit liegt ein wenig über dem M69 und dem V7, die Handlinggeräusche über dem V7 und minimal unter dem M69 - gut bis sehr gut, würde ich mal sagen. Die Plosivlaute sind auf dem Level des V7, also gut gebändigt.
Shure Beta 57a
Im Vergleich zu den anderen klingt das Beta nun etwas böllerig - man möchte gleich die Bässe reduzieren und die Höhen ein wenig anheben. Ja, man kriegt das mit dem EQ ganz easy hin, keine Frage (mache ich ja fast jedes Wochenende), aber im Vergleich zu den anderen fällt es eben auf. Auch in Sachen Auflösung ist das Beta zwar gut, aber dann eben doch nicht ganz so gut wie die anderen Kandidaten. Dank seiner Anhebung bei ca. 2,5 kHz hat das Beta natürlich eine gute Durchsetzungskraft, aber eben auch eine leichte Verfälschung des Charakters - aber wenn man das mag, dann ist das eben der typische Sound von Shure seit den Tagen des SM58. Die Handlinggeräusche sind gering, und auch die Plosivlaute bereiten keinerlei Probleme.
Shure Nexadyne 8/S
Zum Schluss dann der Herausforderer: Ein Traum an Auflösung und Übertragung aller Feinheiten! Wo ich bei den anderen Mikros ein satt bis klar tönendes "Wanntu, wanntu, Tscheck!" zu hören bekam, liefert mir das Nexadyne dann auch noch das Einatmen vor dem Sprechen ganz deutlich mit. Aber nicht störend oder unangenehm, sondern eher so nach dem Motto "Guck mal, wieviel Details Du so produzierst!" Einsatz des EQ? Kann man sicherlich machen, muss man bei meiner Stimme aber nicht. In Sachen Handlinggeräusche muss sich das Nexadyne nur ganz geringfügig dem V7 geschlagen geben - beim Nexadyne ist es zwar genauso leise, liegt aber im Spektrum etwas höher und damit auch nach dem Einsatz eines LoCut noch minimal hörbar. Im lauten Bühnengetöse dürfte das aber nicht mehr auffallen, wie bei allen anderen Testkandidaten übrigens auch nicht.
Bei anderen Shure-Mikrofonen hadere ich immer mit dem Mitteltonbereich - sowohl SM57/58 als auch Beta 57a/58a haben diese Anhebung im oberen Mitteltonbereich bei 2,5 kHz. Das gibt gute Durchschlagskraft, aber eben auf Kosten einer leichten charakterlichen Verfälschung der Stimme. Das kann gewollt sein (der typische Shure-Sound halt), aber mein Ding ist es nicht so ganz. Dann der "andere" Shure-Sound von Beta87, KSM9 oder eben auch dem Studiomikro und Liebling der Blogger, dem SM7B - weitestgehend linear mit einer dezenten Höhenanhebung, aber irgendwie kommen mir hier die Mitten zu defensiv, als hätte jemand auf breiter Front leicht die Mitten abgesenkt. Schön für viele Frauenstimmen, durchaus. Aber eben auch eine Verfälschung des Stimmcharakters, ein gewisser Verlust des "Körpers". Und all diese Sachen macht das Nexadyne nicht - ja, es hat eine Anhebung der oberen Mitten und Höhen, aber dazwischen (clevererweise im feebackgefährdeten Bereich) auch eine Senke zurück auf "Normal Null", damit das nicht zu aggressiv klingt. Der Mitteltonbereich jedenfalls wirkt gleichzeitig kräftig und irgendwie "vorne dran", aber eben auch neutral und keinesfalls überzeichnet. Also Durchsetzungskraft durch Eleganz, Frische und Deutlichkeit, fast so wie bei einem Kondensatormikro, aber all das erkauft man sich nicht durch Verlust der "Körperlichkeit" der Stimme - wirklich ganz mein Geschmack, das Nexadyne. Auch bei den Plosivlauten (ohne LoCut wohlgemerkt) ist das Mikro nochmal ein kleines Stück besser als der Rest.
Mein Fazit aus dem Vergleich
Einerseits bleibt alles beim gewohnten alten: Das M69 ist und bleibt mein personal Mic, wenn ich mal wieder auf eine Bühne gehen sollte - das Nexadyne ist einfach zu gut für meine Durchschnittsstimme.
Das V7 ist und bleibt der Geheimtipp und Preisbrecher in seiner Klasse - guter Sound bei brauchbarer Auflösung, geringste Handgeräusche.
Das Sennheiser ist weiter die Wahl für Schöngeister, die Klarheit und noch mehr Auflösung fordern. Kannste aber auch mit rocken.
Das Beta57a (und damit auch das 58a) ist weiter meine Wahl für laute Rockbühnen und überall, wo es etwas gröber zur Sache geht, denn die Robustheit ist legendär.
Und das Nexadyne? Ja, das wird mein Solistenmikrofon, wenn es mal richtig gut werden soll und wirklich jede feine Nuance übertragen werden soll, die mit einem dynamischen Mikro aufgeschnappt werden kann - denn in Sachen Klarheit, Deutlichkeit und Detailreichtum kommt einfach keins der anderen mit. Sicher geht mit einem guten Kondensatormikro da noch etwas mehr, aber wenn man es dynamisch machen möchte, ist das Nexadyne 8 da ein ganz, ganz heisser Kandidat.
Gibt's Alternativen?
Reichhaltig sei das Marktangebot, vielfältig und gut! Ja, Alternativen existieren. Aus demselben Stall und in ganz ähnlicher Preislage (nämlich derzeit 369 EUR für das Nexadyne) das Shure KSM8 (derzeit 398 EUR in schwarz und 377 EUR in Nickellackierung), welches als superneutrales Mikro mit Doppelmembran und so gut wie keinem Nahbesprechungseffekt aufwarten soll. Ist dann aber eher was für Jazzer, denn Rocker und auch meine Yoga-Freaks mögen eine schön warm klingende Nahbesprechung durchaus, und mit seiner Nierencharakteristik gehört es auch eher nicht auf ganz laute Bühnen: https://www.thomann.de/de/shure_ksm8_b.htm
Mit ebenfalls einer Doppelkapsel und Supernierencharakteristik wie das Nexadyne 8/S, aber einem super stylischen Design gibt es von Austrian Audio das OD505 - ein dynamisches Mikro mit eingebauter Elektronik, braucht also Phantomspeisung. Klingt aber super und sehr deutlich wie ich bei einer Beschallung erleben durfte. Und ziemlich günstig ist es im Vergleich zu den beiden Mikros von Shure auch noch: https://www.thomann.de/de/austrian_audio_od505.htm
Andere Informationsquellen
Interessanter Vergleich mit einem SM58 und einem SM7dB - ab ca. 3:35 im Klangvergleich zum SM58 und ab ca. 8:05 zum SM7dB:
Nexadyne im Vergleich zu SM58 und SM7dB
Technische Erklärung von Shure selbst:
Technische Erklärung zur neuen Kapseltechnik
(und natürlich ganz viel Marketing, aber da wird u.a. erklärt, wie man vom Namen Unidyne über Dualdyne zu Nexadyne kommt)
Noch mehr Erklärungen zum Kapselprinzip, Vergleich 8/C und 8/S sowie mit SM57 und Beta58a:
Erklärungen zum Kapselprinzip, Vergleich 8/C und 8/S sowie mit SM57 und Beta58a
Es ist jetzt nicht grade so, dass ich nicht eine schöne Auswahl hochwertiger Gesangsmikros hätte - Shure, Sennheiser, sE electronic und gelegentlich AKG und Beyerdynamic setze ich üblicherweise ein. Aber ich bin halt auch ein Spielkind, und wenn ein neues (besser noch ein neuartiges) Mikro meine Aufmerksamkeit erregt, dann kann es schonmal sein, dass ich schwach werde. Da ich in grauer Vorzeit mal einen unerfreulichen Vorfall mit einem Pult mit deaktivierter Phantomspeisung hatte, ziehe ich dynamische Mikros vor. Inzwischen habe ich meine eigenen Pulte, und trotzdem habe ich selbst für Overhead Mikros noch ein dynamisches Backup dabei. Kannste nix machen, ein Trauma halt.
Da mich der Kollege @Simon99 mit diesem Bericht hier (Link) neugierig gemacht hat, fiel meine Wahl auf das neue Mikro aus dem Hause Shure.
Shure Nexadyne 8/S
Auftritt des neuen Shure Nexadyne, ein dynamisches Mikro, das es mit Nierencharakteristik gibt (dann heisst es Nexadyne 8/C) und mit Superniere (dann heisst es Nexadyne 8/S). Da ich ein Mikro dieser Preisklasse am ehesten noch meinen Solisten gebe und eher nicht für den Chor einsetze, ist es bei mir die Version 8/S geworden. Für die Nexadyne-Serie hat Shure eine neue Art der Kapsel entwickelt, und da Shure im Lauf der letzten knapp 100 Jahre schon viele bahnbrechende Entwicklungen gemacht haben, wurde ich neugierig. Es gibt das Mikro sowohl als Handheld als auch als Aufsatz für die Shure Funkstrecken, die einen Wechselkopf haben (BLX und GLX-D sind damit raus). Siehe https://www.thomann.de/de/search_dir.html?sw=nexadyne
Dieses Mal habe ich beim Musikhaus Kirstein bestellt, weil deren Preis um 10 EUR günstiger war als der der Konkurrenz. Inzwischen haben alle großen Versender nachgezogen. Zur Lieferung gibt es nichts Besonderes zu sagen, das läuft dort genauso gut wie bei meinem Haus- und Hoflieferanten, dem großen T.
Verpackung und Inhalt
Ökoterrorismus im Hause Shure! Wo ist meine Hochglanzverpackung, wo der leuchtende Druck auf der Schachtel? Ja, auch Shure geht mit der neuen Zeit und verkauft das Mikro in einem recyclebaren Karton mit eher dezenten Farben. Ohne das nun im Detail getestet zu haben, es sieht alles weniger giftig und chemisch aus als die übliche Hochglanzverpackung. Natürlich muss man Shure dafür loben, aber erstmal kommt das unerwartet. Mal sehen, welche Hersteller hier noch nachziehen werden.
In der Verkaufsverpackung findet sich mal keine gepolsterte Kunstledertasche, sondern ein richtiges kleines Case, das bei Shure unter der Bezeichnung "ANXNC Reißverschluss-Tasche" läuft. Bei mir kommt das Mikro in ein Case, da ist es egal, aber Sänger & Sängerinnen, die ihr Mikro im Rucksack, der überdimensionalen Handtasche oder einem Seesack transportieren, dürften die zusätzliche Stabilität sehr zu schätzen wissen.
Weiter finden sich die typische Shure-Mikrofonhalterung A25E und das zu kleine Reduzierstück von 5/8- auf 3/8-Zoll in der Tasche (hier muss ich ja sagen: "Not a fan" - da haben andere Hersteller Schöneres) - und natürlich das Mikro selbst. Und das hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich.
Technologie
Shure hat sich für die Nexadyne-Serie (nicht als Erster am Markt, aber das erste Mal im Hause Shure) etwas Neues einfallen lassen. Kennt noch jemand diese Bilder aus den späten 60er und 70er Jahren, wo bei großen (lauten) Konzerten oft zwei Mikros mit Gaffa zusammengeklebt wurden? Sah shice aus, half aber damals, die Feedbacks in bestimmten Frequenzbereichen einzudämmen. Und so etwas Ähnliches hat Shure sich nun auch gedacht, und den Göttern sei's gedankt, sie haben das alles in ein Mikro gebaut. Shure selbst beschreibt das auf seiner Webseite wie folgt:
The Next Icon. Entwickelt für beste Leistungen, Auftritt für Auftritt.
Das dynamische Nexadyne™ 8/S Gesangsmikrofon ist ein dynamisches Mikrofon mit Supernierencharakteristik für professionelle Gesangsauftritte. Die Nexadyne Gesangsmikrofone verfügen über die patentierte Shure Revonic™ Dual-Engine Schallwandlertechnologie, bei der zwei präzise aufeinander abgestimmte dynamische Schallwandler für eine außergewöhnliche Klarheit sorgen. Das Ergebnis ist eine leistungsstarke Mikrofonserie, die modernste akustische Signalverarbeitung, außergewöhnliche Supernierenrichtcharakteristik und erstklassige Rauschminderung vereint. Die fokussierte und natürliche Supernierencharakteristik des Nexadyne 8/S sorgt dafür, dass der Gesang bis in die letzte Reihe dringt. Das Nexadyne 8/S wird in dezenter schwarzer Ausführung und mit Mikrofonklemme und Case geliefert.
- Die akustische Signalverarbeitung des Dual-Engine-Designs ermöglicht eine außergewöhnliche Signalklarheit und reduziert den Bedarf an typischen Korrektur-EQs.
- Branchenweit steht Shure für einzigartige Qualitätsstandards und schafft dadurch Innovation mit Vertrauen.
- Robuster, gehärteter Mikrofonkorb.
- Im Lieferumfang enthalten sind ein Case, eine Mikrofonklemme und ein Stativadapter aus Messing.
- XLR-Anschluss in schwarzer Ausführung.
Shure Nexadyne 8/S
Shure Nexadyne 8/C
Erster Eindruck und Bilder der Testumgebung
Also raus aus der Verpackung und rein in den Test! Klein, stark, schwarz, mit einer sehr angenehmen Beschichtung, die auch verschwitzen Händen noch Halt bieten dürfte, und mit vertrauenerweckendem Gewicht, aber eben auch nicht zu schwer - ja, das Nexadyne liegt wirklich gut in der Hand und fühlt sich im positiven Sinne gewohnt und freundlich an. Definitiv kein Fremdkörper für einen Sänger (und damit meine ich ab hier immer m/w/*).
Elf Freunde sollt Ihr... ach Quatsch, fünf Vergleichskandidaten sollt Ihr sein! Das Audio Technica AE 3000 oben links hat sich da nur zufällig hin verirrt. Am Ende waren es von links nach rechts ein uraltes Beyerdynamic M69 (sogar noch mit Kleintuchelanschluss), dann unser Ehrengast, das Shure Nexadyne 8/S, danach das sE electronic V7, anschließend das Sennheiser e935 und zu guter Letzt das Shure Beta57a, welches ich gerne als Allzweckwaffe für Gesang und Instrumente einsetze.
Das Beyerdynamic ist in das Vergleichsfeld gerutscht, weil es meiner Stimme schmeichelt - in die Vermietung geht das bei mir eher nicht, dafür ist es zu alt, zu selten und zu gut erhalten. In den Verleih gingen bislang nur die drei anderen Kandidaten, e935, V7 und Beta57a, immer sehr zur Zufriedenheit meine Klientel. Mal sehen, ob das Nexadyne dazu kommt.
Die Testumgebung: Meine mittlerweile auch nicht mehr ganz frische, aber immer noch wohltönende RCF ART 412a Mk II:
Und das SoundCraft EFX-8, welches ich nach wie vor für die Kleinstjobs mag - wenn das jetzt noch einen LoCut hätte, wäre es für meine Einsätze und für meinen Geschmack das perfekte Analogpult. Alle Gains auf 12 Uhr, EQ neutral, Panorama in die Mitte. Das Bild habe ich gemacht, noch bevor mit etwas Verspätung das M69 dazu stieß, darum steht im fünften Kanal noch alles auf Kraut und Rüben:
Alsdann, das Mikro kurz vor die Lippen gehalten und mal etwas gesprecht. Vorab, mit jedem der fünf Mikros kriegt man ohne große Mühen (also mit lediglich dezenter Bearbeitung am EQ) einen überzeugenden Sound hin, da gibt es keine Totalausfälle. Auch die Handlinggeräusche sind bei allen Kandidaten im Rahmen. Folgend eine Charakterisierung und der Versuch zu beschreiben, worin sich die Kandidaten unterscheiden:
Beyerdynamic M69
Bei Nahbesprechung tönt es warm, angenehm und mit diesen besonders schönen Beyerdynamic-Höhen (weil brilliant klingend, aber doch irgendwie ganz sanft). Wer das mit einem neumodischen Mikro und nochmals leicht verbessert erleben will, möge mal ein TG V70d antesten. Auch das günstigere V50d geht in diese Richtung. Der für den Charakter des Signals so wichtige Mitteltonbereich wird vom M69 ausgewogen übertragen. Wo das M69 gegenüber den anderen Kandidaten etwas abfällt, sind die Plosivlaute - P, T, K kommen ohne LoCut etwas böllerig, und wenn man das mit dem Bassregeler am EQ eindämmen will, muss man es fast schon übertreiben, so dass die Stimme ein wenig dünn wirkt. Okay, Markteinführung war 1971, und in den Jahren danach ist die technische Entwicklung bei Mikrofonen deutlich vorangekommen. Und natürlich wird das auch besser, wenn man einen ganz normalen LoCut aktiviert.
sE electronic V7
Das V7 hat einen Sound, den ich irgendwie bereits "fertig produziert" finde - als hätte da ein Tontechniker schonmal den LoCut aktiviert, Bässe leicht reduziert und die Höhen ganz dezent angehoben, also all das, was ich bei den anderen Mikros bisher immer selbst machen musste. Bei winzigen Sprachbeschallung (also Mikro, Kabel, Aktivbox - so winzig) war das V7 bislang mein Favorit. Nicht dass e935 oder Beta57a da schlecht wären, aber das V7 kommt zur Not wirklich gut ohne jede Bearbeitung am EQ aus. Bei der Unterdrückung der Handgeräusche ist es sogar der Spitzenreiter im Testfeld - leiseste Geräusche, die auch noch ganz tief im Basskeller liegen, d.h. wenn man da noch einen LoCut am Pult setzt, sind die Handlinggeräusche so gut wie weg. Auch die Plosivlaute sind im positiven Sinne unauffällig.
Sennheiser e935
Eine Stimme, so klar wie der Norden - ich habe extra mal nachgesehen, Wedemark, wo Sennheiser seinen Sitz hat, liegt ein Stückchen nördlich von Hannover. Ja kein Wunder, dass das so klar und rein und dialektfrei tönt! In weiten Bereichen hat das e935 und e945 einen linearen und damit neutralen Mitteltonbereich, und dann ganz weit oben gibt es eine sanfte, breitbandige Anhebung der Höhen, was für elegante Deutlichkeit aber eben auch Durchsetzungsfähigkeit sorgt. Die Deutlichkeit liegt ein wenig über dem M69 und dem V7, die Handlinggeräusche über dem V7 und minimal unter dem M69 - gut bis sehr gut, würde ich mal sagen. Die Plosivlaute sind auf dem Level des V7, also gut gebändigt.
Shure Beta 57a
Im Vergleich zu den anderen klingt das Beta nun etwas böllerig - man möchte gleich die Bässe reduzieren und die Höhen ein wenig anheben. Ja, man kriegt das mit dem EQ ganz easy hin, keine Frage (mache ich ja fast jedes Wochenende), aber im Vergleich zu den anderen fällt es eben auf. Auch in Sachen Auflösung ist das Beta zwar gut, aber dann eben doch nicht ganz so gut wie die anderen Kandidaten. Dank seiner Anhebung bei ca. 2,5 kHz hat das Beta natürlich eine gute Durchsetzungskraft, aber eben auch eine leichte Verfälschung des Charakters - aber wenn man das mag, dann ist das eben der typische Sound von Shure seit den Tagen des SM58. Die Handlinggeräusche sind gering, und auch die Plosivlaute bereiten keinerlei Probleme.
Shure Nexadyne 8/S
Zum Schluss dann der Herausforderer: Ein Traum an Auflösung und Übertragung aller Feinheiten! Wo ich bei den anderen Mikros ein satt bis klar tönendes "Wanntu, wanntu, Tscheck!" zu hören bekam, liefert mir das Nexadyne dann auch noch das Einatmen vor dem Sprechen ganz deutlich mit. Aber nicht störend oder unangenehm, sondern eher so nach dem Motto "Guck mal, wieviel Details Du so produzierst!" Einsatz des EQ? Kann man sicherlich machen, muss man bei meiner Stimme aber nicht. In Sachen Handlinggeräusche muss sich das Nexadyne nur ganz geringfügig dem V7 geschlagen geben - beim Nexadyne ist es zwar genauso leise, liegt aber im Spektrum etwas höher und damit auch nach dem Einsatz eines LoCut noch minimal hörbar. Im lauten Bühnengetöse dürfte das aber nicht mehr auffallen, wie bei allen anderen Testkandidaten übrigens auch nicht.
Bei anderen Shure-Mikrofonen hadere ich immer mit dem Mitteltonbereich - sowohl SM57/58 als auch Beta 57a/58a haben diese Anhebung im oberen Mitteltonbereich bei 2,5 kHz. Das gibt gute Durchschlagskraft, aber eben auf Kosten einer leichten charakterlichen Verfälschung der Stimme. Das kann gewollt sein (der typische Shure-Sound halt), aber mein Ding ist es nicht so ganz. Dann der "andere" Shure-Sound von Beta87, KSM9 oder eben auch dem Studiomikro und Liebling der Blogger, dem SM7B - weitestgehend linear mit einer dezenten Höhenanhebung, aber irgendwie kommen mir hier die Mitten zu defensiv, als hätte jemand auf breiter Front leicht die Mitten abgesenkt. Schön für viele Frauenstimmen, durchaus. Aber eben auch eine Verfälschung des Stimmcharakters, ein gewisser Verlust des "Körpers". Und all diese Sachen macht das Nexadyne nicht - ja, es hat eine Anhebung der oberen Mitten und Höhen, aber dazwischen (clevererweise im feebackgefährdeten Bereich) auch eine Senke zurück auf "Normal Null", damit das nicht zu aggressiv klingt. Der Mitteltonbereich jedenfalls wirkt gleichzeitig kräftig und irgendwie "vorne dran", aber eben auch neutral und keinesfalls überzeichnet. Also Durchsetzungskraft durch Eleganz, Frische und Deutlichkeit, fast so wie bei einem Kondensatormikro, aber all das erkauft man sich nicht durch Verlust der "Körperlichkeit" der Stimme - wirklich ganz mein Geschmack, das Nexadyne. Auch bei den Plosivlauten (ohne LoCut wohlgemerkt) ist das Mikro nochmal ein kleines Stück besser als der Rest.
Mein Fazit aus dem Vergleich
Einerseits bleibt alles beim gewohnten alten: Das M69 ist und bleibt mein personal Mic, wenn ich mal wieder auf eine Bühne gehen sollte - das Nexadyne ist einfach zu gut für meine Durchschnittsstimme.
Das V7 ist und bleibt der Geheimtipp und Preisbrecher in seiner Klasse - guter Sound bei brauchbarer Auflösung, geringste Handgeräusche.
Das Sennheiser ist weiter die Wahl für Schöngeister, die Klarheit und noch mehr Auflösung fordern. Kannste aber auch mit rocken.
Das Beta57a (und damit auch das 58a) ist weiter meine Wahl für laute Rockbühnen und überall, wo es etwas gröber zur Sache geht, denn die Robustheit ist legendär.
Und das Nexadyne? Ja, das wird mein Solistenmikrofon, wenn es mal richtig gut werden soll und wirklich jede feine Nuance übertragen werden soll, die mit einem dynamischen Mikro aufgeschnappt werden kann - denn in Sachen Klarheit, Deutlichkeit und Detailreichtum kommt einfach keins der anderen mit. Sicher geht mit einem guten Kondensatormikro da noch etwas mehr, aber wenn man es dynamisch machen möchte, ist das Nexadyne 8 da ein ganz, ganz heisser Kandidat.
Gibt's Alternativen?
Reichhaltig sei das Marktangebot, vielfältig und gut! Ja, Alternativen existieren. Aus demselben Stall und in ganz ähnlicher Preislage (nämlich derzeit 369 EUR für das Nexadyne) das Shure KSM8 (derzeit 398 EUR in schwarz und 377 EUR in Nickellackierung), welches als superneutrales Mikro mit Doppelmembran und so gut wie keinem Nahbesprechungseffekt aufwarten soll. Ist dann aber eher was für Jazzer, denn Rocker und auch meine Yoga-Freaks mögen eine schön warm klingende Nahbesprechung durchaus, und mit seiner Nierencharakteristik gehört es auch eher nicht auf ganz laute Bühnen: https://www.thomann.de/de/shure_ksm8_b.htm
Mit ebenfalls einer Doppelkapsel und Supernierencharakteristik wie das Nexadyne 8/S, aber einem super stylischen Design gibt es von Austrian Audio das OD505 - ein dynamisches Mikro mit eingebauter Elektronik, braucht also Phantomspeisung. Klingt aber super und sehr deutlich wie ich bei einer Beschallung erleben durfte. Und ziemlich günstig ist es im Vergleich zu den beiden Mikros von Shure auch noch: https://www.thomann.de/de/austrian_audio_od505.htm
Andere Informationsquellen
Interessanter Vergleich mit einem SM58 und einem SM7dB - ab ca. 3:35 im Klangvergleich zum SM58 und ab ca. 8:05 zum SM7dB:
Nexadyne im Vergleich zu SM58 und SM7dB
Technische Erklärung von Shure selbst:
Technische Erklärung zur neuen Kapseltechnik
(und natürlich ganz viel Marketing, aber da wird u.a. erklärt, wie man vom Namen Unidyne über Dualdyne zu Nexadyne kommt)
Noch mehr Erklärungen zum Kapselprinzip, Vergleich 8/C und 8/S sowie mit SM57 und Beta58a:
Erklärungen zum Kapselprinzip, Vergleich 8/C und 8/S sowie mit SM57 und Beta58a
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