Tipps zur Improvisation auf dem Klavier

  • Ersteller opa_albin
  • Erstellt am
Die Vereinfachung in der Linken Hand auf große Terzen und kleine Septimen hilft sicher, Akkordsymbole bzw. -folgen in der Linken Hand leichter umzusetzen (und sich damit mehr auf das freie Spiel in der rechten Hand zu konzentrieren).
Bud Powell hat das natürlich aus musikalischen Gründen gemacht, aber es ist eine sehr gute Möglichkeit. Allerdings eben je nach Stilrichtung - im Bebop funktioniert das gut, im Dixieland, Tango usw. wird es schon nicht mehr so gut, weil Dir entweder der Rhythmus fehlt oder die Septime eben nicht ständig dabei sein darf. Dh. die Begleitung links sollte man unbedingt entsprechend der Stilrichtung klären und dann soweit wie möglich vereinfachen bzw durch Üben erstmal automatisieren. Für Swing geht auch gut der Stil von Erroll Garner, der spielt einfach nur einen Akkord in Vierteln durch, wie links in diesem Beispiel (meist ein Septakkord oder Quintsext, also gern vereinfachen)
1715157068431.png
. BP Voicings sind natürlich noch einfacher.


ABER, sobald ich an Improvisation nur denke,
- weiß ich nicht mehr, in welchem Takt bzw. über welchem Akkord ich gerade bin
- wo die Töne eines Akkords oder einer Skala liegen
- und meine vorher im Kopf so toll vorhandenen Ideen sind weggeblasen.
- Außerdem sind meine Erwartungen zu hoch
Vollkommen normal! Was denkst Du, wie oft ich z.B. früher im Blues-Schema rausgeflogen bin .. da wusste ich überhaupt nicht mehr wo ich bin. Bei manchen Schlagzeugsoli geht mir das immer noch so ;)

Du bist ja aber erfahrener Musiker (oder -in?) ... dh. Du weißt, wie man Sachen üben kann, die zu komplex sind. Vereinfachen ist das Zauberwort. Also 1. Langsam, 2. in kleinen Abschnitten, und 3. strukturell vereinfachen.

1. ist klar - so langsam, dass Du nicht nur mitdenken, sondern auch vorausdenken kannst. Gern auch mit Anhalten nach jedem Takt.

2. Spiel erstmal nur einen Takt in der Schleife, nur eine Tonart. Welche Töne passen, welche nur als Durchgangstöne? Diatonisch, dann chromatisches An- oder Umspielen der Töne. (Genau das macht ja Molina auch in dem Video.) Das mit jedem Akkord, der vorkommt. Dann, wenn das klappt, zwei Takte, oder vier. Also langsam das Stück zusammensetzen.

3. mit "strukturell vereinfachen" meine ich zB nur rechts spielen. Spiel einen Chorus lang nur den Grundton des jeweiligen Akkords. Und dabei immer Vorausdenken, schon den nächsten Akkord innerlich ansagen! Dann eine Runde nur die Terz. Dann Grundton und Terz abwechselnd. Dann den Akkord als Dreiklangsbrechung aufwärts. Dann abwärts, dann als Achtel wie Albertibässe usw. usf.
Dann mal dazu links den Basston des jeweiligen Akkords als halbe Noten.
Also wirklich aus einfachsten Elementen etwas entstehen lassen, damit die Töne und Akkordfolgen für Hirn und Hand selbstverständlich werden. (Bei komplexen Stücken mache ich das auch heute noch so) Gib Dir ruhig mal zwei bis vier Wochen für solche Übungen.
Auch mal nur die Akkorde spielen, in verschiedenen Lagen, Umkehrungen. Rhythmische Variationen. Oscar Peterson spielt zB öfters einen ganzen Chorus nur Akkorde.

Die ganzen theoretischen Themen von Claus kann bzw. sollte man parallel bearbeiten, dazu natürlich auch technische Dinge wie Begleitmuster automatisieren, zB Stride (wenn das ein Deinem Stil wichtig ist), rechts Tonleitern, Arpeggien usw. Aber nicht zu viel auf einmal, und immer anwendungsbezogen.
Kadenzen bzw im Jazz II-V-I Verbindungen würde ich mit für das wichtigste halten. Aber vielleicht genügt Dir auch erstmal das Improvisieren in C-Dur / A-Moll plus minus zwei Kreuze/B. Dann reicht das alles in einer Tonart zu machen. Die anderen dann halt in ein zwei Jahren.
Vor dem Hintergrund würde ich Deine Liste folgendermaßen eindampfen:
- Akkordsymbole lesen (man muss sich zumindest herleiten können, über welchen Akkord man jetzt solieren will)
- einfache Akkorde und optional Begleitrhythmen und -figuren in der linken Hand (zur Not tut es auch ein Backing-Track)
- eine Tonleiter
Würde ich genauso sehen.

Welche Stilrichtung spielst Du nun eigentlich? Das wäre imho wichtig für die Reihenfolge der obigen Themen. Viele Impro-Tips und Videos sind ja für Blues und Jazz. Impro geht aber natürlich auch in Klassik, Fiddle und Bluegrass usw., nur mit etwas anderem Tonmaterial. Jazz ist halt für viele die "hohe Schule", allerdings gibt es auch Leute, die Dir mal fix eine dreistimmige barocke Fuge über ein vorgegebenes Thema improvisieren. :eek:

- und meine vorher im Kopf so toll vorhandenen Ideen sind weggeblasen.
Dafür hätte ich noch den Tip: Lass ohne Instrument einen Backingtrack laufen und sing/pfeif deine Ideen dazu und nimm das auf. Dann versuch das auf dem Instrument nachzuspielen. Also eine zeitliche Trennung zwischen Idee und "mechanischer" Umsetzung. Mit der Zeit wirst Du lernen, wie sich das automatisiert. Mitsingen am Instrument hilft auch, dann langsam spielen und die gesungenen Töne / Klänge auf dem Instrument finden.

Ich hoffe, Du kannst ein bisschen was davon umsetzen und würde mich freuen, wenn Du mal berichtest.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich glaube, genau das geht Molina hier aber anders an. Man muss nicht erst einen vollen Werkzeugkasten haben, um mit der Improvisation zu beginnen.
Wie gesagt, Molina war ein Wunderkind und ist längst weltweit bekannter Profi, der ging und geht das natürlich ganz anders an.
Du kennst vielleicht das Video, das ihn als vielleicht 12-Jährigen mit enormer Musikalität zusammen mit dem sichtlich erfreuten Arturo Sandoval zeigt.

Ich hatte dich so verstanden, dass Du einen Arbeitsplan suchst und der Beitrag wäre mein Vorschlag dazu. Mit Voraussetzungen meinte ich nicht, vorher geht nichts, sondern welche Themen m.E. mit der Zeit eine sinvolle Entwicklung ermöglichen.
Hat man einen Plan, muss man nicht überlegen: was soll ich nur Üben? Stattdessen pickt man ein Thema und arbeitet daran.

ABER, sobald ich an Improvisation nur denke,...
Bei dieser Statusbeschreibung wüsste ich genau, was mein "Erster Übungsplan" wäre:
  • Mit Metronom und Fuß-Tap üben lernen
  • Charleston Rhythm (s. Jonny May Video)
  • Genretypische Akkordgestaltung mit Moehrke, Voicings Concepts Jazz Piano
  • Die Dur- und Molltonleitern in allen Tonarten lernen, dann die Blues- und die Gospel-Scale in den wichtigsten Tonarten
Im ersten der beiden Videos demonstriert Jonny May, wie er allein mit der Duronleiter improvisiert.
Übt man stärker harmoniebezogen als nur auf die Tonart, dann beginnt das m.E. mit II-V-I Verbindungen in Dur und sann in Moll, da ist "verirren" in der Form fast schon unmöglich. Weitere ginge es mit dem Turnaround und dann als ersten Formen dem Blues, A-Teil der Rhythm Changes, Fly Me to The Moon, Autumn Leaves, Blue Bossa...
  • Die "im Kopf so toll vorhandene Ideen" könntest Du beim Üben auf absehbare Zeit in eine "Bonus-Zeit" am Ende der Übe-Einheit verschieben oder zunächst auch gut darauf verzichten. Sie werden umso befriedigender erlebt, wenn das notwendige Handwerk zur Umsetzung von Ideen auf dem Instrument unangestrengt zur Verfügung steht.
Aber inwieweit sollte das auch die Erfassung der Akkorde und -folgen vereinfachen?
Eben deshalb: vereinfachen bedeutet weniger geistigen und manuellen Aufwand, das bedeutet schneller erreichbar "automatisiertes" Spielen von Akkordsymbolen, wie sie in Stücken nun einmal vorkommen und in oft zügigem Tempo gespielt werden sollen, Stichwort Band. Auch nur dem Typ nach gespielt klingen sie dann immer noch richtig. Bei Bud Powell Voicings werden Grundton plus Terz oder Septim gespielt, das große oder kleine Interval richtet sich nach dem Akkordtyp. Man kann dann entspannter spielen, den Anderen zuhören und Spaß an der Sache haben.

Zur Illustration eine Gegenüberstellung von Bud Powell Vocings und weiteren typischen Voicings von mir, also frei verfügbar. Es gibt natürlich noch mehr Möglichkeiten der Akkordbildung, für die linke Hand z.B. dreistimmig aus Guide Tones plus Option:
II-V-I Major Voicings.jpg

Gruß Claus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Also, ich will bestimmt keinem von Euch irgendetwas absprechen oder einzelne Punkte madig machen.
Aber mein ganz persönlicher (!!) Weg wäre dann doch ein ganz ganz anderer:

Ich würde "einfach" konsequent und ausdauernd (= jahrelang) alles (= Licks, Teil von Soli, ganze Soli, ...) nachspielen (und üben),
was mir so in die Quere kommt, und was mir bei meinen Vorbildern gefällt. Kreuz und quer, wie es gerade kommt.

Dadurch baut sich ganz automatisch ein (auch rhythmisches !) Lick-Vokabular (= Buchstaben, Wörter) für verschiedenste Situationen auf, die man dann in einem zweiten
Schritt in alle Tonarten transponieren und üben kann. Und ganz von selber werden sich mit der Zeit die Punkte 2 und 3 von Clark Terry´s Merksatz
(assimilate, innovate) einstellen, und man kann aus den Buchstaben und Wörtern neue Sätze erfinden und gestalten.

Ich selbst habe das mein Leben lang so gehalten, habe allerdings den zweiten Schritt (= üben) nicht wirklich konsequent durchgezogen, weshalb
ich der miese Improvisator am Instrument bin, der ich halt bin. Aber rein musikalisch hat mir dieser Weg schon viel gebracht, und ich kann ihn nur
weiterempfehlen.

Thomas
 
Ich würde "einfach" konsequent und ausdauernd (= jahrelang) alles (= Licks, Teil von Soli, ganze Soli, ...) nachspielen (und üben),
was mir so in die Quere kommt, und was mir bei meinen Vorbildern gefällt. Kreuz und quer, wie es gerade kommt.
Ich auch. Aber ich glaube der Trick ist, das erst einmal parallel zu machen. Wenn man den "einfachen" Ansatz mal drauf hat, kann man die Bausteine dann gezielt einbauen... Wie so off kein entweder oder, sondern ein Sowohl als auch...
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Welche Stilrichtung spielst Du nun eigentlich? Das wäre imho wichtig für die Reihenfolge der obigen Themen.
Mein persönliches Interesse liegt im Soul & Funk, ggf. etwas in Richtung (Acid) Jazz. In der Band aktuell eher Pop. Aber vom Grundsatz gehe ich da bei der Impro eher mal offen ran...
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich selbst habe das mein Leben lang so gehalten,...
Das verstehe ich sehr gut, angesichts deiner Voraussetzungen und ich kenne solche Leute auch aus meinem musikalischen Bekanntenkreis.
Aber Du bist schlicht musikalisch begabter als z.B. ich und wesentlich besser ausgebildet auf dem Instrument.

Diese Voraussetzungen hat aber nicht jeder, ich ganz bestimmt und leider nicht. Meine Restlaufzeit am Digitalpiano beträgt noch 10-15 Jahre und das auch nur bei bleibender Gesundheit, im Alter keine Selbstverständlichkeit.
Deshalb muss ich schon ziemlich strukturiert üben, um eine gute Relation von Aufwand und Erfolgserlebnissen zu haben. Das funktioniert für mich jedenfalls besser als der für mich mühsam-intuitive Weg.
Ist meine Übungszeit um, habe ich konkrete Fähigkeiten verbessert und ab und an Ziele erreicht. Deshalb fühle ich mich bei und nach dem Üben überwiegend glücklich und bleibe optimistisch. Früher war solches Emfpinden eher in der Big Band Probe erlebbar als zu Hause, statt dessen kam ich mir daheim öfter vor wie Sisyphos.

Gruß Claus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Wie so off kein entweder oder, sondern ein Sowohl als auch...
Genau.

Bei Licks und Soli würde ich Dir im obigen Sinne auch kleine, möglichst kurze Licks empfehlen, die Du einfach reproduzieren kannst. Und immer damit rumspielen, verändern, damit Du sie verinnerlichst.


Aber mein ganz persönlicher (!!) Weg ...
Interessant. Ich persönlich habe Impro zuerst bei einem älteren Hochschuldozenten für Orgelimprovisation gelernt, der ein paar Stunden an die Musikschule kam. Thematisch ging es über funktionelle Harmonielehre, Liedspiel, Variationen über Themen, also ganz in klassischer Musik. Licks üben habe ich eigentlich nie konsequent gemacht, klar ein paar Blues- und Boogie-Elemente, aber ich habe immer versucht zu verstehen und nie irgendwas original nachgespielt (aber auch aus Faulheit ;) ). Blues, Dixie, Jazz kam dann später. Kann aber gut sein, dass ich damit langsamer gelernt habe als über licks. Also geh ruhig beide Wege, und schau was bei Dir funktioniert und Spaß macht.

Mein persönliches Interesse liegt im Soul & Funk
Cool. Dann kannst Du Dir erstmal viele Elemente aus dem Blues holen. Bluestonleiter ist A und O.
Blues- und Boogie-Licks gehen auch. Gospel-Elemente auch (so parallel diatonisch verschobene Akkorde zB)

Vielleicht fängt man tatsächlich erstmal mit Blues-Impro an, dafür gibt es soweit ich weiß mehr Quellen als direkt für Funk.
Christian Fuchs wird immer sehr empfohlen.
Noten gibt es für Blues auch massig, sowohl gedruckt als auch bei youtube (transcriptions). Die würde ich aber hauptsächlich als Quelle für kurze Licks und Begleitschemata nutzen.

Zum Thema Funk auf dem Klavier fand ich den Jo Wilson ganz gut (youtube-Kanal Groovewindow). Der hat eigene Stücke, wo man sich sehr gut Licks rausziehen kann und erklärt die Tutorial-mäßig. Kannst ja mal reinschauen, ob das so dein Stil ist. Johnny May hat auch was zu Funk. - oder dann irgendwann Cory Henry Style :eek: :hail:

EDIT: Horace Silver fällt mir noch ein, falls Du das magst - davon gibt es Transkriptionen. Das ist technisch meist überschaubar, aber sowohl aus Themen als auch Impro kann man sich gute Sachen abschauen.

Aber von Videos und Noten abgesehen - musst Du es natürlich üben. Dazu hoffe ich, dass meine Tips / Erfahrungen oben etwas nützen.
Die Kunst ist, von dem vielen Material das herauszusuchen, was gerade gut passt und sich darauf zu konzentrieren (ist jedenfalls bei mir so ... ich springe ständig)
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
... und wesentlich besser ausgebildet auf dem Instrument ...
Erstens bin ich nicht sicher, daß das stimmt. Und zweitens habe ich mich für Jazz (und damit für entsprechendes Klavierspielen) zu interessieren begonnen, als ich auch erst 4 Jahre "normalen" Klavierunterricht hatte. Alles weitere danach erfolge im Selbststudium.

Was ich mit "erstens und zweitens" sagen will ?
Keine Ahnung ... ich hab mich beim Schreiben irgendwie gedanklich verrannt ... :)

LG
Thomas
 
  • Gefällt mir
  • Wow
Reaktionen: 3 Benutzer

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben