Einsamkeit

Tygge
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Ostsee
Einsamkeit

Ruhe liegt
in allen Straßen
Steine schweigen
Welt schweigt mit

Keiner
sieht es
hört es
fühlt es

Einsamkeit liegt
in den Straßen
Steine nur
nass, hart und kalt

Keiner
sieht es
hört es
will es

Vorwurf rinnt
durch alle Straßen
Einsamkeit
ist eigne Schuld

Alle sehen
alle hören
alle denken
eigne Schuld

Keiner
sieht es
hört es
will es

Alle sehen
alle hören
alle denken
Deine Schuld
 
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Ein wirklich schöner Text! Vor allem der Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Vorwurf springt mir in die Augen.

Weil ich seit langem zu der Erkenntnis tendiere, dass wir alle unsere eigenen Wahrnehmungen überschätzen und die der Anderen unterschätzen. Jede einzelne meiner Wahrnehmungen wird vermutlich von unüberschaubar vielen temporären, lokalen oder kausalen Aspekten geprägt. Oder kürzer gesagt, wird hauptsächlich von Zufällen geprägt. Sobald ich diese Erkenntnis auch auf die Anderen übertrage, fallen mir Kontakte leichter!

Was mich momentan noch etwas stört: wenn es keiner (!) wahrnimmt, warum dann die Autorin. Oder? Ich habe mal etwas gespielt, um die Autorin aus meiner Schusslinie zu nehmen.

Einsamkeit

Ruhe liegt
in allen Straßen
Steine schweigen
Welt schweigt mit

Einsamkeit
sieht es
hört es
fühlt es

Stille liegt
in den Straßen
Steine nur
nass, hart und kalt

Einsamkeit
sieht es
hört es
will es

Vorwurf rinnt
durch alle Straßen
Einsamkeit
ist eigne Schuld

alle sehen
alle hören
alle denken
selber Schuld

Einsamkeit
sieht es
hört es
will es

alle sehen
alle hören
alle denken
Selber Schuld
 
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Ruhe liegt
in allen Straßen
Steine schweigen
Welt schweigt mit

zusätzlich noch:
Ruhe noch durch Stille ergänzen?
Und das "in" in "auf" ändern?

Stille liegt
auf allen Straßen
Steine schweigen
Welt schweigt mit

"auf" ist mehr da wo die Person auch ist und es auch spürt.
"in" ist mir zu abstrakt.
 
Lieber @Jongleur, das ist ein interessanter Vorschlag von dir. Natürlich hast dur Recht: In dem "keiner" steckt ein Vorwurf, sollte aber eigentlich die Einsamkeit nochmals unterstützen, sozusagen auf einer weiteren Wortebene verdeutlichen. Aber dein Vorschlag bringt mehr Ruhe in den Text und verleiht dem Vorwurf eine rein deskriptive Funktion, was mir sehr zusagt. Allerdings passt es in den Strophen " sieht es, hört es, will es" nicht so recht, weil Einsamkeit m.E. kein handelndes Subjekt ist. Und ich möchte auch gerne deutlich ausdrücken, das alle wegsehen und weghören von dem,was alle für sich nicht wollen. Dafür habe ich im Moment noch keine Lösung.
auf" ist mehr da wo die Person auch ist und es auch spürt.
Ja, zwischen diesen beiden Varianten habe ich auch geschwankt, mich dann aber für "in" entschieden, weil die Ruhe die Strassen regelrecht ausfülle sollte. Stille wäre da eine interessante Variante. Mir würde allerdings dabei die Bewegungslosigkeit fehlen, die das wort "Ruhe für mich vermittelt.:unsure: Darüber muss ich nachdenken.
Herzlichen Dank euch beiden auf jeden Fall für eure Überlegungen und Vorschläge.
 
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Zuletzt bearbeitet:
Und ich möchte auch gerne deutlich ausdrücken, das alle wegsehen und weghören von dem,was alle für sich nicht wollen. Dafür habe ich im Moment noch keine Lösung.
Das ist mir klar! Ich verstehe dich 100%! Aber was ist mit der Autorin? Die hört und sieht doch beispielsweise nicht weg? ;) Gottseidank! Hm :unsure:…Eine schwer vermeidbare Zwickmühle, wie nebenbei erwähnt, hat doch auch etwas.
 
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Lieber @Jongleur, lieber @Fish , hier ein Versuch, eure Ideen und meine Wünsche miteinander zu kombinieren.

Einsamkeit

Ruhe liegt
in allen Straßen
Steine schweigen
Welt schweigt mit

Einsamkeit ist
ungesehen
ungehört und
ungewollt

Stille liegt
auf allen Straßen
Steine nur
nass, hart und kalt

Einsamkeit bleibt
ungesehen
ungehört und
ungewollt

Vorwurf rinnt
durch alle Straßen
Einsamkeit
ist eigne Schuld

alle sehen
alle hören
alle denken
selber Schuld

Einsamkeit die
niemand sieht
niemand hört und
niemand will

alle sehen
alle hören
alle denken
Selber Schuld
 
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Besser, als der Eingangstext wird es mMn nicht.
 
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Hallo @Tygge
ein wirklich feiner Text... mir gefällt die Ambivalenz von Entspannung (Ruhe) und Spannung (Einsamkeit)
Bin gespannt, wenn das mal ein fertiger Song ist.

Ich mag ja die Stimmung des ersten Vierzeilers sehr: Das ist doch ein himmlischer Zustand, wenn es mal Ruhe hat und die Welt mit-schweigt. Das "mit" läßt mich viel Verbindendes hören, was ja dem Gefühl der Einsamkeit eher nicht entspricht.

Daher mein Vorschlag:

Ruhe liegt
in allen Straßen
Steine schweigen
Welt schweigt mit

Jeder
sieht es
hört es
fühlt es

Einsamkeit liegt
in den Straßen
Steine nur
nass, hart und kalt

Keiner
sieht es
hört es
will es

Frühe Grüße
 
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Lieber @streamingtheatre, vielen Dank für deine Rückmeldung und deinen Vorschlag.
mir gefällt die Ambivalenz von Entspannung (Ruhe) und Spannung (Einsamkeit)
Deine Interpretation gefällt mir, auch wenn ich in meinem Text eine andere Intention verfolgt habe.
Das ist doch ein himmlischer Zustand, wenn es mal Ruhe hat und die Welt mit-schweigt.
Da stimme ich dir absolut zu und fände diese Idee perfekt für einen neuen Text. Vielleicht so als Spannungsbogen zwischen der Hektik unseres Lebens und dieser aufatmenden Ruhe morgens um fünf in den Straßen, im Sommer, wenn die Hitze des Tages noch auf sich warten lässt und sich die Kühle der Nacht mit der Ruhe des frühen Morgens verbindet. In meiner Kindheit fuhr an heißen Sommertagen der Wassersprengwagen durch die Straßen, um den Staub zu binden - genau diesen Sommergeruch habe ich gerade in der Nase und genieße ihn :), vor allem da sich draußen gerade ein fieser kalter Nieselregen über alles legt. Womit wir wieder im Jetzt und bei meinem Text angekommen sind.
Die von dir als himmlisch interpretierte Ruhe glich in meinem Kopf beim Schreiben eher einer Friedhofsstille. Bleiernd und niederdrückend, ein Vorbote bzw. Wegbereiter für die Einsamkeit. Ruhe ist wundervoll, wenn sie der Gegegenpart zur Hektik ist, wird aber potentiell bedrückend, wenn sie ein Dauerzustand ist. Insofern habe ich den Text progressiv angelegt. Ruhe-Stille-Einsamkeit-Vorwurf-Einsamkeit total, an der man dann auch noch selber Schuld ist. Man wird total auf sich selber zurückgeworfen.
So, jetzt habe ich mich richtig in eine dysphorische Stimmung hineingeschrieben und muss dringend aus diesem Loch raus. Also Musik...
Bin gespannt, wenn das mal ein fertiger Song ist.
Ich auch, denn ich komponiere nicht und mein Gesang passt bestenfalls unter die Dusche. Gefühlt geht es so in Richtung kühl-melancholisch. Ob ein Komponist mit dieser Beschreibung etwas anfangen könnte? Hast du eine Idee?
Liebe Grüße
 
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Hallo @Tygge

mir gefällt Version 2 noch besser als die erste, gerade das "ungesehten - ungehört - ungewollt" ist stimmig stimmungsvoll.

Auch der Gedanke, dass die anderen wegsehen und Einsamkeit als selbstverschuldet einstufen, passt dazu. Bitter, aber wahr.
Wobei ich die erste Strophe positiv lese - als eine angenehme Einsamkeit, in der das LI diese perfekte Ruhe genießt.

Der Widerspruch kommt dann, wenn dann doch alle sehen, hören. Sie sehen, hören doch gerade nicht, oder?
Daher hier mal eine Alternative für den zweiten Teil ... als Anregung.

Einsamkeit


Ruhe liegt
in allen Straßen
Steine schweigen
Welt schweigt mit

Einsamkeit ist
ungesehen
ungehört und
ungewollt

Stille liegt
auf allen Straßen
Steine nur
nass, hart und kalt

Einsamkeit bleibt
ungesehen
ungehört und
ungewollt

Vorwurf rinnt
durch alle Straßen
Einsamkeit
ist eigne Schuld

niemand schaut hin
niemand hört hin
doch alle denken

selber Schuld

Einsamkeit die
niemand sieht
niemand hört und
niemand will

keiner sieht
keiner hört
doch jeder denk
t
selber Schuld
 
Moin @Frank_de_Blijen, das sind gute Ideen von dir, die ich allerdings - meinem inneren Rhytmus beim Lesen geschuldet - noch ein bisschen verändern würde
niemand schaut hin
niemand hört hin
doch alle denken

selber Schuld
niemand schaut
niemand hört
alle denken
selber Schuld
keiner sieht
keiner hört
doch jeder denk
t
selber Schuld
keiner sieht
keiner hört
doch sie denken
selber Schuld

Was meinst du?
 
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Langsam wird das Ganze rund. :) Bisher habe ich immer gedacht, viele Köche... usw., aber so kann man sich irren. :hat:
 
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Ich finde immer noch den Eingangstext den besten von allen.

Die Einsamkeit als eigenständig handelndes Subjekt einzuführen, halte ich für einen Fehler.

Dadurch wird die Einsamkeit als Zustand weniger einsam, weil sie durch eine übergeordnete Einsamkeits-Figur eine Verkörperung bekommt. Damit wird die Einsamkeit zum Lyrischen Du - und wo zwei sind, selbst wenn eine davon die Einsamkeit ist, ist es eben keine Einsam kein mehr, sondern Zweisamkeit.

Auch das im Eingangstext oft erwähnte "keiner" fand ich sehr passend. Weil das genau das Wort ist, das ein Einsamer denkt (und fühlt), wenn er einsam ist. Mit "keiner" gewinnt man also beim Hörer eine viel größere Übereinstimmung, als mit einem KJopf-Konstrukt wie der figürlichen Einsamkeit.
 
.. aber wie passt da die Strophe

Alle sehen
alle hören
alle denken
eigne Schuld

rein, @logologia farfalla ? Wenn alle die Einsamkeit des LI sehen, hören ... ist da nicht auch die Einsamkeit vorbei?
 
.. aber wie passt da die Strophe

Alle sehen
alle hören
alle denken
eigne Schuld

rein, @logologia farfalla ? Wenn alle die Einsamkeit des LI sehen, hören ... ist da nicht auch die Einsamkeit vorbei?
Sie nehmen ja eine Anti-Haltung zum LI ein, indem sie ihn verurteilen (eigene Schuld). Dadurch wird das LI sogar noch einsamer, weil er entweder weiß, dass keiner ihn versteht - oder er weiß, dass sie mit ihrem Vorwurf recht haben, aber keiner bietet ihm die Hand. Die anderen = das Bollwerk, an dem das LI zerschellt.

Ich finde das sehr gelungen.
 
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Ich bin mir nicht so sicher, ob die anderen das LI verurteilen, es ist doch eher so, dass das LI seine Einsamkeit als Makel empfindet. Viele erleben Einsamkeit ganz anders, genießen sie vielleicht sogar als Freiheit und scheren sich einen Dreck darum, wie andere das beurteilen könnten.

Klar ist jedenfalls, dass das LI nicht glücklich mit seiner Situation ist. Da läge es natürlich nahe, sich mit einem anderen unglücklichen Einsamen zusammen zu tun, davon gibt es ja genug. Warum das so schwierig ist, wäre ein weiteres Gedicht wert.
 
Ich habe beim Durchlesen euer gesamten Kommentare darüber nachgedacht, worauf sich die Kontroverse zwischen meiner Erstversion und der aktuell letzten Version eventuell reduzieren lässt. Ich empfinde meine Erstversion konfrontativ und emotional herausfordernd, mit einem impliziten Vorwurf. Das wird in der letzten Version geglättet, distanziert, runder. Ein besser oder schlechter gibt es da kaum; das ist eine Frage des persönlichen Stils und der Intention - will ich aufrütteln oder eher eine Sichtweise darstellen. @MaxJoy fügt noch den Aspekt der selbstgewählten Einsamkeit als Form der Freiheit hinzu, die ich berechtigt finde, jedoch in meinem Text nicht gemeint habe; dies wird m.E. durch das Einführen der Schuldfrage deutlich. Interessant wäre für mich die Frage, wie und ob sich die jeweilige Version des Textes auf eine mögliche musikalische Umsetzung auswirken würde. Wie seht ihr das?
 
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