Boxenbau Doku - Oversized vertikal 2x12er (Barefaced Style) mit Beamblocker

[Sebiwylde]

Vor vielen Jahren habe ich schon einmal eine 2x12er Box gebaut, um mir die Wartezeit auf meinen Müller Nighthawk erträglicher zu machen.
Die eine Seite war eine Mesa-Artige Thiele mit EV12L und die andere halboffen für einen 12er (zur Zeit ein Private Jack).

Nun habe ich ein weiteres Bandprojekt und einen weiteren Amp dafür (Marshall Vintage Modern 2266). Da die Platzverhältnisse in dem Raum begrenzt sind, wollte ich wieder eine 2x12er haben.

Zielsetzung:

- Fetter, mittiger Rocksound mit ordentlich Druck und Volumen (Die Band macht Schweinerock ala THE HELLACOPTERS, Gluecifer, Turbonegro, etc.)

- Möglichst räumlicher Sound (der Raum ist recht klein und hat hinter der Boxenposition kahle Wände, die sich bei einer halboffenen Bauweise gut einspannen lassen

- Look - Klassisch Marshallig

- Gewicht - egal, hier brauche ich keine Kompromisse eingehen, da sie Box recht wenig bewegt wird (mal schauen, wieviele Gigs dann mal kommen, wenn alles richtig angelaufen ist )

- Experiment - die obere Hälfte der 2x12er soll im Stile der Barefaced Cabinets gestaltet werden. Die entsprechenden Maße dazu hatte ich hier im Forum gefunden (besten Dank dafür!)
Durch das hornähnliche Prinzip, soll die Box nach hinten eher höhere Frequenzanteile abstrahlen... habe das jetzt nicht bis zu Ende studiert, aber die vielen positiven Resonanzen im Netz haben mich dazu verleitet, das mal so gut wie möglich nachzubauen

- Abmessungen - hier wollte ich genug Volumen, aber auch nicht zu ausladend. Am Ende sind es ca. 86 x 56x 36 cm geworden.
- Der eine Speaker sollte unbedingt ein Mojotone BV25M werden. Mr. Segeborn hat in diesem Video an DIESER STELLE mit diesem Speaker den für mich perfekten Rock Tone

- Beim zweiten Speaker habe ich mich erstmal für einen Fame F70 entschieden (auf Grund von Empfehlungen und YT)

- Integrierter Beamblocker

Dann gings los mit dem Bau...

Erstes Learning: Nie wieder im Bauhaus Multiplex zusägen lassen!!! Habe für Front und Back 18mm und für die Seiten 15mm Birke ausgewählt.
Die Zuschnitte haben sich extrem verzogen und alle Sägekanten waren nicht 90 Grad zur Oberfläche (Sägeblatt nicht richtig orthogonal eingestellt).
Also erstmal zuhause die ganzen Platten auf 30mm Siebdruckplatten geschraubt, damit sie plan waren und dann alle 4 Kanten jeder Platte nochmal um einen Millimeter senkrecht durch die Kreissäge geschoben.
Nächstes Mal mach ich natürlich gleich alles selbst!

Das Problem der verzogenen Platten hatte sich dann zum Glück nach dem Verleimen auch erledigt (hat aber das Verleimen nicht unbedingt erleichtert).

Die Verleimung ist noch mit 6mm Holzdübeln verstärkt

 

[Sebiwylde]

Parallel zum Bau wurden die LS eingespielt...

...möglichst Nachbarfreundlich.

Dann wurde die LS Front sauber eingepasst (ein wichtiger Punkt, wie ich finde).

Fräsungen für die Speaker...

Mit verrundeten Kanten schauts gleich ganz anders und nach Cabinet aus

 

[VS73]

View: https://www.facebook.com/Churchaudio/posts/pfbid028t8DoTw3ixCtxhizsq2C35t8SzDnvcHVtW8hVc8tdCMtnAvWgqK4RkMSfEhz6o8ul

Der Typ ist beim Amp-Reparieren ziemlich gut. Hier erzählt er was über Speaker und how to break in! Chris Church bei Facebook!

 

[Sebiwylde]

Spannend! Kann sicher nix schaden, da auch mal vorsichtig so drüber zu gehen.
Mr. Segeborn hat ja auch mal interessante Experimente gemacht, die Membran anzuschleifen (das hab ich mich dann aber doch nicht getraut).

 

[VS73]

Er hatte noch ein weiteres Video, bei dem er gegen die Pappe davor bzw. danach klopft und man kann hören, dass es danach tiefer klingt. Das finde ich aber gerade nicht.

 

[Sebiwylde]

Diesmal wollte ich auch so schicke Zierkeder einziehen. Das erleichtert später auch das Tolexen, da man mehrere kleinere Stücke verwenden kann und trotzdem keine Tolex-Stoßkanten sieht.
War garnicht so leicht die Box über die auf ca. 3mm Höhe eingestellte Kreissäge zu schieben .

Auf der Innenseite bleibt einem nur die konventionelle Arbeitsweise...

Dann wurden noch die Innenkanten verstärkt.

Als nächstes wurde die Rückwand in Angriff genommen. Hier habe ich eben versucht, den typischen Barefaced-Ausschnitt mit der "Hornöffnung" hinzubekommen...
Innenseite der Rückwand:

...Habe noch Versteifungen hinzugefügt - dass da nur nichts mitschwingt.

Rückwärtige Außenansicht:

 

[Sebiwylde]

Eine weitere kleine Besonderheit ist die Frontabdeckung der Box. Sie sollte abnehmbar sein und gleichzeitig Beamblocker für beide Speaker integriert haben (bei Bedarf für Mikrofonierung schnell entfernbar).
Also habe ich die Abdeckung etwas massiver ausgeführt und mir ein System dafür ausgedacht.

Innenseite der Frontabdeckung:

Hier nun zu den eingebauten Beamblockern. Habe damit echt gute Erfahrungen gemacht: Vor der Box weniger schneidende Höhen und neben der Box mehr Höhen.
Insgesamt kann man vor der Box hin und her laufen und es klingt überall recht ähnlich und ausgeglichen.

Meine Konstruktion besteht pro Beamblocker aus einer Trägerplatte und einem gewölbten Aufsatz (der zum Speaker zeigt). Diese beiden Teile sind auf straff gespannten Schnüren verschiebbar und können dann mittig vor dem Speaker miteinander verschraubt und somit fixiert werden. So kann der BB wie gesagt auch schnell aus der abnehmbaren Frontbespannung entfernt werden. Die Bilder machen es glaub ganz gut deutlich:

Front noch ohne Bezugstoff mit den Träger-Drähten (wurden später durch Nylon ersetzt):

Hier mit Bespannstoff und den zwei Beamblockern. Links fertig, mittig fixiert und rechts die beiden Einzelteile mit Schraube und Gewinde:

Nochmal im Detail:

final fixiert:

Simpel, aber effektiv, wie ich finde.

 

[VS73]

Coole Idee mit den Beamblockern!

 

[Sebiwylde]

*edit*
Dank Dir.
Habe lange überlegt, wie ich das am besten realisieren kann, dass man den Beamblocker bei Bedaf sofort raus machen kann (oder auch ohne großen Aufwand den Durchmesser/ Sound durch einen bspw. etwas größeren BB verändern kann). Und der Ton-Gewinn (gerade auch für die ganze Band) ist einfach so deutlich!
Habe auch mal mit Deeflexx experimentiert, aber das ist nochmal was anderes und nimmt halt so viel Platz weg.

 

[Sebiwylde]

Dann gings ans Tolexen - hatte echt vergessen, was das für eine Arbeit ist...
aber mit dem richtigen Kleber ists diesmal gefühlt etwas leichter von der Hand gegangen.

Dank der recht geringen Geruchsentwicklung des Klebers war ein Arbeiten auch außerhalb meiner Werkstatt möglich. Da wäre auch zu wenig Platz fürs Tolexen gewesen...

Bei der Ablüftzeit des Klebers muss man schon gut aufpassen. Einmal hatte ich 10 Minuten zu lange gewartet und durfte dann partiell nochmal drüberpinseln.

Hier sieht man die Zierfräsung und das Verstecken der beiden Tolex-Kanten. So habe ich insgesamt 5 Tolexstücke (übrigens Mesa Boogie Tolex) verklebt - 4 Seiten + Rückwand...

Dann wurde der Zierkeder Eingearbeitet. Da der Einfachheit halber die "Fräsung" der Stärke meines Kreissägeblattes entspricht, sitzt der Keder sehr "päb" drinnen.

 

[boisdelac]

Bis jetzt ... saubere Arbeit!!!

Wie legt man eigentlich die Abmessungen so einer Box fest?

 

[Sebiwylde]

*edit*
Dank Dir.
Ich habe ehrlich gesagt die Maße ziemlich unwissenschaftlich festgelegt. In erster Linie habe ich auf Ästhetik geschaut - so wie es mir von den Proportionen her taugt.
Und eben nicht zu klein, da (wie ich finde) ein wenig mehr Volumen dem Sound schon gut tut (v.a. im unteren geschlossenen 12er Abteil).

Leider sind die Füße meines Vintage Modern (wie alle normal sized Marshall Tops) zu weit auseinander, dass er sicher auf der vertikalen Box stehen könnte...
Aber dafür hätte ich viel breiter bauen müssen (und dann auch gleich vier 12er reinschrauben können ).

Worauf ich schon geachtet habe, ist, dass kein Seitenmaß ein Vielfaches/ Teiler einer anderen Seite ist. So werden mögliche Resonanzen und stehende Wellen minimiert.

 

[Sebiwylde]

Dann gings ans Zusammenbauen.
Hier nochmal die fertigen Komponenten:

Frontabdeckung mit Beamblockern:

Beamblocker aus Sicht eines Speakers...

Gehäuse mit den zwei montierten Lautsprechern...

Rückwand von innen (ich hatte noch Basotect da und wollte mal probieren, dem unteren geschlossenen Gehäuseteil etwas davon zu spendieren)...

Rückwand vor dem Verschrauben:

...das "Farbkonzept" ist übrigens Schwarz, Gold, Blau/Purple (passend zum Mojotone Speaker und der Status LED am Vintage Modern) .

Beitrag automatisch zusammengefügt: 05.02.24

Und hier die fertige Box:

 

[JaPe]

Junge, die kann sich aber sehen lassen!

 

[Stratspieler]

Kommt mir zumindest vom Layout her irgendwie bekannt vor.

 

[V1PeR]

Prima umgesetzt. Ich hoffe mal, dass dieser Prototyp direkt Deiner Klangvorstellung entspricht.

Wenn Du mir eine Frage erlaubst, dann erklär mir bitte, was Dich geritten hat nach einem optisch sehr ansprechenden Aufbau nachher die Griffe seitlich einfach aufzuschrauben. Dein Aufbau zeigt doch, dass Du Holzarbeiten ausführen kannst und auch Werkzeuge hast. Warum keine oberflächenbündig eingelassenen Griffe? Müssen ja keine gefederten sein, n simpler "Marshall Style" Einbaugriff hätts doch auch getan. Hatteste Angst wegen Dichtigkeit oder der Volumenbeeinflussung?

Grüße!

 

[Sir Adrian Fish]

Kompliment, sehr beeindrucken...

 

[Sebiwylde]

Besten Dank für die positiven Reaktionen!
Freut mich sehr, wenn es Euch auch gefällt.

Kommt mir zumindest vom Layout her irgendwie bekannt vor.

...klassisch zeitloses Design kommt halt einfach nie aus der Mode!

Wenn Du mir eine Frage erlaubst, dann erklär mir bitte, was Dich geritten hat nach einem optisch sehr ansprechenden Aufbau nachher die Griffe seitlich einfach aufzuschrauben.

Hab mir tatsächlich überlegt, ob ich an die Box überhaupt Griffe dranschraube. Aber ab und zu muss man sie schon auch alleine bewegen können (ist aber auch mit Griffen kein Spaß!).
Der Grund für die aufgeschraubten Griffe ist meine Intention, dem Volumen nicht einen Kubikzentimeter mehr als unbedingt nötig abzuringen. Die typischen, versenkten Marshallgriffe waren also keine Option. Außerdem musste es keine 1 zu 1 Kopie einer M-Box werden und ich finde die verbauten Griffe funktional (vibrieren nicht, nach meiner Modifikation) und unauffällig.

Zum Sound will ich noch garnicht sooo viel sagen, da ich die Box bis jetzt nur solo im Proberaum gehört habe. Erst im Bandgetümmel merkt man dann sofort, ob es wirklich richtig einrastet.
Der erste Eindruck bestätigt jedoch ziemlich genau meine Absichten. Sie klingt (im Vergleich zu meiner ersten 2x12 - mit fest verbauten Beamblockern) in den Mitten und unteren Mitten fetter und die schneidenden M-Höhen sind etwas reduzierter. Dadurch hat die Box gefühlt mehr Tone und mit einer Paula dran hat man einfach DAS Mittenbrett. Die tieferen Bässe sind bei der Thiele Konstruktion etwas präsenter. Die neue 2x12 wiederum, füllt auch den Raum nochmal anders aus - zumindest solo.

Besonders mit dem Müller Nighthawk hat sie dieses rauchige "Gurgeln"/ "Knurren" (sorry dafür) in den Mitten, wenn ein verzerrter Powerchord nach dem Anschlag ausklingt. Sowas habe ich bis jetzt noch nicht bei vielen Boxen so deutlich wahrgenommen. Habe schon mit einigen 12ern in verschiedenen Boxen zu tun gehabt und denke, die LS Wahl ist hier ganz gut aufgegangen.
Bin auf jeden Fall auf die nächste Probe gespannt!

 

[Sebiwylde]

So, die Probe war sehr aufschlussreich und ich kann noch was zum Sound der Box (zusammen mit meinem Marshall Vintage Modern 2266) sagen.
Den Amp hatte ich, dank ein paar Tips hier aus dem Forum, schon mit entsprechenden Preamp Röhren ausgestattet, um die Präsenz etwas zurückzunehmen.
(für Interessierte gibt hier ein Vergleichs-Filmchen mit den Stock Preamp Tubes).
Wie man hören kann, trimme ich konsequent auf schöne fette Mitten und etwas gezügelte Höhen (von dem der VM immer noch mehr als genug hat).

Im Bandkontext hat sich des Klangbild im Vergleich zur vorher genutzten und oben beschriebenen 2x12er Box bestätigt und ist sogar noch deutlicher geworden.
Die neue Box hat etwas zahmere Höhen, dafür sehr ausgeprägte hohe Mitten, mehr tiefe Mitten und weniger Fundament (die andere 2x12er hat ja auch einen Thiele EV12L Anteil).
Die alte Box klingt also eher etwas "scooped", während die neu gebaute das volle Mittenbrett liefert.

Im Bandgefüge habe ich zuerst die obersten Höhen etwas vermisst - um sich selbst gut rauszuhören ist das schon sehr dienlich.
Habe dann auch mal die Frontbespannung abgenommen, aber dann hauen die oberen Mitten schon voll zu (die Box steht so, dass der obere 12er auf ca. Kinnhöhe ist).
Also die Front wieder drauf und den Sound vorsichtig mit der Klangregelung angepasst (ich finde diese klassische Marshall-Klangregelung auf den ersten "Blick" kaum wirksam,
aber im Bandgetümmel sind sonderbarerweise kleine Veränderungen vollkommen ausreichend, um ans Ziel zu kommen).

So habe ich es dann auch hinbekommen ein wunderbares (Schweine-) Rockbrett mit meiner Paula hinzubekommen!
Vermutlich ist auch eine Kombi der beiden 2x12er eine sehr passende Sache, aber die andere muss wieder zu meinem Müller.

Noch kurz zur ("Horn"-) Öffnung hinten. Die habe ich ehrlich gesagt bis jetzt noch nicht wirklich richtig "gehört". Dafür ist bei uns im Proberaum glaub einfach zu viel Alarm.
Was aber schön hörbar war (im Solo Vergleich), sind weniger tiefere Mitten und anteilsmäßig eher höhere Frequenzen, die nach hinten abgestrahlt werden.
Ich müsste die Box wohl mal in einem schön zivilisierten Blues-Trio auf einer kleinen Bühne spielen und jemand hält ab und zu die Rückwand zu.
So könnte man den vermuteten, räumlicheren Ton sicher eher feststellen.

 

[Eventmicha]

Hallo Sebi,

das klingt doch gut und Du kannst mit Deiner Arbeit scheinbar zufrieden sein!
Ich habe meine 2x12er TT auch eine selbstgebaute "Barefaced"-Rückwand spendiert, nachdem ich eine 1x12er original-Barefaced
spielen und lieben gelernt hatte...
Eine Anmerkung zum Barefaced-Konzept:
die klingen m. E. am Besten wenn die Boxen direkt auf dem Boden stehen (nicht irgendwo drauf stellen) und die Box hinten etwas Abstand zur Rückwand hat.
Dann ist auch ausreichend Bassdruck vorhanden, und der Sound verteilt sich wundersam im Raum.