Verlust des kl. Greifhand Fingers - wie geht's weiter?

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Hallo Leute

Vorab, das ist ein "ich frage für einen Freund"-Thread, meine Finger erfreuen sich zum Glück bester Gesundheit.
Aber ein guter Freund/ "Jambuddy" hatte vor etwa einem Monat einen Arbeitsunfall, letzte Woche war klar, dass anderthalb Fingerglieder nicht mehr zu retten sind. Jetzt ist für einen Rechtshänder der halbe linke kl. Finger wohl im Alltag ein halbwegs verschmerzbarer Verlust, rechtshändige Gitarristen hätten aber bei Auswahloptionen aus naheliegenden Gründen eher den Rechten hergegeben.

Und jetzt stellt sich die Frage, weiterspielen wird er auf jeden Fall, aber es steht einerseits zur Option, irgendwie "einfach so" mit 3 Greiffingern weiter zu machen oder aber auf Leftie umlernen und nochmal quasi bei 0 Anfangen. Argumente finden sich für beides viele, genauso wie Gegenargumente. Ich hab mal eine Gitarre verkehrt herum genommen und mal die Hände vertauscht, ist als würde man das erste mal im Leben ein Instrument in Händen halten. Allerdings, wissend, was eigentlich mit einem 4. Finger ginge sich für den Rest des Lebens auf 3 reduzieren.....

Hat jemand in irgendeiner Form Erfahrung mit so einer doch etwas speziellen Konstellation?

LG
 
Erfahrungen hab ich bei diesem Thema glücklicherweise keine, aber ich würde es vom Musikstil und Können und Alter abhängig machen.
Ich vermute es würde sich nur bei wenigen Konstellationen lohnen auf Linkshändergitarre umzulernen.
 
Mein Mitgefühl für deinen Freund, das ist eine harte Sache. Ich habe keine Erfahrung mit umlernen, ich würd da bei einigen Gitarrenlehrern fragen, ob wer Tips hat.
Was anderes: ein Freund wurde mit verkrüppeltem Arm/zu kleiner+mißgeformter Hand geboren (Anfang 60er, eins der Contergan Kinder - Suchmaschine hilft) und der konnte ganz gut Gitarre spielen. Die gute Hand hat gegriffen, die kaputte hatte ein Plektrum, das mit einem Stäbchen leichter für ihn zu halten war. Der hat ganz ordentlich gespielt.. und damit deutlich besser als ich. War halt eine Menge Einsatz nötig.
 
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Ist nur individuell zu entscheiden.
Django Reinhard hat wegen 2 durch einen Brand verkrüppelten Fingern seiner linken Hand alles nur mit 2 Fingern gespielt.
Aber ich bin froh, wenn ich mir die Frage nicht stellen muss.
 
Danke, den Faden hatte ich vergessen.
Hier ist nur das Problem, bei ihm ist nicht die Kuppe, sondern der halbe Finger weg, also es stellt sich nicht die Frage, ob dieser Finger jemals wieder spielen kann. Er ist dadurch so kurz das er bei irgendwelchen halbwegs normalen Griffweisen gerade mal die hohe E- oder B-Saite exakt an dem Bund, wo er eben zufällig gerade ist irgendwie erreichen könnte.

Deswegen war eben der Gedankengang bis jetzt: Er muss sowieso fast alles neu lernen und vieles wird nicht mehr gehen wie früher weil halt mal da und dort die Reichweite oder eben schlicht der 4. gleichzeitig gebrauchte Finger fehlt. Zusätzlich, er hat klarerweise seit über einem Monat nichts gespielt weil ein Finger seiner Greifhand dick eingepackt ist und das wird nun nach der Amputation noch einige Wochen so bleiben bzw. wird üben auch direkt im Anschluss etwas schwierig werden, weil jede gewohnte kl-Finger Bewegung dann exakt die Wundfläche aufs Griffbrett knallt.

Also da links gerade eh nicht greifen kann wird er wohl zumindest mal in der Zeit wie zu den allerersten Tagen isoliert voneinander links picken und rechts greifen zu üben, die "Plek-Finger" der Linken sind ja wohlauf.


aber ich würde es vom Musikstil und Können und Alter abhängig machen.
Das ist ja genau der aktuelle Zwiespalt, wir sind beide Mitte 30 und würden eigentlich ganz gerne noch die nächsten Jahrzehnte Gitarre spielen, da scheint die Rechnung mit umlernen objektiv irgendwie einfach Sinn zu machen.
Allerdings, er war "richtig rum" halt einer von denen, die etwa Master of Puppets durchspielen konnten. Alleine bis er "falsch rum" mit der Pickingarbeit wieder halbwegs dorthin kommt reden wir von 5, wohl eher 10J und dass das dann motivationstechnisch einfach versandet ist jetzt wohl leider auch nicht so weit hergeholt....
 
Ich würde in dieser Situation auf gar keinen Fall auf Linkshänder umlernen wollen. (Zumal ich kein Linkshänder bin. Was soll dabei rumkommen?)
Die Situation ist wirklich doof, mein Beileid für deinen Freund. Der kleine Finger ist aber noch der, der am ehesten zu verschmerzen ist. Das meiste lässt sich durch Anpassung von Griffen etc. kompensieren, manche Dinge gehen halt einfach nicht mehr. Es gibt aber für so ziemlich alles valide Alternativen. Vielleicht hilft es das Positive an dieser Situation zu betrachten: Durch eine Anpassung der Technik kann er sich langfristig von vielen anderen Gitarristen absetzen und hat mehr Wiedererkennungswert in seiner Spielweise.
 
Hi,

so schlimm so ein persönlicher Verlust ist: auf keinen Fall würde ich noch im Panikmodus die Händigkeit umlernen; nicht wenn der Kollege schon lange spielt und ein wohl ziemlich hohes Niveau erreicht hat.

Die ganze Feinabstimmung Schlaghand/Greifhand ist mMn etwas, das mit am meisten von der Erfahrung und Automatisierung lebt, und ein guter Groove ist in den allermeisten Spielsituationen viel wichtiger, als weite Voicings oder Läufe mit allen vier Fingern spielen zu können. Gerade aus der klassischen Ära der Rockgitarre gibts genug Beispiele für hervorragende Gitarristen, die auch einen gesunden kleinen Finger kaum benutzt haben, Clapton ist da vielleicht der bekannteste. Auch das Greifen mit dem Daumen um den Hals herum kann Ressourcen frei machen, und das alles ist aus meiner Sicht zwar etwas aufwendiger, aber eben nicht dem ganzen Prinzip nach etwas völlig anderes als einen unbekannten, schwierigen Song zu lernen, womöglich aus einer neuen Stilart. Wichtig ist: das Muskelgedächtnis für links/rechts und 80 % der Finger wird weiter genutzt. Dein Freund kann auf dem aufbauen, was er kann, während an der rechten Hand das Gehirn für alle Finger komplett neue Bewegungsabläufe erlernen muss.

Dazu kommt noch, dass es wohl auch einen Grund hat, dass er so herum Gitarre gelernt hat bzw. die meisten Rechtshänder so spielen, und die Linkshänder andersrum. Ich bin kein Neurologe, aber es vielleicht was damit zu tun, dass das Hirn bei Rechtshändern für die linke Hand noch Kapazitäten frei hat, oder umgekehrt, dass die Schlaghand eigentlich sogar mehr Feinabstimmung und Sensibilität benötigt, um den Anschlag optimal zu steuern. Immerhin setzt man die Finger links einfach nur aufs Griffbrett auf, irgendwann liegt er ja auf und kommt quasi zum Stehen. Der Unterschied zwischen leichtem und festem Anschlag oder beim Anschlagswinkel des Picks ist dagegen stufenlos und erfordert einiges an Kontrolle und Feingefühl. Die rechte Hand ist quasi das Metronom des Gitarristen, und wir wissen alle, dass kaum was schlechter klingt als schlechtes Timing.

Ich selber habe übrigens einen Unfall in der Kindheit gehabt, bei dem ich links den kleinen Finger zwar nicht verloren habe, aber ein Bruch nicht erkannt wurde. Der zugehörige Mittelhandknochen ist dann schief zusammengewachsen, und der kleine will immer nach innen auf die Handfläche kippen, liegt dann also seitlich auf - für Scales und Soli nach dem Muster "1 Bund pro Finger" kaum zu gebrauchen. Nur die Kuppe und nicht das ganze seitliche Fingerglied auf das Griffbrett zu bekommen, klappt bei mir nur bei ziemlich weit gegriffenen Tönen (beim Am7 zB so halbwegs), und selbst da eben eher mit der Außenseite der Fingerkuppe. Irgendwie muss es halt auch so gehen, und das tut es letztlich. Ich bin sicher kein Virtuose, aber trotzdem hab ich viel Spaß und hab es auch in Bands geschafft, die Songs anderer Leute zu spielen (die eigenen schreibt man ja meist von vorneherein so, dass man sie gut spielen kann...;)).

Auf lange Sicht könnte man natürlich überlegen, ob eine Prothese in Frage kommt, Tony Iommis Fingerkuppen wurden ja schon genannt. Zwar fehlt ihm weniger, aber dafür gleich an zwei, und wichtigeren Fingern - vor allem ist es ein Beispiel, dass man sie gerade zum Greifen (s.o.) auch nutzen kann, wenn das unmittelbare Gefühl dabei fehlt. Gerade für weite Akkorde oder Einzeltöne, wo man die Streckung tatsächlich braucht, könnte man eine Prothese sicher noch sinnvoll einzusetzen lernen, wenn das mittlere Gelenk noch da ist. Wenn Dein Freund kein Profi ist, wird das jetzt sicher auch nicht unbedingt die Priorität im Leben sein, aber wie gesagt wärs eine Überlegung für die Zukunft. Und wer weiß, vielleicht will er eines Tages auf Akustik umsteigen und 4-Finger-Picking spielen (da wäre er auch nicht der erste), dann wäre eine Umschulung im Nachhinein auch nicht gerade von Vorteil.

Gute Besserung wünsche ich von Herzen.

Gruß, bagotrix
 
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Kommt es nicht auch darauf an, wie intensiv dein Freund den kleinen Finger bis jetzt genutzt hat? Ich habe neulich mal ein Video des Gitarristen von Polyphia gesehen (Tim Henson), der spielt ja ziemlich komplexe Sachen, und ich war sehr überrascht, der hat zumindest in dem Video den kleinen Finger nur recht selten mal benutzt. Vielleicht kann sich dein Freund einfacher dahingehend umstellen, als die Seite zu wechseln?
 
Vielleicht auch mal eine Ergotherapeutin fragen.
 
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Ich bin Linkshänder und habe immer "normale" Gitarre gespielt und empfand es nie als Einschränkung.
 
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erstmal mein Mitgefühl an deinen Kumpel, das ist echt Mist :(

ich Seh nur zwei Möglichkeiten:
1. umlernen von rechts auf links
2. Tony (Black Sabbath) hat sich ebenfalls bei einen Arbeitsunfall Finger abgesägt und fürs Gitarrespielen selber Prothesen gebaut.

… ich würde ggf. Variante 2 zuerst testen, weil es weniger Umgewöhnung ist.
ohne kleinen Finger bleiben einem mehr oder minder nur powerchords.

edit… shit der Tony wurde oben schon genannt, sorry für die Wiederholung.
 
Schließe mich dem Mitgefühl - auch aus eigener, aber glücklicherweise letztlich guter Erfahrung - an. Wenn schon Greifhand, dann aber der Pinky; das ist vielleicht der Silberstreif am Horizont.

Ich hab gerade mal ein bisschen probiert: Bei ("normalen") Akkorden sind viele ja mit drei Fingern spielbar, blöd wird es bei Barrés und bei dem einen oder anderen erweiterten Akkord (Dominantsept z. B.). Und den Stretch m-i wird er trainieren müssen, damit der Ringfinger eben auch ZWEI Bünde weiter eingesetzt werden kann.

Für 6th string root major (z. B. F) sowie 5th string root minor (z. B. b) kann man lernen, mit dem Ringfinger beide Saiten (A und D, bzw. D und G) zu greifen. Erfordert natürlich Übung, aber davon wird er eh jede Menge brauchen in der nächsten Zeit... Justin Sandercoe macht das zumindest ab und an so, ich erinnere mich aber gerade nicht, in welchem Video er das erwähnte. Und vermutlich ist das sehr viel schneller machbar, als komplett umzulernen.

Naja und Solospiel - da ging es vor einigen Jahren mal hoch her, weil jemand in einem Cover von Sweet Child O' Mine das Intro-Riff MIT Pinky gespielt hat, wo es der Meister selbst doch mit drei Fingern greift. Für Skalen gilt das ebenso. Viele haben ja "zu kurze" Pinkies und müssen quasi "arpeggieren". Dahin muss es wohl gehen; plus evtl. mittelfristig den Stumpf eben tatsächlich für unmittelbar Benachbartes, oder im Idealfall eine Prothese.

Und schließlich fallen mir noch alternative Stimmungen ein; man muss halt kreativ werden. Aber ist das nicht eh' IMMER die Aufgabe für ALLE von uns..? ;) Er soll es als Herausforderung sehen! Er war (rein statistisch betrachtet) besser, als 98% dieses Forums (Master Of Puppets...). DARAN einfach 'nen Haken machen und nun eine NEUE Aufgabe in dem Handicap sehen.

Kopf hoch! Alles Gute für deinen Freund.
 
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Ich halte überhaupt nichts davon, auf links umzulernen. Linkshänder wird man ja nicht, weil man es will, sondern man wird so geboren.
Das sitzt ja viel tiefer, als man glaubt.
Meine Tochter ist die einzige Linkshänderin in der Familie und spielt Klavier/Querflöte, wo das scheinbar egal war.
Sie hat sich z.B. als kleines Mädchen beim Ballett immer automatisch in die andere Richtung gedreht, als die Rechtshänder.
 
@Gitarrensammler
Ich kenne zwei linkshänder die Rechtshänder Gitarren spielen, ding der Unmöglichkeit ist es also nicht, aber wie schon festgestellt wäre es beinahe ein Start bei null
 
Eric Clapton benutzt den kleine Finger auch nicht
es geht also auch ohne
 
Ich würde die Händigkeit nicht überbewerten.

In asiatischen Kulturen war es üblich alles auf Rechts zu trimmen ohne Rücksicht auf die Händigkeit. Natürlich war die linke Hand/linker Fuß bei Linkshändern kräftiger und man nahm z.B. bei Sport darauf Rücksicht aber sonst war alles machbar. Schreiben, Essen mit Stäbchen die einiges an motorischen Fähigkeiten abverlangt, werden ohne jede Schwierigkeit bewältigt.

Dann gibt es ja auch z.B. Klavier und Harfe die von beiden Händen die gleichen Fähigkeiten abverlangen.

Gäbe es von heute auf morgen nur noch Linkshändergitarren, dann würde ich auch umstellen genauso wie ich beim Schreiben umgestellt hatte anlässlich einer zum Glück recht kurzen Sportverletzung.

Will damit natürlich nicht sagen, was er tun soll sondern nur die Optionen aufzeigen die ihm bereit stehen statt sie von vornherein als umöglich auszuschließen.
 
Ich meine auch, dass dieser Verlust nicht das Ende bedeutet. Wie schon erwähnt, gibt es Gitarristen, die den kleinen Finger der Greifhand sowieso nicht oder kaum benutzen (auch Charlie Christian, George Benson, Wes Montgomery) Manche Nummern spiele ich mit dem Slide auf dem kleinen Finger. Das behindert zwar, aber am ehesten ist das Problem nicht, dass ich dann den kleinen Finger nicht zu greifen benutzen kann, sondern das mir das Ding im Weg ist. :)

Jedenfalls is es sicher möglich, mit weniger als vie Fingern an der Greifhand auszukommen und die Umstellung um Welten leichter, als die Gitarre umzudrehen.


View: https://youtu.be/kVc5rCl0BIs?si=DO2UVxLlKy7qyZVD
 
.......aber am ehesten ist das Problem nicht, dass ich dann den kleinen Finger nicht zu greifen benutzen kann, sondern das mir das Ding im Weg ist.

..... Dann hast du deine Gitarre aber wesentlich zu tief hängen! :rofl::rofl:
 
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Ich bin kein Neurologe, aber es vielleicht was damit zu tun, dass das Hirn bei Rechtshändern für die linke Hand noch Kapazitäten frei hat, oder umgekehrt, ...
Da kann ich was dazu sagen:

Es ist mW vor allem intuitiver. Wir lernen unser Leben lang, dass die starke Hand die Präzisionsarbeit macht und die schwache dafür etwas fixiert bzw. "vorbereitet", man denke an Brot schneiden/streichen oder auch nur das Aufreißen einer Plastikverpackung. Meine Meinung, die ich mir an anderer Stelle zumindest zum Thematik "Warum greifen Rechtshänder idR links?" gebildet hab geht zumindest stark in die Richtung, dass mit links "halten/ vorbereiten" und mit rechts "die Aktion starten" eben um einiges mehr dem Muster entspricht, wie wir bei motorischen Sachen unsere Hände benutzen.

Aber, da die Greifhand ja alles andere als nur "stupide Festhaltearbeit" macht ist das in Summe gar nicht mal so wichtig, bzw. vor allem ziemlich individuell.


Aber ja, ich hab den Thread natürlich nicht aufgemacht, um die eine richtige Antwort zu bekommen, aber da es nunmal noch ein paar Wochen dauert, bis er wieder "richtig rum" überhaupt irgendwas spielen kann, ohne das ein massiv eingepackter kl. Finger das gesamte Griffbrett dauerdämpft hab ich gemeint, ich zapfe mal die Schwarmintelligenz an. Danke mal soweit ;)
 

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