[Pickups] D. B. Custom Guitars Humbucker Set Retro Rocker

zwiefldraader
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Vorgeschichte
Eigentlich begann Alles damit, dass ich mir eine gebrauchte, ältere Eastman T186mx gegönnt hatte - also eine Semi-Hollow Gitarre in der Thinline/ES Familie - deren Besonderheit ist, dass der Sustainblock nicht durchgängig ist, sondern nur unter Bridge und Tailpiece sitzt. Eine sehr schöne Gitarre, in die ich mich direkt verliebt hatte. Allerdings nicht ganz die Pickups. Da hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass da mehr gehen könnte.
In meiner Suche nach passenden, Low-Wind PAF-Style Humbuckern, die den Klang direkter abbilden habe ich mich direkt mal durch die Threads von @Dr. PAF quergelesen - und dabei direkt festgestellt, dass es kaum Besprechungen zu Pickups gab, die im deutschsprachigen Raum gewickelt werden. Das fand ich etwas schade, da ich gerne mehr gewusst hätte über die Platzhirsche Häussel, Kloppmann, Amber und die verborgenen Preziosen, die es hierzulande mit kurzen Lieferwegen gäbe.
IMG_20230830_221251.jpg

Irgendwie haben sich dann die Ereignisse überschlagen und plötzlich stand ich mit einer Menge gebrauchter PUs da (Kloppmänner, Amber...) und hatte auch noch zwei neue in Bestellung (GoodTone, V.I.P. Lovers...). Was nun?
Eigentlich eine formidable Einladung, Anschluss zu finden an die alten Thema '[Pickups] Der grosse Humbucker Test - PAFology!' und Thema '[Pickups] Der grosse Humbucker Test Teil 2 - PAFology II' und selbst eine Testreihe zu entwickeln.
Ich wollte Aufnahmen machen, ich wollte meine Daten auch über einen Beurteilungsfragebogen computergestützt erheben und auswerten - und ich wollte mich verblinden, also nicht wissen, welche PUs ich da spiele.
Schließlich habe ich angefangen hier im Board nachzufragen, wer mir etwas leihen würde und sogar - Versuch macht kluch - Wickler anzuschreiben, über die ich gestolpert bin.
So bin ich über "Kleinanzeigen" auf D.B.Custom Guitars gestoßen. Dennis Brüninghaus war auch sofort bereit, eines seiner Sets leihweise beizusteuern, um sich am Test zu beteiligen.

Den Test habe ich mehrstufig angelegt. Zuerst habe ich mir bei jedem Pickup-Pärchen (da kommen noch eine Menge weiterer Reviews) die Testgitarre in meinen 5e8a Low Power Tweed Twin Clone gesteckt und weitestgehend clean oder mit leichter Sättigung vor mich hin gefiedelt. Dabei habe ich mich auch durch den Sound anregen lassen, versucht im Raum ein Gefühl für die PUs zu bekommen.
Anschließend habe ich Aufnahmen gemacht. Clean, leichte Sättigung, seriöser Rock-Crunch. Letztlich habe ich dann noch einmal die Aufnahmen durchgehört und beim Durchhören die Fragebögen beantwortet.

Daten & Fakten
Das Erste was auffällt ist, wie vorbildlich schön die PUs verpackt kommen. Jeder Pickup kommt in einem kleinen schwarzen Karton - mit rotem Wachssiegel. Das wirkt vor allem erst einmal EDEL. Ob die Pickups dieses Versprechen auch halten können?
IMG_20230830_221341.jpg

Wenn man den schwarzen Karton aufschiebt, erblickt man ein rotes Samtsäckchen, das den Tonabnehmer zusätzlich schützt. Außer dem PU finden sich darin auch noch Montageschräubchen und Gummis, um die Höhe zu justieren. Na da will einer was.
Unter dem Säckchen schließlich noch ein kleiner, handgeschriebener Aufkleber mit den Daten:


Retro Rocker​
Retro Rocker​
Neck​
Bridge​
42 AWG Plain Enamel​
42 AWG Plain Enamel​
6,32 kOhm​
8,30 kOhm​
AlNiCo IV rau​
AlNiCo IV rau​


IMG_20230830_221350.jpg


Die Basisdaten also auf einen Blick schon mal da. Zudem hat die sehr freundliche Konversation mit Dennis auch ergeben, dass er seine Pickupkappen direkt aus USA bezieht, ohne Kupferschicht vernickeltes Neusilber.
Der Anschluss war mit braided-shielded wire. Fein!
IMG_20230830_221433.jpg

Es gibt übrigens eine Facebook Site und wohl immer mal wieder Inserate in den Kleinanzeigen.

Sound
Jetzt das Wichtige. Wie klingt denn ein Tonabnehmerpärchen, das schon so eine Vorlage macht mit Kartonage, Samtsäckchen und allem Pipapo?
Mit einem Wort: umwerfend.

Schon direkt beim Einstöpseln in meinen LPTT hat es mich regelrecht auf den Boden gesetzt. Ich glaube, ich habe noch nie einen Hals-Humbucker gespielt, der mir so viele, so schimmernde Obertöne geliefert hat. Dabei präsentiert sich der Cleanton weit, differenziert, transparent und breit gefächert. Dieser Klangeindruck wird dadurch unterstützt, dass die Bassfrequenzen für mein Ohr voll und transparent kommen, während die Mitten etwas zurückgenommen erscheinen. Die Höhen direkt sehr luftig und transparent, unfassbar obertonreich und farbig,. Insgesamt liefert der Halston hervorragende Ton- und Saitentrennung, die schon clean etwas Singendes hat, viel Lebendigkeit. In meiner Assoziationsmaschine auf dem Hals ist mir "ölig" eingefallen. Ein Wort das mir immer wieder in den Sinn kommt, wenn ich mich mit einem Ton sehr, sehr wohl fühle.
Durch die starke Transparenz und Saitentrennung werden Akkorde gut dargestellt, bleiben offen und durchhörbar. Wow.
Ich denke immer wieder an Peter Green, wenn ich den Hals-PU spiele. Ob das nun stimmt oder nicht. Jedenfalls sind die Doppelspuler eher clean, ohne dabei zu neutral oder kalt zu wirken.
Auch im Auswertungsprogramm der Testreihe kann ich ein Tagebuch führen, das ich hier einmal direkt zitiere:
"Sehr schön, sehr interessant. Der PU fächert weit auf, weil er ein bisschen "scooped" wirkt. Die Bässe treten klar konturiert aber voll in den Raum. Die Tiefmitten gleich wieder ausgedünnt, mit Betonung in den Obermitten. Das bringt Transparenz und Differenzierung. Dadurch ist er nicht der Wärmste im Testfeld - aber eine gute Mischung. Die Höhen wieder haben schimmernde Obertöne, die aber abrunden bevor es harsch wird. Der Ton wirkt schlanker, ohne dünn zu wirken - die vollen Bässe "gaukeln" vor, dass da viel Fleisch ist, das sich aber in den Mitten deutlich zurücknimmt. Cool gewickelt. In den Singlenotes gefällt er mir sehr gut mit der Mischung aus Kontur und Substanz. Gleichzeitig ist er bereit auch Clean schon in die Obertöne zu kippen, wenn man ihn singen lässt. Nice."


View: https://soundcloud.com/heiko_pfister/nc3442256wav?utm_source=clipboard&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Fheiko_pfister%252Fnc3442256wav

Sobald man jetzt mit einem fetten, altmodischen Amp etwas Gas gibt, merkt man sofort den Zauber dessen, wie diese PUs angelegt sind. Durch die Kompression und Zerre des Amps füllen sich nach und nach die Mitten etwas auf. Der obertonreiche, helle Grundklang übersetzt sich dann in Transparenz, sodass die Saitentrennung lange sehr gut erhalten bleibt. Man kann sehr gut dynamisch mit dem Ton spielen. Je mehr man den Amp arbeiten lässt, je fetter dieser abbildet, desto hilfreicher werden die gut differenzierenden Mitten.


View: https://soundcloud.com/heiko_pfister/n3442256-wav?utm_source=clipboard&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Fheiko_pfister%252Fn3442256-wav


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Der Ton hat eine Kehligkeit... Für einen Hals PU verhältnismäßig schlank und präzise. Statt Tele-on-Steroids höre ich da fast so etwas wie Strat-on-Steroids. Das scheppert, faucht, beißt, spielt bei Bedarf. Die Differenzierung fordert auch, weist wenig behutsam auf Deine Fehler und Ungenauigkeiten hin - bietet dafür mit seiner Transparenz sehr viel Möglichkeiten für Gestaltung bietet. Der Strat-Spieler-Humbucker... Cool.
Und damit sind wir schon beim Charakter des Pickups. Wer dicke, triefende Sounds sucht, die mit Kompression das eigene Spiel unterstützen, ist vielleicht nicht Adressat*in dieses Tonwandlers. Aber gerade wer auf sehr alte Ampdesigns mit bollernden Tiefmitten und Bässen steht, die unter Last schon mal die Kontur verlieren... kann diesen PU lieben, weil er da sehr gut aufräumt.
Zum 57er Tweed Design passt das hervorragend und auch mit meinem Testamp, dem Palmer Drei, geht das sehr, sehr gut. Gerade Letzterer wird ja als dreifacher Single-Ended Amp mit verhältnismäßig viel Eisen für die Größe untenherum schnell dunkel und fettig. Dieser Hals-PU bleibt da noch lange spielbar.

OK - ich bin verliebt. (Und das in einem Testfeld mit Amber, GoodTone, Holighaus, Rockinger...)

An der Bridge setzt sich der Eindruck insgesamt fort, vertieft sich aber. Ist der Hals in seiner Art schon ziemlich überragend (wenn man es eben transparent mag und nicht so viel Unterstützung durch Kompression möchte, wie andere PUs, die eher "schieben"), ist die Bridge ein echter Charakterkopf!
Die selbe Farbigkeit, die selben, schlanken Mitten, die selben glitzernden, funkelnden Obertöne, die selbe "Luft" im Ton. Nur Alles im Gesamtbild nach "Oben" verschoben. Und das, während der Brückentonwandler mit 8,30 kOhm eher ein heißerer Kandidat im Feld zu versprechen scheint. Die Hochmitten treten deutlich präsenter in den Vordergrund als am Hals. Das ruft regelrecht nach Rock. Ich ertappe mich beim Spielen, dass ich den Blues mit leichter Cowboy-Attitude tausche. Das ist irgendwie... southern... was ich da höre.
Das ist alles ziemlich cool. Es hilft meines Erachtens etwas Dreck und Kompression, um wirklich alle Trümpfe auszuspielen. Ich denke jetzt unvermittelt jetzt mehr an Jimmy Page, der ja diese wunderbaren Arpeggien über angezerrte Amps gespielt hat, die Gitarre vielleicht ein wenig zurückgeregelt. Hier sind Höhen und Obertöne genug, damit es darüber nicht stumpf wird.
Je mehr ich mit dem Amp auf´s Gas gehe, desto holziger und "altmodischer" wird der Klang. Was clean dem Einen oder der Anderen vielleicht einen Tacken zu kühl wirken könnte - sobald der Amp ins Arbeiten kommt und auch hier wieder die Mitten auffüllt, desto mehr zahlt sich das aus. Es gibt ja Kompromisskandidaten, die Alles gut können wollen und Charakterköpfe, die eine klare Orientierung und Kante haben. Dieser hier hat Charakter. Und genau das macht ihn so charmant.


View: https://soundcloud.com/heiko_pfister/bc3442256wav?utm_source=clipboard&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Fheiko_pfister%252Fbc3442256wav

Dieser raue Knack, der obertonreiche, überfarbige Grundsound. Eigentlich kann ich meine tagebuchartige Zusammenfassung des ersten Anspielens genau so stehen lassen:
Mir gefällt, dass dieses Set Charakter hat, ohne das mit Klarheit zu bezahlen. Die Obertöne sitzen sowohl in der Hals- auch in der Bridge-Position sehr offen und präsent im Raum. Glitzern, Lebendigkeit haben diese Tonabnehmer ohne Ende. Wenn ich nur diese bestellt hätte für meine Gitarre, hätte ich schon einen Volltreffer gelandet, mit dem ich sehr gut leben würde.


View: https://soundcloud.com/heiko_pfister/sattigungsgefuhle-b3442256wav?utm_source=clipboard&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Fheiko_pfister%252Fsattigungsgefuhle-b3442256wav

Mir fällt die Entscheidung schwer, ob ich sie in einer (Semi-)Hollow belassen würde, oder in eine Solid setzen. Für Ersteres spricht dieses Glitzern, das in einer Gitarre mit Luft drin schön offen überträgt und gleichzeitig schön abrundet. Für die Solid spricht, dass die Brücke einfach ein bisschen mehr Gas am Fuß braucht und idR eine Paulaartige in den Tiefmitten mehr schiebt. Das würde diesem Set sicher gut zu Gesicht stehen.


View: https://soundcloud.com/heiko_pfister/rock3442256bwav?utm_source=clipboard&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Fheiko_pfister%252Frock3442256bwav
 
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Ich würde das Review übrigens gerne noch um Kontaktmöglichkeiten mit Dennis von DB Custom ergänzen.

Es gibt einen kleinen "Shop" auf Kleinanzeigen

Und natürlich die Möglichkeit ihn über die Shopmail zu erreichen
db_custom_guitars@aol.com

Wenn ich nicht irre, geht auch Facebook - aber das bin ich nicht vertreten
 
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