C_Lenny
Moderator
Warum in drei Teufel’s Namen kauft man sich eine Harley Benton Gitarre, wenn man im Besitz von z.B. Gibson LP Std.’77, Gibson ES355 „Lucille“’95 oder Fender US-Strat’96 ist ? Nun, da war in meinem Fall sicherlich ein gehöriges Maß an „Spieltrieb“ im Spiel ("ich kauf mir was"). Aber ebenso war es die Neugierde, sich über zumindest ein Modell dieser „BigT“-Hausmarke mal selbst ein Bild zu machen, gibt es doch so viele, meist widersprüchliche Meinungen im Web. Aber warum dann das Modell, dem man eine „nicht unerhebliche Ähnlichkeit“ mit dem Modell eines äusserst renommierten Herstellers attestieren muss? In erster Linie war es wohl die Tatsache, dass zwei befreundete Gitarristen nach unzähligen vorangegangenen „Versuchen“ eben solche Edelmodelle (Custom 24) dieses Herstellers seit Jahren favorisieren/mit Begeisterung spielen und ich diese Gitarren gut kenne.
Wer aber nun hofft, dass ich mich zu einem Vergleich hinreissen lassen werde, den muss ich enttäuschen . Nach meiner Ansicht verbietet sich ein solcher von vornherein. Wo soll man z.B. ansetzen, wenn allein schon der Preis -mal Pro, mal Contra für Features bei diesem oder jenen Modell- Tür und Tor für „Relativierungen“ öffnet. Da spar ich mir lieber diese unvermeidlichen Ansätze für Streitgespräche und bleibe bei einer (hoffentlich) neutralen, weitgehend unvoreingenommenen Beschreibung meiner Wahrnehmungen.
Unboxing
Lange Rede, kurzer Sinn - die Bestellung meiner Harley Benton CST-24T in Paradise Flame ging vor einigen Wochen heraus und traf zwei Tage später bereits bei mir ein.
Das Auspacken selbst ruft zwiespältige Ansichten hervor. Man kann aus Warensicherungsaspekten nur grösste Anerkennung zollen für das, was auf der anderen Seite natürlich bei den unseren Verpackungswahn tadelnden Mitmenschen einige Falten auf die Stirn zaubert. Letzteren sei gesagt, dass ich alles behalten werde, um bei einem eventuellen Verkauf einer meiner (ggfs. auch die eines anfragenden Bekannten) Gitarren diesen „Müll“ zumindest einer weiteren Verwendung zuführen zu können .
Neben der Gitarre mit Hangtags lagen der Tremolohebel, sowie je ein Inbus für die Bridge (Reiterhöhe) und den Halsstab bei:
Spezifikationen
Auszug aus der Katalogseite:
Jatoba als Griffbrettholz ist sicherlich auch preislichen (u.a. ebenfalls geografischer Beschaffungsvorteil) Zwängen geschuldet. Es wird in verschiedenen Branchen als Palisanderersatz genutzt.
Zu DLX, das für die Hardware/Mechaniken genannt wird, gibt es wenig bis keine Informationen im Web. Ein Argument mehr, recht unvoreingenommen an deren Test heranzugehen .
Wilkinson ist ein häufig im low- bis mid-budget Segment zuliefernder Hersteller von Hardware. Beurteilungen im Web gehen von „mies bis bestens“, sodass ich auch dort auf meine eigene Wahrnehmungen setzen muss.
Die in der Gitarre verbauten Pickups kommen von Roswell. Bis ca. 2018/19 -das CST-24T-Modell ist imho seit ca. 2012/13 (?) auf dem Markt- wurden Pickups von Wilkinson eingebaut.
Anzumerken ist, dass Harley Benton aufgrund doch eher „mittelmässiger“ Bewertungen im Netz das Modell Zug um Zug „modifiziert“ hat. So waren lange Zeit Griffbretter aus Ebonol (Kunststoff mit Grafitanteil), die besagten Wilkinson-PU, ein Kunststoffsattel (jetzt Grafit) usw. verbaut. Das ist ein Grund, bei Recherchen im Web darauf zu achten, von wann Tests bzw. Bewertungen dieses Gitarrenmodells sind (auch in den Thomann-Listings!), wenn man sich mit Kaufabsichten und Vorabmeinungen beschäftigt. Vom aktuellen Modell gibt es kaum etwas, ein Video werde ich weiter unten noch verlinken.
Prüfen/Inaugenscheinnahme
So, wie ist es denn nun mit diesem Exemplar beschaffen? Ich könnte es mir leicht machen, denn: Trotz langer Begutachtung und immer wieder erneuter Suche „nach dem Haar in der Suppe“, konnte ich absolut NICHTS entdecken, was Anlass zu Kritik gäbe . Trotzdem aber ein paar Sätze mehr:
Die Gitarre war bestens eingestellt auf den Weg gebracht worden: Neue(!) Saiten (D’Addario EXL 110 .010-.046), oktavrein, schön abgerundete Bundenden, poliertes Griffbrett, polierte Bundstäbe, makellose Lackierung, sauberes Binding.
Das war ja schonmal ein äusserst vielversprechender Start meiner Prüfungen .
Ein Merkmal, das mich direkt positiv stimmte, war das Gewicht der Gitarre. Da ich diesbezgl. ja von meinen „Edel“-Gitarren (siehe einleitende Sätze) nicht gerade verwöhnt bin, waren die 3,75kG sehr angenehm, wenngleich es einigen evtl. doch recht hoch erscheinen mag, aber es sicherlich bei diesem Modell auch Schwankungen nach unten/oben geben mag.
Nach Aufschrauben des E-Fachs zeigte sich folgendes Bild:
Imho sauber genug verlötet und aufgeräumt. Auf dem Schirmlack und den Fräskanten sind leichte Ablagerungen zu sehen, die ich mit einem Pinsel und angefeuchtetem Tuch beseitigen konnte - nichts Weltbewegendes also.
Der mitgelieferte Tremoloarm wird eingesteckt und hat eine zumindest für mich gute Bedienbarkeit – ausreichend fest und dennoch leichtgängig bedienbar.
Spielgefühl
Bis hierhin hatte ich tatsächlich noch keinen einzigen Ton auf der Gitarre gegriffen/gespielt . Aber irgendwann lässt es sich ja nunmal nicht mehr vermeiden. Zunächst natürlich ohne Amping und nach all den bisherigen „Goodies“ natürlich mit etwas Vorfreude, die nicht durch Verzicht auf vorheriges Stimmen getrübt werden sollte. Schon dabei kam leichtes Grinsen in mein Gesicht, das nach Anschlagen erster Akkorde und Zupfen von ein paar Licks deutlich zunahm. Die Töne „blieben stehen“, schon trocken ein volles, harmonisches Klangbild. Ich fühlte mich sofort recht wohl auf der Gitarre, obwohl ich ja eher Fender- und Gibson-Mensuren gewohnt bin. Bei dieser HB liegt sie mit 635mm ja (bekanntlich) genau dazwischen. Das Greifen empfand ich sofort als sehr bequem……hmmmm……die Saitenlage? Erstmal checken: „Out of the box“ für die E-Saite 1,7mm, für die e-Saite 1,5mm – PRIMA:
Das C-shaping des Halses empfinde ich für meine Spielweise als sehr komfortabel. Sicherlich ist dies nicht jedermann’s Geschmack. Da hilft dann nur testen. Jedenfalls wollte sich einer der in meiner Einleitung erwähnten PRS-Spieler beim Testen gerade wegen des Halses kaum noch von der Gitarre trennen .
Nun aber mal die Kontrolle am Amp durchführen, sollte der nächste Schritt sein. Funktioniert alles? Volumen-Poti drehen: Nicht zu leichtgängig, könnte etwas mehr „Grip“ vertragen, macht aber, was es soll, und ohne gravierende Tonverluste. Auch das Ton-Poti regelt schön von „glockig“ bis „sehr warm“ - auch hier wäre etwas mehr „Grip“ nett. Etwas zu schwergängig (für mich!) ist die push/pull-Funktion am Ton-Poti. Ein versehentliches Bedienen scheidet eigentlich wegen der Position dieses Poti imho eher aus, sodass es tatsächlich gerne leichtgängiger sein dürfte. Auch die Positionierung des PU-Switches hätte ich gerne „näher am Mann“ – am liebsten zwischen den beiden Potis. Aber na ja, man kann erstens nicht alles haben, und zweitens, vielleicht gewöhnt man sich ja auch daran. Die Mechaniken hatte ich schon beim Stimmen in Augenschein genommen und empfinde sie als absolut zufriedenstellend funktionierend.
Das Tremolo war bei Lieferung aufliegend eingestellt. Das wollte ich ändern, da ich nicht nur Divebombs in meinem Spiel nutze. Gesagt, getan – nun ist es schwebend eingestellt
, wobei der Ausbau einer Tremfeder (nunmehr zwei) und das Nachziehen der Federkrallenschrauben nötig war. Angenehmer Nebeneffekt war, dass ich im Zuge dieser Prozedur nochmal die Grenze der Saitenlage ausgekundschaftet habe und nun -ohne Schnarren!- eine Saitenlage von E-1,5mm und e-1,4mm gegeben ist! Das diesem Trem-System manchmal nachgesagte Verstimmen der Gitarre kann ich nicht bestätigen. Jedenfalls kenne ich von meiner US-Strat Schlimmeres .
Sound
Alles Vorgenannte wäre Makulatur, wenn die Gitarre dort, wofür sie nunmal angefertigt wurde, nicht die bisherigen positiven Eigenschaften bestätigen kann. Die Gitarre also in den Amp einstöpseln und mit ihr spielen, war angesagt. Vorab: Die verbauten Humbucker-Pickups von Roswell besitzen annähernd gleichen Widerstand (Bridge 8,4 kOhm, Neck 8,35 kOhm), wobei der Neck-PU in meinen Ohren etwas weniger Höhen und (im Widerspruch zum nachstehenden Datenblatt) Mitten „auspustet“ (Quelle):
Das ist auch durchaus in den weiter unten stehenden Soundproben hörbar. Der Neck-PU klingt wärmer, der Bridge-PU deutlich „crisper/aggressiver“. Diskutierbar ist die Coil-Split-Funktion, bei der sich deutliche Lautstärkeunterschiede zwischen HB- („fett“) und SC- („dünn“) Schaltung auftun. Den weiter unten stehenden Sound-Samples bei dieser Gelegenheit vorweggenommen, veranschaulicht nachstehend ein Schnappschusss aus der DAW diese Differenzen -glaube ich- recht deutlich:
Dem einen (u.a. mir) spielt das womöglich in die Karten, weil man sich bei Soli- und Chord- (i.e. SC<>HB) Wechselei damit ggfs. „automatisch“ mehr bzw. weniger Output ("boost/cut") verschafft und ohnehin viel mit dem Volumen-Poti regelt. Dem anderen könnte es mit seiner Spielweise eher ein Ärgernis sein. In dem Fall wäre dann evtl. die „partielle coil-split“-Modifikation eine Möglichkeit der Optimierung.
Grundsätzlich aber sind dieser Gitarre mit dem 3-way-PU-Switch und Coil-Split viele Grundsounds zu entlocken, was sie imho recht vielseitig macht. Bevor ich aber nun zu viele Worte über den Sound verliere, den ohnehin viele mal so, mal so versuchen zu beschreiben, stelle ich lieber einige aufgenommene Sound-Samples hier herein. Mag sich jeder sein eigenes Hörbild machen .
Anmerkungen dazu:
Gespielt habe ich über einen Blackstar HT-20r mk2 (Röhre) , Master-Vol. konstant, neutrales EQ-ing, keine Effekte, nur ein klein wenig Reverb, abgenommen mit einem Micro AKG 1000s (Condenser), aufgenommen in Reaper, keine Nachbearbeitung. Die Potis an der Gitarre sind beide immer ganz auf. Die Samples im einzelnen sind jeweils in der Reihenfolge
Neck/SC…-...Neck/HB…-...Neck+Bridge/SC…-...Neck+Bridge/HB…-...Bridge/SC…-...Bridge/HB
1. Clean (Blackstar Channel 1, Voice1, Gain 25%)
2. Crunch (Blackstar Channel 1, Voice2, Gain 50%)
3. Lead (Blackstar Channel 2, Voice 2, Gain 30%)
Hier nun noch mit dem ungesplitteten Bridge-Humbucker ein bisschen „Geschrappel“ mit Zugabe von etwas mehr Bass, sowie einer Prise Phasing und Delay, um zu zeigen, dass die Gitarre auch Richtung „Böse“ brauchbar ist .
4. This (wie 3., jedoch Gain 70%)
Und abschliessend noch das weiter oben bereits erwähnte Video aus dem Web über genau dieses Modell:
View: https://www.youtube.com/watch?v=3qKT6SOwG1I
Fazit
Ich glaube, es ist herübergekommen, dass mich diese Gitarre durchaus begeistert. Ehrlich gesagt, war ich im Vorfeld skeptisch, was mich da erwartet. Hört man nicht die Flöhe husten und sucht nicht Haare in der Suppe, dann muss man erstaunt sein, was zu einem Preis von ca. 270€ möglich ist. Ich habe eine vorzüglich eingestellte und makellose Gitarre vor mir, die nur in Nuancen und evtl. Gewohnheiten folgend irgendwelcher Nacharbeiten oder gar Modifikationen bedarf. Ich jedenfalls werde nichts umarbeiten und hoffe, dass meine nach nun ca. fünf Wochen gemachten Erfahrungen noch lange bestätigt bleiben. Ich kann also zumindest das mir zugestellte Modell (Stichwort - Qualitätsstreuung??) nur wärmstens empfehlen. Vielleicht nicht den Profis und ihren Nacheiferern, denen ich weiterhin und gerne ihre Überzeugungen und jahrelang erarbeiteten Präferenzen zugestehe. Natürlich werde ich weiterhin meine "edleren" Gitarren spielen und dort einsetzen, wo auch diese HB ihnen doch nicht gleich kommt bzw. kommen kann, aber weit weg ist sie von ihnen eben auch nicht . Vergleiche mit dem „Original“ unterlasse ich aus bereits genannten Gründen, möchte aber trotzdem und bei allen ggfs. zu erwartenden Kritiken daran erinnern, dass dieses Exemplar lediglich gut 5% des Preises für’s Original kostet .
Danke, dass Ihr so lange durchgehalten habt !
Wer aber nun hofft, dass ich mich zu einem Vergleich hinreissen lassen werde, den muss ich enttäuschen . Nach meiner Ansicht verbietet sich ein solcher von vornherein. Wo soll man z.B. ansetzen, wenn allein schon der Preis -mal Pro, mal Contra für Features bei diesem oder jenen Modell- Tür und Tor für „Relativierungen“ öffnet. Da spar ich mir lieber diese unvermeidlichen Ansätze für Streitgespräche und bleibe bei einer (hoffentlich) neutralen, weitgehend unvoreingenommenen Beschreibung meiner Wahrnehmungen.
Unboxing
Lange Rede, kurzer Sinn - die Bestellung meiner Harley Benton CST-24T in Paradise Flame ging vor einigen Wochen heraus und traf zwei Tage später bereits bei mir ein.
Das Auspacken selbst ruft zwiespältige Ansichten hervor. Man kann aus Warensicherungsaspekten nur grösste Anerkennung zollen für das, was auf der anderen Seite natürlich bei den unseren Verpackungswahn tadelnden Mitmenschen einige Falten auf die Stirn zaubert. Letzteren sei gesagt, dass ich alles behalten werde, um bei einem eventuellen Verkauf einer meiner (ggfs. auch die eines anfragenden Bekannten) Gitarren diesen „Müll“ zumindest einer weiteren Verwendung zuführen zu können .
Neben der Gitarre mit Hangtags lagen der Tremolohebel, sowie je ein Inbus für die Bridge (Reiterhöhe) und den Halsstab bei:
Spezifikationen
Auszug aus der Katalogseite:
- Deluxe Serie
- Korpus: Meranti
- gewölbte Decke: Riegelahorn
- eingeleimter Hals: Meranti
- Griffbrett: geröstetes Jatoba
- Pearloid Dot Griffbretteinlagen
- Hals- und Korpus-Binding
- Halsprofil: C
- Griffbrettradius: 350 mm
- Mensur: 635 mm
- Sattelbreite: 42 mm
- Graphit-Sattel
- 24 Blacksmith Edelstahlbünde
- Tonabnehmer: 2 Roswell HAF AlNiCo-5 Open Coil Humbucker
- 3-Weg-Schalter
- 1 Volume- und 1 Tonregler mit push/pull-Funktion für Coil Split
- Hardware: DLX Chrom
- Wilkinson WVPC Tremolo
- DLX Mechaniken
- Farbe: Paradise Amber Flame
Jatoba als Griffbrettholz ist sicherlich auch preislichen (u.a. ebenfalls geografischer Beschaffungsvorteil) Zwängen geschuldet. Es wird in verschiedenen Branchen als Palisanderersatz genutzt.
Zu DLX, das für die Hardware/Mechaniken genannt wird, gibt es wenig bis keine Informationen im Web. Ein Argument mehr, recht unvoreingenommen an deren Test heranzugehen .
Wilkinson ist ein häufig im low- bis mid-budget Segment zuliefernder Hersteller von Hardware. Beurteilungen im Web gehen von „mies bis bestens“, sodass ich auch dort auf meine eigene Wahrnehmungen setzen muss.
Die in der Gitarre verbauten Pickups kommen von Roswell. Bis ca. 2018/19 -das CST-24T-Modell ist imho seit ca. 2012/13 (?) auf dem Markt- wurden Pickups von Wilkinson eingebaut.
Anzumerken ist, dass Harley Benton aufgrund doch eher „mittelmässiger“ Bewertungen im Netz das Modell Zug um Zug „modifiziert“ hat. So waren lange Zeit Griffbretter aus Ebonol (Kunststoff mit Grafitanteil), die besagten Wilkinson-PU, ein Kunststoffsattel (jetzt Grafit) usw. verbaut. Das ist ein Grund, bei Recherchen im Web darauf zu achten, von wann Tests bzw. Bewertungen dieses Gitarrenmodells sind (auch in den Thomann-Listings!), wenn man sich mit Kaufabsichten und Vorabmeinungen beschäftigt. Vom aktuellen Modell gibt es kaum etwas, ein Video werde ich weiter unten noch verlinken.
Prüfen/Inaugenscheinnahme
So, wie ist es denn nun mit diesem Exemplar beschaffen? Ich könnte es mir leicht machen, denn: Trotz langer Begutachtung und immer wieder erneuter Suche „nach dem Haar in der Suppe“, konnte ich absolut NICHTS entdecken, was Anlass zu Kritik gäbe . Trotzdem aber ein paar Sätze mehr:
Die Gitarre war bestens eingestellt auf den Weg gebracht worden: Neue(!) Saiten (D’Addario EXL 110 .010-.046), oktavrein, schön abgerundete Bundenden, poliertes Griffbrett, polierte Bundstäbe, makellose Lackierung, sauberes Binding.
Das war ja schonmal ein äusserst vielversprechender Start meiner Prüfungen .
Ein Merkmal, das mich direkt positiv stimmte, war das Gewicht der Gitarre. Da ich diesbezgl. ja von meinen „Edel“-Gitarren (siehe einleitende Sätze) nicht gerade verwöhnt bin, waren die 3,75kG sehr angenehm, wenngleich es einigen evtl. doch recht hoch erscheinen mag, aber es sicherlich bei diesem Modell auch Schwankungen nach unten/oben geben mag.
Nach Aufschrauben des E-Fachs zeigte sich folgendes Bild:
Imho sauber genug verlötet und aufgeräumt. Auf dem Schirmlack und den Fräskanten sind leichte Ablagerungen zu sehen, die ich mit einem Pinsel und angefeuchtetem Tuch beseitigen konnte - nichts Weltbewegendes also.
Der mitgelieferte Tremoloarm wird eingesteckt und hat eine zumindest für mich gute Bedienbarkeit – ausreichend fest und dennoch leichtgängig bedienbar.
Spielgefühl
Bis hierhin hatte ich tatsächlich noch keinen einzigen Ton auf der Gitarre gegriffen/gespielt . Aber irgendwann lässt es sich ja nunmal nicht mehr vermeiden. Zunächst natürlich ohne Amping und nach all den bisherigen „Goodies“ natürlich mit etwas Vorfreude, die nicht durch Verzicht auf vorheriges Stimmen getrübt werden sollte. Schon dabei kam leichtes Grinsen in mein Gesicht, das nach Anschlagen erster Akkorde und Zupfen von ein paar Licks deutlich zunahm. Die Töne „blieben stehen“, schon trocken ein volles, harmonisches Klangbild. Ich fühlte mich sofort recht wohl auf der Gitarre, obwohl ich ja eher Fender- und Gibson-Mensuren gewohnt bin. Bei dieser HB liegt sie mit 635mm ja (bekanntlich) genau dazwischen. Das Greifen empfand ich sofort als sehr bequem……hmmmm……die Saitenlage? Erstmal checken: „Out of the box“ für die E-Saite 1,7mm, für die e-Saite 1,5mm – PRIMA:
Das C-shaping des Halses empfinde ich für meine Spielweise als sehr komfortabel. Sicherlich ist dies nicht jedermann’s Geschmack. Da hilft dann nur testen. Jedenfalls wollte sich einer der in meiner Einleitung erwähnten PRS-Spieler beim Testen gerade wegen des Halses kaum noch von der Gitarre trennen .
Nun aber mal die Kontrolle am Amp durchführen, sollte der nächste Schritt sein. Funktioniert alles? Volumen-Poti drehen: Nicht zu leichtgängig, könnte etwas mehr „Grip“ vertragen, macht aber, was es soll, und ohne gravierende Tonverluste. Auch das Ton-Poti regelt schön von „glockig“ bis „sehr warm“ - auch hier wäre etwas mehr „Grip“ nett. Etwas zu schwergängig (für mich!) ist die push/pull-Funktion am Ton-Poti. Ein versehentliches Bedienen scheidet eigentlich wegen der Position dieses Poti imho eher aus, sodass es tatsächlich gerne leichtgängiger sein dürfte. Auch die Positionierung des PU-Switches hätte ich gerne „näher am Mann“ – am liebsten zwischen den beiden Potis. Aber na ja, man kann erstens nicht alles haben, und zweitens, vielleicht gewöhnt man sich ja auch daran. Die Mechaniken hatte ich schon beim Stimmen in Augenschein genommen und empfinde sie als absolut zufriedenstellend funktionierend.
Das Tremolo war bei Lieferung aufliegend eingestellt. Das wollte ich ändern, da ich nicht nur Divebombs in meinem Spiel nutze. Gesagt, getan – nun ist es schwebend eingestellt
, wobei der Ausbau einer Tremfeder (nunmehr zwei) und das Nachziehen der Federkrallenschrauben nötig war. Angenehmer Nebeneffekt war, dass ich im Zuge dieser Prozedur nochmal die Grenze der Saitenlage ausgekundschaftet habe und nun -ohne Schnarren!- eine Saitenlage von E-1,5mm und e-1,4mm gegeben ist! Das diesem Trem-System manchmal nachgesagte Verstimmen der Gitarre kann ich nicht bestätigen. Jedenfalls kenne ich von meiner US-Strat Schlimmeres .
Sound
Alles Vorgenannte wäre Makulatur, wenn die Gitarre dort, wofür sie nunmal angefertigt wurde, nicht die bisherigen positiven Eigenschaften bestätigen kann. Die Gitarre also in den Amp einstöpseln und mit ihr spielen, war angesagt. Vorab: Die verbauten Humbucker-Pickups von Roswell besitzen annähernd gleichen Widerstand (Bridge 8,4 kOhm, Neck 8,35 kOhm), wobei der Neck-PU in meinen Ohren etwas weniger Höhen und (im Widerspruch zum nachstehenden Datenblatt) Mitten „auspustet“ (Quelle):
Das ist auch durchaus in den weiter unten stehenden Soundproben hörbar. Der Neck-PU klingt wärmer, der Bridge-PU deutlich „crisper/aggressiver“. Diskutierbar ist die Coil-Split-Funktion, bei der sich deutliche Lautstärkeunterschiede zwischen HB- („fett“) und SC- („dünn“) Schaltung auftun. Den weiter unten stehenden Sound-Samples bei dieser Gelegenheit vorweggenommen, veranschaulicht nachstehend ein Schnappschusss aus der DAW diese Differenzen -glaube ich- recht deutlich:
Dem einen (u.a. mir) spielt das womöglich in die Karten, weil man sich bei Soli- und Chord- (i.e. SC<>HB) Wechselei damit ggfs. „automatisch“ mehr bzw. weniger Output ("boost/cut") verschafft und ohnehin viel mit dem Volumen-Poti regelt. Dem anderen könnte es mit seiner Spielweise eher ein Ärgernis sein. In dem Fall wäre dann evtl. die „partielle coil-split“-Modifikation eine Möglichkeit der Optimierung.
Grundsätzlich aber sind dieser Gitarre mit dem 3-way-PU-Switch und Coil-Split viele Grundsounds zu entlocken, was sie imho recht vielseitig macht. Bevor ich aber nun zu viele Worte über den Sound verliere, den ohnehin viele mal so, mal so versuchen zu beschreiben, stelle ich lieber einige aufgenommene Sound-Samples hier herein. Mag sich jeder sein eigenes Hörbild machen .
Anmerkungen dazu:
Gespielt habe ich über einen Blackstar HT-20r mk2 (Röhre) , Master-Vol. konstant, neutrales EQ-ing, keine Effekte, nur ein klein wenig Reverb, abgenommen mit einem Micro AKG 1000s (Condenser), aufgenommen in Reaper, keine Nachbearbeitung. Die Potis an der Gitarre sind beide immer ganz auf. Die Samples im einzelnen sind jeweils in der Reihenfolge
Neck/SC…-...Neck/HB…-...Neck+Bridge/SC…-...Neck+Bridge/HB…-...Bridge/SC…-...Bridge/HB
1. Clean (Blackstar Channel 1, Voice1, Gain 25%)
2. Crunch (Blackstar Channel 1, Voice2, Gain 50%)
3. Lead (Blackstar Channel 2, Voice 2, Gain 30%)
Hier nun noch mit dem ungesplitteten Bridge-Humbucker ein bisschen „Geschrappel“ mit Zugabe von etwas mehr Bass, sowie einer Prise Phasing und Delay, um zu zeigen, dass die Gitarre auch Richtung „Böse“ brauchbar ist .
4. This (wie 3., jedoch Gain 70%)
Und abschliessend noch das weiter oben bereits erwähnte Video aus dem Web über genau dieses Modell:
View: https://www.youtube.com/watch?v=3qKT6SOwG1I
Fazit
Ich glaube, es ist herübergekommen, dass mich diese Gitarre durchaus begeistert. Ehrlich gesagt, war ich im Vorfeld skeptisch, was mich da erwartet. Hört man nicht die Flöhe husten und sucht nicht Haare in der Suppe, dann muss man erstaunt sein, was zu einem Preis von ca. 270€ möglich ist. Ich habe eine vorzüglich eingestellte und makellose Gitarre vor mir, die nur in Nuancen und evtl. Gewohnheiten folgend irgendwelcher Nacharbeiten oder gar Modifikationen bedarf. Ich jedenfalls werde nichts umarbeiten und hoffe, dass meine nach nun ca. fünf Wochen gemachten Erfahrungen noch lange bestätigt bleiben. Ich kann also zumindest das mir zugestellte Modell (Stichwort - Qualitätsstreuung??) nur wärmstens empfehlen. Vielleicht nicht den Profis und ihren Nacheiferern, denen ich weiterhin und gerne ihre Überzeugungen und jahrelang erarbeiteten Präferenzen zugestehe. Natürlich werde ich weiterhin meine "edleren" Gitarren spielen und dort einsetzen, wo auch diese HB ihnen doch nicht gleich kommt bzw. kommen kann, aber weit weg ist sie von ihnen eben auch nicht . Vergleiche mit dem „Original“ unterlasse ich aus bereits genannten Gründen, möchte aber trotzdem und bei allen ggfs. zu erwartenden Kritiken daran erinnern, dass dieses Exemplar lediglich gut 5% des Preises für’s Original kostet .
Danke, dass Ihr so lange durchgehalten habt !