Auf Seite 79–80 sogar noch etwas strenger als die reine Empfehlung auf Seite 90 für double-stemmed writing allgemein: wenn man mehrere Parts hat, [...]
Danke, dass Du die Stelle herausgesucht hast - ich hatte das Buch nicht griffbereit, als ich meinen Beitrag schrieb.
Die andere Stelle im Kapitel "
Vocal Music - Choral Writing", die auch auf den von Dir erwähnte Seite 79 verweist, ist:
Quintessenz: Generell ist es gute Praxis, jeder Stimme ihre eigenen Versetzungszeichen zu geben, wenn mehrere Stimmen in einem gemeinsamen System stehen.
Dies gilt nicht für polyphone Instrumente (Gitarre, Klavier, Orgel, Harfe usw.), weil da der Spieler alle Noten im Blick hat (haben muss), während bei gemeinsamer Nutzung eines Systems durch mehrere Spieler/Sänger jeder dazu neigt, nur seine eigene Stimme zu verfolgen.
In der Partitur sind die Kreuze ja drin; das Beispiel, um das es hier geht, ist ja schon eine Zusammenfassung.
Dass es sich beim fraglichen Ton um ein gis handelt, steht ja außer Frage und das hat auch nie jemand bezweifelt.
Die vorliegende "Zusammenfassung", wie Du es nennst, muss aber für sich gesehen gut lesbar sein.
Und es ist nicht unüblich, aus Platzgründen auch in Partituren oder gar Stimmauszügen zwei (oder mehr) Stimmen in ein gemeinsames System zu schreiben.
Oft z. B. hat man "Horn in F I/III" und "Horn in F II/IV" jeweils zusammengefasst.
Falls mein Ursprungspost gemeint ist - das ist definitiv ein Chorsatz.
Ja, eben.
Und da hätte der Carus-Verlag ein wenig mehr Sorgfalt walten lassen können.
Ich sehe das nicht unbedingt so streng als "falsch" an wie
@CUDO II, sondern eher als "etwas unglücklich".
Es ist schwer, Ausgaben mit kombinierten S/A und T/B-Stimmen zu finden, aber bei IMSLP gibt es eine
alte Gesangspartitur, herausgegeben von Th. Paul, die (abweichend vom Carus-Verlag) die hier geforderte Sonderbehandlung zeigt:
Im Extremfall hätte bei solch gemeinsamer Nutzung auch jede Stimme ihre separaten Dynamikbezeichnungen, Texte usw., was allerdings in der Praxis oft eingespart wird, wenn der Satz eher homophon ist.
Gute Praxis für Versetzungszeichen
Obwohl die Regeln klar sind (Versetzungszeichen gelten nur für Takt und Oktavlage usw.), ist es gute Praxis, zur Sicherheit Missverständnissen vorzubeugen und im Zweifelsfall auch "unnötige" Versetzungszeichen zu schreiben.
Das geht sogar teilweise so weit, dass nicht nur, wie im vorliegenden Fall, jede Stimme bei Nutzung eines gemeinsamen Systems ihre eigenen Versetzungszeichen erhält, sondern auch der umgekehrte Fall gilt, nämlich dass auch bei separaten Einzelzeilen die Vorzeichen der anderen (!) Stimmen mitberücksichtigt werden.
Und das wie gesagt
trotz eigener Einzelzeile (!) der Stimmen.
Beispiel: Die Bärenreiter-Urtext-Ausgabe.
Im letzten gezeigten Takt der Tenor-Zeile steht in D-Dur vor dem h ein scheinbar völlig unnötiges Auflösungszeichen, obwohl in dieser Stimme weit und breit kein B-Versetzungszeichen davor zu finden ist:
Der Grund hierfür liegt darin, dass
andere Stimmen (z. B. der Bass) im Takt davor ein b haben. Weil die Gefahr besteht, dass man deshalb noch dieses b im Ohr hat (auch, wenn man es nicht selbst gesungen hat), steht in dieser Ausgabe sicherheitshalber ein Auflösungszeichen vor dem h.
Also: alles, was Missverständnisse vermeiden hilft und somit die Aufführungssicherheit erhöht, ist gut.
Wenn man durch Missverständnis einen falschen Ton reinhaut, hilft auch die Aussage "gemäß der Regeln hätten Sie das aber wissen können" auch nichts.
Viele Grüße
Torsten