Könnt ja gern mal schreiben ob ich mich verbessert habe.
Ja.
...nee, dabei will ichs natürlich auch nicht belassen: Nicht perfekt, aber man merkt, dass Du Deinem Spiel jetzt mehr Richtung gibst und eine Idee davon hast, wo Du hinwillst. Ich finde, das ist schon viel wert, erst recht bei der recht kurzen Zeit seit der letzten Aufnahme. Der Sound erschwert den Vergleich ein bisschen, aber ich hab mehr Variation wahrgenommen und vor allem mehr Groove gefühlt. Das wurde ja schon ein paar Mal betont, und völlig zu recht. Auch Leadgitarre braucht Rhythmus, sonst sind es nur hingeworfene Noten.
Ich finde, übrigens nicht, dass du zu viele Noten spielst. Eher würde ich mich sogar über ein paar schnellere Einsprengsel freuen, aber das ist halt a) Geschmackssache und b) auch eine Frage von Technik und Übung. Von daher kommt das irgendwann auch von allein. Priorität muss erst mal haben, dass die Noten,
die man spielt (ob viele oder wenige), dem Zuhörer immer sagen, dass sie auch genau da sein
sollen. Und umgekehrt - und da wirds jetzt schon ziemlich abstrakt, aber ich hoffe, es ist noch verständlich - sollen auch die Pausen vermitteln, dass man spürt, dass die
nicht gespielten Noten mit
Absicht nicht gespielt wurden...
Halbherzig gespielte Noten sind auf jeden Fall schlimmer als falsche. Selbst aus einer "falschen" kann man oft nachträglich eine "richtige" machen, wenn man sie in den richtigen Kontext stellt. Skalen sind ja letztlich nur Konventionen, quasi eine bewusste Festlegung darauf, dass man diese und jene Note jetzt nacheinander spielen kann und das dann richtig sei. Der Groove ist dagegen eine viel elementarere, Sache - Rhythmus ist Leben, im Körper präsent und fühlbar, wie wir auch dauernd atmen müssen und unser Herz schlägt. Ein weiterer Punkt, der dem nun scheinbar widerspricht: Auch aus dem Groove kann man mal ausbrechen. Einen Lauf zB bewusst verlangsamen bzw. beschleunigen ("Rubato") oder mehr Noten reinpacken, als da eigentlich sein sollten (Eddie war da ein Meister) sorgt für Aha-Momente - wenn man danach den Weg in den Groove wiederfindet, versteht sich.
Ein weiterer Punkt ist die Laut/Leise-Variation. Obwohl bei der Popmusik allgemein und erst recht bei verzerrten Gitarren die allgegenwärtige Kompression diesen Unterschied physikalisch gesehen verkleinert,
klingt die hart angeschlagene Note anders als die mit leichter Hand gespielte und wird anders, nämlich als "lauter" wahrgenommen. Neben Tonhöhe und Rhythmus die dritte grundlegende Dimension, um Töne zu variieren. In dem Punkt passiert bei Dir bisher noch recht wenig, und es ist mMn sogar einer der einfacheren Wege, speziell längere Soli interessanter zu gestalten.
Danach kommen dann die ganzen gitarrenspezifischen Techniken, wie Bendings, Slides (nicht die Blues-Röhrchen, sondern über die Bünde "reinrutschende" Lagenwechsel) Ghost Bends, Pinch Harmonics usw., die man nicht überstrapazieren muss, aber eben auch Leben in die Bude bringen. Wie bei Sängern auch, ich denke da nur mal an Coverdale mit seinen bewusst ins Mikro gehauchten schweren Schnaufern, oder an James Browns Kiekser.
Musik ist letztlich Kommunikation, aber eben auch Show, Unterhaltung. Auch und gerade bei einem weitgehend improvisierten Solo ist es wichtig, ihm Struktur zu geben, eine "Geschichte" daraus zu machen. Eine Einleitung weckt Interesse: ob mit einer Variation der Gesangsmelodie, einem effektvollen schnellen Lauf oder sogar einem bewusst eingesetzten Noise-Effekt wie einem Vibrato-Divebomb oder einem saftigem Pick-Scratch. Dann solltest Du eine Idee entwickeln, die den Kern des Solos ausmacht, der man eine Weile folgen kann (darin bist Du mMn bisher am weitesten), und am Schluss sollte nochmal ein Statement stehen, das das ganze Gedudel zu einem wahrnehmbaren Schlusspunkt bringt, gerne mit einem Aha-Effekt wie einem hohen Ton mit ausgiebigem Vibrato. Darfst Du ein extra langes Solo spielen, kannst Du diese Elemente auch mehrmals einsetzen, sozusagen einen "Zwischenschluss" einbauen, der dann aber doch nochmal zur melodischen Variante zurückführt, bevor der eigentliche Schluss kommt. Das ist so die klassische Herangehensweise: Das Solo als "Song im Song". Und wenn man das mal gut kann, kommt als nächster Schritt wieder, sich auch mal bewusst darüber hinwegzusetzen...
Ich bin technisch nicht besonders gut und von Musiktheorie habe ich noch weniger Ahnung, da mache ich mir nichts vor. Nur habe ich immer wieder an den Reaktionen gemerkt, dass das nicht das ist, was die Zuhörer wahrnehmen. Für die ist viel wichtiger, ob Du was zu sagen hast, und ob das interessant ist. Das wiederum werden Sie nur fühlen, wenn Du es auch selbst fühlst. Ein bisschen Schmummeln ist dabei durchaus erlaubt (und gehört zum "Show"-Teil der Sache), auf jeden Fall besser, als sich über schon gespielte Noten zu ärgern. Kleiner Tipp: Das Publikum hat keine Ahnung, dass da
eigentlich was ganz anderes kommen sollte...
Gruß, bagotrix