Hallo zusammen.
Ich habe das mal ausgegraben, da ich es für sinnvoller halte, einen bestehenden Thread fortzuführen, anstatt zu jedem Thema redundant 5 neue anzusetzen.
Gestern konnte ich 3 JCM 800 Modelle vergleichen. Zwei 80er 2204 und einen nagelneuen 2203x.
Es standen bereit:
2204 am ehesten aus 1981, vertikale Inputs
Röhren: TAD Preamp, EL34
2204 aus 1985, Horizontale Inputs
Röhren: AEG Preamp, RFT Endstufe, wahrscheinlich originale Erstausrüstung
2203x aus 2024
Röhren: JJ Preamp, glaub auch Endstufe
Testweise: Tungsol, Tungsram
Boxen:
Marshall 1960 A mit Pulsonics G12M 75hz (DIE Greenbacks mit 1221 Code)
Marshall 1960 B mit alten G12-65
Diezel FL mit G12-65 Heritage
Mezzabarba „B“ mit 55Hz Blackbacks
Ergebnis:
Amp 1: viel schrille Höhen, diese irgendwie weder angenehm noch gefühlt nützlich. Dafür recht viel wummerigen Baasbereich, aber es fehlte irgendwie die Toninformation in den wichtigen Mitten. Ein Schreihals, dessen Mastervolumen zwischen Aus und Laut zu unterscheiden weiss. Von allen der Amp mit dem geringsten Gainpegel. Insgesamt Ballerlaut. Vielleicht wäre es gut zu wissen, welchen Wert die Gegenkopplung hat…
Es handelte sich um den Amp eines Bandkollegen, der diesen an einer 1960A mit G12T-75 spielt. Im Kontext hört man ihn irgendwie immer, aber schön klingt es in meinen Ohren nicht. Am ehesten noch mit den Pulsonics. Auch die alten G12-65 bremsen die schrillen Höhen und stopfen das Mittenloch etwas. Hier zeigt sich auch vielleicht der Grund für das Voicing des -soweit bekannt unverbastelten Amps. Anfang der 80er gab es die G12-65 er häufiger, ggfs. wurde der Amp hier auf diese Speaker angepasst. Aber das ist blanke Theorie. In Summe kein Amp für mich.
Amp 2:
Deutlich ausgewogener, mehr Mitten, weniger Kreisch. Dafür mehr „Roarr“ im Ton. Passte gut zu den Blackbacks. Irgendwie eine gute Balance zwischen Ton und Fleisch, Kompression und Ortbarkeit. Etwas mehr Gain, aber Mastervolumen im Verhalten ähnlich. Man muss schon sagen: deutlich musikalischer. Hier arbeiten die schon recht alten RFT EL34 sicher mit. Meines Wissens nach sehr stabile, haltbare Röhren, mit scheinbar ausgewogenem Klangbild. Die Rolle der AEG Preampröhren und der Schaltung kann ich natürlich nicht beiseite schieben. Am Ende weiß man nicht, wie der eine 2204 mit den Röhren des anderen klingen würde. Mehr dazu bei
Amp 3:
Auspacken, anschließen, einschalten. Da ist ein Mastervolumen. Gaaanz vorsichtig hochdrehen… oh. Es gibt sowas wie einen Regelweg. Gut. Zimmerlautstärke; ja irgendwie kein Problem. Der Gainregler: genau so. Von 0-7 zunehmende Verzerrung. Ab 8 kommt nochmal eine gehörige Portion „untenrum“ dazu. Dafür wird es im Mittenbild etwas verstopfter. Etwas Mitten und Bass raus, Höhen rein. Spätestens hier will man die Gitarre nicht mehr aus der Hand legen. Das Klangbild nochmal ausgewogener als bei Amp 2. Irgendwie klingt es gewohnt, bekannt. So ein „Instant Rocksound“. Auch hier ist das Mitten- und Hochmitten-/Höhenbild aggressiv, springt einen an. Aber nicht so unmusikalisch wie bei Amp 1, und mit noch mehr Verzerrung als bei Amp 2. Dazu deutlich besser zu regeln.
Auffälligkeiten: Dreht man den Mittenregler zurück, hat man das Gefühl, als würde der Amp leiser und bekommt gefühlt an ein paar Stellen mehr Gain, mehr Kompression.
Zudem bestätigt sich, was ein YouTuber über den Amp sagte: die neuen Trafos erzeugen ein hochfrequentes Störgeräusch. Man muss aber sagen, dass man es im Standby nicht hört, und im Spielbetrieb ist es schlicht weg nicht zu hören, selbst, wenn man die Gitarre leise dreht und nicht direkt am Amp steht.
Es ist lange her, dass ich einen alten JMP 2203 von 1978 mein eigen nannte, aber ich erinnere mich an die „Probleme“, die ich mit dem Amp hatte. Master kaum sinnvoll einsetzbar, auch teils schrille Höhen, „Zuwenig“ Gain ohne Booster. All diese Baustellen hat der 2203x beseitigt. Zudem einen FX Weg. Hier muss man aber sagen: Achtung: Pegel. Habe einen VH4- Preamp in den Return gesteckt. Das war schlichtweg nicht zu gebrauchen, weil Baller-laut. Scheinbar ist dieser FX Weg im Signalweg so verbaut, dass der Master vorne keinen Effekt auf den Pegel hat. Die Dämpfung (-10 dB bzw. +4dB, schaltbar) ist sicher sinnvoll. Ich habe auch keine weiteren Effekte getestet. Aber das könnte Probleme geben. Vielleicht hat da jemand andere Erfahrungen oder kann mir das näher erläutern? Dasselbe Problem habe ich übrigens bei meinem Friedman Twin Sister …
Am Ende haben wir überlegt: wenn neue Technik mit alten Röhren zusammen kommt, was passiert da wohl….und haben einfach mal eine Reihe Tungsram NOS in die Vorstufe gesteckt. Die damalige Werksbestückung. Bäm! Was für ein Mittenbild!!! Unfassbar gut, musikalisch, durchsetzungsfähig, straff, aber auch fleischig/fütternd, wo man es will. Leider sind diese Kolben nahezu nicht mehr zu bekommen. Also die Nachfolger Tung Sol rein. Irgendwie steif, platt, in vielen Punkten das Gegenteil. Mit den JJs war es dann wieder ok. Nicht so geil wie mit den Tungsram. Aber ok. Was mir an dem Amp so gar nicht gefällt, ist das Tolex. Es sieht aus, als hätte man es mit schwarzer Schuhcreme glänzend gerieben. Es ist aber einfach so Hochglanz. Aber das war’s.
Fazit des Abends:
Man kann Vintage-Amps spielen, wenn man es unbedingt will
Man muss es aber nicht, wenn man einen authentischen Marshallsound haben will
Der 2203x kam meiner Vorstellung eines Marshallsounds am nächsten
Neue Technik und NOS Röhren sind der shit
Einen sehr wesentlichen Anteil am „Marshallsound“ haben schlichtweg die Marshallboxen. Wundert einen an sich nicht, aber das haben wir auch deutlich gehört, da selbst ein VH4 über die Blackbacks sehr Marshall-ähnlich klingt.
So. Falls jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat, möge er berichten. Oder auch einfach so..