Guten Morgen zusammen,
am Dienstag wurde ja das neue PRIME, also der inoffizielle Nachfolger des Headrush PEDALBOARD vorgestellt. Das Gerät kam gestern bei mir an und ich hatte glücklicherweise am Abend gleich die Möglichkeit, alle NEUEN Funktionen ausgiebig zu testen. Da ich selbst unentschlossen bin/war und für mich eine Pro-Contra-Liste machen wollte, dachte ich, ich teile meine Erfahrungen gleich mit Euch.
Vorweg mein Einsatzbereich: Ich nutze seither das Pedalboard für E-Gitarre und den kleinen Bruder MX-5 für A-Gitarre und Bass, weil ich bei zuletzt genannten Instrumenten mit weniger Stomp-Buttons auskomme. Das MX-5 nutze ich ausschließlich unterwegs auf der Bühne (direkt ins Pult und mit In-Ear). Das Pedalboard kommt bei mir hauptsächlich daheim mit FRFR-108 zum Einsatz, dabei speise ich zum Proben/Jammen sehr häufig Musik vom Tablet/Spotify mit Aux-Kabel ein. Des Weiteren bin ich reiner Hobbymusiker, der weniger auf perfekten Sound Wert legt, sondern auf viele Möglichkeiten, intuitive Bedienung und eher so auf „primitive Kleinigkeiten“ achtet.
Mein nachfolgender Vergleich bezieht sich letztlich auf die Unterschiede bzw. Upgrades vom Prime zum Pedalboard.
Pro – PRIME:
- Die Benutzeroberfläche sieht schon klasse aus. Dass die Effekte alle original dargestellt werden, gibt einem nochmal mehr ein „analoges“ Gefühl, dass man vom guten alten Setup mit lauter Einzeleffekt nicht allzu weit weg ist. Es sieht nicht mehr so billig, sondern echt professionell aus.
- Es kommt schon eine ganz andere Software zum Einsatz, also das ganze Menü ist anders aufgebaut. Als langjähriger Headrush-Nutzer findet man sich aber trotzdem schnell zurecht und wenn man sich mal umgewöhnt hat, ist es fast intuitiver. Gut finde ich zum Beispiel, dass man unten links den Name der Setlist anwählen und damit die Setlist wechseln kann. Das geht auf den alten Geräten nicht bzw. nur übers Menü oben.
- WLAN war superschnell und problemlos eingerichtet.
- Bluetooth war superschnell und problemlos verbunden.
- Die Verbindung blieb bei beidem bis zum Nachbarzimmer stabil, ein weiteres Zimmer hatte ich in meiner kleinen Wohnung leider nicht zum Testen zur Verfügung J
- Der Zugang zur (neuen?) Headrush-Cloud ging per QR-Code-Scan mit Handy problemlos. Man musste dann am Handy/Tablet zwar einen neuen Account anlegen (https://device.inmusicbrands.com/) , das ging aber recht fix und die Verbindung zur Cloud stand dann auch sofort. Die Cloud selber war ganz cool, allerdings noch ziemlich leer. Nur ein paar der bekannten Gratis-Rigs von AlJoseph, Tracii Guns etc. waren dort online. Ich hab selbst ein Rig hochgeladen, das hat auch super easy funktioniert.
- Mic-Eingang. Haben ist bekanntlich besser als brauchen, funktionieren tuts auch. Ich hab nicht allzu viel Zeit in diesen Test investiert, aber ein paar brauchbare Klänge konnte man auch hier auf die Schnelle generieren.
- Es war kein Problem, die bereits vorhandenen Rigs von Pedalboard/MX-5 aufs Prime zu laden und zu nutzen. Ich konnte klanglich auf Zimmerlautstärke keinen Unterschied feststellen. Das Prime funktioniert also als Fortführung für Nutzer bisheriger Geräte, ohne alle Rigs neu erstellen zu müssen. Da das seitens Headrush noch nirgends erwähnt wurde, mach ich das mal. Wäre andernfalls für mich nämlich ein K.O.-Kriterium gewesen.
- Wenn das Board in einem Case untergebracht ist und z.B. an der Wand/vor einem Verstärker steht, ist die Kennzeichnung der Ein-/Ausgänge nun besser angebracht, da man sie von vorne/oben lesen kann. Ich musste mein Pedalboard immer aus dem Case herauslupfen, um erkennen zu können, wo was einzustecken ist. Das ist jetzt besser gelöst.
- Amp-Cloning habe ich nicht getestet bzw. konnte ich nicht testen. Ich kann dazu nichts sagen, werte es aber mal als „Pro“, dass die Möglichkeit besteht.
- Das Board verfügt über ein Metronom im Menü. Finde ich zum Üben ein tolles Feature.
- Das Gewicht vom Gerät ist trotz zusätzlicher Eingänge und mehr Funktionen mit 7,5 kg gleich geblieben.
- Direkter Zugriff auf die Dropbox möglich, das hat schon seinen Reiz.
Contra – PRIME:
- Seltsamerweise war der WOW-Effekt mit der schönen Darstellung der Effekte bei mir recht schnell verflogen, weil die Farben der Taster nicht mehr zur Farbe des Effekts passen. Ich weiß nicht ob das einfach nur Gewohnheit ist, aber ich fand die immer gleichen und nur farblich unterschiedlichen „Kistchen“ irgendwie übersichtlicher.
- Da das Prime wenn dann mein Pedalboard ersetzen würde, ich aber weiterhin aufgrund der Größe das MX-5 nutze, würde mich die unterschiedliche Menüführung/-bedienung irgendwie nerven. Anderseits erstelle ich eigentlich eh alle Sounds am Pedalboard und kopiere diese nur. Dennoch triggert mich dieses „nicht einheitlich“ als Nutzer von mehreren Geräten. Ich könnte mir vorstellen, dass dass MX-5 (oder wie auch immer es dann heißen mag) auch irgendwann upgedatet wird. Es ist aber dann auch irgendwann eine Kostenfrage, gleich zwei Geräte auszutauschen wegen ein bisschen upgrade.
- Das Musik-Streaming via Bluetooth ist zwar ein nettes, zusätzliches Feature. Bei mir käme aber weiterhin nur das Aux-Kabel zum Einsatz. Hintergrund: Das Aux-in Volume kann ich daheim beim Üben direkt am Gerät pegeln, via Bluetooth geht das aber nicht. Da muss ich die Lautstärke am Abspielgerät anpassen. Das wäre an sich ja alles nicht das Problem, allerdings stimmt bei meinen Rigs das Verhältnis zur Bluetooth-Lautstärke nie. Ich war am Tablet schon bei 100%, es war aber kaum etwas zu hören, während meine Gitarre schon massiv laut gedröhnt hat. Um das sinnvoll zu nutzen müsste ich also alle meine Rigs in der Gesamtlautstärke umbauen. In meinem Fall dann lieber doch ein Kabel.
- Die Cloud war zwar schnell zugänglich und auch einigermaßen übersichtlich, allerdings hat der Download nur bedingt funktioniert. Bei einem kam die Meldung „erfolgreich“, ich konnte das Rig aber nirgends auf dem Board finden. Beim anderen kam „fehlgeschlagen“, das Rig war aber trotzdem auf dem Board. Vielleicht war ich auch zu blöd (hab keine Bedienungsanleitung gelesen) und sicher ist ein Software-Problem auch schnell per Update behoben, aber ganz perfekt lief es bei mir eben nicht.
- Ich hab den Mic-Eingang wie gesagt nur kurz getestet. Die vorprogrammierten Sounds „Gitarre+Gesang“ waren aber alle extrem künstlich. Speziell der Harmony-Effekt war in der Voreinstellung komplett unbrauchbar. Dazu ist der Gain-Regler auf der Rückseite schlecht zu erreichen, wenn das Board irgendwann in einem Case liegt und verkabelt ist. Ob das letztlich die eierlegende Wollmilch-Sau für Alleinunterhalter ist, wage ich mal vorsichtig zu bezweifeln. Da habe ich z.B. von TC-Helicon schon bessere Geräte in der Hand gehabt. Ich wills jetzt aber nicht komplett schlecht reden. Der ein oder andere hat sicher Verwendung dafür und es ist ein nice-to-have, für den reinen Gitarristen aber eben auch nicht mehr.
- In puncto Verstärker/Effekte hat sich nichts geändert. Zwar ist es von Vorteil, dass vorhandene Rigs nun weiterverwendet werden können, aber dass es irgendwelchen neuen Verstärker und Effekte gibt, die es beim Pedalboard nicht gibt, ist nicht der Fall.
- Das Board ist über 4 Zentimeter breiter, als das Pedalboard (Vgl. Pedalboard 60.96 x 30.48 x 7.92 cm vs. Prime 65.23 x 30.78 x 8.23 cm). Am meisten regt mich dabei auf, dass damit halt auch das Case nicht mehr passt. Ich weiß nicht, ob Headrush mit Thon & Co irgendein Abkommen hat, aber ich bin mir sicher, dass das Board auch mit den gleichen Abmessungen hätte konstruiert werden können (zumindest Breite und Tiefe). Dann hätte der ein oder andere vielleicht auch sein Pedalboard als Backup behalten. Ich hab z.B. in 2 Wochen einen Gig und es gibt noch kein Case fürs Prime, somit kommt es für mich dahingehend schon mal nicht in Frage.
- Das Practice-Tool ist auch ein nice-to-have, aber es ist halt auch ein eigener Menüpunkt. Dort was abzuspielen und wieder zu den Rigs zu wechseln bedeutet, dass der Backing-Track dann nicht lauter/leiser gemacht oder gestoppt werden kann. Also eher Rig auswählen und dann ins Pratice-Tool, dann kann ich aber mein Rig nicht wechseln. Weird.
- Das Board braucht deutlich länger zum an- und ausschalten. Klar, mit der WLAN-Anbindung ins Internet & Co. Ist das halt ein richtiger Computer geworden und durch die umfangreichere Software braucht das booten halt länger. Normal ist „neu“ aber ja immer schneller und besser, in diesem Punkt aber nicht.
- Die Cloud ist zwar cool, aber an irgendeinem Punkt hab ich mich gefragt, was ich dort eigentlich genau benötigen soll? Nach ein paar Jahren Headrush-Nutzung hat doch eigentlich jeder beieinander, was er an Sounds braucht. Und wenn es dann doch mal etwas gibt, finde ich den USB-Transfer jetzt nicht so dramatisch. Ich finde eine vernünftige Cloud wichtiger als den Zugang direkt übers Gerät.
- Preis (zumindest als Aufpreis zum Upgrade vom Pedalboard zu verstehen)
Mein Fazit:
Das neue Board ist cool, bietet einige Funktionen mehr und ist für Neueinsteiger sicherlich eines der interessantesten Multieffekt-Geräte am Markt. Speziell wer noch analog unterwegs ist und schon länger mit einem Umstieg auf ein Digitalboard liebäugelt, findet hier im Vergleich zu den Vorgängermodellen nochmal mehr Möglichkeiten und Funktionen. Hier lohnt sich ein Test definitiv.
Als bestehender Pedalboard-User verspüre ich nach einem Tag Nutzung jetzt allerdings überhaupt keinen zwingenden Drang, auf das Prime umzusteigen, der den Preisunterschied rechtfertig. Das Gerät ist ein Upgrade, ja. Für mein neuwertiges, aber gebrauchtes Pedalboard mit Case bekomme ich vllt. 600-700 €, für das Prime zahle ich 1200 € + Case = ca. 1350-1400 €. Für diese 700-750 € Differenz bekomme ich als Bestandskunde Musikstreaming via Bluetooth, wo ich die Lautstärke nicht sinnvoll steuern kann (weshalb es bei mir das Aux-Kabel nicht ersetzen würde), eine Cloud, die irgendwann vollgemüllt und dann an dem kleinen 7“ Display nicht mehr übersichtlich sein wird, Dropbox-Zugang und ein Metronom. Dazu bekomme ich ein Mic-Eingang (den ich persönlich nicht nutze) und Amp-Cloning, was ich ebenfalls nicht nutze, weil das Gerät ja zumindest bei mir eigentlich alle Amps und Effekte kompakt ersetzen sollte (hier nochmal der Hinweis: Ich bin Hobby Musiker mit mehreren Instrumenten in verschiedenen kleinen Bands, nix mit Studio, nix professionell und ich hab alles andere extra verkauft, um kompakt unterwegs zu sein). Den Mehrwert sehe ich aktuell für mich persönlich überhaupt nicht.
Normalerweise gehöre ich ja zu der Sorte „irrational bescheuert“, wo gerne mal etwas kauft, Hauptsache man hat „das Beste vom Besten und Neuesten am Markt“, wo ich mir dann selbst einrede, dass „wenn ich das kaufe, ich dann die nächsten Jahre erstmal nichts mehr investieren muss“. Aber da ich weiterhin das MX-5 nutzen will, triggert mich die neue Software sogar eher noch im Vergleich bei Nutzung beider Geräte. Ich werde mich also eher versuchen damit abzufinden, nicht das neueste und beste Pferd im Stall bei mir im Wohnzimmer stehen zu haben und mir dafür ~700,00 € zu sparen. Auch wenn mir die Entscheidung nicht unbedingt leicht fällt, geht das Prime in meinem Fall vermutlich nach dem Wochenende zurück.
Liebe Grüße!
P.S.: Meine Darstellungen und Beschreibungen sind sicherlich weniger technischer, sondern eher etwas naiver Herkunft. Dennoch sitzt ja der/die ein oder andere Headrush-NutzerIn im selben unprofessionellen Hobby-Musiker-Boot und spielt ebenfalls mit dem Gedanke, das Pedalboard upzugraden. Ich hoffe, ich konnte an dieser Stelle etwas Aufschluss bringen.