Stratspieler
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“Wie – Gibson baute auch Röhrenamps?“
Die zugegeben etwas provokative Frage soll Kenner jetzt nicht düpieren; wissen sie doch zur Genüge, dass es einst eine regelrechte Hochzeit von Gibson-Amps in Konkurrenz z.B. zu Fender auf dem Markt gab. Ich schreibe meine Frage lediglich für alle diejenigen, die das Board hier oft nur mit Gibson und „Les Paul“ oder „ES-335“ verbinden, den Finger hebend; nee, da hat es nicht nur Gitarren, sondern da hatte es auch hervorragende Amps, von denen ich einen hier gerne vorstellen möchte.
Ein eher technisches Review über so eine relativ seltene Art dieser Spezies? Lohnt sich denn das noch? Ich denke ja. Diese Amps werden immer wieder mal angeboten, offenbar fanden viele damals ihren Weg über den großen Teich nach Europa. Und es lohnt sich, auch abseits vom üblichen Mainstream einen Blick über den klanglichen Tellerrand zu werfen, denke ich, so dass solche Amps nicht in Vergessenheit geraten. Leiste ich somit für Interessierte eine kleine Pionierarbeit.
Ich versuche aber auch zu erklären, warum so eine betagte Röhren-Diva (andere Sichtweise meines damaligen Rundfunkmechanikermeisters, die ich inzwischen übernommen habe, liegt wohl am Alter: "so eine alte Gurke") hinsichtlich ihres Reparatur- und heutigen Kostenaufwandes inzwischen kein Spielkram mehr ist. Heute haben wir moderne Technik, die für einen geringeren finanziellen Aufwand (ein OX zum Beispiel kostet neu deutlich weniger als der Gebrauchtpreis dieses Amps und hier sind noch keine Reparaturkosten berechnet!) einen Hörgenuß spendiert, der nicht nur in einer - hm - ebenbürtigen Liga spielt, sondern der dazu noch deutlich variabler in seiner Anwendung ist. Was also ist zumindest der Lohn der Mühe, sich so einen Amp anzuschaffen? Was kommt heraus, wie klingt’s?
--
„Gibson GA77-RVT Vanguard“
So lautet der etwas sperrige Name dieses schon betagten, schweren Amps, dessen Griff offenbar nicht mehr original ist und wo sich das G beim Transport des Besitzers vom Kauf nach daheim gewissermaßen ins Zerbröseln verabschiedet hat:
Ich habe es noch nicht herausgefunden, woraus sich dieser Name zusammensetzt. Meine Vermutung: „R“ steht für Reverb, „T“ für Tremolo. Wofür das „V“ steht, weiß ich nicht, entweder für Vibrato, was ja eigentlich nicht stimmt, oder für Vanguard = Avantgarde? Ich vermute diese Namenskonstellation daher, weil es im Zuge meiner Recherchen auch einen „RET“ gab, dessen „E“ für Echo steht.
Zum Amp findet man wenig bis nichts im Web. Außer diverse Annoncen.
Eine Information findet sich hier, die besagt: „…The GA-77RVT Vanguard amp. It was introduced in 1962 and replaced by the GA-77RET in 1965. A few remaining amps were shipped in 1966 and 67. Most GA-77RVTs were covered in smooth brown tolex and brown Saran grill cloth with tan stripe. At first a tolex fabric with a texture more like modern guitar case tolex covering was used but this was changed into a chiseled like texture tolex sometime in 1963. In 1964 a rough weave black tolex and silver Saran grill cloth was used. This should make it easy to date a GA-77RVT at a glance….”
Der hier vorgestellte Amp wurde lt. Angabe des Verkäufers nur 1964 produziert.
Man findet im Web eine Bedienungsanleitung, jedoch zeigt sie den falschen Schaltplan. Den falschen?
Nun ja: Es gab bislang speziell für diesen Amp im Web keinen. Das war zunächst verwunderlich, denn in sehr vielen „Schematic-Heavens“ tummeln sich massenhaft Schaltpläne für Gibson-Amps. Aber eben nicht für diesen.
In einem amerikanischen Forum suchte jemand vor Jahren für diesen Amp verzweifelt einen Schematic, fand jedoch auch nichts, behalf sich selbst und veröffentlichte – nichts. Meine Anfrage bei Gibson ging ins Leere. Gibson bedankte sich zwar freundlich, verwies aber darauf, dass das alles schon zu alt sei, man hätte diesbezüglich nichts mehr – und sendete mir einen falschen Schaltplan. Genau der einzige zu diesem Amp, der sich im Web findet. Und der stimmt eben nicht. Warum?
Nur 1964 produziert: Gibson himself hat innerhalb der kurzen Serie dieses GA-77RVT von 1962 bis 1965 nicht nur massiv in dessen Schaltung herumgewirtschaftet und geändert, sondern auch noch die Röhrenbestückung variiert. Veröffentlicht wurde offenbar nichts und im Web gibt es nur eine einzige verfügbare Version des Schematics - für mich die falsche. Sie mag zur Bedienungsanleitung passen, aber eben nicht zum hier vorgestellten Amp. Weiß der Geier, wer diese eine Version ins Netz gestellt hat. Besser als nichts, aber eben die nicht passende.
Auch eine Anfrage des Besitzers des Amps bei einem bekannten Kolumnenschreiber in einem „Musiker-Fachmagazin“ ging ins Leere. Man habe leider nichts. Das wunderte mich dann nicht mehr wirklich, weil
a) dort kennt man rein technikbezogen (!) offenbar nur Fender und Marshall und
b) was das „Musiker-Fachmagazin“ nicht hat, kann es auch weltweit nicht geben, sic!
--
Der jetzige Besitzer erstand den GA77-RVT in Kommission mit dem Hinweis „Funktion einwandfrei“. Die erste Funktionsprobe bei mir war ernüchternd: Geliefert wurden gerade mal etwas über drei Watt, dann setzten hässliche Verzerrungen ein. Klanglich war alles extrem dünn und spitz und wehe, man drehte den oder die Treble-Regler auch nur einen Hauch auf, sofort wurde alles extrem scharf schneidend und spitz im Ton. Eine gründliche Reparatur war angezeigt.
Mir blieb nichts weiter übrig, als den Schematic selbst zu erstellen:
Das hat mehrere Abende gedauert. Aber zum Glück kochte man auch bei Gibson nur mit Wasser und mit Hilfe von zusätzlichen Schematics, die zum Glück noch im Web auffindbar sind…
- GA-30RVT
- GA-75
- GA-77RVT (richtig: die eine, falsche Version mit anderer Beschaltung und anderer Röhrenbestückung)
…flossen in geduldiger Fleißarbeit viele Details aus den einzelnen Schaltungen in Verbindung mit der vorgefundenen Verdrahtung des Amps, in dem schon vor mir jemand „drin“ war, gut zu sehen an den blauen Elkos und den heißgeklebten Netzteilelkos...
…zu einem Ganzen zusammen.
Und hiermit sozusagen auferstanden aus der Versenkung und möglicherweise erstmals überhaupt in einem öffentlichen Forum im Web Stratspieler proudly presents den Schematic des GA77-RVT dieser Version:
In einem speziellen Forum für Amp-Gurus habe ich ihn bereits veröffentlicht und ich habe ihn inzwischen auch Gibson gesendet als kleines Dankeschön für deren Zuarbeit. Da ich rein gar nichts über den Amp finden konnte, insbesondere keine technischen Dokumentationen zu Prüfzwecken, habe ich einen zweiten Schematic erstellt. Darin sind AC-Signalspannungen notiert, sowie erstellte Prüf- und Meßpunkte, so dass ich überhaupt erst einmal eine Art „technisches Gefühl“ für die Kiste bekam. Diesen Schematic zeige ich hier nicht, der würde nur Verwirrung stiften.
Dafür zeige ich hier gerne einmal das Thema „Schutzerde an Masse“ im Anlieferungszustand:
PE (grün) wurde einfach an die Masse des Netzschalters gelötet, der irgendwie mit dem Chassis verschraubt ist… Der Besitzer wunderte sich nicht, warum es ab und an so seltsam kribbelte und fragte richtigerweise sofort nach, ob da was mit der Schutzerde nicht stimmen könnte...
Und hinter dem Pfeil ist der Death-Cap zu erkennen, der da schlummert...
Ich sehe nun die aufmerksamen Betrachter des Schematics den Finger heben: „Moment mal, was für ein Schaltzeichen hast du denn für den Optokoppler verwendet? Das ist doch niemals eine Spule?“ Richtig, stimmt! Im Optokoppler arbeitet rechts neben dem CdS-Widerstand selbstverständlich eine Glimmlampe und keine Spule. Ich habe nur der Originalität wegen das als Spule so gelassen. In einem anderen, zeitgenössischen Schaltplan von einem Gibson-Amp mit Optokoppler, den ich gefunden habe, ist das auch fälschlicherweise als Spule gezeichnet.
--
Die vorliegende Amp hat die Röhrenbestückung 6EU7 – 6EU6 – 12AU7 – 6EU7 – 6EU7 – 6FQ7 – 6L6GC – 6L6GC – OA2.
Im Bild ist das von rechts nach links bei abgenommener Rückwand gut zu sehen. Man beachte die waagerecht liegenden Röhren auf dem senkrechten Chassis, montiert über den gewaltigen JBL-Fünfzehnzöller:
6EU7? 6FQ7? OA2? Ja, es sind aus heutiger Sicht und obendrein hier in Europa sowas wie Exoten. Wobei die 6EU7 in ihren Daten der 12AX7 identisch ist. Die 6FQ7 ist meinem jetzigen Wissen nach nicht so 1:1 mit einer geläufigen Doppeltriode ersetzbar. Allen 6er Röhren gemein ist, dass sie eine andere Sockelschaltung haben als die Doppeltrioden der 12er Typenbezeichnung. Ein „Einfach austauschen“ der 6er gegen 12er ist also nicht drin, dazu müsste man erst die Beschaltungen an ihren Fassungen ändern. Will man das? Weil das kostet Zeit! Aber die Exoten-Röhren? Gibt es die für lau??
Bei der OA2 handelt es sich um einen Glimmstabilisator, der dafür sorgt, dass die angeschlossenen Stufen mit einer stabilisierten Versorgungsspannung von +150 Volt betrieben werden. Wir Bastler unter uns haben Ersatz inform der deutschen StR-Glimmstabis vorrätig.
Da der Stabi nur eine Hilfsfunktion hat, lasse ich ihn im Blockschaltbild des Amps einfach mal weg:
Man sieht erst einmal zwei mehr oder weniger identisch aufgebaute Kanäle 1 und 2. An den Kanal 2 ist parallel der Reverb- und Tremolopfad angeflanscht. Dazu später mehr. Über die Mischwiderstände R1 und R2 mit unterschiedlichen Werten gelangt die NF in den PI, der hier als Kathodynstufe aufgebaut ist. Da diese Art der Phaseninverter nichts verstärken, hat Gibson mit V6 eine Art „Nachbrenner“ spendiert, damit genügend (Doppel-)Wumms D) zur Ansteuerung der hundsordinären Gegentaktendstufe vorhanden ist. Im Grunde genommen ist das alles nichts allzu Aufregendes, wenngleich der Amp dennoch diverse Schmankerl bereit hält. Das fängt bei den Klangregelstufen an und hört beim Fotowiderstand LDR-1 auf. Auch dazu erst später mehr.
Gibson hat die Gitterwiderstände des Nachbrenners aufgeteilt und dem Amp dadurch eine „Monitor“-Buchse spendiert. Wer möchte, kann hier gemäß Bedienungsanleitung in Wort und Bild NF entnehmen und sie weiteren Anwendungszwecken zuführen.
Wer sich einmal genau den Schaltplan anschaut, dem fällt am Kathodenwiderstand des PI ein Elko auf, 20µF/6V. Nanu? Nur 6V? Tatsächlich! Man hat es hier offenbar gut gemeint und versucht, der Stromgegenkopplung mittels des Elkos wirksam zu begegnen. Nur liegt am Elko eine viel zu große Gleichspannung gegen Masse an. Und natürlich ist der tatsächlich ab Werk (!) so dimensionierte Elko (die kathodenelkos sehen nicht so aus, als wurden die jemals ausgetauscht) mehr oder weniger durchgeschlagen und dient(e) nur noch als hochohmig gewordener Widerstand…
(Wird fortgesetzt)
Die zugegeben etwas provokative Frage soll Kenner jetzt nicht düpieren; wissen sie doch zur Genüge, dass es einst eine regelrechte Hochzeit von Gibson-Amps in Konkurrenz z.B. zu Fender auf dem Markt gab. Ich schreibe meine Frage lediglich für alle diejenigen, die das Board hier oft nur mit Gibson und „Les Paul“ oder „ES-335“ verbinden, den Finger hebend; nee, da hat es nicht nur Gitarren, sondern da hatte es auch hervorragende Amps, von denen ich einen hier gerne vorstellen möchte.
Ein eher technisches Review über so eine relativ seltene Art dieser Spezies? Lohnt sich denn das noch? Ich denke ja. Diese Amps werden immer wieder mal angeboten, offenbar fanden viele damals ihren Weg über den großen Teich nach Europa. Und es lohnt sich, auch abseits vom üblichen Mainstream einen Blick über den klanglichen Tellerrand zu werfen, denke ich, so dass solche Amps nicht in Vergessenheit geraten. Leiste ich somit für Interessierte eine kleine Pionierarbeit.
Ich versuche aber auch zu erklären, warum so eine betagte Röhren-Diva (andere Sichtweise meines damaligen Rundfunkmechanikermeisters, die ich inzwischen übernommen habe, liegt wohl am Alter: "so eine alte Gurke") hinsichtlich ihres Reparatur- und heutigen Kostenaufwandes inzwischen kein Spielkram mehr ist. Heute haben wir moderne Technik, die für einen geringeren finanziellen Aufwand (ein OX zum Beispiel kostet neu deutlich weniger als der Gebrauchtpreis dieses Amps und hier sind noch keine Reparaturkosten berechnet!) einen Hörgenuß spendiert, der nicht nur in einer - hm - ebenbürtigen Liga spielt, sondern der dazu noch deutlich variabler in seiner Anwendung ist. Was also ist zumindest der Lohn der Mühe, sich so einen Amp anzuschaffen? Was kommt heraus, wie klingt’s?
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„Gibson GA77-RVT Vanguard“
So lautet der etwas sperrige Name dieses schon betagten, schweren Amps, dessen Griff offenbar nicht mehr original ist und wo sich das G beim Transport des Besitzers vom Kauf nach daheim gewissermaßen ins Zerbröseln verabschiedet hat:
Ich habe es noch nicht herausgefunden, woraus sich dieser Name zusammensetzt. Meine Vermutung: „R“ steht für Reverb, „T“ für Tremolo. Wofür das „V“ steht, weiß ich nicht, entweder für Vibrato, was ja eigentlich nicht stimmt, oder für Vanguard = Avantgarde? Ich vermute diese Namenskonstellation daher, weil es im Zuge meiner Recherchen auch einen „RET“ gab, dessen „E“ für Echo steht.
Zum Amp findet man wenig bis nichts im Web. Außer diverse Annoncen.
Eine Information findet sich hier, die besagt: „…The GA-77RVT Vanguard amp. It was introduced in 1962 and replaced by the GA-77RET in 1965. A few remaining amps were shipped in 1966 and 67. Most GA-77RVTs were covered in smooth brown tolex and brown Saran grill cloth with tan stripe. At first a tolex fabric with a texture more like modern guitar case tolex covering was used but this was changed into a chiseled like texture tolex sometime in 1963. In 1964 a rough weave black tolex and silver Saran grill cloth was used. This should make it easy to date a GA-77RVT at a glance….”
Der hier vorgestellte Amp wurde lt. Angabe des Verkäufers nur 1964 produziert.
Man findet im Web eine Bedienungsanleitung, jedoch zeigt sie den falschen Schaltplan. Den falschen?
Nun ja: Es gab bislang speziell für diesen Amp im Web keinen. Das war zunächst verwunderlich, denn in sehr vielen „Schematic-Heavens“ tummeln sich massenhaft Schaltpläne für Gibson-Amps. Aber eben nicht für diesen.
In einem amerikanischen Forum suchte jemand vor Jahren für diesen Amp verzweifelt einen Schematic, fand jedoch auch nichts, behalf sich selbst und veröffentlichte – nichts. Meine Anfrage bei Gibson ging ins Leere. Gibson bedankte sich zwar freundlich, verwies aber darauf, dass das alles schon zu alt sei, man hätte diesbezüglich nichts mehr – und sendete mir einen falschen Schaltplan. Genau der einzige zu diesem Amp, der sich im Web findet. Und der stimmt eben nicht. Warum?
Nur 1964 produziert: Gibson himself hat innerhalb der kurzen Serie dieses GA-77RVT von 1962 bis 1965 nicht nur massiv in dessen Schaltung herumgewirtschaftet und geändert, sondern auch noch die Röhrenbestückung variiert. Veröffentlicht wurde offenbar nichts und im Web gibt es nur eine einzige verfügbare Version des Schematics - für mich die falsche. Sie mag zur Bedienungsanleitung passen, aber eben nicht zum hier vorgestellten Amp. Weiß der Geier, wer diese eine Version ins Netz gestellt hat. Besser als nichts, aber eben die nicht passende.
Auch eine Anfrage des Besitzers des Amps bei einem bekannten Kolumnenschreiber in einem „Musiker-Fachmagazin“ ging ins Leere. Man habe leider nichts. Das wunderte mich dann nicht mehr wirklich, weil
a) dort kennt man rein technikbezogen (!) offenbar nur Fender und Marshall und
b) was das „Musiker-Fachmagazin“ nicht hat, kann es auch weltweit nicht geben, sic!
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Der jetzige Besitzer erstand den GA77-RVT in Kommission mit dem Hinweis „Funktion einwandfrei“. Die erste Funktionsprobe bei mir war ernüchternd: Geliefert wurden gerade mal etwas über drei Watt, dann setzten hässliche Verzerrungen ein. Klanglich war alles extrem dünn und spitz und wehe, man drehte den oder die Treble-Regler auch nur einen Hauch auf, sofort wurde alles extrem scharf schneidend und spitz im Ton. Eine gründliche Reparatur war angezeigt.
Mir blieb nichts weiter übrig, als den Schematic selbst zu erstellen:
Das hat mehrere Abende gedauert. Aber zum Glück kochte man auch bei Gibson nur mit Wasser und mit Hilfe von zusätzlichen Schematics, die zum Glück noch im Web auffindbar sind…
- GA-30RVT
- GA-75
- GA-77RVT (richtig: die eine, falsche Version mit anderer Beschaltung und anderer Röhrenbestückung)
…flossen in geduldiger Fleißarbeit viele Details aus den einzelnen Schaltungen in Verbindung mit der vorgefundenen Verdrahtung des Amps, in dem schon vor mir jemand „drin“ war, gut zu sehen an den blauen Elkos und den heißgeklebten Netzteilelkos...
…zu einem Ganzen zusammen.
Und hiermit sozusagen auferstanden aus der Versenkung und möglicherweise erstmals überhaupt in einem öffentlichen Forum im Web Stratspieler proudly presents den Schematic des GA77-RVT dieser Version:
In einem speziellen Forum für Amp-Gurus habe ich ihn bereits veröffentlicht und ich habe ihn inzwischen auch Gibson gesendet als kleines Dankeschön für deren Zuarbeit. Da ich rein gar nichts über den Amp finden konnte, insbesondere keine technischen Dokumentationen zu Prüfzwecken, habe ich einen zweiten Schematic erstellt. Darin sind AC-Signalspannungen notiert, sowie erstellte Prüf- und Meßpunkte, so dass ich überhaupt erst einmal eine Art „technisches Gefühl“ für die Kiste bekam. Diesen Schematic zeige ich hier nicht, der würde nur Verwirrung stiften.
Dafür zeige ich hier gerne einmal das Thema „Schutzerde an Masse“ im Anlieferungszustand:
PE (grün) wurde einfach an die Masse des Netzschalters gelötet, der irgendwie mit dem Chassis verschraubt ist… Der Besitzer wunderte sich nicht, warum es ab und an so seltsam kribbelte und fragte richtigerweise sofort nach, ob da was mit der Schutzerde nicht stimmen könnte...
Und hinter dem Pfeil ist der Death-Cap zu erkennen, der da schlummert...
Ich sehe nun die aufmerksamen Betrachter des Schematics den Finger heben: „Moment mal, was für ein Schaltzeichen hast du denn für den Optokoppler verwendet? Das ist doch niemals eine Spule?“ Richtig, stimmt! Im Optokoppler arbeitet rechts neben dem CdS-Widerstand selbstverständlich eine Glimmlampe und keine Spule. Ich habe nur der Originalität wegen das als Spule so gelassen. In einem anderen, zeitgenössischen Schaltplan von einem Gibson-Amp mit Optokoppler, den ich gefunden habe, ist das auch fälschlicherweise als Spule gezeichnet.
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Die vorliegende Amp hat die Röhrenbestückung 6EU7 – 6EU6 – 12AU7 – 6EU7 – 6EU7 – 6FQ7 – 6L6GC – 6L6GC – OA2.
Im Bild ist das von rechts nach links bei abgenommener Rückwand gut zu sehen. Man beachte die waagerecht liegenden Röhren auf dem senkrechten Chassis, montiert über den gewaltigen JBL-Fünfzehnzöller:
6EU7? 6FQ7? OA2? Ja, es sind aus heutiger Sicht und obendrein hier in Europa sowas wie Exoten. Wobei die 6EU7 in ihren Daten der 12AX7 identisch ist. Die 6FQ7 ist meinem jetzigen Wissen nach nicht so 1:1 mit einer geläufigen Doppeltriode ersetzbar. Allen 6er Röhren gemein ist, dass sie eine andere Sockelschaltung haben als die Doppeltrioden der 12er Typenbezeichnung. Ein „Einfach austauschen“ der 6er gegen 12er ist also nicht drin, dazu müsste man erst die Beschaltungen an ihren Fassungen ändern. Will man das? Weil das kostet Zeit! Aber die Exoten-Röhren? Gibt es die für lau??
Bei der OA2 handelt es sich um einen Glimmstabilisator, der dafür sorgt, dass die angeschlossenen Stufen mit einer stabilisierten Versorgungsspannung von +150 Volt betrieben werden. Wir Bastler unter uns haben Ersatz inform der deutschen StR-Glimmstabis vorrätig.
Da der Stabi nur eine Hilfsfunktion hat, lasse ich ihn im Blockschaltbild des Amps einfach mal weg:
Man sieht erst einmal zwei mehr oder weniger identisch aufgebaute Kanäle 1 und 2. An den Kanal 2 ist parallel der Reverb- und Tremolopfad angeflanscht. Dazu später mehr. Über die Mischwiderstände R1 und R2 mit unterschiedlichen Werten gelangt die NF in den PI, der hier als Kathodynstufe aufgebaut ist. Da diese Art der Phaseninverter nichts verstärken, hat Gibson mit V6 eine Art „Nachbrenner“ spendiert, damit genügend (Doppel-)Wumms D) zur Ansteuerung der hundsordinären Gegentaktendstufe vorhanden ist. Im Grunde genommen ist das alles nichts allzu Aufregendes, wenngleich der Amp dennoch diverse Schmankerl bereit hält. Das fängt bei den Klangregelstufen an und hört beim Fotowiderstand LDR-1 auf. Auch dazu erst später mehr.
Gibson hat die Gitterwiderstände des Nachbrenners aufgeteilt und dem Amp dadurch eine „Monitor“-Buchse spendiert. Wer möchte, kann hier gemäß Bedienungsanleitung in Wort und Bild NF entnehmen und sie weiteren Anwendungszwecken zuführen.
Wer sich einmal genau den Schaltplan anschaut, dem fällt am Kathodenwiderstand des PI ein Elko auf, 20µF/6V. Nanu? Nur 6V? Tatsächlich! Man hat es hier offenbar gut gemeint und versucht, der Stromgegenkopplung mittels des Elkos wirksam zu begegnen. Nur liegt am Elko eine viel zu große Gleichspannung gegen Masse an. Und natürlich ist der tatsächlich ab Werk (!) so dimensionierte Elko (die kathodenelkos sehen nicht so aus, als wurden die jemals ausgetauscht) mehr oder weniger durchgeschlagen und dient(e) nur noch als hochohmig gewordener Widerstand…
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