gitarrero!
Mod Emeritus
Alles über die Ibanez MAXXAS .:. Ein Design-Wagnis der 80er Jahre
EINLEITUNG
Wir befinden uns im Jahre 86 des 20. Jahrhunderts. Ganz Gitarrenland ist von den Superstrats besetzt... Ganz Gitarrenland? Nein! Ein von unbeugsamen Designern bevölkertes Team bei Hoshino USA hört nicht auf, dem allgegenwärtigen Trend Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die japanischen Funktionäre, die als Besetzung in den befestigten Lagern Hoshino Gakki, Fujigen Gakki und Gotoh Gut Co. in Japan liegen…Im Lauf des Jahres 1986 trat Ibanez nach mehreren eher erfolgsarmen Jahren die verzweifelte Flucht nach vorne an und krempelte fast die gesamte Produktpalette um. Dies äußerte sich in einer noch nie dagewesenen Offensive mit zahllosen neuen Gitarrenmodellen, die für frischen Wind sorgen und die Marke endlich wiederbeleben sollten. Auch wenn Steve Vais Signature-Modell JEM und die daraus abgeleitete neue Form der RG hoch oben auf der Superstrat-Welle reiten und mit ihrem Erfolg – der bis heute anhält – Ibanez de facto im Alleingang sanierten, gab es andererseits auch die Roadstar Pro 540 Serie in den Varianten Saber, Radius und Power als Alternativen. Im Kielwasser all dieser Neuheiten, die auf der NAMM-Show im Juni 1987 der Öffentlichkeit präsentiert wurden, für viel Furore beim Publikum sorgten und zum rettenden Umschwung bei Ibanez führten, wagte man mit der Vorstellung der MAXXAS-Serie ein sehr ambitioniertes Experiment abseits ausgetretener Pfade – mit dem besonderen Markennamen als marketingtechnisches Hintertürchen.
Dieser Artikel beschreibt die Hintergründe der Entwicklung, den steinigen Weg in die Serienproduktion sowie die Instrumente und ihre bemerkenswerten Features, die ihrer Zeit mitunter weit voraus waren.
DESIGN
Das Ziel war ein neuartiges und eigenständiges Design für eine moderne Hightech-E-Gitarre, die sich von der klassischen Superstrat à la Jackson/Charvel oder Kramer abhebt und eine Alternative zu den eher kantigen JEMs und RGs darstellt. Abgerundete Formen, geringes Gewicht und ein großer Klang ("a huge amplified sound at medium volume") standen im Vordergrund, und als direkte Inspiration dienten unter anderem die Gibson ES-335 mit ihrer halbhohlen Konstruktion, die Gibson SG und Formen aus dem italienischen Automobilbau der 1930er Jahre, speziell Alfa und Pinin Farina [Lasner_2007]. Am Design waren die legendären Ibanez-Mannen Rich Lasner, Bill Reim (damals Präsident von Hoshino USA) und Gitarrenbauer Mace Bailey beteiligt, denen bis dato schon mehrere große Würfe gelungen waren. Rich Lasner war von 1984 bis 1989 hauptamtlich Artist Relations Manager bei Hoshino USA und in diesem Zeitraum unter anderem für das Design der JEM, RG, Saber, Power, Power-II, George Benson GB30, der RoadBass-Serie sowie der siebensaitigen Universe zuständig. Rich war also die zentrale Schlüsselfigur in der Designabteilung von Ibanez bei Hoshino USA [Specht_2005] in der zweiten Hälfte der 80er Jahre. Seine späteren Beiträge für andere Firmen lesen sich ebenfalls wie eine Trophäenliste, so zählen von Yamaha die Pacifica, die RGX und der Attitude Bass (Billy Sheehan Signature) sowie die aufwendig konstruierte Weddington zu seinen Kreationen, ebenso Instrumente der von ihm gegründeten Firma Modulus Graphite. Danach kamen Instrumente von Peavey aus seiner Feder, später auch die Line 6 Variax und die 2010 präsentierte Vox Virage. Rich Lasner ist heute Vizepräsident von G-Rok Research & Development in Novato, CA, USA.Rich Lasner:
Der erste Vorschlag für die MAXXAS-Korpusform, die zu Beginn noch den Projektnamen "Cirrus" trug, konnte die Verantwortlichen – insbesondere Präsident Ken Hoshino – überhaupt nicht überzeugen. Man kann es ihnen nicht verdenken, denn sowohl die in [Specht_2005, S. 138] abgebildete Roadstar-II-Bass-ähnliche und "Potatocaster" genannte Studie als auch das darauffolgende Knetmassemodell des zweiten Versuchs sehen in der Tat etwas fragwürdig aus.
Potatocaster/Cirrus Designstudien:
Heraus kam dann aber zu guter Letzt ein sehr sexy aussehender und spacig anmutender Korpus, dessen Silhouette außergewöhnlich und gleichzeitig doch wieder gemäßigt erscheint, zumindest im Vergleich zu den extremen Formen von B.C. Rich und Konsorten. Insgesamt tendiert die MAXXAS mit ihren Rundungen und Wölbungen eher in Richtung des Radius-Modells aus der Feder von Mark Wittenberg (Chesbro USA, der US-Westküsten-Vertrieb von Ibanez), aus der 1990 dann die Joe Satriani Signature hervorging (deren Korpusform durch Einführung der 24bündigen Hälse im Jahre 2010 nur leicht an den Cutaways verändert wurde). Allerdings sind bei der MAXXAS im Vergleich zu den Radius/JS-Modellen das Profil symmetrischer, die "Hüfte" etwas breiter und die Hörner deutlich radikaler und spitzer. Aus diesem Grund musste auch der Gurtpin am Horn auf die Rückseite des Bodys verlagert werden, was man sonst nur sehr selten bei Ibanez-Gitarren findet (z.B. RBM Reb Beach Signature, Allan Holdsworth Modell).
RBM/AH:
Rich Lasner erläutert in [Lasner_2007] die optische Erscheinung des Prototyps mit der ausgereiften Korpusform, gebaut von Mace Bailey, welche dann auch von ihren Vorgesetzten für gut befunden wurde. Exakt dieses Exemplar tauchte im April 2011 nach über 20 Jahren Vergessenheit auf dem Gebrauchtmarkt auf und dank der Bilder aus der entsprechenden Online-Annonce kennen wir inzwischen die genaue Optik. Allerdings fallen auf den Bildern verschiedene Modifikationen wie z.B. ein gescalloptes Griffbrett auf, an die sich Erbauer Bailey nicht erinnern kann, auch die Position der Klinkenbuchse an Stelle des Tone-Potis erscheint untypisch. Der Vibratohebel gehört zu einer Linkshändergitarre und der Potiknopf sieht auch irgendwie falsch aus. Der Prototyp ist in "Fountain Blue" lackiert, hat eine nicht abgewinkelte Ibanez-"Goosebeak"-Kopfplatte mit einem Roadstar-II-artigem Ibanez-Logo ohne weiteren Hinweis, einen sehr kleinen E-Fach-Deckel (wo möglicherweise eine besondere Klinkenbuchsen-Konstruktion untergebracht war), ein Ibanez Powerocker Vibrato mit blau vergüteter Oberfläche und schwarzen Reitern, das "Preset Switching System" von der zweiten Proline-Generation mit Druckknöpfen für die Tonabnehmeranwahl, blaue Sperzel-Klemmmechaniken, eine HSH-Bestückung mit einem blauen Single-Coil und zwei schwarzen DiMarzio-Humbuckern in blau angesprühten Montagerahmen. Die Idee mit der farbigen Hardware wurde aus Kostengründen nicht in die Serienproduktion übernommen. Von Bailey wissen wir, dass der Prototyp vor vielen Jahren aus dem Showroom von Hoshino USA gestohlen wurde und es sich somit möglicherweise um Hehlerware mit zwielichtiger Historie handelt. Der Autor dieser Zeilen brach seinerzeit deswegen den Kontakt zum Verkäufer ab.
MAXXAS Prototyp mit blauer Hardware:
THE NAME OF THE GAME / DIE STEVE-VAI-CONNECTION
Man entschied sich für den Namen MAXXAS und zu dessen Motivation und Namensfindung gibt es mehrere Theorien, wie er entstanden sein könnte: (a) künstlich geschaffene Namen à la Lexus oder Acura waren damals en vogue, (b) die Firma Esso taufte sich kurz davor in Exxon um und das Doppel-x taucht in keinem normalen Wort auf, (c) der Begriff weist dieselbe Zahl an Buchstaben wie die abgelehnte Idee "Cirrus" auf, (d) der Name erinnert an Maxon, in den 70ern und 80ern der wichtigste Hersteller von Ibanez-gelabelter Elektronik (z.B. Tube Screamer) und Zulieferer von Tonabnehmern. Aus Angst vor fehlender Akzeptanz wollte man zunächst die Verbindung zu Ibanez in den Hintergrund stellen und die Instrumente unter der Marke MAXXAS vermarkten. Lasner bestand jedoch darauf, dass das Logo auf der Kopfplatte den zusätzlichen Text "A Division of Ibanez" erhält, um die Zugehörigkeit nicht ganz auszublenden. Man konnte mit diesem Kniff ohne zu viel Bedenken oder Ehrfurcht auch extravagante Pfade beschreiten und falls der Versuch tatsächlich scheiterte, wäre nicht gleich der Ruf der gesamten Marke Ibanez oder des Mutterkonzerns Hoshino ruiniert. Dies wurde oft so gehandhabt, wenn Besorgnis bezüglich der Reputation der Hauptmarke aufkam, z.B. bei Einsteigerserien à la "EX Series", ungewöhnlichen Korpusformen wie bei "Axstar by Ibanez" oder experimentell anmutender Technik wie bei den 1985er "X-ing" MIDI-Synthesizer-Gitarren.EX Series / Axstar:
Einige Zeit später wurde bei den Starfield-Gitarren die Idee mit dem Sub-Label auf die Spitze getrieben. Diese wurden aufgrund des andersartigen Looks der Instrumente tatsächlich als eigenständige Marke ganz ohne Hinweis auf Ibanez beworben und verkauft, obwohl sie auch aus dem Hause Hoshino und der Fujigen-Fabrik stammten. Das Thema Starfield wäre ebenfalls interessant und abendfüllend, soll hier aber nicht weiter behandelt werden.
Als es darum ging, Steve Vai als Endorser für Ibanez zu gewinnen und Konkurrenten wie Kramer oder Jackson auszustechen, gab es zwei Antritte seitens Rich Lasner und seinem Team. Mitte 1986 flog er mit einem MAXXAS-Prototyp im Gepäck nach Buffalo im Bundesstaat New York und besuchte einen Soundcheck der DAVID LEE ROTH Band, damit Steve eine Ibanez-Gitarre ausprobieren konnte [Bacon_2013]. Auf der Bühne soll eine gigantische Lautstärke geherrscht haben, so dass die halbhohle Gitarre hauptsächlich Rückkopplungen von sich gab, was Steve natürlich nicht sehr überzeugt hat. Wie sich später herausstellte, war das Feedback-Problem aber nicht auf die halbhohle Konstruktion der MAXXAS zurückzuführen, sondern vorrangig auf ungenügend gewachste Tonabnehmer, die unter den riesigen Schallpegeln in die Knie gingen. Steve fand es trotzdem gut, dass die Ibanez-Leute die Reise auf sich genommen hatten und signalisierte Kooperationsbereitschaft, allerdings balzten diverse andere Gitarrenhersteller noch um ihn herum. Für den zweiten Schuss fertigte Mace Bailey eine Gitarre an, bestehend aus einem massiven MAXXAS-Korpus und einem 24-bündigen Hals mit Binding (ähnlich 1986er Proline PL1770/1880). Sie wurde Steve 1986 als Weihnachtsgeschenk unter den Christbaum gelegt, nachdem Rich Lasner im Vorfeld Kontakt zu Steves Eltern in Long Island aufnehmen und sie dazu überreden konnte [Specht_2005, S. 143]. Auch Mike Shimada von Hoshino USA berichtet hier darüber. Die Gitarre war mit einer auffälligen Snakeskin-Lackierung in grün, schwarz und pink (inklusive Halsrückseite), einer HSH-Tonabnehmerbestückung und einem original Floyd Rose Vibrato ausgestattet. Von diesen Elementen hat es später keines in die MAXXAS-Serienproduktion geschafft. Das Schlangenmuster wurde erzeugt, indem Lackierer Leon Reddell wabenförmige Teile des Papierluftfilters seiner Lackierkabine über die Oberflächen von Korpus und Halsrückseite drapierte und als Maske für die Lackierung nutzte. Die Rechnung ist aber trotz (oder wegen?) der krassen Optik aufgegangen: Steve Vai hat angebissen ("OK, you got my attention—what do you want?") und bleibt bis heute seinem Endorsement treu, obwohl seine Signature-Modelle JEM, Universe und PIA nichts mit der MAXXAS zu tun haben. Über den Verbleib der Snakeskin-MAXXAS ist leider nichts bekannt und sie wird auch in Steve Vais Gitarrengalerie nicht mal als gestohlen aufgeführt, obwohl in einem Interview in "Guitar Player" wie folgt darüber berichtet wurde:
Im Frühjahr 2011 tauchte sie vermeintlich in San Francisco auf, stellte sich dann aber als modifizierte Seriengitarre heraus."Most of my guitars were ripped off this June from the rehearsal studio in Pasadena." All except his green Charvel, his main ax, were stolen.
[...] Ibanez prototype - "Pukey green Ibanez that has like a pink-green-black snakeskin front" [...]
Snakeskin-MAXXAS für Steve Vai:
Die Kopfplatte der Serien-MAXXAS, die in ihrer geradlinigen Schlichtheit irgendwie gar nicht so recht zum Rest passen will, wurde kurz vor Anlaufen der Produktion in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Fritz Katoh in Japan entworfen, seines Zeichens Chefdesigner bei Hoshino Gakki in den Jahren 1968 bis 1995. Leider hielt dieser vorher keine Rücksprache mit Rich Lasner und seinem Team, die einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wurden und darüber verärgert und enttäuscht waren. Ursprünglich hätte die MAXXAS eine reguläre Ibanez "Goosebeak"-Kopfplatte wie alle anderen 1987 neu präsentierten Modelle erhalten sollen, wie man es auch auf den Prototypen sieht.
Der Markenname MAXXAS mit dem charakteristischen Schriftzug im Font "Busorama" wurde am 13. August 1987 erstmals offiziell verwendet und am 04. November 1988 von Hoshino Gakki Co., Ltd. formal registriert – seit dem 22. April 1996 lautet der Status laut Trademarkia allerdings "CONTINUED USE NOT FILED WITHIN GRACE PERIOD, UN-REVIVABLE", das heißt, es wurde keine fristgerechte Verlängerung beantragt und die Eintragung ist erloschen.
MODELLÜBERSICHT
Die Flyer und Kataloge von 1987 bis 1989 zeigen insgesamt vier verschiedene Modelle:
- MX2 – Zwei Humbucker, EDGE Floyd Rose mit Power Play Back Stop System, Top-Lok III Klemmsattel, Gotoh Standardmechaniken, massiver Linde- oder Mahagonikorpus (dazu später mehr)
- MX3 – Zwei Humbucker, HQ-Tremolo, Graphitsattel, Gotoh Magnum Lock Klemmmechaniken, halbhohler Korpus aus Honduras-Mahagoni
- MX4 – Ein Humbucker, feste Brücke (Tune-o-Matic-Verschnitt namens Gibraltar-II sowie Quick Change II Stop Tailpiece), verlängertes Griffbrett mit 29 Bünden, halbhohler Ahornkorpus
- MX5 – Ein Humbucker, HQ-Tremolo, verlängertes Griffbrett mit 29 Bünden, halbhohler Ahornkorpus
Es fällt auf, dass die Nomenklatur bei MX2 beginnt. Eine MX1 gab es nur in Form des Prototyps mit dem Powerocker-Vibrato, und während MX2 ab 1987 und MX3 ab 1988 in Serie produziert wurden, haben MX4 und MX5 laut Rich Lasner nur Vorserienstatus erreicht [Lasner_2007]. Die abgewandelten Kreationen MX4 und MX5 wurden von Fritz Katoh in Japan als Varianten der halbhohlen MX3 mit verlängertem Griffbrett entwickelt.
In freier Wildbahn ist uns seit Beginn der Recherchen nur drei Mal eine 29-bündige MAXXAS begegnet – alle davon mit Tremolo (MX5). Eine in schwarz, die sich zuerst in Deutschland befand, dann 2008 bei einer Online-Auktion nach Belgien versteigert wurde und seit 2011 beim Autor dieses Artikels beheimatet ist, die andere in blau, ebenfalls im Besitz eines Musiker-Board-Kollegen. Dies legt den Verdacht nahe, dass der Vertrieb Fa. Meinl diese zwei Instrumente erhalten und innerhalb Deutschlands verkauft hat. Die dritte MX5 ist überraschenderweise weiß lackiert und befindet sich in Japan, was 2022 in einer Facebook-Gruppe entdeckt wurde – leider kam noch kein Kontakt zum Besitzer zustande. Eine MX4 ist uns überhaupt noch nie begegnet! Könnte es sich beim Katalogbild der blauen Gitarre mit der festen Brücke etwa um eine Fotoretusche handeln? Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von [Wright_2004] gab es noch keine Beweise für die Existenz von MX4 oder MX5 außerhalb der Kataloge. Dies stützt die oben aufgestellte Behauptung, dass es sich bei den drei bisher dokumentierten MX5 um Vorserienmuster handelt, die auf mehr oder weniger irregulären Pfaden in den Handel gelangt sind, beispielsweise im Anschluss an ein Sales Meeting bei einem großen Vertrieb wie z.B. Meinl. Verantwortlich für den Bau dieser Samples war seinerzeit Saburo "Mick" Imafuku, der seit 1982 bei Fujigen Gakki arbeitet und heute als Verkaufsmanager dort tätig ist. Seine Signatur findet sich beispielsweise in der Halstasche und auf dem Halsfuß der MX5-Vorserienmuster. Leider möchte (oder darf) er heutzutage keine Auskünfte oder weiteren Einblicke zu den damaligen Vorgängen und Entscheidungen bei Fujigen geben – Hoshino hat hier eine restriktive Informationspolitik.
Bisher gesichtete MX5-Exemplare:
BAUWEISE UND AUSSTATTUNG
Nun kommen wir zu den Besonderheiten in der Bauweise der MAXXAS. Zunächst fällt der asymmetrische Hals-Korpus-Übergang mit vier einzeln versenkten Befestigungsschrauben auf. Er kommt ohne Konterplatte aus und stellte im Jahre 1987 eine bahnbrechende Neuheit bei Ibanez dar. Es war die Geburtsstunde des Ibanez "All Access Neck Joint" (AANJ), der eine verbesserte Erreichbarkeit der höheren Lagen im Vergleich zur herkömmlichen Strat- und Tele-artigen Halsbefestigung gewährleistet. Es wurde bei der MX ein 22-bündiges Griffbrett auf einen 24-bündigen Halsrohling geleimt und von dessen Halsfuß dann wieder ein Stück abgesägt. Dieser erhält so eine L-förmige Lasche aus Holz, in deren Endbereich zwei Holzeinschlagmuttern vertieft eingelassen sind. In diese Muttern greifen bei der "Hochzeit" von Hals und Korpus wiederum zwei Gewindeschrauben. Von den vier Schrauben sind also nur zwei als Holzschrauben im dickeren Teil des Halsfußes verankert. Dies ermöglicht, dass der Fuß sehr tief in den Body hineinragt und trotzdem nicht der Fräsung des Halstonabnehmers in die Quere kommt.Diese verhältnismäßig komplizierte Umsetzung des AANJ-Konzepts kam noch bei genau zwei anderen Ibanez-Seriengitarren zum Einsatz, und zwar der Vinnie Moore Signature-Gitarre Star-4 bzw. VM1 (1988..1989) und der Saber 540S-CT5 bzw. 540S-CT6 (1988..1990) mit HQ-Tremolo.
Vinne Moore Signature:
Saber-Exoten:
Ein Prototyp der 540S-CT5 – ein Hybrid-Versuchsträger aus modifiziertem Saber-Korpus und MX2-Hals ohne Logo – hat es irgendwie nach Europa geschafft und befindet sich jetzt bei einem MAXXAS-Fan in Dänemark.
Saber/MAXXAS Mashup #1:
Auch die nächste Gitarre sieht nach Resterampe aus, es stimmt eigentlich alles bis auf die Form der Kopfplatte, hier könnte ein MX3-Halsrohling verwertet worden sein. Wie diese Promenadenmischungen überhaupt die Fabrik verlassen konnten, erscheint vollkommen rätselhaft!
Saber/MAXXAS Mashup #2
Der MAXXAS-Hals verfügt über das dünnste Wizard-Profil aller Zeiten mit zahnstocherähnlichen 17mm im ersten Bund. Für die Halskonstruktion musste bei Fujigen Gakki sogar extra ein neuartiger Spannstab entwickelt werden. Dagegen ist das komfortable Maß von 43mm Sattelbreite nichts Weltbewegendes. Der Hals einer MX2 ist wegen des Klemmsattels ein paar Millimeter länger als der einer MX3.
Links MX3 mit Graphitsattel und Gotoh Magnum Lock, rechts MX2 mit Klemmsattel Top-Lok III, Saitenniederhalter und herkömmlichen Gotoh-Mechaniken:
Die zweite Besonderheit ist die semiakustische Bauweise, die prinzipiell für sämtliche MAXXAS-Modelle geplant war. Nun ist es allerdings so, dass es beim Übergang zur Serienproduktion gewisse Schwierigkeiten und auch Missverständnisse gab. Die Folge war ein wildes Hin und Her bei der Konfiguration und der Holzauswahl, zum Teil auch aufgrund von eigenmächtigen Entscheidungen in Japan. Die Fujigen Gakki Fabrik, in der die MAXXAS gebaut wurden, hatte laut [Specht_2005] zu Beginn der Produktion 1987 noch keine technische Möglichkeit, einen Korpus mit Soundkammern herzustellen, wie es von der amerikanischen Designabteilung spezifiziert war. Oder aber es wurden deren Anweisungen aus anderen Gründen nicht umgesetzt – am Knetmassemodell oder am Prototyp ist es ja auch von außen nicht erkennbar, dass eine semiakustische Bauweise gefordert war. So wurde zwar halbhohles Honduras-Mahagoni gefordert, Fujigen fertigte aber zu Beginn aus massiver Linde, zu allem Überfluss sogar mit EDGE Floyd Rose anstatt Non-Locking-Tremolo, was auch Auswirkungen auf die Halskonstruktion hatte, sprich Klemmsattel statt Graphitsattel. Es muss also mehrere MX2-Exemplare aus Linde geben, die so lange produziert wurden, bis der Einspruch aus den USA kam und Fujigen auf Mahagoni umschwenkte – allerdings immer noch massiv und mit Floyd Rose. Erst bei der 1988 erschienenen MX3 kam die ursprünglich vorgesehene semiakustische Bauweise ins Spiel, auch "Clamshell" (dt. Muschelschale) genannt: Der rohe Mahagoniklotz wird aufgesägt, dann werden beide Hälften innen ausgehöhlt und danach wieder zusammengeleimt, anschließend die äußere Form gefräst bzw. verschliffen und zum Schluss lackiert. Eine sehr aufwendige Fertigung, die auch mit viel Handarbeit verbunden war.
Man erkennt im direkten Vergleich, dass kein MAXXAS-Korpus dem anderen 100%ig gleicht, speziell im Bereich des unteren Cutaways und des kürzeren Horns. Letzteres ist mal spitzer, mal runder, mal einen Tick länger und mal etwas kürzer – einfach deswegen, weil die Fräse nur die Grobarbeit übernimmt und die feinen Formen in der Hand des Arbeiters liegen. Auch beim oberen Horn ist die Rundung von Exemplar zu Exemplar verschieden.
Rich Lasner vermutet, dass aufgrund des hohen Rohstoffpreises von Honduras-Mahagoni beim späteren Übergang zur halbhohlen Korpuskonstruktion der MX3 erneute Testläufe mit Linde durchgeführt wurden. Deswegen sollen sogar einige MX3 mit massivem Lindekorpus existieren. Gesichert ist nur die Verwendung von Ahorn als Halsmaterial bei allen Modellen – das war zu jener Zeit bewährter Standard bei allen Ibanez-Schraubhalsgitarren.
Eine weitere Besonderheit in der Hardware-Ausstattung ist auf das Baujahr 1987 zurückzuführen, in dem eine Vielzahl von EDGE-bestückten Ibanez-Gitarren mit dem Power Play Back Stop System ausgerüstet wurden – so auch die MX2. Bei diesem System handelt es sich um einen Ruheanschlag für den Vibratoblock mit zwei starken Gegendruckfedern, angebracht in der Federkammer. Der Gegendruck sorgt dafür, dass das Reißen einer Saite nicht zur Verstimmung der anderen Saiten führt. Man erkauft sich diese Funktion dadurch, dass beim Vibrieren nach oben zusätzlich Kraft aufgewendet werden muss und dass kein Flatter-Effekt beim Drücken und schnellen Loslassen des Hebels möglich ist. Die Rockinger Black Box funktioniert nach demselben Prinzip und ist quasi ein halbiertes Back Stop System.
Back Stop:
Im Gegensatz zur MX2 erhielt die MX3 ein Zweipunkt-Vibrato namens HQ-Tremolo aus dem Hause Gotoh. Zur Verbesserung der Stimmstabilität wählte man die damals noch weitgehend unbekannten und sehr innovativen Magnum Lock Klemmmechaniken von Gotoh. Man könnte an dieser Stelle noch versuchen herauszufinden, ob die Firma Gotoh ganz gezielt von Hoshino Gakki mit der Entwicklung der Magnum Lock Variante für die MAXXAS beauftragt wurde. In [Specht_2005] steht zu lesen:
The Maxxas wasn't only a turning point for Ibanez. Mr. Takao Gotoh of the Gotoh machine company revealed [...] that creating the Magnum locking tuners for the Maxxas also helped take his company to a higher, more sophisticated level [...]
Die Höheneinstellschrauben der Vibratosysteme, sowohl EDGE auf MX2 als auch HQ auf MX3 und MX5, verfügen über eine Arretierfunktion in Form einer Madenschraube im Inneren des Höhenbolzens. Wer das nicht weiß und vergisst, sie vor der Höhenjustage zu lösen, zerstört gerne mal den Innensechskant und damit den Bolzen. In Kombination mit einem Graphitsattel und dem hochwertigen HQ-Tremolo aus Edelstahl, das später auch auf Artfield-Gitarren und sehr vereinzelt auch in Form des abgespeckten HQ Junior Tremolos auf Saber-Modellen auftauchte, steckt auch eine MX3 so manchen heftigen Jammerhakeneinsatz gut weg.
HQ Tremolo:
Gotoh Magnum Lock Klemmmechaniken:
Letztendlich bleibt noch das Logo auf der Kopfplatte zu erwähnen. Im Gegensatz zu anderen Ibanez-Gitarren derselben Bauperiode wurde es nicht per Transferdruck auf die bereits fertig lackierte Kopfplatte aufgebracht, sondern es befindet sich in Form von chromglänzenden Metallbuchstaben unter dem Klarlack. Dieses sogenannte "Silver Screen"-Logo liegt zwischen dem farbigen Grundlack und der klaren Deckschicht und wurde erst Mitte der 90er Jahre auf anderen Ibanez-Gitarren wie z.B. RGs eingeführt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass bei manchen MAXXAS-Exemplaren ein Buchstabe in der zweiten Zeile "A Division of Ibanez" fehlt, z.B. ein "i" in "Division" oder das "v". Offensichtlich sind solch filigrane Strukturen, die den bekannten Letraset-Anreibebuchstaben ähneln, weniger gut zur Überlackierung geeignet.
Für die Buchstaben des Logos wurde eine Art-Deco-inspirierte Schriftart mit dem Namen ITC Busorama (Linotype) gewählt, wobei einzelne Großbuchstaben an- bzw. ineinandergeschoben wurden. Beim Anfangs-M ist der Mittelbogen zur Hälfte gekappt und beim End-S der untere Bogen leicht verlängert.
EVOLUTION
Bei der Tonabnehmerbestückung gab es im Lauf der drei Jahre 1987 bis 1989 einige Veränderungen: Während MX4 und MX5 in den Katalogen zunächst mit Ultrasonic-Pickups abgebildet sind (im kleinen 1988er-Katalog jedoch interessanterweise mit einem IBZ USA in grau) und auch die real existierenden MX5-Gitarren ab Werk damit ausgestattet waren, tragen MX2 und MX3 ausschließlich von DiMarzio hergestellte "IBZ USA"-Humbucker mit weiß aufgedruckter Bezeichnung. Laut [Bacon_2013] wollte man mit US-Tonabnehmern aufwarten, aber ohne die japanischen Haus- und Hoflieferanten zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Es war der Beginn einer bis heute andauernden Kollaboration zwischen Hoshino und DiMarzio. Folgende Variationen auf MX2/MX3 sind bislang von uns gesichtet worden:- Hals & Steg: IBZ USA in schwarz. Ursprüngliche 1987er-Variante mit regulärem Saitenabstand und Inbus-Polschrauben. Charakteristik ähnlich DiMarzio PAF Pro.
- Hals & Steg: IBZ USA F1 in schwarz. Modernere Variante mit geschlitzten Polschrauben und erweitertem Saitenabstand (F steht für "F-spaced"), die 1988 von DiMarzio ins Rennen geschickt wurde. Der F1 soll klanglich dem DiMarzio-Typ "The Breed" ähneln.
- Hals & Steg: IBZ USA F1 in grau.
- Hals: IBZ USA F1. Steg: IBZ USA F2. Beide schwarz.
- Hals: IBZ USA F1. Steg: IBZ USA F2. Beide grau.
IBZ/USA - An Ibanez exclusive. Codesigned by DiMarzio and Ibanez (USA) and manufactured by DiMarzio, Inc. IBZ/USA pickups are also available individually through authorized Ibanez dealers.
F1 - Responsive, versatile humbucker with warm, classic tone and added output. Works well in neck or bridge positions.
F2 - Like F1 but more output, enhanced midrange punch and rich harmonics. Recommended for bridge position.
Auch einige andere Details haben sich im Lauf der Zeit verändert:
- Position der Potis: Der Abstand wurde vergrößert. Die Änderung folgt in etwa dem Schema auf den 540S-Saber-Gitarren, bei denen es exakt diese Unterschiede zwischen den 1987er- und 1988er-Jahrgängen gab.
- Position und Winkel der Klinkenbuchse: Erst nach rechts unten zeigend, wie in [Specht_2005] und 1987er-Flyer für MX2 abgebildet (so nie in natura gesehen, offenbar nur ein Vorserienstatus), sonst stets nach links unten; eine ähnliche Evolution wie bei der Saber.
- Klinkenbuchse: Bei MX2 eine kleine Öffnung im Korpus, bei MX3 etwas größer und mit überlackierter Plastikhülse eingelassen; wiederum eine ähnliche Evolution wie bei der Saber.
- 3-Weg-Schalter: Bei MX2 mit Halbrundkopfschrauben, bei MX3 mit Senkkopfschrauben bündig zur Oberfläche montiert. Es wurden aber auch schon MX2 mit versenkt verschraubten Schaltern gesehen. Die MX3BH des Autors weist als Anomalie einen 5-Weg-Schalter auf, der in den Zwischenpositionen die Halsspulen der Humbucker erdet. Allem Anschein nach wurde er ab Werk so verbaut und nicht später nachgerüstet. Etwaig vorhandene Minischalter an diversen MX sind entgegen der Behauptung in [Wright_2004] ganz klar nachträgliche Modifikationen durch die Besitzer.
- E-Fach-Deckel: Bei MX2 aufliegend geschraubt und mit 8 Schrauben befestigt, bei MX3 versenkt (mit Moosgummistreifen zur Höhenkorrektur) und mit nur 4 Schrauben befestigt.
- Potiknöpfe: Sogenannte "Beehive Knobs" aus Druckguss in Chrom, ganz vereinzelt auch schwarz oder "cosmo black" (schwarzchrom), kegelstumpfförmig mit drei Rillen. Bei späteren Gitarren sogar mit zusätzlichen schwarzen O-Ringen aus Gummi. Frühere Knöpfe kamen zwar bereits mit Rillen, aber kleinen senkrechten Metallzungen, die keine O-Ring-Montage ermöglichen. Passenden Ersatz für die Ringe, die nach ein paar Jahren bröckelig werden, gibt es im Sanitärhandel (15x2mm, 17x2mm, 19x2mm).
- Tonabnehmerrahmen: Meistens verchromt, manchmal aber auch in schwarz oder "cosmo black“ ausgeführt.
MX2 Control Layout:
Zum Vergleich: Evolution 540S "Saber" Control Layout und Klinkenbuchse 1987-1988-1989
Schalter MX2 vs. MX3:
E-Fach MX2 vs MX3:
Beehive Knobs:
FARBGEBUNG UND LACKIERUNG
Die MAXXAS-Farben und deren Bezeichnungen sind ein sehr spannendes Feld! Selten gibt es bei Ibanez-Gitarren eine ähnlich große Verwirrung, aber es ist auch schier unmöglich zu durchschauen, da nicht mal die Katalogangaben vollständig oder eindeutig sind. Hier kommt nun der Versuch einer Klassifizierung:- RR = Ruby Red. Ein dunkles, sattes Rot mit einem leichten Metalliceffekt. Gesichtet auf MX2 und erwähnt im 1987er MX2-Flyer.
- CR = Cranberry Red. Kräftiges Rot, leicht heller und weniger satt als RR. Gesichtet auf MX3 und erwähnt in der 1987er-Broschüre und dem 1989er-USA-Katalog für MX3.
- MA = Magma. Bursteffekt-Lackierung, außen ein knalliges, aber nicht allzu helles Rot, nach innen dunkler werdend. Hals einfarbig. Gesichtet auf MX3 und erwähnt in den 1988/1989er-Katalogen für MX3. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Burst-Lackierung, wo zuerst der Body lackiert und dieser dann mit einer oder mehreren, meist dunkleren Farben "eingerahmt" wird, ist es hier andersherum: Erst helle Gesamtlackierung, dann dunkleres Zentrum - also sozusagen ein "Negative Burst".
- FB = Fountain Blue. Eine Mischung aus Eisblau und Türkis, mit Metalliceffekt. Gesichtet sowohl auf MX2 als auch auf MX3, erwähnt im 1987er MX2-Flyer und im 1989er-USA-Katalog für MX3. Fountain Blue war wohl ab Werk ein reines hellblau ohne türkisen Anteil. Erst durch das Altern und Vergilben des klaren Decklacks wird der Farbeindruck Richtung türkis verschoben (und heute sind sie alle türkis).
- BP = Black Pearl. Schwarz mit Perleffekt. Gesichtet auf MX2 und erwähnt im 1987er MX2-Flyer.
- BH = Black Hole. Umgekehrte Bursteffekt-Lackierung ähnlich Magma, nur in grün, nach innen etwas dunkler werdend. Erwähnt im 1988er MX3-Flyer mit dem Verständnis- bzw. Tippfehler "Black Hall" (dieser Flyer enthält noch mehr solcher Fehler und wurde offenbar mit heißer Nadel gestrickt), es muss aber "Black Hole" heißen, wie im großen 1988er-Katalog gelistet. Auf vielen Fotos erkennt man den Bursteffekt nicht richtig und hält die Lackierung fälschlicherweise für einfarbig Grün-metallic.
- BK = Black. Hochglanzschwarz. Erwähnt in den 1988er-Katalogen für MX3/MX4/MX5, gesichtet auf MX5 und dem Meinl-Museums-Exponat der MX3, das als weitere Anomalie übergroße Griffbrett-Dots aufweist (möglicherweise ebenfalls ein Serienvorläufer, ein sehr spätes Exemplar oder eine evtl. bewusst umgesetzte Abweichung von den Spezifikationen beim Bau des Griffbretts).
- SB = Silky Blue. Nur auf MX4 und MX5 laut den 1988er-Katalogen, bisher nur ein einziges Mal in natura auf MX5 gesichtet.
- WH = White. Nirgends dokumentiert, aber gesichtet auf MX5-Vorserienmuster in Japan.
MX3BK (Sample) im Meinl Museum bzw. Vintage Ibanez Archiv:
Die Bezeichnungen "Pearl Red" oder "Maroon", denen man auf vereinzelten MX-bezogenen Internetseiten begegnet(e), lassen sich in der Literatur nicht nachweisen und sind daher aus der Luft gegriffen. Es gibt auch mehrere Fotos von mintgrünen MAXXAS-Gitarren, die farblich zu abwegig für "Fountain Blue" erscheinen und deren Farbcode bisher nicht ermittelt werden konnte. Aber da spielen uns wohl überforderte Bildsensoren von älteren Digitalkameras einen Streich und es handelt sich doch um "Fountain Blue".
Die Halsrückseite ist bis auf die Griffbrettränder mit mehrschichtigem Polyesterlack in Korpusfarbe lackiert, bei BH und MA jedoch ohne den dunkleren "Overspray"-Bereich. Die oberste Klarlackschicht bei den Hälsen tendiert stark zur gelblichen Verfärbung in Folge von UV-Einstrahlung. Dieser Effekt, den man Yellowing nennt, verfremdet den Farbeindruck manchmal recht stark.
Wer übrigens beurteilen möchte, wie ein MAXXAS-Body mit Schönholzdecke und transparenter Lackierung aussehen würde, sollte sich die Nachbauten namens Quicksilver Katana aus dem Hause Ed Roman (R.I.P.) Guitars näher ansehen; quasi eine Kreuzung aus MX2 und PRS.
SERIENNUMMERN – TYPENBEZEICHNUNG – PRODUKTIONSZAHLEN
Der Aspekt der MAXXAS-Seriennummern sorgt bei Ibanez-Experten für ratlose Gesichter. Obwohl die MAXXAS in den Katalogjahrgängen 1987 bis 1989 beworben und laut Rich Lasner auch in diesen Jahrgängen gebaut wurde [Lasner_2007], tragen sämtliche MX-Gitarren, die uns jemals untergekommen sind, einen silbernen Aufkleber auf der Kopfplattenrückseite mit einer F7...-Seriennummer – was eigentlich für das Baujahr 1987 steht. Inzwischen herrscht unter den Ibanez-Gelehrten der Konsens, dass die F7-Sticker in der Fujigen-Fabrik weit über 1987 hinaus bis ins Jahr 1989 hinein verwendet wurden, bis die Aufkleber von Decals abgelöst wurden. Von Fritz Katoh stammt die Aussage, dass sich in den Fujigen-Seriennummern von 1987 bis 1996 die fortlaufende Zahl der Produktionssequenz wie folgt auf die Monate eines Jahres verteilt:00001–03600 = Januar
03601–07200 = Februar
07201–10800 = März
10801–14400 = April
14401–18000 = Mai
18001–21600 = Juni
21601–25200 = Juli
25201–28800 = August
28801–32400 = September
32401–36000 = Oktober
36001–39600 = November
39601–43200 = Dezember
(Quelle)
Darin steckt die Information, dass die Fujigen-Fabrik seinerzeit einen theoretisch maximalen Ausstoß von 3600 Instrumenten pro Monat angenommen und das Schema der Nummerierung daran ausgerichtet hat. Bei F7…-Seriennummern-Sticker kann man also bei einem Zahlenwert oberhalb von 43200 auf das Folgejahr 1988 schließen.
Rich Lasner hat uns erklärt, dass damals die Endfertigung im Hause Fujigen wohl recht chaotisch ablief: Viele der Komponenten, darunter Halsrohlinge, Griffbretter oder sogar komplette Hälse, wurden in separaten Fertigungsstätten, bei Subunternehmen oder Zulieferern hergestellt und im Fujigen-Hauptwerk integriert. Auch die Lackierungen von Holzteilen, die bei Fujigen gefräst wurden, hat man je nach Auslastung woandershin ausgelagert. Wenn Hals und Korpus fertig lackiert aus unterschiedlichen Quellen kommen, erklärt dies die häufigen Farbdifferenzen zwischen den Teilen bei angeblich "matching" Lackierungen. Manchmal ging viel Zeit ins Land, bis alle Komponenten für den Zusammenbau einer Charge am selben Fleck waren und die Gitarren endgültig zusammengebaut werden konnten.
Warum die MX2 manchmal ein zusätzliches H in der Typenbezeichnung trägt, ist genauso schwer nachvollziehbar. Der Stempel in der Halstasche lautet "MX2H". Unsere bisherigen Erklärungsversuche scheiterten, denn falls "2H" für "zwei Humbucker" stehen würde, wäre das Schwestermodell MX3 falsch bezeichnet, da es ja gleichermaßen zwei Humbucker hat. Und falls das "H" für "Honduras Mahogany" stehen würde, dann müsste die MX3 ebenfalls diesen Buchstaben tragen, da sie aus demselben Holz hergestellt wurde. Zu allem Überfluss lautet die Überschrift des ersten Flyers von 1987 auf der Rückseite sogar MX2-2H, so dass man korrekterweise die Farbbezeichnung hinten anhängen müsste, zum Beispiel MX2-2HFB für "fountain blue". Da die MX2 aber so gut wie nicht dokumentiert ist, sind wohl alle Versionen der Typenbezeichnung legitim. Tatsache ist, dass die Literatur und auch die interne Benennung (z.B. in Form von Halsstempeln) das komplette Sammelsurium umspannen, also mit oder ohne Bindestrich, mit oder ohne H, aber immer dasselbe meinen, und zwar MX2.
In Bezug auf Produktionszahlen, die sich im Bereich von wenigen Hundert Stück bewegen sollen, gibt leider niemand konkretere Daten preis. In [Wright_2004] nennt der Autor Michael Wright 45 schwarze und 100 blaue MX2 sowie ohne weitere Farbunterscheidung 320 MX3 im Jahre 1988, aber diese Werte sind nicht präzise genug aufgeschlüsselt und erscheinen uns unvollständig. Generell blieb die Nachfrage weit hinter den Erwartungen zurück und so wurden 1989 die MX-Produktion und Vermarktung endgültig eingestellt, da andere Modelle wie RG, Saber und Radius in der Zwischenzeit der MX schon weit den Rang abgelaufen hatten. Somit standen die wertvollen Produktionsressourcen bei Fujigen den populären Bestsellern zur Verfügung. Bei anderen, MAXXAS-zeitgenössischen, jedoch noch obskureren Ibanez-Kreationen wie Roadstar Pro 580B "Ballback" und 580T "TurboT" ging das sogar noch schneller – von der Einführung bis zum Einstampfen vergingen im Jahr 1988 nur wenige Monate.
Man gab das ambitionierte Projekt MAXXAS – trotz positiver Resonanz in der Presse – aufgrund des mangelnden kommerziellen Erfolges wieder auf. Auch Endorser wie Kane Roberts (Live-Gitarrist von ALICE COOPER und Solokünstler), Arthur "Devlin 7" Funaro (damals ebenfalls Mitglied der ALICE COOPER Band), Larry Mitchell oder Alex Skolnick (TESTAMENT) konnten das Ruder nicht herumreißen. Dennoch trug das Projekt laut Bill Reim [Specht_2005] wertvolle Früchte in Form einer verbesserten Kommunikation zwischen Hoshino USA, Hoshino Japan sowie Fujigen, und die wegweisende Entwurfsmethodik der Knetmasse-Modellierung hielt in den Folgejahren auch bei anderen Ibanez-Modellen Einzug.
ZUSAMMENFASSUNG
Die MAXXAS-Serie mit ihrer bemerkenswerten Optik war und ist nicht jedermanns Sache. Das Erscheinungsbild polarisiert stark und sogar bei eingefleischten Ibanez-Fans gibt es zwei getrennte Lager; entweder man kann gar nichts damit anfangen oder man ist restlos begeistert. Und so wird es auch weiterhin eine kleine Schar an MAXXAS-Fans geben, die Gefallen an dem mutigen Design, der liebevollen Verarbeitung und dem außergewöhnlichen Ton dieser Instrumente finden (so wie auch Phillip McKnight in seinem Video). Wenn man jedoch einmal infiziert wurde, lässt einen das MAXXAS-Fieber so schnell nicht los. Auch wenn vor etwa 10 Jahren noch hin und wieder MX-Modelle auf dem Gebrauchtmarkt hochpoppten, manchmal auch zu richtig günstigen Preisen, mausern sie sich allmählich zu waschechten Raritäten. Obwohl unsere Schnitzeljagd nach den dünn gesäten und oft verwirrenden Informationen einiges an Zeit verschlang, hat es mir und meinem Sammlerkollegen und Koautor @EMMEXX (der sich jetzt nicht dagegen wehren kann, dass ich ihn auch namentlich erwähne ) auch großen Spaß gemacht und ganz nebenbei ein weltweites Netzwerk von Gleichgesinnten geknüpft. Wir hoffen, dass dieser Artikel einen kleinen Einblick in das interessante Gebiet der MAXXAS sowie den einen oder anderen Aha-Moment bei Ibanez-Kennern und anderen Gitarrenliebhabern liefern konnte.LITERATURANGABEN
[Bacon_2013] Tony Bacon: The Ibanez Electric Guitar Book, A Complete History of Ibanez Electric Guitars. Hal Leonard Music Publishing, 2013[Lasner_2007] Interview mit Rich Lasner bei ibanez87.it, 2007. Original-Link Stand Januar 2023 leider nicht mehr erreichbar, hier alternativ der Web Archive Link.
[Specht_2005] Paul Specht: Ibanez – The Untold Story. Mit Beiträgen von Michael Wright und Jim Donahue. Bensalem, Pennsylvania: Hoshino USA, 2005
[Wright_2004] Michael Wright: Ibanez Maxxas MX-2. In: Vintage Guitar Magazine, 08/2004
Zuletzt bearbeitet: