Warum also dieser Aufwand, etwas technisch nachzubilden das man eigentlich doch ganz einfach im Original haben kann ???
Oh, da gibt es eine ganze Reihe an Gründen.
Mal ein paar Beispiele (auch wenn uns das jetzt etwas vom Thema wegführt und wir die Diskussion auslagern sollten, wenn das hier ausartet):
1) Stell dir vor du spielst mit einem Schlagwerker oder auch nur Cajon zusammen auf einer kleinen Bühne: Mit Mikrofon wirst du primär die eh schon laute Percussion verstärken, weil deine Gitarre einfach zu leise ist. Oder man muss mit dem Mikro extrem nah an die Gitarre, dann hat man aber auch mit einem Mikro einen ganz anderen Klang als die Gitarre an sich.
2) Alles was mit Klopfen auf der Gitarre oder mit Tapping zu tun hat, ist über einen Pickup viel besser zu realisieren und zu pegeln als über ein Mikrofon. Tapping ist oft sehr leise, gerade, wenn man eine flache Saitenlage hat und Percussion auf der Gitarre ist schnell extrem laut und boomt über ein Mikrofon. Über PUs (besser noch mehrere PUs in Kombination) kann man hier leichter Komprimieren und Lautstärken anpassen
3) Band-Kontext: Ich habe Dienstag mit ~15 weiteren Musikern (Geigen, Posaune, Saxophon, E-Bass, Klavier) + Chor auf der Bühne gestanden. Die Bühne war proppevoll. Da kommt auch alles mögliche über ein Mikrofon, wenn ich das vor meine Gitarre stelle, deswegen einfach per Pickup in den Amp (für mich als Monitor) und hintenraus zur Technik. Noch viel schlimmer mit einer richtigen Band mit Schlagzeug.
4) Alles was mit Effekten zu tun hat. Sei es Hall, Delay, Lautstärke-Änderungen oder wirklich experimentelle Sounds. Alles über ein Mikrofon eher schlecht realisierbar, wenn man das während des Stücks verändern will. (natürlich kann z.B. ein Mischer einen Hall einstellen. Aber da muss man dann schon viel absprechen, wenn der z.B. im Intro sehr lang sein soll und dann in den Strophen kaum Hall, dafür im Refrain wieder viel..)
5) Vorhandenes Equipment nutzen. Ich hab z.B. den Kemper + Aer als Backup für meinen großen 60-Kilo E-Gitarren-Verstärker gekauft. Da ist im letzten Jahr mal ne Röhre durchgebrannt und ich hatte seltsame Soundprobleme, die letztlich auf die Hallspirale zurückzuführen waren, aber das hat mich 20 Minuten in der Probe gekostet das rauszufinden. Wenn sowas bei nem Auftritt passiert.. peinlich. Nächstes Jahr spielen wir ein paar Hochzeiten, da mag ich nicht der Braut erklären, dass es jetzt leider keine Musik gibt, weil mein Verstärker nicht will.. Also hab ich Kemper + Aer als kleines und superleichtes Backup-System (sub 10-Kilo).
Entsprechend hab ich eben das Equipment rumstehen, wie z.B. auch einen Bassverstärker hier zu Hause, der super für A-Git geht. Und ich probiere da schon gerne einfach mal Sachen und Sounds aus, wenn ich Zeit und Muße habe. Das ist aktuell leider nicht so der Fall (Dezember ist immer schrecklich mit allen Weihnachtskonzerten und -feiern, etc), aber in den Ferien werd ich mal ein paar Abende nutzen und die Grenzen vom Kemper ausloten. Und da werd ich sicher meine A-Git und auch mein E-Piano mal drüberlaufen lassen und gucken was passiert ;-)
Es gibt einfach ganz verschiedene Ansätze: Von minimalistisch bis experimentell. Keiner ist "besser" als der andere. Ich kann das völlig verstehen, wenn Leute einfach Gitarre --> Mikro --> Amp/PA machen. Hab ich auch schon oft genug gemacht. Aber es gibt eben auch andere Kontexte wo andere "Lösungen" praktischer sind. Ich hab z.B. letzten Monat Luca Stricagnoli live gesehen, mit seiner dreihälsigen Gitarre in der mit Sicherheit mindestens drei bis fünf Pickups und irgendein Gerät für die Anpassung der Lautstärke untereinander verbaut sind. Das Ding ist unmöglich zu mikrofonieren.
Es kommt letztlich einfach darauf an, was für Musik man macht und was das Ziel der Abnahme ist.