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Das Vorwort
Neural DSP, 2017 in Finnland gegründet, sind mittlerweile keine Unbekannten mehr, wenn es um Modelling und PlugIns für Gitarre und Bass. Jeder, der irgendwie schon einmal mit Modelling zu tun gehabt hat und u.a. auch öfters mal den ein oder anderen Youtube-Kanal von einen der unzähligen "Influencer" angeschaut hat, wird schon mal etwas vom Fortin Nameless oder Quad Cortex gehört haben. Im folgenden Review geht es aber ausschließlich um die Softwaresparte von Neural DSP.Innerhalb kurzer Zeit hat die Firma es geschafft, sich einen Namen zu machen und auch "große" Namen als Endorser gewinnen. Am bekanntesten ist hier natürlich John Petrucci von Dream Theater, den auch die Generation kennt, die im Leben nicht daran gedacht hätte, dass einmal weit verbreitet über handelsübliche PCs Gitarre gespielt wird. Schließlich haben diese heutzutage keine Röhren mehr (kleiner Seitenhieb, aber nichts gegen physische Amps, mit denen man die Luft bewegen kann)
Da viele Gitarristen aber leider gar nicht mehr die Möglichkeit haben, einen 100 Watt Vollröhrenamp bis zum Sweetspot auszufahren und ein Studioaufenthalt auch nicht gerade kostengünstig zu buchen ist, ist es umso positiver zu sehen, dass die digitale Technik immer weiter voranschreitet und auch zuhause ein sehr guter Sound in Zimmerlautstärke möglich ist, der sich auch noch sehr komfortabel aufnehmen und bearbeiten lässt.
Der Markt ist mittlerweile unüberschaubar groß geworden und es gibt von kostenlosen PlugIns, die auch schon sehr gute Resultate erzielen, so fair muss man sein, bis zu monatlichen Abolösungen nichts, was es nicht gibt und in der virtuellen Welt gibt es sogar Amps, die es in der Realität nicht gibt.
Wie hat es also ein Newcomer geschafft, so schnell in diesem Umfeld zu bestehen?
Wie schon oben geschrieben, haben sie es geschafft, die entsprechenden Zugpferde auf ihre Seite zu ziehen. JP wurde schon genannt, aber Gojira und Meshuggah (die allerdings nicht offiziell, Neural DSP darf ihren Namen anscheinend nicht benutzen) sind in der Metalwelt auch ein Schwergewicht und den aufmerksamen Youtube-Sehern sind auch Namen wie Rabea Massaad, Plini oder Cory Wong ein Begriff. Das Marketing scheint zu funktionieren, die Marke ist wirklich sehr präsent, was aber auch nicht überall positiv anzukommen scheint, wenn man mal in den diversen Kanälen querliest.
Der wichtigste Faktor ist aber der Sound und hier ist Neural DSP meiner Meinung nach wirklich ganz vorne mit dabei! Die PlugIns klingen durch die Bank weg richtig gut und die Unkenrufe, dass nur Gitarristen mit ultratief gestimmten Gitarren bedient werden, sind spätestens mit dem Release des Tone King auch verstummt.
Die Grundlagen
Jetzt aber zum Kern der Sache, den PlugIns. Diese lassen sich sowohl Standalone, ohne jede Zusatzsoftware betreiben oder in eine DAW laden. Letzteres kann sehr hilfreich sein, wenn man mehrere PlugIns hat und deren Features kombinieren will. Hier kommt auch schon ein kleiner Schwachpunkt für den User zum Vorschein, der aber später noch einmal behandelt wird. Die Software läuft auf Windows-PCs und auf Macs, wobei die M1-Chips anscheinend noch nicht oder nur teilweise nativ unterstützt werden. In Ermangelung eines Apples kann ich dazu aber nicht mehr schreiben.Da die Firma kein Wohltätigkeitsverein ist und Geld verdienen möchte, ist ein Kopierschutz eingebaut worden. Damit die Software genutzt werden kann, muss man sich einen kostenfreien iLok-Account einrichten. Das geht alles auf Softwarebasis, es ist kein physischer Dongle nötig. Man kann den iLok- mit seinem Neural DSP-Account verlinken und dann taucht die neu erworbene Software auch kurze Zeit nach dem Kauf im Lizenzmanager auf. Beim Aktivieren der Software nach der Installation wird zwar nach einem Code gefragt, diesen Schritt kann man aber überspringen und man kann dann seine iLok-Login-Daten eingeben und schon ist die Software aktiviert.
Man kann eine Lizenz dreimal aktivieren, ist also nicht an einen Computer gebunden.
Vorab besteht die Möglichkeit, jedes PlugIn für 14 Tage zu testen. Das finde ich angesichts der nicht gerade günstigen Preise für die Software fair. Es soll auch möglich sein, die Testphase wieder zurückzusetzen, indem man den Support anschreibt, das habe ich aber noch nicht getestet.
Der Aufbau
Der Aufbau der PlugIns ist immer relativ ähnlich, der Umfang der Features variiert jedoch. Es gibt im Sortiment zwei Produktlinien. Einmal die "normalen" Pakete, die bekannte Amps modellieren und auch lizensiert zu sein scheinen, da die echten Namen benutzt werden und die sog. Archetypes. Bei den Archetypes handelt es sich um noch umfangreichere Pakete, die bekannten Endorsern auf den Leib geschneidert wurden. Preislich liegen diese natürlich auch höher. Aus Gründen des Aufwands wird nicht auf jeden kleinen Unterschied eingegangen. Hier muss man sich einfach auf der Webseite von Neural DSP informieren. Manchmal werden die PlugIns auch geupdated und bekommen weitere Features. Obwohl hier wieder ein dunkles Wölkchen am Horizont zu sehen ist, da das nicht durchgehend praktiziert wird.Das Gitarrensignal aus dem Interface kann als erstes noch einmal mit einem INPUT-Regler angepasst werden.
Hier gibt es gleich den ersten Tipp: man kann den Regler nicht nur dazu nutzen, dass Gitarrensignal korrekt auszusteuern, sondern er fungiert auch als zusätzlicher, globaler Gain-Regler vor dem Amp. Der Amp kann also wie bei einem Booster noch einmal etwas "angepustet" werden oder auch "cleaner" gemacht werden. Die modellierten Amps haben natürlich auch Regler für Gain, aber manchmal ist es zielführender gleich beim Input anzusetzen, da ein zu stark zurückgenommener Gain-Regler auch mal schnell den Sound dünn und kraftlos macht, wie bei einem physischen Amp. Danach kommt ein Noisegate, welches m.M.n. sehr gut funktioniert. Es kann danach ausgewählt werden, ob man ein Mono- oder Stereosignal verwendet. Einige der älteren PlugIns (z.B. Plini, Fortin Nameless) bieten noch die Möglichkeit an, das Oversampling auf Low oder High einzustellen. Die Einstellung hängt natürlich auch von der Power der verwendeten Hardware ab.
Anschließend kommt die Preset-Sektion. Es gibt ab Werk, je nach PlugIn, wenige bis sehr viele Presets, gerade die neueren Modelle sind hier breiter aufgestellt. Hier sind auch Presets von Endorsern dabei (u.a. Kiko Loureiro). Die Qualität dieser ist, subjektiv gesehen sogar wirklich gut. Es gibt viele Presets, die sich ohne große Bastelei sofort nutzen lassen und die nicht nur Spielerei und Techdemo sind. Das ist auch nicht selbstverständlich.
Das letzte Rädchen im oberen GUI-Bereich ist der OUTPUT-Regler. Dieser bestimmt die Gesamtlautstärke und kann dazu benutzt werden, dass Signal so anzupassen, dass es nicht übersteuert und unschön verzerrt.
Darunter befindet sich das Herzstück, die Ampsektion. Sieht aus wie ein Amp, hat die Regler eines Amps und diese lassen sich drehen (natürlich virtuell). Die Anzahl und die Funktion der Regler hängt vom gemodellten Verstärker ab.
Im unteren Bereich gibt es noch die Einstellungen, MIDI Mapping, einen Tuner und manchmal auch ein Metronom.
Manchmal hatte ich nach der Installation, mein Steinberg UR12 als Quelle auszuwählen und es kam eine Fehlermeldung. Nach einem Neustart der Software ging es aber und hat danach auch keine Probleme mehr gemacht.
In der Boxensektion kann man bis zu zwei Mikros gleichzeitig platzieren. Die Auswahl variiert hier auch immer mal wieder. Wer möchte kann die beiden Slots auch nutzen und 3rd-Party-Impulse Responses laden. Die interne Boxensimulation ist aber so gut, dass man nicht zwangsweise auf diese Funktion zurückgreifen muss. Die ausgewählten Boxen passen sehr gut zu den Amps.
Bevor das Signal aber in den Amp geht, gibt es auch noch eine kleine Effektauswahl. Ein Booster zum "Aufräumen" ala Tubescreamer ist bei allen Sims vorhanden, ansonsten gibt es mal einen Chorus, Phaser, Flanger, RAT-Derivat, Fuzz, 2. Booster, Octaver, Compressor usw. Besonders ist, dass manche PlugIns davor noch eine kleine Effektauswahl haben. Hier gibt es z.B. ein WahWah (bei Cory Wong sogar mit AutoWah-Funktion) oder ein Whammy-Pedal (lässt sich auch gut zum downtunen verwenden, wenn man über Kopfhörer spielt). Die Pedale lassen sich leider nur wirklich sinnvoll nutzen, wenn man ein MIDI-kompatibles Expressionpedal anschließt (z.B. Behringer FCB1010). Wenn man wie Michael Schenker einen Cocked Wah-Sound haben möchte, kann man die Pedale aber auch mit der Maus bedienen und auf die gewünschte Position einstellen.
Da es aber auch Effekte gibt, die doch besser nach der Vorstufe aufgehoben sind, gibt es noch eine weitere Effektsektion, mit Delay und Reverb. Art und Umfang variieren hier auch wieder. Hier verweise ich auch gerne wieder auf die Neural DSP-Webseite oder diverse Youtube-Kanäle.
Es kommt sogar noch besser und Neural DSP hat noch einen EQ spendiert, entweder als grafisches 8-Band-Modell oder parametrisch mit 4 Bändern. So kann man seinen Sound noch einmal so richtig schön verbiegen oder aufräumen.
Die Simulationen
Jetzt, da bekannt ist, wer Neural DSP ist und was diese herstellen, wird der Blick auf die einzelnen PlugIns gelenkt. Um den Rahmen nicht vollends zu sprengen, gibt es nur eine kurze Zusammenfassung. Manche Sims habe ich auch noch nicht getestet und daher gibt es dazu dann auch nicht so viel zu lesen. Los gehts mit den Einzelampsims:Fortin Nameless Suite
Einer der Gründe für den Erfolg von Neural DSP. Das Nameless steht für Meshuggah bzw. den Signatureamp von Fredrik Thordendal. Anscheind hat man zwar Mike Fortin gewinnen können, aber die Band wohl nicht. Ist auch egal. Die namensgebende Band des physischen Vorbilds ist bekannt für ultratief gestimmte Gitarrensounds und genau damit hat sich die Sim ihre Sporen verdient. Bei richtig tiefen Stimmungen kommt der "knarzige" Sound richtig gut zur Geltung.
Das optische Erscheinungsbild des Amps suggeriert aber eher 70er-Jahre Plexisounds. Der Nameless ist nämlich im Prinzip ein Hot Rodded-Marshall im Stile von Jose Arredondo usw. Die Sim wird gerne als One-Trick-Pony verschrien, da es sich aber um einen Amp handelt, der aufgemotzte Marshallsounds liefert, kann man wirklich mehr damit machen. Der Tipp mit dem INPUT-Regler, der oben beschrieben wurde, greift hier auch sehr gut. Sei es 70s-Hard Rock oder 80s-Thrash, der Nameless kann das alles.
Leider ist die Ausstattung des PlugIns sehr dürftig. Es gibt zwar zwei Booster und "Aufräumer" in Form von Fortin Hexdrive und Grind, aber keinen extra EQ oder Post-Effekte.
Wer also ein Komplettpaket sucht, ist hier falsch. Der Sound ist wirklich gut, aber für Effekte muss man dann doch die DAW benutzen.
Fortin Cali Suite
Geht auch in die Hot Rodded-Marshall-Ecke, aber mit drei Kanälen und weitaus mehr Möglichkeiten als der Nameless. Von Clean bis Metal ist alles drin. Clean und Crunch reagieren auch richtig dynamisch. Delay, Reverb und EQ sind dabei. Obwohl es sich nicht um eines der umfangreichen Archetype-Pakete handelt, bekommt man hier ein sehr flexibles und breitgefächertes Paket, welches vieles überzeugend abdecken kann. Der Cali ist somit sehr gut als Einstieg geeignet. Wer den Fortin-Sound haben möchte und nicht auf den Signaturesound vom Nameless fixiert ist, bekommt hier meiner Meinung nach die etwas bessere Alternative. Beide PlugIns haben den gleichen Preis, aber hier gibt es einfach mehr fürs Geld.
Fortin NTS Suite
Basiert auf dem Signatureamp, den Ola Englund zusammen mit Mike Fortin designt hat. Hier gibt es jetzt keine weiteren Infos, da ich das PlugIn nicht getestet habe.
Soldano SLO-100
Der klassische Hi-Gain-Amp. Klingt wirklich überzeugend für alles ab Crunch. Clean gibt es meiner Meinung nach bessere Alternativen. Es gibt noch einen Compressor, zwei Overdrives und einen Pre-Amp-Chorus zum Delay und Reverb dazu. Wer eine Soldano-Sim sucht, sollte siche diese hier mal genauer ansehen bzw. anhören und anspielen!
Omega Ampworks Granophyre
Nicht getestet, daher auch keine Infos. Hat als Besonderheit eine Sim vom EarthQuaker Devices Plumes-Boost dabei.
Tone King Imperial MKII
Wer jetzt noch behauptet, dass die PlugIns sich hauptsächlich an die moderne Metalfraktion richten, dem gehen so langsam die Argumente aus. Ohne das Original gehört oder gespielt zu haben kann man sagen, dass das eine richtig gute Simulation eines Boutiqueamps mit 50s/60s-Vintagesound ist. Wer auf der Suche nach solchen Sounds ist, sollte den Tone King unbedingt mal testen.
Darkglass Ultra
Die Bassisten werden auch bedient. Aus Ermangelung eines solchen Instrumentes gibt es hier auch keinen Erfahrungsbericht
Parallax
Und noch ein PlugIn für den Bass, daher s.o.
Weiter geht es mit den Archetypes, welche in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Gitarristen entstanden sind. John Petrucci und Gojira sind dabei die bekanntesten Namen, aber auch Nolly (u.a. Periphery), Tosin Abasi, Plini und Co. sind auch keine Unbekannten. Anstatt eines Amps gibt es gleich drei oder vier, wenn auch nur jeweils mit einem Kanal. Die Effektsektionen und sonstigen Features sind zum Teil auch etwas großzügiger, was sich leider auch im Preis niederschlägt.
Die simulierten Amps orientieren sich an bekannten Originalen, sind aber auf die Bedürfnisse der Musiker abgestimmt. Es steht hier somit nicht unbedingt eine authentische Kopie im Vordergrund. Man sieht es auch am Design des GUIs, dass hier der virtuelle Charakter im Vordergrund steht. Teilweise geht es ganz schön abgespact (Petrucci) oder sogar kitschig zu. Vom Handling her ist aber alles wie gehabt. Man findet sich sofort zurecht.
Ich habe die Infos, worauf die Amps basieren aus verschiedenen Quellen im Netz, teilweise bestätigt, teilweise offensichtlich. Man sollte sich daher auch nicht zu 100% auf die folgenden Angaben verlassen, sondern mit seinen eigenen Ohren urteilen.
Archetype: Plini
Der australische Gitarrist ist bestimmt nicht allen ein Begriff, ist aber sehr vielseitig (von Joe Satriani beeinflusst), was sich auch in der Software wiederspiegelt. Clean-, Crunch- und Leadamp. Der Cleansound hat sehr viele Fans, es wird gemunkelt, dass es ein Roland Jazz Chorus 120 oder die Mischung aus einem Fender und einem Dumble sein soll. Gegen den Roland spricht rein von der Optik her das GUI mit den Röhren, aber Hauptsache ist doch, dass es klingt.
Der Crunch-Kanal soll auf einem Friedman BE-100 basieren und der Volles-Brett-Kanal auf einem 5150 neueren Datums (EVH).
Man merkt leider an, dass der Plini schon etwas älter ist. Es gibt noch den Oversampling-Switch und nicht übermäßig viele Effekte. Trotzdem klanglich immer noch gut.
Archetype: Nolly
Das Schweizer Taschenmesser von Neural DSP. Soll sich sehr gut in den Mix einfügen (nicht getestet) und ist superflexibel (getestet). Clean basiert auf einem Bogner Shiva, Crunch auf einem Marshall JCM 800 2203, Rhythm auf einem Peavey 5150 Block Letter und der Leadkanal soll ein stark modifizierter Victory V30 Countess sein. Wobei die anderen Amps auch alle gemäß den Wünschen von Nolly modifiziert wurden. Es gibt sogar zwei Overdrives und zwei Delays (Pre und Post). Nolly eignet sich auch gut als Einstieg, wenn man viel abdecken möchte. Den Leadamp finde ich nicht so pralle, die anderen Amps machen aber Spaß.
Archetype: Abasi
Leider noch nicht getestet, daher keine detaillierten Infos. Soll per se nicht auf Amps allein basieren, sondern auf Sounds, die Tosin mit seinem Rig erzielt. Dieses PlugIn gehört zu den weniger beliebten, da es wohl nicht so einfach im Handling ist. Man braucht wohl etwas, bis man den "passenden" Sound gefunden hat.
Archetype: Cory Wong
Und wieder mal etwas für die Nicht-Metaller. Diese Sounds bekommt man mit dem Cory Wong nämlich nicht wirklich hin, dafür ist alles von Ultra-Clean bis angezerrt perfekt realisierbar. Es gibt eine D.I.-Console, die auch ohne Boxensim funktioniert für die funkigen Töne, einen Fender-Mix und einen Dumble Overdrive Special mit zwei Kanälen (Clean und Drive). Dazu noch (Auto-)Wah Wah, Envelope Filter, Compressor, zwei Overdrives, 80s Chorus, Delay und Reverb und schon kann man wirklich fast alles abdecken, was in die unverzerrte bis leicht angezerrte Richtung geht. Sehr zu empfehlen, wenn man so etwas sucht. Besonders die Singlecoil-Fans werden ihren Spaß haben.
Archetype: Tim Henson
Hier gibt es auch wieder sehr viel für die unverzerrte Fraktion. Nämlich einen Acoustic-Simulator, einen Matchless mit zwei Kanälen und wenn es dann doch etwas heftiger sein soll einen Amp, der an einen Marshall JCM 800 angelehnt ist (klingt anders als der von Nolly). Wer Tim Henson und Polyphia kennt, weiß das die Sounds eher modern und experimentell sind. Es gibt als Gimmick einen Multivoicer für mehrstimmige Sounds. Macht sehr viel Spaß. Während Cory Wong eher die traditionellen Töne abdeckt, ist Tim Henson mehr in der Gegenwart bzw. Moderne angesiedelt. Richtig Metal ist nicht drin. Man kann zwar mit dem Boost und dem EQ den pinken Amps (Marshall) in die Richtung biegen, aber Metal können andere PlugIns besser.
Archtype: Gojira
Ein richtiges Brett, aber auch Clean- und Ambientsound sind sehr gut zu realisieren. Der Cleanamps soll etwas Fenderartiges sein, Crunch und Lead orientieren sich am Blue- und Red-Channel des EVH 5153. Es gibt eine MIDI-fähiges Whammy-Pedal, welches man auch zum hoch- und runterstimmen verwenden kann. Entweder hat man dazu eine ruhige Hand oder läd sich aus dem Forum von Neural DSP die entsprechenden Presets runter, was die Sache sehr stark vereinfacht. Leider wird dann auch ein komplett neues Preset geladen und sämtliche Einstellungen am Amp, der Box usw. müssen neu vorgenommen werden.
Neben Overdrive, Phaser und Chorus gibt es diese Mal auch ein Distortion-Pedal, welches an eine RAT angelehnt ist (Filter-Regler). Das Delay hat eine Tape-Effekt und das Reverb einen Shimmer-Button. Neben einem richtig geilen Metalbrett sind somit auch sphärische Sounds möglich. Das PlugIn steht in meiner persönlichen Rangliste ganz oben.
Archetype: Petrucci
Das erste PlugIn von Neural DSP, wo es richtig die volle Hütte gibt. Besonderes Novum sind die Doubler- und Transpose-Features. Mit dem Doubler kann man seine Gitarre doppeln, den Zeitversatz kann man ebenfalls einstellen. Mit Transpose kann man den Gitarrensound in Halbtonschritten hoch- und runterstimmen, jeweils bis zu einer Oktave. Das ist weitaus komfortabler zu handeln als beim Gojira, da man nicht das Preset wechseln muss und die Einstellungen verloren gehen. Man sollte aber Bedenken, dass man bei Benutzung dieser Features entweder sehr laut spielt, so dass man die trockene Gitarre nicht mehr hört oder Kopfhörer benutzt.
Effektmäßig ist man auch gut aufgestellt. In der Post-Sektion gibt es Chrous, Delay und Reverb als Rackmodell, im Pre gibt es Overdrive, Phaser, Flanger und Chorus als Pedalvariante. Im ersten Reiter versteckt sich noch ein Wah Wah und ein Compressor. Das Wah leider ohne Auto-Funktion.
Wer es ganz Clean haben möchte, kann den Piezoamp nutzen. Der klingt wirklich gut, etwas anders als der Acoustiv-Simulator im Henson, aber ähnlich. Die anderen drei Amps orientieren sich am Mesa Boogie JP-2C, wobei mir der Leadamp von allen dreien am wenigsten gefällt. Irgendwie finde ich die anderen etwas flexibler. Für Prog-Metal-Fans ein wirklich gutes Paket. Der Sound ist nicht ganz so rau und ungestüm, eher etwas glatter. Presets gibt es auch in großer Anzahl. Wer Dream Theater covern will, kommt auch nicht zu kurz.
Archetype: Rabea
Das neueste Stück Software von Neural DSP. Es gibt dieses Mal als Premiere sogar ein Fuzz und als ganz besonderes Gimmick einen Synthesizer. Leider nur monophon, weshalb nur Einzeltöne erkannt werden und keine Akkorde, aber es ist ein nettes Spielzeug für zwischendurch. Ob man damit jetzt wirklich kreativ arbeiten kann, muss man selber entscheiden. Oft hat man mit solchen Features ein paar Minuten Spaß und dann reicht es auch. Die Ampauswahl ist da etwas klassischer. Clean geht es in Richtung Fender Twin Reverb, Crunch und Lead sollen auf dem Victory Kraken basieren, der wiederum an einen Marshall JCM 900 und Peavey 5150 angelehnt ist. Man kann sich sogar zwischen EL34 und 6L6 entscheiden. Clean und Crunch gefallen mir richtig gut, mit dem Leadamp komme ich zurecht, was den 5150 angeht, hat Neural aber m.M.n. bessere Alternativen im Programm. Die Zerramps haben auch einen Tight-Regler, damit man auch ohne TS-Sim den Sound schön straff und aufgeräumt hinbekommt.
Die Doubler- und Transpose-Features aus dem Petrucci-PlugIn wurden schlauerweise übernommen. Dieses Archetype bietet sehr viele Features und auch die einzelnen Pedale haben mehr Einstellmöglichkeiten als bei den anderen PlugIns.
Der Preis
Leider hat alles seinen Preis und daher wollen wir frei nach Bud Spencer mal fragen, was mit den Kohlen ist? Der Spaß ist nicht ganz billig, aber man bekommt auch einen richtig guten Gegenwert, was Sound und Umfang angeht. Worab muss noch erwähnt werden, dass die Preise auf der Webseite ohne Mehrwertsteuer sind, die kommt dann an der Kasse noch oben drauf. Bei den "einfachen" Paketen ist man mit 99,-€ Netto dabei, das geht hoch bis 149,-€ Netto für das Archetype: Petrucci. Aber es gibt immer wieder mal Rabattcodes, wo man bis zu 30% sparen kann. Wer schon einmal etwas gekauft hat bekommt als Stammkunde 20% auf zukünftige Käufe. Es kommt aber noch besser, denn zweimal im Jahr gibt es sogar 50%. Normalerweise ist das im April, zum Geburtstag von Neural DSP und am Black Friday (Stand heute gerade vorbei). Dieses Jahr gab es im Black Friday noch einmal Flashsales, bei dem abwechselnd jeweils einen Tag lang bestimmte PlugIns um 60% reduziert sind. Verschiedene Rabatte lassen sich auch nicht kombinieren, das soll wohl mal funktioniert haben, es wurde aber schnell ein Riegel davor geschoben.Ansonsten hat man 14 Tage Zeit, ein PlugIn ohne Funktionseinschränkung zu testen. Das lohnt sich wirklich, weil man gerade am Anfang noch nicht wirklich den Überblick hat und es auch so einige Redundanzen gibt. Das führt uns auch gleich zum nächsten Punkt:
Das Fazit
Wo viel Licht ist, ist auch Schatten, daher sollen auch die Punkte beachtet werden, die mir nicht ganz so positiv bzw. verbesserungswürdig aufgefallen sind:- Es gibt immer noch Pakete die nicht auf den neuesten Stand gebracht wurden. Der Nameless ist zwar schon bei Version 3.0.1 angekommen, verwendet aber immer noch die alte Engine mit dem Oversampling-Switch und hat keine Effekte. Bei Cali hingegen wurde das gemacht, gleichzeitig gab es noch ein Delay und Reverb dazu.
- Die eben schon angesprochenen Redundanzen und Überschneidungen sind auch vorhanden. Teilweise wiederholen sich die Sounds. Man kann z.B. Sound XY mit etwas tweaken mit unterschiedlichen PlugIns herzaubern.
- Das ist jetzt dem Zeitgeist geschuldet, aber es gibt mehrere 5150-Derivate (Nolly, Plini, Gojira, Rabea - wenn man den Leadchannel vom Kraken mit dazuzählt). Ich habe z.B. auch gleichklingende Sounds mit dem Cleanamp vom Rabea erzeugt, die ich zuvor aus der Clean Machine vom Cory Wong rausgeholt habe. Daher rate ich dazu, die Testphasen zu nutzen.
- Man kann ohne DAW oder mehrere Instanzen nichts einfach so miteinander kombinieren. Wenn man z.B. nur das Fuzz aus dem Rabea haben möchte, muss man auch Rabea komplett kaufen. Möchte ich es z.B. mit dem Fortin Cali nutzen, geht das nicht so ohne weiteres. Wenn es wenigstens so etwas wie einen Hub geben würde, mit dem man seine gekauften Komponenten frei kombinieren könnte. Oder man bietet einzelne Amps oder Pedale an.
- Manchmal meinen sie etwas zu gut mit dem Hinweis auf Sales usw. Während des Black Fridays kam kurze Zeit nach dem Kauf eines PlugIns schon eine E-Mail, dass man sich doch auch gleich noch einmal PlugIn XY ansehen soll. Legt man etwas im Warenkorb ab, während man mit seinem Account angemeldet ist und loggt sich dann aus, kommen regelmäßig E-Mails, dass Artikel ABC noch im Warenkorb liegt. Das nervt schon etwas.
- Generell sind die Sounds, die Ausstattung und das Handling wirklich top und auf hochlassigem Niveau.
- Es klingt auch alles nach Amp und nicht so synthetisch wie viele Sims in der Vergangenheit. Jede Gitarre klingt anders, man hört deutliche Unterschiede.
- Zum ersten Mal bin ich auch mit den Clean- und Crunchsounds wirklich zufrieden (habe aber z.B. S-Gear noch nie getestet). Das finde ich immer schwer zu simulieren. Volles, komprimiertes Brett gab es schon vor 20 Jahren.
- Die integrierten Boxensimulationen sind so gut, dass man nicht erst noch 3rd-Party-IRs kaufen muss, sondern diese als Klangfarbe ergänzen kann, wenn man möchte.
- Mit den Doubler- und Transpose-Features muss man nicht gleich mehrere Gitarren parat haben oder umstimmen.
- Man muss nicht erst viel einstellen, der Sound Out-Of-The-Box ist schon sehr brauchbar.