Fingers Freddy
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"Hässlich", "überteuert", ein "schlechter Witz" ... die Urteile waren ja eindeutig, als der Gibson Custom Shop diesen Frühling die Theodore herausbrachte. Vielleicht habe ich einen absonderlichen Geschmack, aber ich war von Anfang an hin und weg von dem ulkigen Design. Und da ich unter der Woche bei einem Münchner Gitarrenhändler für CS-Gitarren aus zweiter Hand arbeite, dauerte es nicht lange, bis ich sie in die Hand bekam. Nicht nur einmal, sondern mehrmals. Bei der dritten, die wir in den Shop bekamen, konnte ich dann nicht mehr anders: Zwei meiner Gitarren und ein Amp wanderten auf Ebay Kleinanzeigen, und ich habe zugeschlagen. Ob es sich gelohnt hat? Hier meine Erfahrungen
Hintergrund
Für alle, die es im Frühling verpasst haben, hier die Geschichte zu dem Modell. Der Entwurf der Gitarre stammt von Ted McCarty, dem großen Innovator bei Gibson in den 50ern, der auch die Firebird, Explorer und Flying V designte. Seine Skizze einer tulpenförmigen Gitarre mit einer Single-Line-Kopfplatte ist auf den 18. März 1957 datiert. Sehr spezifisch war Ted vor allem bei der abgerundeten Kante des Bodys, der – ungewöhnlich für Gibson – aus Erle bestehen sollte. Was mit dem Entwurf passierte? Fast gar nichts. Die Gitarre wurde nicht gebaut. Nur das Design der Kopfplatte wurde ein Jahr später für die Explorer verwendet.
Teds Originalskizze, man beachte die Unterschiede zur veröffentlichten Version
65 Jahre später sollte sie allerdings doch noch das Licht der Welt erblicken – als Auftakt der Gibson "Archive Collection". In dieser Reihe baut der Gibson Custom Shop Gitarren, die bis dato nur auf dem Papier existierten (anscheinend gibt es noch mehrere solcher Modelle.) Bei der Theodore nahm das Team aus Gründen der Praxisfreundlichkeit einige Änderungen zur Originalskizze vor, etwa die Position des Toggleswitch. Im Großen und Ganzen entspricht sie aber der Idee, die Ted im März 1957 zu Papier brachte.
Die Theodore ist auf 318 Stück limitiert, jeweils 106 in den Farben Cherry, Ebony und Natural. Ausgabepreis war knapp 5000 Euro, jetzt wird sie bei den meisten Händlern für etwas mehr angeboten.
Meine Kaufentscheidung
Wie oben erwähnt: Ich war der Theodore von Anfang an verfallen. Das schlichte 50s-Design mit dem Walnussstreifen als optischem Highlight, der Rock'n'Roll-Flair ohne Binding, zwei P90s und der Explorer-Kopfplatte, die kaum gerelicte VOS-Ausführung ... alles traf für meinen Geschmack ins Schwarze. Dazu der Ego-Faktor, denn bislang ist noch kein bekannter Player mit der Theodore asoziiert. Man könnte also theoretisch der erste sein!
Doch auch in der Praxis hat mich die Gitarre ab dem Moment umgehauen, als ich sie aus dem Koffer genommen habe. Das superleichte Gewicht. Der fette Hals. Die Schwingungsfreudigkeit. Der spezielle Sound am Amp: etwas drahtiger und knackiger als eine LP Special, aber mit dem unverwechselbaren Growl der P90s. Egal wie man zu dem Design steht, ich behaupte: Wer die Theodore einmal spielt, muss sie lieben.
Und mir war von Anfang an klar, dass ich sie als Arbeitsgerät verwende, denn ich habe keinerlei Sammler-Ambitionen. Wenn ich mir ein Instrument kaufe, wird es auch gespielt – den unvermeidlichen Wertverlust sehe ich mehr als Investition in mich selber. Wäre ja auch unendlich schade, wenn sämtliche Theodores in ihren Köffern vor sich hin vegetieren. Hier also mein Praxisbericht nach ungefähr 10 Gigs mit Theo. Aber von Anfang an!
Koffer & Zubehör
Der Koffer: Wunderschön. Braunes Leder außen, pinkes Futter innen. Dazu ein toller Gurt, das Zertifikat, ein Fakisimile von Teds Originalskizze und eine Mock-Up-Kataloganzeige, wie sie 1957 wohl ausgesehen hätte. Das ganze Package wanderte direkt in meinen Keller, denn so schön wie es ist, ist es bis auf den Gurt genau so nutzlos. Der Koffer ist viel zu schwer und klobig, um ihn irgendwohin mitzunehmen. Theo residiert jetzt in einem kompakten und leichten Mono-Gigbag.
Die Mockup-Anzeige als Case Candy
Specs, Features, Hardware
Neben den typischen Gibson-Custom-Features wie Indian-Rosewood-Griffbrett, Narrow-Tall-Bünde, Nylon-Sattel, Nitrolackierung, Long Neck Tenon mit Hide Glue etc. pp. macht eigentlich nur der Body aus Erle die Theodore zu etwas Besonderem auf dem Spec Sheet. Als Pickups kommen zwei Custom Soapbar P90s zum Einsatz und als Brücke ist ein Wraparound im Vintage-Style verbaut. Das musste allerdings schnell dran glauben. Spätestens nachdem ich Theo im Duo mit einem Keyboarder gespielt habe, fielen mir neben dem latenten Schnarren ohne Saitenreiter die unvermeidlichen Intonationsprobleme zu sehr ins Gewicht. Ich habe direkt ein intoniertes Replacement von ABM bestellt und seitdem freue ich mich über keine Nebengeräusche und perfekte Intonation. Nur die hohe E-Saite reißt mir noch etwas zu oft, da muss ich wohl noch etwas nachschleifen ...
ABM-Bridge statt Vintage-Wraparound
Erwähnen sollte man auch, dass es nicht lange dauert, bis die Theodore ihre ersten Gebrauchsspuren bekommt. Allerdings schauen diese in dem dünnen Nitrolack einfach fantastisch aus!
Erstes Checking im Lack
Bespielbarkeit
Hier spielt die Theodore zwei ihrer Trümpfe aus. Zum einen das absurd niedrige Gewicht. Mein Exemplar wiegt gerade einmal 3030 Gramm, andere kommen auf unter 3 kg. Eine wahre Freude gerade bei langen Gigs. Zum anderen der Hals. Ich weiß nicht, was die Halsschleifabteilung bei Gibson hier für Magie vollbracht hat, aber so einen fetten und gleichzeitig komfortablen Hals hab ich selten erlebt. Vorausgesetzt natürlich, man gibt sich etwas Mühe beim Einstellen und sorgt dafür, dass der Hals schön gerade und die Saitenlage niedrig ist. Als Nachteil der Bespielbarkeit entpuppt sich das Design der Cutaways. Durch die Wölbung zur Greifhand hin fällt es wirklich schwer, die allerhöchsten Bünde zu bedienen. Hier muss man entweder die Technik anpassen (habe ich noch nicht geschafft), oder einfach was anderes spielen. Naja. Irgendein Opfer muss man dem guten Style ja bringen.
Sound
Wer hier etwas zu meckern findet, den kann ich nicht ernst nehmen. Ernsthaft, eine so gut klingende P90-Gitarre habe ich abseits von meiner originalen 1956er LP Special noch nicht gehört. Wie bereits erwähnt: Durch die leichte Erlenkonstruktion klingt die Theodore spritziger als eine Les Paul, was für eine tolle Funkiness bei Cleansounds sorgt. Super snappy, schnell und direkt – einfach fantastisch! Der Hals klingt dazu aber schön warm und jazzig. Die perfekte Wahl für den letzten Gig mit Bigband! Am Steg findet man die jede Menge Drahtigkeit für Country und crunchy Rockriffs. Doch das Highlight ist die Mitte, denn hier kommt alles zusammen. Fülle, Wärme, aber auch Transparenz, Luftigkeit und Durchsetzungsvermögen – gäbe es die Theodore nur mit dieser einen Pickupposition, würde sie sich auch schon lohnen. Einen solchen Sound habe ich so noch bei keiner anderen Gitarre gehört.
Rhythmussounds habe ich noch nicht recordet, hier aber ein bisschen Leadgitarre als Beispiel (wer braucht da noch PAFs?):
Purple Rain on Theodore
Fazit
Was ich so an dieser Gitarre liebe, ist dass sie super speziell und ein Allrounder gleichzeitig ist. Die Theodore klingt nicht ganz nach SG, nicht ganz nach Les Paul, nein – sie hat ihren ganz eigenen Fingerabdruck. Trotzdem lässt sie sich für wirklich jeden Stil verwenden. Von funky Disco-Cleans bis chunky Hardrock und sahnige Leadgitarre habe ich sie für alles verwendet und überall macht sie eine überragende Figur. Genau das macht die Theodore zu meiner derzeitigen Lieblingsgitarre. Natürlich hat sie mittlerweile schon einige Gebrauchsspuren abbekommen. Ich hab sie also bereits erfolgreich vom Sammlerstück zum Player degradiert ;-) Abschließend nochmal alle Vor- und Nachteile, die mir so einfallen:
Pros:
Hintergrund
Für alle, die es im Frühling verpasst haben, hier die Geschichte zu dem Modell. Der Entwurf der Gitarre stammt von Ted McCarty, dem großen Innovator bei Gibson in den 50ern, der auch die Firebird, Explorer und Flying V designte. Seine Skizze einer tulpenförmigen Gitarre mit einer Single-Line-Kopfplatte ist auf den 18. März 1957 datiert. Sehr spezifisch war Ted vor allem bei der abgerundeten Kante des Bodys, der – ungewöhnlich für Gibson – aus Erle bestehen sollte. Was mit dem Entwurf passierte? Fast gar nichts. Die Gitarre wurde nicht gebaut. Nur das Design der Kopfplatte wurde ein Jahr später für die Explorer verwendet.
Teds Originalskizze, man beachte die Unterschiede zur veröffentlichten Version
65 Jahre später sollte sie allerdings doch noch das Licht der Welt erblicken – als Auftakt der Gibson "Archive Collection". In dieser Reihe baut der Gibson Custom Shop Gitarren, die bis dato nur auf dem Papier existierten (anscheinend gibt es noch mehrere solcher Modelle.) Bei der Theodore nahm das Team aus Gründen der Praxisfreundlichkeit einige Änderungen zur Originalskizze vor, etwa die Position des Toggleswitch. Im Großen und Ganzen entspricht sie aber der Idee, die Ted im März 1957 zu Papier brachte.
Die Theodore ist auf 318 Stück limitiert, jeweils 106 in den Farben Cherry, Ebony und Natural. Ausgabepreis war knapp 5000 Euro, jetzt wird sie bei den meisten Händlern für etwas mehr angeboten.
Meine Kaufentscheidung
Wie oben erwähnt: Ich war der Theodore von Anfang an verfallen. Das schlichte 50s-Design mit dem Walnussstreifen als optischem Highlight, der Rock'n'Roll-Flair ohne Binding, zwei P90s und der Explorer-Kopfplatte, die kaum gerelicte VOS-Ausführung ... alles traf für meinen Geschmack ins Schwarze. Dazu der Ego-Faktor, denn bislang ist noch kein bekannter Player mit der Theodore asoziiert. Man könnte also theoretisch der erste sein!
Doch auch in der Praxis hat mich die Gitarre ab dem Moment umgehauen, als ich sie aus dem Koffer genommen habe. Das superleichte Gewicht. Der fette Hals. Die Schwingungsfreudigkeit. Der spezielle Sound am Amp: etwas drahtiger und knackiger als eine LP Special, aber mit dem unverwechselbaren Growl der P90s. Egal wie man zu dem Design steht, ich behaupte: Wer die Theodore einmal spielt, muss sie lieben.
Und mir war von Anfang an klar, dass ich sie als Arbeitsgerät verwende, denn ich habe keinerlei Sammler-Ambitionen. Wenn ich mir ein Instrument kaufe, wird es auch gespielt – den unvermeidlichen Wertverlust sehe ich mehr als Investition in mich selber. Wäre ja auch unendlich schade, wenn sämtliche Theodores in ihren Köffern vor sich hin vegetieren. Hier also mein Praxisbericht nach ungefähr 10 Gigs mit Theo. Aber von Anfang an!
Koffer & Zubehör
Der Koffer: Wunderschön. Braunes Leder außen, pinkes Futter innen. Dazu ein toller Gurt, das Zertifikat, ein Fakisimile von Teds Originalskizze und eine Mock-Up-Kataloganzeige, wie sie 1957 wohl ausgesehen hätte. Das ganze Package wanderte direkt in meinen Keller, denn so schön wie es ist, ist es bis auf den Gurt genau so nutzlos. Der Koffer ist viel zu schwer und klobig, um ihn irgendwohin mitzunehmen. Theo residiert jetzt in einem kompakten und leichten Mono-Gigbag.
Die Mockup-Anzeige als Case Candy
Specs, Features, Hardware
Neben den typischen Gibson-Custom-Features wie Indian-Rosewood-Griffbrett, Narrow-Tall-Bünde, Nylon-Sattel, Nitrolackierung, Long Neck Tenon mit Hide Glue etc. pp. macht eigentlich nur der Body aus Erle die Theodore zu etwas Besonderem auf dem Spec Sheet. Als Pickups kommen zwei Custom Soapbar P90s zum Einsatz und als Brücke ist ein Wraparound im Vintage-Style verbaut. Das musste allerdings schnell dran glauben. Spätestens nachdem ich Theo im Duo mit einem Keyboarder gespielt habe, fielen mir neben dem latenten Schnarren ohne Saitenreiter die unvermeidlichen Intonationsprobleme zu sehr ins Gewicht. Ich habe direkt ein intoniertes Replacement von ABM bestellt und seitdem freue ich mich über keine Nebengeräusche und perfekte Intonation. Nur die hohe E-Saite reißt mir noch etwas zu oft, da muss ich wohl noch etwas nachschleifen ...
ABM-Bridge statt Vintage-Wraparound
Erwähnen sollte man auch, dass es nicht lange dauert, bis die Theodore ihre ersten Gebrauchsspuren bekommt. Allerdings schauen diese in dem dünnen Nitrolack einfach fantastisch aus!
Erstes Checking im Lack
Bespielbarkeit
Hier spielt die Theodore zwei ihrer Trümpfe aus. Zum einen das absurd niedrige Gewicht. Mein Exemplar wiegt gerade einmal 3030 Gramm, andere kommen auf unter 3 kg. Eine wahre Freude gerade bei langen Gigs. Zum anderen der Hals. Ich weiß nicht, was die Halsschleifabteilung bei Gibson hier für Magie vollbracht hat, aber so einen fetten und gleichzeitig komfortablen Hals hab ich selten erlebt. Vorausgesetzt natürlich, man gibt sich etwas Mühe beim Einstellen und sorgt dafür, dass der Hals schön gerade und die Saitenlage niedrig ist. Als Nachteil der Bespielbarkeit entpuppt sich das Design der Cutaways. Durch die Wölbung zur Greifhand hin fällt es wirklich schwer, die allerhöchsten Bünde zu bedienen. Hier muss man entweder die Technik anpassen (habe ich noch nicht geschafft), oder einfach was anderes spielen. Naja. Irgendein Opfer muss man dem guten Style ja bringen.
Sound
Wer hier etwas zu meckern findet, den kann ich nicht ernst nehmen. Ernsthaft, eine so gut klingende P90-Gitarre habe ich abseits von meiner originalen 1956er LP Special noch nicht gehört. Wie bereits erwähnt: Durch die leichte Erlenkonstruktion klingt die Theodore spritziger als eine Les Paul, was für eine tolle Funkiness bei Cleansounds sorgt. Super snappy, schnell und direkt – einfach fantastisch! Der Hals klingt dazu aber schön warm und jazzig. Die perfekte Wahl für den letzten Gig mit Bigband! Am Steg findet man die jede Menge Drahtigkeit für Country und crunchy Rockriffs. Doch das Highlight ist die Mitte, denn hier kommt alles zusammen. Fülle, Wärme, aber auch Transparenz, Luftigkeit und Durchsetzungsvermögen – gäbe es die Theodore nur mit dieser einen Pickupposition, würde sie sich auch schon lohnen. Einen solchen Sound habe ich so noch bei keiner anderen Gitarre gehört.
Rhythmussounds habe ich noch nicht recordet, hier aber ein bisschen Leadgitarre als Beispiel (wer braucht da noch PAFs?):
Purple Rain on Theodore
Fazit
Was ich so an dieser Gitarre liebe, ist dass sie super speziell und ein Allrounder gleichzeitig ist. Die Theodore klingt nicht ganz nach SG, nicht ganz nach Les Paul, nein – sie hat ihren ganz eigenen Fingerabdruck. Trotzdem lässt sie sich für wirklich jeden Stil verwenden. Von funky Disco-Cleans bis chunky Hardrock und sahnige Leadgitarre habe ich sie für alles verwendet und überall macht sie eine überragende Figur. Genau das macht die Theodore zu meiner derzeitigen Lieblingsgitarre. Natürlich hat sie mittlerweile schon einige Gebrauchsspuren abbekommen. Ich hab sie also bereits erfolgreich vom Sammlerstück zum Player degradiert ;-) Abschließend nochmal alle Vor- und Nachteile, die mir so einfallen:
Pros:
- genialer Hals
- eigenständiger, grandioser P90-Sound
- superleichtes Gewicht
- Stylefaktor 3000
- Bespielbarkeit in den obersten Lagen
- typische Nachteile der originalen Wraparound-Bridge (Intonation, Schnarren)
- nutzloser Sammler-Koffer
- empfindlicher Lack
Grund: Bild eingebunden
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