Unterschied Declassement / Cassotto.734062 29.07.22
Hallo,
Wortklauberei
Weis jemand woher das Wort Declassement oder Deklassement eigentlich herkommt? Ich habe es zuerst bei Wolf Linde in Handzuginstrumente 1985 gelesen. Es kommt meinen Internet-Recherchen zufolge, aus dem Französischem, wo es - déclassement geschrieben - ungefähr ausrangieren, weg holen, erniedrigen, usw., bedeutet. Also nur pejoratives, herabsetzendes?
Peigne
In Frankreich heißt diese Mechanik, oder Register immer nur peigne, für Kamm. Da zulande könnte niemand was anfangen mit déclassement.
Angewendet wurde der peigne in Frankreich haufenweise zwischen etwa 1930 und 1960. Diese großen ziemlich laut klingenden Instrumente waren, vor dem E-Verstärkungs-Zeitalter, für die Tanzszene gedacht. Hauptgewicht lag auf Musette et Typique (Tango u. a. Südamerikanisches) Musette mit 8-8'8+ und Typique mit 16p8'. (Das p für peigne) War noch auswählbar 8' allein und Tutti mit den 4 Chören. So findet man bis Ende der fünfziger Jahre zwei Schaltleisten, eine zum Abschalten des 16p und eine zum Abschalten der 8- und 8+. Gewünscht war ein spritziges 3-Chor Musette, ohne einen "eingeschläferten" Cassotto-8 Fuss. Und fûr Typique, ohne das Bandoneon nachahmen zu wollen, doch ein lautes 16p mit für die damalige Zeit, vergrösserten, leicht ansprechbaren Stimmzungen und das "silbrige" direkte 8'-Chor.
Belgische Bässe
Der double-peigne, (also Doppel-Declassement!!!) wirkt mit zwei Kämmen im 8va-Abstand auf ein Chor. Also 16' und 32'. Im fr. Sprachgebrauch wurden diese 5-chörigen K-Akkordeons: basses belges, genannt.
Dreichöriger Kamm
Mir ist nur ein 3-chöriges Akkordeon mit "Declassement" bekannt, nämlich das von André Verchuren mit 8-p8'8+. Bis an sein Lebensende wollte er keinen, auch nicht von vielen Herstellern geschenkten, fond plat (Flachboden) oder simple boîte (Einchöriges Cassotto). Er mochte eben dieses spezielle, etwas "gemilderte", Musette.
Nachteile Vorteile.
Die Kamm-Mechanik ist zweifellos etwas umständlich. Die K-Akkordeon-Hersteller sind aber an solche vielen Multilagerpunkt-Hebel gewohnt. Man denke an die verdoppelte Knopfreihe auf 1 und 2, die indirekte Hebel auf Reihe 3… Das genaue ausgewogene Einstellen der direkten Ventile mit denen des Kamm-Chores ist aber um ein vielfaches einfacher und präzise als mit den Cassotto Doppel-Hebel. Dies ist eine Sache für feinfühlige Ultra-Spezialisten. Und das Reinstimmen?… no comment!
Preis, Gewicht und Midifizierung sind vielleicht die Ursachen des Verschwindens dieser Instrumente.
Anderswo passiert auch was
Es gibt noch andere Chor-Konstellationen in francophonen Ländern, diesmal ohne peigne natürlich, wie z.B. 16c8'8+4c (c für Cassotto) oder 16c16c8'8+. Ein bekannter deutscher Akkordeonspezialist erklärte mir in einem Briefwechsel, herablassend, diese Chor-Strukturen seien Dilenttantismus, da dabei sooo viele viele Klang-Kombinationen verloren gingen. Wird es erlaubt sein, anzunehmen, dass diese - im Rechnen schlecht - Interessenten diese Optionen aus triftigen musikalischen Gründen vorziehen, oder…? Anhängend sei Bemerkt dass es häufiger Phasenverschiebung durch verschieden große Öffnungen an den Stimmstöcken, den Register-Schieber und dem Montier-Boden gibt. Auch findet man hie und da die sehr schwierige giusto più Intonation bei den zwei 16'.
MFG
Bilder dabei wenn's klappt.