Notation nur vereinfacht, oder falsch ?

Magst Du ein, zwei Beispiele dafür bringen? Macht Deine Argumente dann sicher für einen noch größeren Leserkreis hier zugänglich(er). Danke.
 
ein, zwei Beispiele ...
Also, zum Beispiel das eingangs gezeigte "Tom Dooley". Wenn das in einem Spielheft stünde mit einer nur etwas weiter fortgeschrittenen Begleitung, die jeden Akkord als Dreiklang enthält, dann käme man an der Verwendung von Fis nicht mehr vorbei. Und spätestens dann wäre es meiner Meinung nach eindeutig falsch grob irreführend, das Fis nicht vorzuzeichnen.

Die Vorzeichnung dient ja nicht nur dazu, Druckfarbe zu sparen. Das auch, aber vor allem zeigt sie an, in welchem tonalen und harmonischen Kontext ein Lied steht, auf welchen Tönen Ruhe liegt und auf welchen Spannung, mit welchen Akkorden man regelmäßig rechnen muss und mit welchen nur ausnahmsweise oder wahrscheinlich gar nicht. All das kann man der Vorzeichnung auf einen Blick entnehmen.

Bei Einzelversetzungen muss man zuerst mehrere Takte analysieren, um zu einer entsprechenden Vermutung zu kommen. Und je mehr verschiedene Töne regelmäßig versetzt werden (fis, cis, gis, ...), desto voller und unübersichtlicher wird das Notenbild und desto weniger fallen tatsächlich leiterfremde Sonder-Versetzungen auf. Das sind aber die, die ins Auge springen müssen.

Klar, das ist alles nicht für Anfänger in den ersten Wochen. Aber der Anfänger will ja demnächst fortgeschritten sein, also sollte man die üblichen Standards (auf die er unweigerlich treffen wird) bei gegebenem Anlass einführen und konsequent verwenden. Vermeidung ist nicht sinnvoll. Nicht die Verwendung von Standards muss begründet werden, sondern die Abweichung davon.
 
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Empfindet Ihr das als zulässige "Vereinfachung aus pädagogischen Motiven", oder schlicht und einfach als "falsch" ?
Eure Meinung dazu würde mich interessieren!
Dieses Stück ist "Tom Dooley" (wie oben schon bemerkt). DAS würde ich tatsächlich 4/4 im Anfängerheftchen notieren. Das fehlende # würde mich hier auch nur begrenzt stören, je nach Konzept des Unterrichts.

Ansonsten: Wenn ich nicht wüsste, dass es TD wäre, dann würde ich statt G-Dur auf den ersten Blick erst mal mixolydisch annehmen. Das gibt' ja auch noch.
Und selbst zähle ich als alter, langsamer Mann TD auch im 2/2. Als Anfänger hätte ich es im 4/4 gebraucht.
 
Hmmm…

Aber woran erkenne ich denn, wenn ich erstmal nur die Noten habe, die Tonart (insbesondere wenn man nicht auf Dur/Moll beschränkt ist)?

Zum Beispiel hier: http://www.mirbsd.org/music/free/Haßler -- Ach weh des Leiden.pdf

Im Original (uralt) mit einem b molle notiert hat es ganz viele E♭. In dem PDF steht es mit einem vorgezeichneten ♭; mein „Spaßchor“leiter hat es mit zwei ♭s und einigen E♮ notiert.

Lesen kann man beides. Singen kann man auch von beidem sehr gut, als Amateur.
 
Aber woran erkenne ich denn, wenn ich erstmal nur die Noten habe, die Tonart (insbesondere wenn man nicht auf Dur/Moll beschränkt ist)?
Zum Beispiel hier: http://www.mirbsd.org/music/free/Haßler -- Ach weh des Leiden.pdf
Der Vorzeichnung nach handelt es sich um F-Dur oder D-Moll. Zu den Noten passt das allerdings nicht besonders gut. Mal kurz hingeschaut: Könnte G-Moll sein (melodisch), dabei treten D-Dur als Dominante und gelegentliche Töne E (statt Eb) auf. Am Ende hilft aber nur Spielen und Hinhören.
 
Gefunden in einem Klavier-Übungsheftchen für Anfänger.
Mich würde ja noch mal interessieren, was das für ein Heftchen ist.

Aber woran erkenne ich denn, wenn ich erstmal nur die Noten habe, die Tonart (insbesondere wenn man nicht auf Dur/Moll beschränkt ist)?
Theoriewissen und Erfahrung: Alle Stimmen gleichzeitig senkrecht lesen und nach Akkorden, Kadenzen etc. suchen. Im gefragten Stück G-Moll (mit G-Dur als Schlußakkord: Picardische Terz).

Viele Grüße,
McCoy
 
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Aber woran erkenne ich denn, wenn ich erstmal nur die Noten habe, die Tonart (insbesondere wenn man nicht auf Dur/Moll beschränkt ist)?
Zwei Möglichkeiten.
1) Sie steht schon dran, wie angegeben
2) Man deutet die Melodie als Skala und schaut notfalls nach unter https://chord.rocks/piano/identify-scale?accidental=flat (alles Englisch gedacht)

Ich beschränke mich auf den oberen Teil, um das Prinzip zu verdeutlichen, wie man's herausfinden kann.

Mit A, Bb, C, D, F, G liefert o.g. Linke KEINE Skala. Ergänzt man sinngemäß das E, erscheint, wie erwartet, F-Major (Stufen: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7). Nun kommt E nicht vor, außer in Takt 14 ans Eb, womit sich zwanglos, wenigstens in diesem Teil, F Mixolydian ergibt (1, 2, 3, 4, 5, 6, ♭7).

Gehen wir wieder von F-Major aus, was ist dann mit den beiden Fis? Modifiziert man die in der Skala enthaltenen Töne sinnvoll auf A, B♭, C, D, E♭, F, G♭, und will man den Grundton F, hieße die Skala F Hijaz (1, ♯1, 3, 4, 5, 6, ♯6 // neige zu 1, b2, 3, 4, 5, 6, b7).

Usw. Stücke können:
  • vollständig in einer Skala sein (und oft ist es dann eine der Dur- oder Moll Tonarten)
  • Skalen wechseln (passiert zB. oft im Jazz, aber nicht nur dort)
Von Dur- und Moll abweichende Skalen/Tonarten sind natürlich per Vorzeichen etwas tückisch zu notieren. Weiß nicht, ob es da einen Standard für gibt. Im Jazz macht man daher oft Folgendes:
  • Vorzeichen der Grundtonart notieren
  • abschnittsweise den Skalenwechsel über die Passagen schreiben (Mixolydian, Dorian b5 usw.)
Das vorliegende Stück ist offenbar von 1601. Daher wäre zu vermuten, dass:
P.S.: Gegen @McCoy 's Scharfsinn und Erfahrung kann ich natürlich nur wenig dagegenhalten :D Ja, auf's Ende hätte ich schauen sollen. Ändert aber am Vorgehen, wie beschrieben, nicht viel. Setzt nur den Schwerpunkt anders auf G.
 
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Mich würde ja noch mal interessieren, was das für ein Heftchen ist.
Das muss ich erst noch recherchieren, wenns Dich interessiert.
Mir wurde vom Schüler (aus ganz anderen Gründen) nur diese eine Blatt „zugespielt“.

Thomas
 
Das muss ich erst noch recherchieren, wenns Dich interessiert.
Nein, sooo wichtig ist es dann auch nicht. Nutze die Zeit lieber mit etwas Sinnvollerem.

Viele Grüße
McCoy
 
Dem Link folgend, die erste der beiden einsehbaren Seiten:

1659543095624.png
 
daß es sich wohl um dieses Machwerk handeln dürfte:
Da schau her, ein Wiener und wohl Jazzkontrabassist: https://de.wikipedia.org/wiki/Gerald_Schwertberger

Die Ausgabe ist von 2002. Ich hätte vom Druckbild her auf 70er oder 80er-Jahre getippt. Er ist auf jeden Fall einer, der durch die alte Schule gegangen ist, als Foxtrott u.a. manchmal noch im 2/2 Takt aufgeschrieben wurde. Ich habe sogar schon 4/2 gesehen. Das Notenbild ist vielleicht auf die ersten Computer-Notensatzprogramme zurückzuführen, bin mir aber nicht sicher.

Danke für's recherchieren!

Viele Grüße,
McCoy
 
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Dann nicht (GELÖSCHT), siehe unten...

kann ich bei allem Bemühen keinen Zusammenhang zur Ausgangsfrage DIESES Threads erkennen.

Dann so: Aus meiner Sicht ist es zwar nicht "richtig", das Generalvorzeichen wegzulassen, kann aber im Kontext des Lehrkonzeptes durchaus Sinn machen, weil in dem Moment andere Dinge wichtiger sind. Damit ist es dann auch nicht "falsch"...

Gruß,
glombi
 
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Gestern ist mir ein YT-Video von Aimee Nolte über den Weg gelaufen, das mir persönlich bezüglich der Ausgangsfrage die Augen geöffnet hat:
Abgesehen davon, daß mir dieses Video viel zu langatmig ist (aber das ist halt nur mein persönliches Empfinden) kann ich bei allem Bemühen keinen Zusammenhang zur Ausgangsfrage DIESES Threads erkennen.
?

LG
Thomas
 
Die Ausgabe ist von 2002. Ich hätte vom Druckbild her auf 70er oder 80er-Jahre getippt. Er ist auf jeden Fall einer, der durch die alte Schule gegangen ist, als Foxtrott u.a. manchmal noch im 2/2 Takt aufgeschrieben wurde. Ich habe sogar schon 4/2 gesehen. Das Notenbild ist vielleicht auf die ersten Computer-Notensatzprogramme zurückzuführen, bin mir aber nicht sicher.

Unten drunter steht Doblinger/Wien 1979. Da war Herbert Chlapik wohl Chef der Notensatzabteilung, zumindest war er es bis 1985. Er hat das Buch "Die Praxis des Notengraphikers: Wie entstehen unsere Noten?" verfasst. In der Tat, das ist Alte Schule mit allen Vor- und Nachteilen. Daher ist anzunehmen, dass die Klavierschule 1979 noch gestochen wurde. Und wenn man auf einige Details achtet, sieht man Unregelmäßigkeiten, die Software-untypisch, aber typisch für Handarbeit sind:
- Fingersätze sind weder linksbündig noch zentriert
- der Abstand der Notenschlüssel zum linken Taktstrich schwank leicht
- die Viertelpausen sitzen mal etwas höher, mal etwas tiefer im Notensystem
- ich habe nicht genau nachgemessen, aber die Taktbreiten bei Takten gleichen Inhalts erscheinen mir unterschiedlich (Streichholzschachtel-Boogie, Takt 1 und 3 bzw. 2 und 4)
- die GROßSCHREIBUNG aller Titel ist typisch für Chlapik bzw. Doblinger. Es wird auch genau die Musik- und Texttype aus dem Buch verwendet
 
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Am Ende hilft aber nur Spielen und Hinhören.
Bei mir leider nicht so gut, ich bin starker Melodiehörer, nix mit Obertönen, und beim Erkennen Dur/Moll-Dreiklang habe ich 50% Trefferquote…

P.S.: Gegen @McCoy 's Scharfsinn und Erfahrung kann ich natürlich nur wenig dagegenhalten :D Ja, auf's Ende hätte ich schauen sollen. Ändert aber am Vorgehen, wie beschrieben, nicht viel. Setzt nur den Schwerpunkt anders auf G.
Ich bin überrascht, hätte auch eher auf Kirchentonart getippt, aber bei g-Moll stimmen 2♭ ja wieder.

Ich passe das Stück an, daß es mit zwei ♭ notiert wird, also nicht wundern, wenn sich das PDF jetzt ändert, und packe g-Moll in die Metadaten.

Und wenn man auf einige Details achtet, sieht man Unregelmäßigkeiten, die Software-untypisch, aber typisch für Handarbeit sind:
Ooh! Wieder was gelernt (wodrauf man gucken muß; das Video des „letzten Notenstechers“ kenne ich).

Echt toll hier!
 
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Ich passe das Stück an, daß es mit zwei ♭ notiert wird, also nicht wundern, wenn sich das PDF jetzt ändert, und packe g-Moll in die Metadaten.
Oder einfach den Untertitel ergänzen: "Sketch for Score". :D
Lt. Filmmusik-Komponistin Anne Dern sind bei aktueller Filmmusik Generalvorzeichen nicht mehr angesagt, weil die Sections ihre Musik vom Blatt spielen. Probenarbeit und Aufnahmen mit dem kompletten Orchester sind zu teuer geworden, solche Budgets etwas bekommen nur noch Altstars wie John Williams zugestanden.

Gruß Claus
 
... sind bei aktueller Filmmusik Generalvorzeichen nicht mehr angesagt, weil die Sections ihre Musik vom Blatt spielen.
Aha. Und Vom-Blatt-Spielen geht besser ohne Generalvorzeichen? Ich hätte gedacht, dass die Vorstellung einer Tonart und eines nativen Tonvorrats auch dabei hilft. Aber gut, die Leute, die sowas spielen, sind vermutlich Spezialisten.
Probenarbeit und Aufnahmen mit dem kompletten Orchester sind zu teuer geworden, solche Budgets etwas bekommen nur noch Altstars wie John Williams zugestanden.
Demnächst braucht man dafür gar keine Musiker mehr. Noten in Töne umsetzen, das kann eine Software heute schon zum Nulltarif. Nur noch General MIDI durch eine bessere Sounddatenbank ersetzen und eine KI hinzufügen, die Kameras hat und die Bewegungen des Dirigenten versteht, und dann sind wir wieder da, wo wir vor hundert Jahren schon mal waren, als die Stummfilm-Pianisten durch Lochstreifen-Klaviere ersetzt wurden.
 
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Aha. Und Vom-Blatt-Spielen geht besser ohne Generalvorzeichen?
Das liegt daran, dass sinfonische Fimmusik seit Jahrzehnten stark moduliert und häufig auch sehr chromatisch ist. Anne Dern folgend kosten Probenarbeit und jeder Patzer Zeit und damit Geld, deshalb auch das Aufnehmen der Sections und editieren in der DAW.

Natürlich werden in London und Los Angeles enorm fitte Studiomusiker und Sections der ansässigen Spitzenorchester von den Filmproduktionfirmen engagiert.

Demnächst braucht man dafür gar keine Musiker mehr.
Es wird auch aktuell längst digital mit Libraries in der DAW vorproduziert, weil sich damit den Orchestratoren die Vorstellung der Komponisten viel unmittelbarer mitteilt als über eine Partitur mit Spielanweisungen und möglicherweise langwierigen Gesprächen zum Score.

Anne Dern berichtet zur Arbeitsweise heute und früher ausführlich und mit vielen Ausschnitten aus der Praxis.
https://www.youtube.com/c/AnneKathrinDernComposer/videos

Gruß Claus
 
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