aber mich würde es wirklich mal interessieren, was ihr vom Stimmen mit elektronischen Geräten wie z. b. einem Präzisionsbohrer mit Schleifaufsatz haltet?
Kurzfassung:
Davon halte ich nichts!
Langfassung:
Die Zeitersparnis ist nur subjektiv und das Risiko durch ungewollte "Hoppala" die Stimmzungen zu versauen ist einfach hoch.
Mir kommen immer wieder Akkordeons unter, die mit dem "Dremel" gestimmt wurden. Und da kommen immer wieder solche Schliffbilder vor:
Wenn so eine Kuhle reingeschliffen wurde oder aus versehen reingeschliffen wurde - die Stimmzunge ist damit am Ende! Die hat damit keine brauchbare Stimmkonstanz über die Lautstärke, weil mit so einer Kuhle praktisch ein "Scharnier" in die Zunge reingeschliffen wurde. Die Lebensdauer sinkt ebenfalls, weil die Biegelinie gestört wurde und hier eine loklae Schwachstelle erzeugt wurde, die bei der Schwingung deutlich höhere Biegespannugnen aufnemen muss... was zwangsläufig auf die Lebensdauer geht.
... Und was am schlimmsten ist:
die kann man so nicht mehr weiter nachstimmen, ohne noch mehr Material an der Stelle abzuschleifen. Denn durch die eingeschliffene Kuhle wurde eine so federführende Stelle erzeugt, die lokal soviel Material abgenommen hat dass man in den benachbahrten Bereichen durch Kratzen so gut wie keine Änderungen der Stimmung mehr erreichen kann.. es sei denn man kratzt ganz massiv nach.
Kurzum, wenn durch Schleifen so eine Stimzunge entstanden ist, dann kann man die eigentlich wegschmeißen, denn die hat ein lausiges Betriebsverhalten und ist praktisch nicht mehr nachstimmbar.
Jetzt werden viele die mit einem Schleifgerät arbeiten sagen: "Ja wenn man so grob vorgeht - klar.... aber ich schleif ja gaaaanz vorsichtig und nur gaaaanz fein, da passiert das nicht!"
...
Dann hat man entweder keine Zeit gespart, weil man schlichtweg höllisch aufpassen muss, ja nicht aus versehen zu lange auf einer Stelle zu bleiben, ja nicht aus Versehen zu stark zu drücken und ja nicht an den Kanalrand zu kommen, oder das Schleifergebnis ist "suboptimal". Weil halt doch n kleiner Tatscher auf den Rand erfolgt ist oder weil die Oberfläche halt doch n bissl welliger ausgefallen ist, als geplant... oder, oder , oder...
Und wenn man mit dem Stimmkratzer zu viele tiefe Rillen eingekratzt hat, dann fehlt ganz einfach die Übung...oder die Stimmzunge hat schon durch die vorhergehenden Stimmer eine grobe Behandlung erfahren.
Denn entweder es ist nur eine kleine Abweichung nachzustimmen, dann brauchts auch nicht viel mas man "reinritzen " muss - da reicht meist ein relativ kleiner zarter Strich. Das kann man dann meist sogar am eingebauten Stimmstock erledigen (Cassotto natürlich ausgenommen). Und mit etwas Übung geht das sogar relativ fix.
Oder es geht drum die Stimmplatte auf eine andere Grundfrequenz umzustimmen ( also z.B. von 443 auf 440 Hz) . Dann ist es sowieso sinnvoller die Platten auszubauen und die Zunge auf der ganzen Fläche flächig nachzuschleifen um eine passende Schliffkurve über die ganze Zuge zu erzeugen. Das kann man dann auch jeweils von der Außenseite machen und praktischerweise auf einen Wert leicht oberhalb der gewünschten Frequenz vorzuschleifen. Weil die Zunge nun ja von beiden Seiten zugänglich ist, kann man hier bequem mit einem Schleifstein, oder einem Schleifband arbeiten - selbst an der Spitze. Und das ohne Gefahr zu laufen den Plattenkanal zu misshandeln.
Und anschließend nach dem Wiedereinbau kann man mit dem Stimmstichel relativ bequem im hinteren (steiferen) Bereich mit einem gezielten Strich die Feinstimmung durchführen. Und wenn man die Platte geschickt vorgestimmt hat, muss man nur tiefer stimmen - muss also gar nicht an die Zungenspitze ran. Das geht meist sogar, ohne dass man die Zunge hierzu irgendwie gegenhalten muss Der hintere Bereich der Zunge hat in der Regel hierzu schon von sich aus genügend Steifigkeit.
Ausnahme sind die ganz hohen Töne. Die brauchen immer beondere Sorgfalt... aber das gilt um so mehr, wenn man mit elektrischen Schleifgeräten arbeiten will. So eine Piccolozunge hat im vorderen Bereich meist nur noch ca. 0,09 mm Zungendicke...da hat man schnell was versaut... egal mit welchem Gerät. Da ists fast besser den Dremel auszuschalten und den Schleifstift so drüberzuschaben!
... nee im Ernst - die Zungen brauchen immer Sorgfalt egal mit welcher Methode
Und bei den großen Basszungen, da muss man sowieso "gröber rangehen" wenn man eine Änderung will. Die haben vorne ihre Ballastgewicht wo man wirklich bequem mit der Stimmfeile arbeiten kann. Und wenn man an der Zunge nachkorrigieren muss, weil der Ton zu hoch ist, auch dann kann man die Zungen aufgrund der Größe meist schon mit der Stimmfeile flächig bearbeiten. Das geht einereits relativ flott, weil mit der Feile auch in kurzer Zeit mehr Material abgetragen werden kann, wenn man will und andererseits ist das auch sehr präzise, weil man hier sicher nicht versehentlich "mal kurz danebengeschliffen" hat.
Wenn man mit dem Stimmstichel zu lange braucht und/oder zu tief reinfurcht, dann ist das ganz einfach eine Übungssache. Aber entsprechend Übung braucht man auch mit elektrischen Schleifgeräten... einfach "mal geschwind so" wird nur zufällig gut. Der Rest ist wie meist im Leben Übungssache!
Nur als Beispiel:
hier eine Zunge die von Hand per Schleifstein um 5 Hz umgstimmt wurde:
Was man hier als "böse" Querrillen zu erkennen glaubt, ist nicht das was ich nachgeschliffen habe, sondern das ist der Rest vom Originalschliffbild ab Werk... meine Schleifspuren sind die, die längs laufen. Man sieht, hier aber ganz gut dass bei der Methode zunächst nur die Profilspitzen abgetragen werden und noch nichtmal auf das Kernmaterial der Zunge geschliffen werden musste und trotzdem ließ sich eine so drastische Änderung erzielen. Und mit so minimalem Eingriff in die Kernsubstanz der Zunge zickt die hinterher auch nicht groß rum und hält die Stimmung dann gleich von Anfang an relativ gut.
Ganz klar - man braucht hierzu Erfahrung und Übung damit man in etwa weiß in welchem Bereich man wie viel nehmen muss... Und dann ein feines Händchen.
Aber ganz ehrlich: mit einem rotierenden Schleifgerät braucht man da noch ein viel feineres Hänchen, damit zu keinem Zeitpunkt der Scheifstift auch ja nicht zu viel abnimmt. Denn rotierende Schleifmaschinen sind Maschinen und die sind dafür gemacht schnell und herzhaft zu arbeiten... und bei den Stimmzungen gilt: was weg ist, ist weg!
Drum meine Empfehlung:
Nimm einen ordendlichen Stimmstichel mit feiner Spitze. Schärf die immer vor dem Nachstimmen nach damit auch wirklich eine scharfe Kante vorhanden ist, dann kann man mit dem Ding auch mit ganz wenig Druck arbeiten. Sonst kann der Stichel nicht richtig arbeiten und macht nur eine Mischung aus Schaben und Materialverdrängung.
Und für die großen Zungen als Ergänzung noch eine Stimmfeile, so dass man dann auch, wenns sein muss, flächig arbeiten - da kann man ebenfalls sehr materialschonend - weil flächig- arbeiten.