Warum passen die Akkorde meines Rocksongs?

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Ich habe einen kleinen, einfachen Rocksong geschrieben mit den folgenden Akkorden:

Am F D E

Die Melodie dazu verwendet nur Töne aus der C-Dur Tonleiter. Nun möchte ich im Nachhinein verstehen, was ich da eigentlich komponiert habe. Ich hätte gesagt der Song ist in A-Moll, auch die Melodie kehrt immer wieder zum A zurück. Aber was genau haben dann D und E in meinem Song verloren? Beide sind tonartfremd. Was meint ihr und: welches Kapitel Musiktheorie deckt solche Fragen ab?

Danke für eure kurze Analyse!
André
 
Am ist die Paralelle zu C, ergo ist hier nur der Abstand zum Grundton anders, aber beide bestehen aus den selben Tönen. Lies dich hier rein, da wird es schnell und gut erklärt.
 
D-Dur ist die Durparallele zur 4. Stufe von Am, E-Dur ist die 5. Stufe von Am (und F ist die Parallele zu 1. Stufe) - das klingt also nach einem guten alten I-IV-V-Song mit (einigen wenigen) Alterierungen. Wir kennen die Melodie nicht - ihre stabilen und instabilen Töne -, aber Du sagst selbst "Melodie kehrt immer wieder zum A zurück" - das passt, nach der Aktenlage, momentan einmal alles wunderschön zu einem "ganz normalen a-Moll-Song".

Als theoretischer Hintergrund (allerdings ohne eine große tiefe Theorie ...):

- "Moll-Stücke" verwenden hemmungslos ("wenn's passt") einen erhöhten Leitton - daher ist das Gis in E-Dur i.A. nicht leiterfremd (nur in Stücken, die "penetrant" die "natürliche" 7. Stufe G verwenden, kann das Gis "falsch" sein). Das ist dann, melodisch gedacht, die Erweiterung der natürlichen a-Moll zur "harmonischen" a-Moll.

- Durch den erhöhten Leitton entsteht nun in der "melodisch gedachten"* Tonleiter eine kleine Terz zwischen 6. und 7. Stufe - in a-Moll also F-Gis was melodisch bei stufenweisen Fortschreitungen ("Tonleitern") "unpassend" wird - daher wird in melodischen Zusammenhängen auch die 6. Stufe erhöht, also aus F Fis. Schon ist man bei der "melodischen" a-Moll-Tonleiter, damit ist D-Dur als 4. Ersatzstufe "nötig", um korrekt begleiten zu können, und wird auch nicht mehr als leiterfremd empfunden.

H.M.

* Man kann eine Tonleiter entweder als einen "Tonvorrat" auffassen, also nur als "Tonart". Man kann sie aber auch, wenn man sie einmal rauf und dann runter spielt/singt/hört, als "die grundlegende Melodie" dieser Tonart betrachten. Weil viele Stücke (seit Jahrhunderten bis heute) in Tonschritten (Sekunden) fortschreiten, ist die Tonleiter sozusagen ein "Vorrat ein Melodiestücken" - man nimmt sich beim Meldoie-Erfinden also sozusagen Stücke aus dieser Tonleiter heraus - das ist "melodische Sicht" auf eine Tonleiter ... ... alles meine Sicht, also gerne Widerspruch und "vollkommen anders"-Kritiken ;)
 
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Die Melodie dazu verwendet nur Töne aus der C-Dur Tonleiter. Nun möchte ich im Nachhinein verstehen, was ich da eigentlich komponiert habe.
Mit welchem Ton beginnt und endet deine Melodie? Anhand dessen kann man schon recht gut eine Zuordnung machen. Vielleicht kannst du ja ein paar mehr Infos oder Notenausschnitte mit uns teilen.
 
Vielleicht kannst du ja ein paar mehr Infos oder Notenausschnitte mit uns teilen.
Das wäre ganz wichtig. Ehrlich gesagt weiß jedenfalls ich nicht einmal, ob jetzt Deine Akkordfolge wirklich zu Deiner Melodie passt, oder ob da - sagen wir mal - Ungenauigkeiten drin sind ;)
 
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Naja, die Antwort auf deine Frage ist zunächst einmal, dass es sehr naheliegende Harmoniefolgen gibt, aber im Grunde keine wirklichen Festschreibungen, nur Abfolgen, die unserem klassischen, westlichen Gehör gefälliger erscheinen.
Nehmen wir z.B. deine Harmoniefolge, die zwar nicht zu den üblichen Erfolgsformeln der Populärmusik gehört (s. Volker Kramarz: Warum Hits Hits werden, ISBN: 978-3-8376-2723-7), aber durchaus eingängig und gängig ist.

Zwischen deinen Akkorden gibt es nämlich viele gemeinsame Töne, die in der Melodieführung als Brückentöne bzw. Übergänge fungieren können.
Die großen Buchstaben bezeichnen die unmittelbar zum Dreiklang gehörenden Noten. Die normal gedruckten zum Restbestand der Tonleiter (z.B. ist das D bei F-Dur der Akkord F-Dur6, was vielleicht auf der Gitarre gegriffen in deinem Song noch besser klingt als das glatte F-Dur):
- zwischen A-Moll und dem nachfolgenden F-Dur sind dies: A, C, D, E, F;
- zw. F- und D-Dur sind es: G, A, D, E;
- zw. D- und E-Dur: E, F#, A, H, C#;
- und zurück von E-Dur zu A-Moll: E, A, H.

Du siehst, dass du in der Melodie sogar relativ sparsam sein kannst, da A und E in allen Akkorden vorkommen. Oder anders herum: du kannst die Akkordfolge durchaus gut in der Reihenfolge variieren.

Ich kenne zwar deine Melodieführung nicht, aber die Vermutung liegt nahe, dass du noch mehr 'Brücken' bauen könntest.
Wie schon gesagt hat F-Dur6 anstelle von F -Dur auch noch ein zusätzliches D. Der Übergang zwischen F-Dur und D-Dur geht evtl. nahtloser über einen geteilten Takt von Dsus zu D) usw.

Wenn du Interesse hast, würde ich o.a. Buch bestellen und die Akkorde auf der Website "https://www.oolimo.de/gitarrenakkorde/finden" ermitteln. Damit könntest du gezielter in Richtung der gewünschten Stilistik gehen, z.B. Rock, Blues oder Jazz.

Viele Grüße
Matthias
 
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Ich hab mal eine "Soundskizze" von einer Melodie auf die Akkordfolge gemacht - ok, mit einer Änderung: E wird durch Esus4 vorbereitet; das ganze ist nicht Rock, es gibt keine Drums (die könnten am Ende drastisch einsetzen ...), das ist vielleicht eine Strophe, aber sicher kein Chorus usw.usf. - was fehlt noch alles dran?? - aber es ist eben eine Melodie auf diesen Akkorden, die mit "nur C-Dur-Tönen" auskommt, um halt zu zeigen, wie sowas "funktionieren könnte" ...



H.M.
 
Ich machs mal simpler.
Also spielst du im Prinzip eine 1-6-4-5 Kadenz und die 4 und 5 "leihst" du dir oder wechselst in A Dur, je nachdem wie du es nennen willst.
A Dur und A Moll funktioniert das A logischerweise immer gut, weils in beidem der Grundton ist. Und D und E sind auch in allen drei Tonarten (A Dur, A Moll, C Dur) - also die Noten, nicht die Akkorde (in Dur).
Schreib dir am besten mal A Dur, A Moll und C Dur die Noten untereinander und vergleiche.

Klar könnt man jetzt weiter schauen warum das funktioniert aber es ist egal weil du theoretisch alle Akkorde aneinanderreihen kannst wie du willst. Solange die ganze Band und Gesang den Akkorden folgt wirds nicht falsch klingen, höchstens gewollt und nicht gekonnt. Diese Wechsel in andere Tonarten werden vom Hörer akzeptiert wenn sich nichts zu arg beißt, das verDuren der 4 und 5 wie in deinem Fall kommt aber recht häufig vor, fällt also schon unter Hörgewohnheit.

Die Kunst ist dann "schlüssige" Wechsel einzubauen die sich dann über noch mehr theoretische Hintergründe so richtig schön gekonnt anhören.
 
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Am ist die Paralelle zu C, ergo ist hier nur der Abstand zum Grundton anders, aber beide bestehen aus den selben Tönen.
Nur, um einer "Verwechlungsfalle" vorzubeugen:
Nicht die Funktion des Akkordes C, welcher eben eine Parallele Am (eben den Akkord Am--> Funktionstheorie) hat mit dem Begriff Paralleltonart , was eben Tonarten bezeichnet, die aus denselben Tönen bestehen bzw. dieselben Vorzeichen haben verwechseln.
Die Akkorde Am bestehen aus den Tönen A-C-E, C-Dur aus C-E-G - da bedeutet der Begriff "Parallel" nicht, dass es dieselben Töne sind, sondern das der eine Akkord funktional den anderen ersetzen kann.

OnTopic:
"Warum passen die Akkorde meines Rocksongs?"

Die Akkordfolge selbst ist wie @hmmueller schon gesagt hat Am mit verdurter 4. und 5. Stufe und schön der Dominanten E, die wieder zum Am führt. Sagen wir mal so: Genau das ist nichts Außergewöhnliches, ganz im Gegenteil, das kennt das Ohr und fasst es idR. bereitwillig als "schlüssig" auf.

Die Melodie kennen wir nicht, aber wenn du das ganze als schlüssig empfindest wird @Langis vermutlich nicht weit daneben liegen, was die "bevorzugteren" Töne der Melodie betrifft?
Warum da was funktioniert muss man etwas "hochaufgelöster" denken als nur den Tonvorrat der Melodie zu betrachten- analysiere mal deine Melodie dahingehend, welche prägnanten Töne deiner Melodie zu welchem Akkord klingen (also die, die wirklich so lange klingen, dass sie mit dem Akkord eine Harmonie formen und nicht als Durchgang empfunden werden).
Naheliegend wäre etwa:
Der Ton F kommt eher wenig bis gar nicht über dem D-Dur vor? (kämpft sonst ein wenig mit dem parallel klingenden F#)
Selbiges bezüglich G überm E-Dur?
.....

Grüße
 
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Wow, hätte nicht gedacht dass sich der Thread mit 4 Akkorden so schnell füllt (y) Danke schon mal für all die Anregungen, aber wahrscheinlich ist es tatsächlich am besten ich poste hier erst mal noch die Noten, wie es @Christian_Hofmann vorgeschlagen hat.

Gewinnt wohl keinen Preis für schönen Notensatz, aber das ist etwa die Lead-Stimme plus das Gitarrenriff (auch noch als Midi/Mp3 zum reinhören). Auf dem Sheet sind Stücke der 3 Parts Verse, Pre-Chorus und Chorus. Mehr Notenmaterial gibt es auch mit der Bridge nicht.
 

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Grund: Update mit Bass-Schlüssel
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Ein Sache: nutze für die untere Notenzeile den Bassschlüssel oder einen oktavierten Violin wenn es sein muss. So was lässt sich nämlich ganz doof lesen.

Davon abgesehen schaue ich es mir in Ruhe an. Was ich schon beim Anhören merke ist dass es nicht ganz stimmig ist. Aber durch die klare Trennung von Begleitung und Melodie fällt es nicht so stark auf. Als vierstimmiger Satz würde es nicht funktionieren, wenn du die Lautstärke angleichen würdest, dann wird es vermutlich auch nicht mehr funktionieren. Aber so funktioniert es eben doch weil die beiden Teile, also Melodie und Begleitung zwei getrennte Dinge sind welche für sich genommen stimmig sind. Dadurch wird bei dieser Gestaltung das gesamte wieder stimmig.

Übrigens eine Erkenntnis die man sich merken sollte. Du kannst alle Töne kombinieren und alle Regeln ignorieren. So lange das Ergebnis für den Zuhörer plausibel ist wird es als nicht falsch gehört. Dabei solltest du dich auch damit befassen wie wir hören. Wir hören Zusammenhänge. Ein Durchgangston ist plausibel und hört sich gut an. Diese Kombination ohne Kontext hingegen nicht einzeln. Spannend, wir hören etwas und empfinden dies im Zusammenhang jetzt richtig oder falsch, obwohl wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen ob es plausibel ist. Also scheinen wir dich rückwirkend zu hören, was aber keinen Sinn ergibt...

Ich schaue mir die Noten später in Ruhe an. Die anderen sind vermutlich schneller...
 
Ausgerechnet auf dem E7 aufhören? Das ist der Akkord, der am stärksten zum Am zurück zieht, setz mal nen Am Akkord einfach noch nen Takt dahinter (es sei denn, du willst diese "offen geblieben" Wirkung am Ende)

Ansonsten sieht man ja eh schön:
Takt 1: Akkord: Am, es klingt A, Akkordwechsel auf F, das A ist jetzt Terz anstatt Grundton, aber nach wie vor Teil des Akkords und bleibt liegen, danach kommt es als Quinte von D.
Beim nächsten "Durchgang" wieder via Auftakt ein A zum Am-Akkord, kurz umspielt und noch auf leichter Zählzeit auf ein D, parallel Akkordwechsel zu F, aber das D klingt sowieso nur so kurz, dass ich da wenig von einer F6-Harmonie mitbekomme. Dann wieder ein C (Quinte von F), läuft dann aber "bisschen ins Nichts" bis durch den E-Dur wieder der Zug zum Am kommt - und so der kommt starten wir wieder auf dem Ton A, dann ein C (wieder beide teil des Am-Akkords), parallel zum Wechsel auf F-Dur läuft die Melodie dann wieder zu einem A, welches parallel mit dem Wechsel zum D-Dur erreicht wird (und vom D-Dur ist es wieder die Akkordeigene Quinte ist).... uswusf-

in Kurz: Du machst ziemlich genau das, wovon @Langis in #6 schreibt.

Allgemein wirkt es auf mich noch ein wenig unausgegoren, andererseits kann man es auch so sehen, dass wenn du das intuitiv so zusammengestöpselt hast das wohl durchaus für eine gewisse Begabung spricht :)
Es mag sicher auch zu einem guten Teil daran liegen, dass Vocals ja eben dadurch, dass sie die Silben von Wörtern irgendwie tonal/rhythmisch "verarbeiten" müssen rein instrumental schnell wesentlich unschlüssiger wirken als sie es mit gesungenem Text tun (du hast ja wohl auch die Lyrics dazu im Kopf, wir nicht, alleine dadurch wird es auf dich vermutlich wesentlich schlüssiger wirken).
Ich würde z.B. im 3. Takt als Auftakt ruhig ein G# versuchen, wenn eh schon ein E-Dur drunter liegt, dass schiebt sich wesentlich prägnanter zum folgenden A. Oder in Takt 8, da "springst" du direkt das E an, was mit dem Akkordwechsel zu D-Dur sich als eher auflöse bedürftige Sekunde entpuppt und lässt es liegen, zum folgenden E-Dur passts ja wieder herrlich konsonant. Da würde ich etwa zumindest einen kleinen Ausflug rauf zum F# machen.
Gut, dass nur nebenbei, es ging dem TO ja mehr um "was ist das".

So ab Takt 15 scheint mir, dass du ein wenig deine Basis aus dem Auge verloren hast, kann das sein?
Da durchbrichst du erstmals die strikte Abfolge Am-F-D-E und gehst nach dem E wieder zum D zurück und dann quasi "denselben Weg weiter" zum C. Das sieht man dann etwa speziell auf der Gitarre mit Barres gespielt auch optisch sehr gut, dass ist eine Parallelverschiebung (auf der Gitarre schiebt man da tatsächlich 1:1 denselben Griff immer je einen Ganzton nach unten) und landet am Ende ausgerechnet auf der schon erwähnten Parallelen des Am-Akkords, dem Akkord C. Dann geht es aber wieder mit E-Dur weiter und das baut wieder Spannung hin zur nie "gekündigten" Tonika Am auf- und genau in diesem Feeling endet es dann.
 
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Danke für Noten & Sound.

Welche Rückmeldungen interessieren Dich denn? Ich riskier einmal, subjektiv wie ich bin, meine mehr oder weniger esoterischen Kommentare:

(a) Das ist eine ganz nette Komposition; nicht weit weg von absoluten Mainstream-Mustern, in vielerlei Hinsicht, aber doch auch was Eigenes.

(b) Handwerklich kann man einiges anders machen - die Frage ist dabei natürlich sofort: Was? Da gibt es eine wichtige Richtlinie: Wenn man in einem Stück eine Idee einführt, dann muss sie sich "bewähren". Bewähren kann sie vor allem einmal auf zwei Arten:
  1. Sie ist eine "selbstverständliche Idee" (in dem Musikstil, um den's geht); oder
  2. sie zeigt, dass es einen Grund gibt, wieso sie da ist.
-- Einer der wichtigsten, und auch einfachsten, Gründe dafür ist "Wiederholung": Wenn man was "Außer-Gewöhnliches" und es dann wiederholt, dann sagt man "Ich will es aber so!"
Zu viele solche nicht-üblichen Ideen darf man aber nicht liefern, sonst fährt die "Überraschungsaufmerksamkeit" des Zuhörers (oder Mitspielers) gegen die Wand, weil man sich zu viele "möglicherweise interessante Dinge" merken muss. Deshalb sollte man Ideen, die einem nicht als was Spezielles wert sind, doch durch "selbstverständliche Ideen" ersetzen ...

... dazu muss man dann aber wissen (intuitiv und evtl. rational), was die "selbstverständliche Ideen" sind und was als "außergewöhnlich" (manche sagen: "falsch", aber das ist ein Blödsinn) zählt.

Zwei "Handwerksregeln", die ich mir aus den Fingern sauge:
A. Nicht selbstverständlich sind akkordfremde Töne, wenn sie nicht Vorhalte sind.
B. Nicht selbstverständlich sind gleichzeitige Vorkommen verschiedener Alterierungen desselben Tons.

Für A. muss man wissen, was "akkordfremd" ist. Das hängt wieder ab, welche "Akkordsprache" der Musikstil und evtl. auch das Stück "spricht". In der U-Musik kann man, finde ich, wenn es sonst keinen Hinweis auf andere Verhältnisse gibt(!), davon ausgehen, dass 9-Akkorde noch selbstverständlich sind, also 4 Terzen über dem Grundton geschichtet (3, 5, 7 9); außerdem ist eine 6 statt einer 7 "selbstverständlich".

Schauen wir uns Deine Melodie an:

- T.1 (Am F): Alles selbstverständlich.

- T.2 (D E): Das Melodie-A über dem E-Dur ist 11 - etwas zu weit weg für selbstverständlich; außerdem war das A jeweils die Stufe 1, 3 und 5 in den Akkorden davor (Am, F, D) und ist daher ein "Standardton" - "Umverwendung" zum relativ fernen 11 "schockt". Deshalb klingt das A zu E-Dur "falsch". Tatsächlich kommt diese "Idee" in T.6 aber wieder ... und damit hat sie das Zeug zum "Hey - ich will das so!!".
-- Wenn's Dir das wert ist, müsste man die Idee "klarer einführen" - nicht einfach durch eine Bindung "in die 11 reinlaufen", sondern schon neu anspielen, evtl. auf einem späteren Schlag. Und die analoge Idee in T.4 sollte dann vielleicht auch betont werden, nämlich das C, das zuerst 7 des D7 ist, könnte durch Aushalten zu einem 13 des E werden.
-- Wenn Dir diese Idee "A als 11 von E-Dur" aber nicht wichtig ist, dann gehört sie raus: Am einfachsten, indem das A nur eine halbe Note lang ist, dann eine Pause.

- T.3 (Am F) Alles "selbstverständlich" (Vorhalt D zu C ist die einzige ein wenig spannende Idee).

- T.4. (D E) Alles "selbstverständlich".

- T.5 und weitere (Am F ...): Das G in der Melodie wird "penetrant" und "stellt sich gegen den E(7) mit seinem Gis" = nicht selbstverständliche Idee! Das G kommt nun so systematisch wiederholt vor, dass dies eine Eigenheit des Stücks wird - allerdings: Gegen Handwerksregel B. wird nicht verstoßen - G+Gis kommen nicht zugleich ... bis T.12 :( ! - dort passiert der "Clash" ... "schleichend" über eine Überbindung; ohne guten Grund; ohne erklärende Wiederholung, ohne "ich will das"-Klärung treffen sich plötzlich G und Gis! = daher "klingt es falsch". Das sollte nicht sein = entweder
  • dort den Clash rausnehmen (Pause? Melodie ändern zu H, C, sonst was);
  • oder (viel Arbeit, vermutlich - und wieso??), die Idee "durchziehen", "klarstellen", "wichtig machen".
- Restliche Takte (vor und nach T.12): Sonst passiert harmonisch nichts "Unselbstverständliches" mehr = so lassen.

Es gibt allerdings noch "nicht-harmonisch Unselbstverständliches", das man auch entweder begründen (wiederholen, "nach vorne stellen", ...) sollte; oder eben killen. Ein Fall sind die nicht identischen C/A-Folgen in T.15 und 16 (über den D und C-Akkorden) - warum nicht zweimal genau das Gleiche?

So ... das klingt nun, als ob man (schon) für das "Herrichten" dieser kleinen Melodie eine Doktorarbeit schreiben müsste. Da kann man verschiedene Ansichten haben:
  • Es ist schon sehr gesund, solche Detailbegründungen von jedem Kleinschei... einmal selbst durchzudenken: Man lernt daran, ob einem "was einfach so passiert"; oder ob "man es wirklich will".
  • Außerdem hilft diese "rationale Herangehensweise" sehr, wenn Leute daherkommen und sagen "das ist falsch" (oder "schlecht", oder "nicht erlaubt" usw.): Wenn man dann erklären kann, wieso man was macht, dann muss der "Gegner" auch argumentieren und nicht nur "einfach (vor)urteilen" - da hört man dann oft "ja wenn Du's so meinst", vielleicht auch mit einem Ratschlag "dann würde ich aber den Text umdrehen ... einen Kick auf die Drum machen, um das hervorzuheben ... in der Wiederholung dasselbe machen ...". Oder man kriegt eben ein besseres Argument entgegengehalten, wieso man's doch anders machen sollte.
  • ... oder aber man pfeift auf Analyse, oder zumindest diese Art von Analyse und lebt fröhlich weiter!
(Ich hab gestern ein ganzes Chor-Arrangement von Yesterday geschrieben; heute in der Früh, beim Anhören des MIDI, finde ich mindestens 15 Haare in der Suppe. Ob ich aber wirklich die Lust habe, die nun alle analytisch zu zerpflücken und dann neu zusammenzuschrauben ... mhm. Ich erzähl gern schöne Theorien, aber sich dann selber dran halten ist auch nicht immer lustig. Schaun wir einmal, ob mir die "falschen" Akkorde und Melodieführungen genügend auf die Nerven gehen, oder ob ich ... drauf pfeif ...).

H.M.
 
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Ok, weil sich alle so viel Mühe geben, habe ich mein Notenblatt noch etwas aufgewertet und mir die Mühe gemacht mein Midi File in Guitar Pro reinzuladen, das vorher war nur ein Screenshot aus Cubase Elements (dort darf ich leider im Noten-Editor praktisch nichts machen, darum nicht sonderlich lesbar).

Danke schonmal für euer Feedback: meine ursprüngliche Frage ist damit sicher beantwortet, ich wollte ja eigentlich nur wissen was es mit dem D und E in meinem Song auf sich hat. Ich nehme mit: es ist total Ok und üblich, tonartfremde Akkorde einzubauen, so lange es den Gehörgewohnheiten entspricht. Es gibt offenbar diverse, oft verwendete Patterns die ich mir anschauen sollte. Ich komme gerne auf die Buchtipps zurück. Im Zweifelsfall wird in unserer Band gerne über Musiktheorie diskutiert, aber so richtig eine Ahnung hat eigentlich keiner (auch ich nicht) da hilft das gedruckte Wort manchmal weiter ;-)

@Palm Muter: Danke für dein Feedback. Ja, die zusammengehängten Schnipsel sind so natürlich nicht so stimmig und geben auch den Song nicht richtig wieder. Ist mehr ein Zusammenzug von allen relevanten Teilen vom Song die unterschiedliches Tonmaterial liefern. Und wie du sagst, es klingt gesungen schon sehr anders als auf dem Keyboard gespielt: bei Takt 15 ist es sogar eher was rap-artiges. Beim E7 hört es nicht auf, dort gibt es eine kurze Kunstpause und es geht (wie vom dir erwartet) zurück zu Am. Ich hoffe im Endzustand wirkt das Ganze ausgegorener.

@Christian_Hofmann: wenn du noch reinschauen magst, ich hab noch ein besser lesbares Notenblatt mit Basschlüssel angehängt. Interessant was du bzgl. Harmonien und 4-stimmiger Satz sagst. Tatsächlich entstehen fast alle meine Songs an der Gitarre und ich singe etwas dazu. Gut möglich, dass ich mir wegen der separaten Wahrnehmung darum etwas mehr erlaube, als wenn ich den gleichen Song ausschliesslich am Keyboard komponiert hätte. Aber: ich hab leider auch eine Schwäche für schräge Töne. Ich mage alte Songs von Muse und den White Stripes z.B. - Mir passiert es oft, dass ich was Schräges komponiere und wenn ich es ein paar Leuten vorspiele findet's die eine Hälfte "ein bisschen komisch" (wahrscheinlich nett formuliert) und die andere Hälfte super. Meine Faustregel ist, wenn's mir gefällt und nicht _alle_ schrecklich finden, lasse ich's wie es ist. Häufig wird aber später im Bandkontext die eine oder andere Reibung doch noch etwas entschärft (oder zumindest lange darüber diskutiert ;-)

@hmmueller: Spannend deine Soundskizze :) Danke auch für ein ausführliches Review. Der lange A-Ton war ein Verspieler oder Quantisierungsproblem. Habe ich in meinem 2ten PDF korrigiert. Das mit dem Gis/G in T12 schau ich mir mal an. Ist mir bis jetzt nicht störend aufgefallen, aber jetzt wo ich es sehe... T15+16 sind wie oben schon erwähnt eher was rap-artiges. Meine Annäherung per Keyboard ist vermutlich nicht sehr gelungen. Finde auch deinen Input bzgl. "verschiedene Ansichten" interessant. Ich finde gute Argumente wichtig und nehme die auch gerne an. Ich finde es aber auch Ok, wenn es Details gibt wo sich der Songautor wider besseren Wissens gegen gute Argumente durchsetzt und findet "ich will das jetzt einfach so". Musik ist ja schliesslich auch was Emotionales ;-) Analysen wie diese helfen mir auf jeden Fall mehr über Musik zu lernen, oder Eröffnen neue Themengebiete in die ich mal reischauen kann.

@Langis: Danke auch für deinen Beitrag. Ich hab lustigerweise schon ein Buch von Volker. Es heisst "die PopFormeln" (9783802405525). Habe nach deinem Post dort auch noch reingeschaut und ansatzweise ein Kapitel gefunden, dass sich dem Thema annimmt.
 
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Zwei "Handwerksregeln", die ich mir aus den Fingern sauge:
A. Nicht selbstverständlich sind akkordfremde Töne, wenn sie nicht Vorhalte sind.
B. Nicht selbstverständlich sind gleichzeitige Vorkommen verschiedener Alterierungen desselben Tons.
Bez. A. sei vor allem mal das Stichwort Avoid Notes wiederholt :)

m Zweifelsfall wird in unserer Band gerne über Musiktheorie diskutiert, aber so richtig eine Ahnung hat eigentlich keiner (auch ich nicht) da hilft das gedruckte Wort manchmal weiter ;-)
Das ist aber insofern schon gut, weil ihr damit egal wie "richtig" euer Anliegen mal in Worte fassen müsst, was für sich alleine ja das schon eine Kategorisierung und Abstraktion bedeutet- womit man dann wiederum ggf. mit der nächsten, ähnlichen bzw. in gewissen Punkten gleichen Situation eben Parallelen erkennen oder Unterschiede festmachen kann. Und da ihr ja offenbar "gelebte Musik" versucht zu beurteilen und eben nicht "Musik nach Aktenlage zu basteln" ist da ja auch der notwendige Realitätsbezug gegeben und ihr kriegt direkt immer eine hörbare Rückmeldung :great:
(Das ist tatsächlich ein ziemlicher Unterschied, Harmonielehre sind ja im wesentlichen Theorien, die versuchen etwas zu beschreiben, was bei Ihrem Erdenken schon da war. Umgekehrt, das nur abstrakt zu lernen in der Hoffnung, dadurch kreativer zu werden ist ungefähr so, wie wenn man sein Grammatikbuch auswendig lernt und meint, dadurch gehaltvollere Geschichten schreiben zu können)
 
Interessant was man sich für einen Kopf macht. Ich spiel einfach, entweder gefällts oder nicht.
Und manchmal gefällts obwohl theoretisch unwahrscheinlich.
 
Tja, jeder tickt anders.
Womöglich bist du ja schlicht talentierter und brauchst keine Abstraktion und findest dich harmonisch/melodisch schlicht intuitiv zurecht?
Mir fielen auch durchaus Möglichkeiten ein, das negativ herum formulieren, aber ich meine das durchaus ernst. Beim Bilden von Sätzen (inklusive "Liveperformance") können das bis zu einem gewissen Grad die allermeisten Menschen - was wohl auch daran liegen mag, dass man da in seinen ersten paar Lebensjahren mehr Übungsstunden ableistet, als unsereins im restlichen Leben am Instrument schafft :D

Es geht sicher auch ohne, aber lasst doch denen, die zu schlecht dafür sind die Möglichkeit, sich das Step by Step zu erarbeiten und mit möglichst vielen Klangvorstellungen hinterlegt im Kopf abzulegen- zumindest im MuTh Sub :)
 
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Aber: ich hab leider auch eine Schwäche für schräge Töne.
Das ist ja vollkommen in Ordnung. Ich mag auch besonders diese Stücke die nicht eine glatten Akkordharmonisierung ist. Daher spiele ich in Gottesdiensten selten aus den aktuellen Bärenreitern oder so, sondern nutze meine Bücher aus der Provinz Sachen und Kassel weil dort noch viel mit dem Klang gearbeitet wurde, während heute die Stücke eher sehr Glatt wie im Lehrbuch sind. Auch atonale Stücke sind sehr spannend die keinen erkennbaren Regeln folgen und etwas einfach so machen weil der Ersteller das so will.

Aber eines ist wichtig, es muss in den Kontext passen. Würdest du ein Stück schreiben welches komplett Dissonant ist, dann würde ein sauberer Akkord oder passende Töne dort stören weil diese deplatziert sind. Und noch viel wichtiger als alles andere ist: Du musst erklären können was du da machst! Früher oder später wird dich jemand fragen was du dort gemacht hast und warum du es nicht so und so gemacht hast oder es falsch war. Dann musst du ihm/ihr erklären können warum du es genau so getan hast.

Mir passiert es oft, dass ich was Schräges komponiere und wenn ich es ein paar Leuten vorspiele findet's die eine Hälfte "ein bisschen komisch" (wahrscheinlich nett formuliert) und die andere Hälfte super.
Es muss dir gefallen. Wenn du etwas schreiben willst was vielen gefällt, dann orientiere dich am 08/15 Popgedöns ohne Herz und Seele. Wenn du mit deiner Musik etwas ausdrücken willst, dann mache dies egal ob es anderen gefällt oder nicht was du zu sagen hast.

Ich habe vor einiger Zeit mal für ein Konzertgottesdienst eine Fassung von "Hilf Herr meines Lebens" geschrieben welches im Grunde die meisten Regeln über den Haufen wirft, es hatte aber genau die Aussage die ich wollte mit der Anspannung und Dramatik. Auch wenn die Töne wahllos wirken auf dem Notenblatt spiegeln sie eben das Thema wieder und mit dem Klang im Raum ist es genau so wie ich es wollte. Natürlich gefällt das nicht jeden, aber damit muss man leben. Hier mal ein Auszug, ich habe das Lied auch nur einmal gespielt weil es eine Qual ist das umzusetzen :unsure:


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wenn du noch reinschauen magst
Ja natürlich, ich kann aber nur meine Meinung mitteilen wie ich es machen würde.
 
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...: es ist total Ok und üblich, tonartfremde Akkorde einzubauen, so lange es den Gehörgewohnheiten entspricht.
Man kann sich gerade anhand der Popularmusik von Mitte der 60er bis Ende der 70er Jahre u.a. bei den Beatles, Joni Mitchell, Jimi Hendrix, Miles Davis, Wheather Report, Stevie Wonder, Steely Dan u.v.m. davon überzeugen, dass man erfolgreich auch gerne 'mal den Hörgewohnheiten widersprechen darf.

Es hilft in jeder Hinsicht, wenn man viele Stücke spielen lernt, die bekannte Titel in den persönlich bevorzugten Musikstilen sind. Die bedeutenden Musiker der "handgemachten Musik" aus Rock. Pop und Jazz machen schon immer so.
Mit diesem Rüstzeug kann man dann bei Interesse am "wie und warum" auch nach und nach das Analysieren lernen.

Gruß Claus
 
Hier mal ein Auszug, ich habe das Lied auch nur einmal gespielt weil es eine Qual ist das umzusetzen :unsure:

Sehr cool! Also meine Ohren finden spannende Elemente in dem Stück aber ich kann mir auch vorstellen, dass es in der Kirche vielleicht für fragende Blicke gesorgt hat ;-)

Btw: das Update vom PDF ist nur der besseren Lesbarkeit halber attached. Du brauchst nicht noch Zeit reinzustecken. Meine Fragen wurden umfassend beantwortet 👍🏻
 

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