Update vom Wochenende:
Da ich wohl so einen bemitleidenswerten Eindruck hinterlassen hatte, wurden mir übers Wochenende eine AS93, eine Viking Goldtop und eine Epiphone Riviera zum Testen in Ruhe mitgegeben, gestern habe ich mich dann vereinbarungsgemäß von der HB 35+ getrennt, wobei der Käufer und ich gemeinsam fast drei Stunden lang verglichen haben.
Es war sehr interessant, eine zweite Meinung zu haben, andere (teils sehr originelle) Spielweisen zu erleben.
Der "Junge" (auch schon 18 inzwischen, wie die Zeit vergeht...), der die Harley Benton bekommt, darf sich über sein Instrument und über seinen Dad freuen, der ihm viel Unterstützung zukommen lässt.
Alle vier Instrumente kommen aus Fernost, die Hälse sind alle recht "unvintage" schlank, wobei ich den der Riviera als Prügel empfunden habe, bis mein alter Freund mich aufgeklärt hat, wie verwöhnt ich inzwischen bin. Wir haben in Erinnerungen aus dem letzten Jahrtausend geschwelgt und dabei sind Erinnerungen an wirkliche Prügel aufegekommen.
Um nochmal auf die Kandidaten ein wenig einzugehen:
die Riviera war in dem sprarkling Red einfach wunderschön. Sie ist gewichtsmäßig bei der Harley Benton, der Hals ist durchgehend etwa 2,5mm kräftiger, die Verarbeitung beim Finish ist 1A, das Griffbrett dieses Exemplars war besonders beeindruckend, da es eine durchgehend lebendige Maserung aufweist, die die Inlays nochmal besser zur Geltung kommen lässt.
Die Verarbeitung der Bünde allerdings war bedenklich schlecht. Die Bünde dürften auf 9,5" gebogen sein, während das Griffbrett wohl einen 12" Radius hat, dadurch sieht man Schlitze unter den Bünden, die Kanten sind zwar schön verrundet, schließen aber nicht immer mit der Griffbrettkante ab. Das geht garnicht. Die Mechaniken sind top, die Brücke recht hoch eingestellt, was eine hohe Saitenlage verursacht und beim Spielen schon mal dazu führt, dass sich die hohe e-Saite unter einem Bund verklemmt. Auch trotz der hohen Saitenlage war immer wieder ein Schnarren über das ganze Griffbrett zu merken. Wir haben dann ein "kleines Setup" (Halstab und Brückenhöhe) vorgenommen, was leichte Besserung beim Schnarren brachte, aber auch aufzeigte, wie mies die Bünde montiert sind. Über das ganze Griffbrett und alle Saiten kam es immer wieder zu Resonanzschnarren am nächsten Bund, e-Saite 3.Bund, da kann man kein sauberes D-Dur greifen, D-Moll im 5. Bund wird gleich was anderes, da die A-Saite am 6. und die G-Saite am 8. Bund aufliegen. Also wieder rauf mit der Brücke für den Soundtest (und Zettel für den Laden geschrieben, dass sie die Bünde zumindest nochmal abrichten müssen, ehe das Ding in den Verkauf geht). Der Sound der Mini-Humbucker war ok, wobei nicht vergleichbar mit den alten Gibson Minis oder dem in der Hagstrom Ultramax Special. Also auch hier eher eine Enttäuschung, wobei es auch an den gewaltigen Abständen zu den Saiten gelegen haben kann. Die Pickups waren recht weit unten.
Die AS93 ist ebenso makellos im Finish, hier passt aber auch der Rest der Verarbeitung. Die Tuner sind etwas leichtgängiger, die Hardware aus eiegenem Haus wie immer restlos überzeugend. Der Hals ist eben etwas fleischiger als von Ibanez gewohnt, ich habe mich zwar schnell dran gewöhnt, aber für mich kommt sie nicht in Frage, da ich ja schon ihre kleine Schwester (AR520) mit etwas schlankerem Hals habe. Die 93 hat im Gegensatz zur AS73 19mm am 1. und 25mm am 12 Bund. Meine AR520 19,5 am 1. und 23,5 ab dem 12. aufwärts. In der ES Größe ist die AS93 aber wohl ein goldener Mittelweg. Klanglich ein Traum, die "besseren" S'58 Pickups sind ein gelunges Remake (es gibt wohl zwei verschiedene. Welche für die kleineren, die eher outputschwache 08/15 Pickups sind, und diese hier, bzw. auch in der AR520, die richtig gut klingen (und dann gibts natürlich noch die orinalen aus den 70ern).
Die fast schon vergleichsweise billig wirkenden Inlays werden dem gleichmäßig dunklen Ebenholz Griffbrett leider nicht gerecht, hier muss noch Abstand zur Scofield gewahrt werden. Und ja - ich bestelle mir gleich noch ein paar Shuregrip Poti-knöpfe. Ich liebe sie...
Wir haben beide nichts an der AS93 auszusetzen gehabt, toll. Sie war die schwerste im Vergleich.
Ich habe die AS93 weitergereicht und mir die Hagstrom genommen, die doch ein ganz anderes Instrument ist, weniger Vintage-like, weniger konventionell, auch wenn das Goldtop erstmal klassisch aussieht. Der Korpus ist vom Material her etwas dünner als die anderen beiden, eher wie die Harley Benton, sie spielt sich toll, die Verarbeitung ist annähernd auf Niveau der Ibanez, wenn man vom Übergang Neckbinding>Body unterhalb des Pickguard absieht.
Im gemeinsamen Spiel mit den beiden Gitarren, war sofort zu bemerken um wie viel spritziger, auch "rotziger", mit Tone-reglern auch funkier, die Viking agiert. Das ist vielleicht nicht jedermanns Sache, mir gefällts und es passt in mein Konzept, Jazz ist mit jedem Instrument möglich, die Viking wirkt da aber schon sehr avantgardistisch dominant (Da gabs mal eine Platte oder ein Band mit Friedrich Gulda am Cembalo, daran hat sie mich erinnert^^).
Dann fleigender Wechsel zurück zur Ibanez, mein Freund endlich (jetzt) seine HB 35+ und nach ein paar Minuten zurück und mir wars klar.
Die HB 35+, mit inzwischen einigen kleinen Modifikationen ist für mich die angenehmste. Wir waren beide richtig begeistert. Sie spielt sich fast von allein, der Sound ist sehr, sehr nah an der Ibanez, vielleicht mit einem 10-56 Satz statt der 10-46 mit gleichem Bassfundament, der schlankeste und flachste Hals in der Runde, perfekte Balance im Gewicht und die Verarbeitung technisch top (die Bünde sind zwar nicht poliert gewesen, aber tadellos verrundet und sauber installiert, nicht wie bei der Riviera). Nur die Lackierung lässt den Preis erahnen. Aber was solls. Sie ist zum Spielen da, nicht zum Macken suchen.
Wir saßen dann noch gemeinsam über dem Webshop des großen T und mit Lineal und Maßband an den Instrumenten.
Für mich wirds nun tatsächlich eine VintageBurst HB-35+, wieder mit Earvana Sattel, TonePros Tom, diesmal Shuregrip Knobs, Schaller Tuner und ein Pickguard von der Ibanez AS93 (ja, das passt mit minimalem Dremeleinsatz und ist eine deutliche Aufwertung).
Die Testinstrumente habe ich heute Morgen gleich zurück gebracht und hatte auch eine Unterhaltung bezüglich der Riviera. Das Exemplar ist ein Ausreisser, den ein Kunde letzte Woche zurückgebracht hat und makellosen Ersatz bekommen hat. Der Händler entschuldigte sich bei mir und ich hab ihm auch gleich meine Entscheidung wissen lassen, die er mit Verständnis zur Kenntnis nahm.
Wie ein guter Händler seine Kunden kennt, bekam ich die Info mit auf den Weg, dass die Hagstrom Ultramax Specials bei ihm die letzten mit freier Farbwahl wären, andere Händler haben nur mehr Reste und sie kommt in absehbarer Zeit nicht nach.
Also freue ich mich auf die neue HB 35+, freue mich, dass mein alter Freund für seinen Sohn ein gutes Instrument bekommen hat und stehe selbst nun vor der nächsten Frage:
"Lila, Rot oder Orange bei der Ultramax special..."