Ich schätze, dass ich von jemandem kaufte, der zur sehr grossen Gruppe der zügigen Abbrecher gehört. Ich verallgemeinere auf kleiner Basis und meine, dass dieser Verkäufer-Typ auch sehr gute Klasse-Instrumente anbietet.
Ich teile deine Einschätzung, möchte aber zu bedenken geben, dass dieser Verkäufer-Typ, ahnungslos wie er ist, auch Schrottinstrumente nicht erkennt, weil innerhalb seiner kurzen Haltezeit nichts kaputt gegangen ist, und guten Gewissens zu relativ hohen Preisen anbietet, denn er hat blöderweise ebensolche bezahlt.
Anekdote 1:
Vor einigen Jahren habe ich eine alte Hohner Verdi aus den 50er Jahren mit Preis VB besichtigt. (Ich habe mir gedacht, für riskante Einsätze, wechselhaftes Wetter etc. kann man das Instrument, wenn der Grundzustand passt, mit etwas Pfusch für kleines Geld halbwegs spielbar halten.)
Das Instrument sah aus wie neu und fühlte sich auch so an und das habe ich der Verkäuferin auch gesagt.
Weil ich keine Mängel feststellen konnte und die Erstbesitzerin mir (völlig glaubhaft) mitteilte, dass das Instrument die letzten Jahrzehnte ungespielt an der Stelle in ihrem Wohnzimmerschrank gelagert war, von der ich es genommen hatte, bot ich, ohne es zu öffnen 400€. (Überholte gab/gibt es ab 1500€.)
Die Verkäuferin zeigte mir auf ihrem PC ein Angebot eines generalüberholten baugleichen Modells für 2500€.
Ich wies sie auf die Liste der angegebenen Arbeiten hin und darauf, dass der Besitzer, wenn er das zu Hohner gebracht hat, wohl um die 2000€ für die Überholung gezahlt hat.
Die Verkäuferin erklärte mir wirklich überzeugt, dass ein Instrument, das teuer repariert werden musste, doch weniger wert ist als ein Instrument, das nie jemand kaputt gemacht hat.
Anekdote 2:
Ein Freund von mir besucht irgendeinen Bekannten von ihm.
Der Bekannte erzählt ihm, dass seine Frau jetzt Akkordeonspielen lernt, und fragt ihn, ob er ihr Instrument ausprobieren möchte.
Mein Freund probiert das Instrument aus und sagt dem anderen: "Das Instrument ist total verstimmt. Mit dem kann ich nicht spielen."
Der andere: "Das gibt's doch nicht. Meine Frau macht damit so schöne Musik."
Bald darauf ruft der Mann meinen Freund an: "Ich habe das Instrument zu einem Fachmann gebracht und du hattest Recht: Das Instrument war wirklich verstimmt."
Die Verkäuferin war eine nicht mehr ganz junge Dame, wohnt in gutbürgerlichem Eigenheim (kann samt Umgebung via Google Maps detailliert angeschaut werden), aus verschiedenen Websites ergab sich das Bild einer künstlerisch und sozial aktiven Person.
Auch hier kann ich deiner Einschätzung nicht widersprechen, halte es aber beim Instrumentenkauf für zweitrangig, in welcher Gehaltsklasse der Verkäufer spielt.
Die Gefahr, über den Tisch gezogen zu werden, besteht nicht bei Einsteigerinstrumenten, sondern höchstens bei Oberklasseinstrumenten zum kleinen (oder auch nicht so kleinen) Preis.
Die weitaus größere Gefahr, dass der Verkäufer selber unwissentlich Schrott gekauft hat und jetzt zum selben Preis weiterverkaufen will, besteht einkommens- und vermögensunabhängig, weil kaum einer so dumm ist, wissentlich zum spielen lernen spielunfähige Dekorationsobjekte oder extreme Luxusmodelle zu kaufen.
Jeder kauft in einer Preislage, von der er glaubt, dass er in dieser ein geeignetes Instrument findet.
Nur sind einige gläubiger als andere.
Anekdote 3:
Ein Nachbar besucht mich, weil ich Akkordeon spiele und er seiner Mutter, die sich vorgenommen hat, zum Renteneintritt Akkordeonspielen zu lernen, ein Instrument schenken will.
Beim small talk erzählt er mir, wie es ihm geglückt ist, einen Roadster zu finden, in dem er mit einer Größe von 2 Metern Platz hat, und darüber hinaus noch eine weitere Mietgarage zu finden, denn bei fünf Autos und drei Motorrädern bei vier Führerscheininhabern reichen zwei Garagenplätze und zwei Stellplätze auf dem eigenen Grundstück ja nicht.
Dann kommt er zum Punkt: Er war in einem Musikgeschäft, aber "das ist so ein Wucher."
Er, mein Nachbar, hat sich jetzt ein paar Instrumente "im mittleren Preissegment" (Zitat) in den Kleinanzeigen herausgesucht, was ich davon halte und hält mir sein Smartphone hin.
Ich sehe eine alte Hohner Concerto für 150€ VB und höre von ihm: "Und der im Musikgeschäft hat mir gesagt, unter 400€ brauche ich nicht zu suchen."
Der Unterschied zum Neukauf sind einige wenige minime Schürfungen am Balg.
Meine Anekdoten sind keine Erfindungen, sondern so passiert.
Ich garantiere dir, dass optische Mängel außen bei solchen Instrumenten das kleinste Problem sind.
Zieh die Balgnägel und schau dir das Innere an. Da siehst du, was Sache ist.
Weil du die Haltung ansprichst: Wie lange sind denn die Gurte? Welche Haltung hast du denn?
So gehört das Instrument: (Abgesehen davon, dass der Bub den rechten Ellenbogen weiter nach vorne nehmen und sich einen Querriemen kaufen soll.):
Das ist die bestmögliche, aber immer noch ungünstige Haltung eines Erwachsenen mit den originalen Kindergurten:
Beachte, dass der Rücken im Ziem-Video komplett gestreckt ist!
Es ist nicht so leicht, bei so kleinen Instrumenten daran zu denken.
Viel Spaß mit dem Instrument.