Diese Vorabtöne nennt man deshalb approach notes.
Nur ergänzend, falls sich der TE im allwissenden Intergoogle auf die Suche machen möchte. Oft wird es auch Enclosure genannt, insbesondere wenn mehrere Töne involviert sind.
ja, da findet man das sehr viel und ist ein guter Weg in die Thematik einzusteigen, da nicht so kompliziert wie späterer Jazz.
Pink Panther ist übrigens auch so ein typisches Beispiel für diese Technik
interessant ist auch der Punkt mit der "schweren" Zählzeit.
Ja, das ist nicht immer so, aber es ist eine Tendenz. Es kann auch funktionieren wenn man die eigentlich "falschen" Töne auf die schwere Zählzeit setzt, wie immer in der Musik ist das Kontextabhängig. Ein Vorhalt in den Regeln des Kontrapunkts ist ja auch auf schwerer Zeit, der soll sich ja bewusst "nachschlagend" auflösen.
Hier mal ein Beispiel, es ist eine Sololinie von Cannonball Adderley aus seinem Solo in dem Standard "On Green Dolphin Street". (mi
Das erste istt eine Eclosure der Quinte, das H steuer nur das C chromatisch von unten an, von oben kommt er diatonisch. Dann eine Enclosure der Terz diatonisch von oben und wieder chromatisch von unten. Über Bb7 dann analog zum ersten Beispiel, diatonisch von oben chromatisch von unten, aber umgedreht.
Dann beginnt er den Bb7 akkord zu alterieren mit #9 und b9. Die Anlage der Linie ist eine komplette durchchromatisierung (rot markiert) Würde er einfach in Achteln chromatisch runterspielen, würden aber nicht die richtigen Töne auf die richtigen Zählzeit fallen, deswegen muss er an manchen Stellen etwas einstreuen. Er startet auf der #9, die normale 9 kommt als chromatischer Durchgang auf leichter Zeit, dann die b9 wieder etwas schwerer. Jetzt kommt einmal das Eb (grün) auf gaaanz leichter Zeit. Einerseits ist es eine Vorwegnahme des Grundtons des Zielakkords, andererseits ist es (insbesondere bei dem Tempo) nahezu völlig wurscht was man hier spielt. Die eigentliche Funktion ist nur die hier etwas einzustreuen, damit jetzt der Grundton auf der 1 des nächsten Takts landet, dann die maj7 als leichter Durchgang, dann die b7, jetzt wieder ein Eb nur eine Oktave tiefer, aber mit der gleichen Funktion. Die Sexte G landet wieder schwer. Jetzt schmeißt er einen übermäßigen Dreiklang rein (1, 3, und #5/b13 von Bb7). Die chromatische Linie führt er danach aber wieder fort, sie wurde nur unterbrochen durch die letzten drei 16tel von Zählzeit 2 in diesem Takt. Das bedient jetzt einerseits noch immer Bb7(alteriert) andereseits ist es schon der Anfang einer Umspielung des Grundtons Eb des jetzt folgenden Emaj7 Akkords. Denn seit Taktbeginn ist eigentlich schon Ebmaj7 angesagt, aber es ist ja auch eine charakteristik des Jazz Akkordwechsel zu antizipieren oder herauszuzögern.
Klar, ganz "perfekt" ist es nicht, aber die Tendenz ist klar. Sonst wäre es auch leblos mechanisch und langweilig. Es ist vielmehr erstaunlich (oder zumindest mich begeistert es immer wieder) dass so viel Stimmführung in dem Tempo und in einer Improvisation überhaupt machbar ist.
Das ist auch der Grund warum ich mit Teilen der Lessons und Youtube-Videos und Meinungen im Board nicht so ganz mitgehe. Denn wenn man hier anfäng mit Myxolydisch und Ionisch und melodisch Moll als Substitut für alterierte Septakkorde zu argumentieren, dann mag das für spätere Jazzstile (Kind of Blue und später, Fusion, Modern Jazz) zwar zutreffen. Hier kommt man damit aber nicht soo weit, denn eine durchgehende Skala wird hier nirgends gespielt, und ich würde argumentieren, dass er sein Material auch gedanklich nicht so konzeptualisiert hat, sondern dass das ganz primär Akkordton und Substitutionsbasiertes spiel in Kombination mit Approach-Notes, Enclosures und Chromatik ist.
Diese Art die Thematik zu unterrichten und zu analysieren ist etwas in den Hintergrund geraten, ist zumindest mein Eindruck.
Und so ist es eben auch oft im Blues. Es lässt sich leider nicht alles in eine Skala gießen, die dann überall passt, auch wenn sich das viele so Wünschen.
Deswegen ist auch das transkribieren ja wichtig, denn man stößt dabei oft auf unorthodoxe Ansätze, die aber trotzdem funktionieren, oder vll auch nur in einem bestimmen Kontext funktionieren, dann muss man sich überlegen, warum es grade da geht und sonst nicht.
grüße B.B.