Ich sehe neben den genannten und plausibel klingenden Argumenten auch rein mechanische Gründe: [...]
Da es hier um den Abstand der Saiten zueinander geht, deute ich Dein mechanisches Argument, so, dass aus Stabilitätsgründen (Biegesteifigkeit) der Hals zum Korpus hin breiter wird.
Ob deshalb auch die Saitenabstände breiter werden müssen, nehmen wir mal so hin.
Abschätzung
Um ein Gefühl für die Größenordnungen zu bekommen, können wir vereinfacht von einem rechteckigen Querschnitt ausgehen (also der klassische Fall von Biegebeanspruchungen bei Trägern, mit denen die Ingenieure zu tun haben).
Hier gibt es den Begriff des
Flächenträgheitsmoments, das, salopp gesagt, den Widerstand des Trägers gegen Verbiegung darstellt.
Dieses Flächenträgheitsmoment ist bei rechteckigem Querschnitt proportional zur Breite, aber die Dicke dieses Halses geht in der dritten Potenz (!!!) ein.
Das heißt, dass die Halsbreite im Verhältnis zu seiner Dicke praktisch keine Rolle spielt. Bei meiner Konzertgitarre ist der Hals am Übergang zum Korpus auch "nur" ca. 20 % breiter als am Sattel. Das steht in keinem Verhältnis zu den von Dir angeführten Hebelkräften [Edit: wobei man davon ausgehen sollte, dass der Hals sich nur kaum merklich durchbiegt und der Saitenzug fast parallel zum Hals verläuft, also kaum Hebelwirkung, wenn man die Projektion betrachtet].
Wenn ich einen Hals biegesteifer machen möchte, dann vergrößere ich in erster Linie seine Dicke, das ist sehr viel effizienter:
d³ im Verhältnis zu nur
b, wenn
d die Dicke und
b die Breite ist.
Fazit: Vermutlich irgendein musikinstrumentenbastelnder Schafhirte mit einem Überschuß an Schafdarm vermutlich irgendwo in der Nähe des Nils hat das vor vielen tausenden Jahren mal so entschieden, daß Gitarrensaiten nicht parallel stehen, und deswegen bleibt das jetzt so. Die Gründe dafür werden wir nicht nachträglich nicht mehr herausfinden.
Man hat tatsächlich Lauten (über 3000 Jahre alt) in Ägypten gefunden. Zwar nicht die eines Schafhierten, Sogar ein durch extrem glückliche Umstände sogar mit Saiten gut erhaltenen Stück eines Musikers der Pharaonin Hatschepsut (Neues Reich, aber immerhin!)
Die hatten meist drei Saiten und die Hälse waren eher Marke "Besenstiel" (Rekonstruktionen, in der Uni Würzburg zu bestaunen):
Praktisch vor allem, dass die Plektren mit einer Fangschnur gesichert waren.
Wie man sieht, konnte man da sehr leicht am Steg die Saitenabstände ändern und hat sicherlich experimentiert, welche Abstände besonders vorteilhaft waren.
Ich glaube da, wie gesagt, nicht an Zufälle.
Viele Grüße
Torsten