Stratspieler
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Ich wundere mich, vergleichsweise so wenig über diese Gitarre zu lesen und zu hören. Offenbar wird sie mangels Heroen noch nicht soo akzeptiert oder ich suche an den falschen Stellen. Oder ist sie einfach noch zu neu? Wie auch immer, ich habe sie mir nach langen Überlegungen zugelegt, die Ibanez AGS73FM-VLS, wie sie mit ihrem vollständigen Namen heißt. Ein relativ günstiger Gebrauchtkauf: Die Gitarre kam mit Thomann-Koffer und es waren sogar überall noch die Folien drauf, so neu war sie.
Warum?
Viele Gitarren mit zwei solcher Humbucker hatte ich noch nicht. Drei Epiphone The Dot, zwei Gibson Les Paul Studios und zwei Standards und (noch) meine derzeitige 72' Telecaster Deluxe. So richtig gefallen haben sie mir klanglich irgendwie alle nicht, bis auf die allererste Studio, die ich Depp damals viel zu schnell verkauft hatte... Die beiden Epiphones sind auch längst verkauft. Die Telecaster wird mir inzwischen zu schwer und "so ganz wirklich richtig" ist auch sie einfach nicht mehr mein Fall, auch wenn sie per se eine hervorragende Gitarre ist. Man ändert wohl mit zunehmendem Alter so eine Soundvorstellungen. Und: Brettgitarren habe ich eigentlich mit meinen paar Stratocasters genug.
Was mir fehlt(e), ist eine Gitarre mit "Holz im Ton". Eine universell anwendbare, sozusagen eine Brücke zwischen E- und U-Musik schlagende, um das einfach mal so zu schreiben. Auch sollte sie leicht sein. Die Schultern freuen sich dankend.
Recherchen führten zu dieser Ibanez und schlußendlich zum Gebrauchtkauf.
Optik und Verarbeitung
Schon die Produktfotos ließen mich gewissermaßen "aufsehen". Und natürlich kommt hinzu: Ibanez ist kein Unbekannter in der Szene, ein Urgestein nicht nur in Sachen Qualität und eigenständiger Fertigung.
Die AGS73FM-VLS wird in Indonesien gefertigt. Ein Korpus aus Riegelahorn? Schaut man sich den Body in der Nähe an, so sieht das so aus:
Und geht man noch näher ran, dann so:
Man beachte die sauber eingefassten F-Löcher. Da ist kein Gepinsel mit irgendwelcher schwarzer Farbe. Das sieht nach solidem Kunststoff aus.
Herrschaften, das ist wunderbares, dreidimensionales Riegelahorn vom Feinsten. Auch die Korpusrückseite hat das. Meine Fotos können das gar nicht im Detail wiedergeben, wie schön das aussieht.
Je mehr ich mir die Gitarre anschaue, um so mehr so gerate ich ins Träumen. Oder ist es schon Schwärmen? Leicht gewölbte Decke, innen, soweit man das sehen kann, ein top verarbeiteter, durchgehender Sustainblock. Riegelahorn vorn und hinten, ein schönes, braunes "Ton-In-Ton". Violin Sunburst; kein farblicher Gelbstich im Holz, der mich stören würde. Das ist eine unaufdringliche, schlichte Eleganz, Holz ohne jeden Tinnef und ohne jeden Schnörkel. Ob das (vermutlich) nur Furnier ist oder eine massive Decke, ist mir sowas von Wumpe. Diese Optik finde ich schick und klasse. Saubere Lackierung, nur ein winziger, Lacktropfen vorn, den man jedoch mit der Lupe suchen muss. Sauber ausgeführtes, cremefarbenes Binding, cremefarbene Pickup-Rähmchen:
Oldstyle, gefällt mir! Die Korpushöhe beträgt etwa 4,3 cm. Ob man unbedingt zwischen Korpus und Neck ein Binding haben muss, ist Ansichtssache. Könnte man weglassen, wäre schlichter. Ok, ist eh' unten, sieht man nicht und gehört wohl bei dieser Art Gitarren hinsichtlich der Ausführung einfach mit zum "guten Ton". Die Gurtpins sind mit Filz unterlegt, so gehört sich das:
Ob der Kopf an den Neck angesetzt ist, sehe ich nicht. Sehr schön: die Sollbruchstelle wird mit einer Volute verstärkt:
Bei den Gibson Les Paul, die ich einst hatte, gefiel es mir jedenfalls immer, wenn das Stop Tail sehr dicht über der Decke liegt. Bei der Ibanez ist das auch so...
...und die TOM liegt so, dass sie die Saiten nach sauberer Justage rückseitig nicht berührt. Schön!
Der Sattel ist ordentlich gekerbt, da gibt es nix zu meckern:
Innovativ ist die Abdeckung des Trussrods:
Feine und überaus praktische Sache: Kein Gefummel mit einem Schraubenzieher, keine Schrauben, nach denen man hinterher suchen muss. Man dreht einfach die Abdeckung des Trussrods zur Seite auf...
...und schon lässt sich mit dem passenden Inbusschlüssel die Halskrümmung (übrigens leichtgängig) justieren. Durchdachte Sache, das!
Gibt es Beanstandungen? Ja, zwei, drei Sachen.
Auf dem Griffbrett hat man an einer Stelle geschludert, da ist Klebstoff oder sowas zu sehen. Schaut man seitlich hin, sieht man's es kaum. Die Stelle wirkt nur auf diesem Foto etwas hellglänzend:
Es stört haptisch nicht und man kann das sicherlich mit feinem Schmirgel bearbeiten und dann nachdunkeln, was ich bei Gelegenheit tun werde. Diese Nachlässigkeit hätte bei den ansonsten tadellos eingesetzten Inlays und angesichts des sauberen Bindings aber dennoch nicht zu sein brauchen.
Im Anlieferungszustand schnarrten die é- und h-Saite an den Bünden oberhalb der 14. Lage. Ich habe in diesem Bereich die Bünde etwas fein- bzw. nachgeschliffen und poliert. Ob es an den dicken Werkssaiten lag oder an meiner großen Sensibilisierung / Erwartungshaltung beim Auspacken und ersten Anspielen, kann ich nicht sagen. Das Schnarren ist jetzt jedenfalls nach Justage auf meine Spielbelange und mit den "meinigen" Saiten weg.
Die Mechaniken (ihre Rückseiten sind nicht zerkratzt, da ist noch die Folie drauf) machen keinen sooo soliden Eindruck. Sie sind stimmstabil, ich musste sie aber erst einmal mit den Stellschrauben an ihren Griffen festschrauben. Sie drehten mir zu leicht. Und an einer der Mechaniken fehlt ein heller Plastik- oder Silikonring, siehe Pfeil:
Mal schauen, wie langzeitstabil die Mechaniken sind. Ich will nicht ungerecht sein, vielleicht sind sie ja ok. Hier bin ich etwas "gebranntes Kind", denn irgendwie erinnern sie mich an die Originalmechaniken meiner Epiphone, die ich einst modifizierte.
Was gibt es noch zu beanstanden? Nichts weiter! Geschmackssache: ich finde es doof, dass dieses "Wegwerflabel" auf der Rückseite des Heads (Pfeil) sauber deckend lackiert ist. Denn so lässt es sich nicht "mal eben einfach so" entfernen (außer, man überklebt's). Es stört den Gesamteindruck, das passt aus meiner Sicht nicht auf so eine schöne Gitarre, es degradiert sie. Ich hätte mir das als Aufkleber gewünscht - zum Abmachen und Wegschmeißen desselben...
Anlieferungszustand und Justage
Im Anlieferungszustand waren die Pickups extrem hoch eingestellt.
Überhaupt der Anlieferungszustand... Auch die Saiten waren nicht nur viel zu hoch über dem Griffbrett eingestellt, sondern Ibanez hatte da offenbar auch einen dicken Roundwound-Schweißdraht drauf, der Farbkennung der Ballends nach zu urteilen, waren es Saiten von D'Addario. Viel zu dick aus meiner Sicht, denn aufgrund der geringeren Mensur von 628 mm vergleichsweise zu der einer Strat (648 mm), lassen sich die Saiten gefühlt ohnehin etwas schwerer ziehen. Na gut, vielleicht hat es ja ein Jazzer nicht so mit dem Ziehen...
Der dicke Draht flog runter und ich zog einen Satz 010er Gibson Brite Wires Light drauf. Die klangen mir aber selbst noch mit den zu hoch eingestellten Pickups zu dünnpladderig. Ich wechselte auf meine D'Addario EXL 010er Saiten. Runterdrehen und Feinjustage der Pickups waren als Nächstes dran.
So schaut's jetzt aus:
Anschließend justierte ich erst einmal die Halskrümmung runter, d.h. stellte den Hals flacher ein. Ist mir schleierhaft, warum ab Werk der Hals trotz der dicken Saiten so krumm eingestellt war. Auch mit den dünneren Saiten mit ihrem geringeren Zug war der Hals immer noch noch viel zu krumm. Runter damit, flacher! Jetzt ließ sich die Griffigkeit zugunsten einer fluffigen Bespielbarkeit deutlich verbessern. Nun scheppert oder schnarrt nichts bei sehr flacher Saitenlage!
Der Hals ist knüppeldick. Für sehr kleine Hände ist das womöglich nichts. Mein erster Schreck wich schneller Gewöhnung. Inzwischen merke ich diesen Hals gar nicht mehr; dem kommt zugute, dass die Hälse meiner Classic 70s Stratocaster und meiner 72' Telecaster Deluxe ebensolche halbierten (und grifftechnisch längst gewohnten) Baseballschläger sind.
Der Test des cleanen Sounds konnte beginnen.
Klang
Spielt man die Gitarre trocken, d.h. ohne Amp an, so entfährt einem ein "Wa? Ganz schön dünne, da soll wat Ooondliches rauskommen?". Das ändert sich sofort, wenn die Ibanez am Amp hängt. Hier ist es der Blues Deville mit seinen vier Jensen C10R. Die seitlich montierte Klinkenbuchse der Gitarre packt stramm zu. Der Pickup-Schalter schaltet nicht lommelig, sondern sauber und präzise rastend.
Erst einmal stelle ich verblüfft fest, dass bezüglich des Kombinationssounds beider Pickups diese Ibanez die erste Gitarre ist, die ich habe, bei der auf Anhieb (!) der Sound beider Pickups passt. Das heißt, man stöpselt ein und es kommt ein angenehmer und gefälliger Klang der beiden Pickups, ohne, dass ich das Verlangen bekomme, den Sound meist durch Herumschrauben am Steg-Pickup verändern bzw. anpassen zu müssen. Die beiden scheinen bezüglich ihres Sounds in der Zwischenposition bestens aufeinander abgestimmt zu sein - klasse.
Die Pickups haben einen relativ geringen Output. Wieder klasse, denn als Stratspieler hat man dann so nicht den Pegelsprung im Ton, wenn man zum Beispiel von der Strat zur Ibanez wechselt. Man muss praktischerweise am Amp nicht soo viel verstellen.
Und schon wieder klasse: Regelt man den oder die sehr gut agierenden Volumeregler mit ihren überaus griffigen Knöpfen herunter, so ist kein, aber auch gar kein (!) Höhenverlust zu hören.
Anders als seinerzeit bei der PRS S2 Vela kommt kein steriler Sound aus dem Amp. Es klingt auch anders als bei der 72' Telecaster Deluxe, die naturgemäß recht telecasterisch mit ihrem typischen Twang kommt.
Die Wiedergabe ist ausgewogen, weich, schmeichelnd und leicht schmatzend. Der Charakter geht bestens in Richtung der 57' Classic der Gibson-Pickups meiner damaligen Epiphone The Dot. Gegenüber den knackigeren Höhen der Widerange-Pickups meiner 72' Telecaster Deluxe kommt die Ibanez nicht an, aber das stört mich als Stratspieler, der "Knacken" gewönt ist, nicht - und das will schon was heißen! Es sind nämlich genügend Höhen vorhanden! Es schwingt und schwirrt mit akustischem, holzigen Timbre. Da ist Luftigkeit, da ist Lebendigkeit, Vibrieren und Charakter im Ton, dass es eine Freude hat. Dynamik ohne Ende, ein wunderbares Reagieren auf Anschlagart und -stärke ist da, keine Trägkeit.
Noch entfaltet sich der Ton etwas gehemmt, aber er ist da und ich möchte nur zu gerne wissen, wie diese Gitarre klingen wird, wenn sie eingespielt ist. Egal, ob gespielter Chord oder Arpreggio: Die Saiten sind bestens getrennt zu hören. Keine prescht in ihrer Lautstärke vor, nichts dröhnt akustisch-resonant im Bass. Dreht man die mit bester Regelcharakteristik arbeitenden Toneregler mehr oder weniger zu, so kommen auch mit Roundwound-Saiten bereits amtlich jazzig klingende Einzelnoten, so man diese spielt.
Mit den tiefer justierten Pickups ist das Ansprechverhalten deutlich gestiegen. Die Artikulation ist feiner und klarer geworden. Der angenehme Kombinationssound ist geblieben.
Spielt man nur den Steg-Pickup, so kann man ihn bereits schon clean mit verschiedenen Anschlagtechniken mit dem Plektrum so kitzeln, so dass er klanglich in verschiedene Nuancen und Tonformungen kippt. Das entspricht klanglich dem, wie ich es von meinem Gibson 57' Classic her kenne. Will schreiben, der Pickup ist nicht einfach nur leblos und "auf Bratsound" getrimmt, sondern da steckt mehr drin, was sich vermutlich erst richtig im Zerrbetrieb zeigen wird, wenn dort sein Potential abgefragt wird... Werde ich testen, klarer Fall.
Fazit
Trotz der Verarbeitungsthemen (hier hängt die Reizschwelle bei mir als DIY allerdings recht hoch) muss ich gestehen, dass ich noch nie so positiv geflasht von einer Gitarre bin, wie von dieser. Ich bin ich schlicht und einfach hemmungslos begeistert. Noch glaube ich es selbst kaum, aber da ist eine Gitarre, die die Gene in sich hat, meine Lieblingsgitarre zu werden.
Was gibt es als Alternative? Da ist die Ähnlichkeit mit einer Gibson ES-LP zu verzeichnen.
Die Ibanez AGS73FM-VLS ist fernab von den "Üblichen Verdächtigen" eine Gitarre mit gewaltig viel Potential für's Geld, die für viele cleane Stilarten geeignet ist. Wer sich auf sie einlässt und sie mit Zeit und Ruhe mal antestet...
Warum?
Viele Gitarren mit zwei solcher Humbucker hatte ich noch nicht. Drei Epiphone The Dot, zwei Gibson Les Paul Studios und zwei Standards und (noch) meine derzeitige 72' Telecaster Deluxe. So richtig gefallen haben sie mir klanglich irgendwie alle nicht, bis auf die allererste Studio, die ich Depp damals viel zu schnell verkauft hatte... Die beiden Epiphones sind auch längst verkauft. Die Telecaster wird mir inzwischen zu schwer und "so ganz wirklich richtig" ist auch sie einfach nicht mehr mein Fall, auch wenn sie per se eine hervorragende Gitarre ist. Man ändert wohl mit zunehmendem Alter so eine Soundvorstellungen. Und: Brettgitarren habe ich eigentlich mit meinen paar Stratocasters genug.
Was mir fehlt(e), ist eine Gitarre mit "Holz im Ton". Eine universell anwendbare, sozusagen eine Brücke zwischen E- und U-Musik schlagende, um das einfach mal so zu schreiben. Auch sollte sie leicht sein. Die Schultern freuen sich dankend.
Recherchen führten zu dieser Ibanez und schlußendlich zum Gebrauchtkauf.
Optik und Verarbeitung
Schon die Produktfotos ließen mich gewissermaßen "aufsehen". Und natürlich kommt hinzu: Ibanez ist kein Unbekannter in der Szene, ein Urgestein nicht nur in Sachen Qualität und eigenständiger Fertigung.
Die AGS73FM-VLS wird in Indonesien gefertigt. Ein Korpus aus Riegelahorn? Schaut man sich den Body in der Nähe an, so sieht das so aus:
Und geht man noch näher ran, dann so:
Man beachte die sauber eingefassten F-Löcher. Da ist kein Gepinsel mit irgendwelcher schwarzer Farbe. Das sieht nach solidem Kunststoff aus.
Herrschaften, das ist wunderbares, dreidimensionales Riegelahorn vom Feinsten. Auch die Korpusrückseite hat das. Meine Fotos können das gar nicht im Detail wiedergeben, wie schön das aussieht.
Je mehr ich mir die Gitarre anschaue, um so mehr so gerate ich ins Träumen. Oder ist es schon Schwärmen? Leicht gewölbte Decke, innen, soweit man das sehen kann, ein top verarbeiteter, durchgehender Sustainblock. Riegelahorn vorn und hinten, ein schönes, braunes "Ton-In-Ton". Violin Sunburst; kein farblicher Gelbstich im Holz, der mich stören würde. Das ist eine unaufdringliche, schlichte Eleganz, Holz ohne jeden Tinnef und ohne jeden Schnörkel. Ob das (vermutlich) nur Furnier ist oder eine massive Decke, ist mir sowas von Wumpe. Diese Optik finde ich schick und klasse. Saubere Lackierung, nur ein winziger, Lacktropfen vorn, den man jedoch mit der Lupe suchen muss. Sauber ausgeführtes, cremefarbenes Binding, cremefarbene Pickup-Rähmchen:
Oldstyle, gefällt mir! Die Korpushöhe beträgt etwa 4,3 cm. Ob man unbedingt zwischen Korpus und Neck ein Binding haben muss, ist Ansichtssache. Könnte man weglassen, wäre schlichter. Ok, ist eh' unten, sieht man nicht und gehört wohl bei dieser Art Gitarren hinsichtlich der Ausführung einfach mit zum "guten Ton". Die Gurtpins sind mit Filz unterlegt, so gehört sich das:
Ob der Kopf an den Neck angesetzt ist, sehe ich nicht. Sehr schön: die Sollbruchstelle wird mit einer Volute verstärkt:
Bei den Gibson Les Paul, die ich einst hatte, gefiel es mir jedenfalls immer, wenn das Stop Tail sehr dicht über der Decke liegt. Bei der Ibanez ist das auch so...
...und die TOM liegt so, dass sie die Saiten nach sauberer Justage rückseitig nicht berührt. Schön!
Der Sattel ist ordentlich gekerbt, da gibt es nix zu meckern:
Innovativ ist die Abdeckung des Trussrods:
Feine und überaus praktische Sache: Kein Gefummel mit einem Schraubenzieher, keine Schrauben, nach denen man hinterher suchen muss. Man dreht einfach die Abdeckung des Trussrods zur Seite auf...
...und schon lässt sich mit dem passenden Inbusschlüssel die Halskrümmung (übrigens leichtgängig) justieren. Durchdachte Sache, das!
Gibt es Beanstandungen? Ja, zwei, drei Sachen.
Auf dem Griffbrett hat man an einer Stelle geschludert, da ist Klebstoff oder sowas zu sehen. Schaut man seitlich hin, sieht man's es kaum. Die Stelle wirkt nur auf diesem Foto etwas hellglänzend:
Es stört haptisch nicht und man kann das sicherlich mit feinem Schmirgel bearbeiten und dann nachdunkeln, was ich bei Gelegenheit tun werde. Diese Nachlässigkeit hätte bei den ansonsten tadellos eingesetzten Inlays und angesichts des sauberen Bindings aber dennoch nicht zu sein brauchen.
Im Anlieferungszustand schnarrten die é- und h-Saite an den Bünden oberhalb der 14. Lage. Ich habe in diesem Bereich die Bünde etwas fein- bzw. nachgeschliffen und poliert. Ob es an den dicken Werkssaiten lag oder an meiner großen Sensibilisierung / Erwartungshaltung beim Auspacken und ersten Anspielen, kann ich nicht sagen. Das Schnarren ist jetzt jedenfalls nach Justage auf meine Spielbelange und mit den "meinigen" Saiten weg.
Die Mechaniken (ihre Rückseiten sind nicht zerkratzt, da ist noch die Folie drauf) machen keinen sooo soliden Eindruck. Sie sind stimmstabil, ich musste sie aber erst einmal mit den Stellschrauben an ihren Griffen festschrauben. Sie drehten mir zu leicht. Und an einer der Mechaniken fehlt ein heller Plastik- oder Silikonring, siehe Pfeil:
Mal schauen, wie langzeitstabil die Mechaniken sind. Ich will nicht ungerecht sein, vielleicht sind sie ja ok. Hier bin ich etwas "gebranntes Kind", denn irgendwie erinnern sie mich an die Originalmechaniken meiner Epiphone, die ich einst modifizierte.
Was gibt es noch zu beanstanden? Nichts weiter! Geschmackssache: ich finde es doof, dass dieses "Wegwerflabel" auf der Rückseite des Heads (Pfeil) sauber deckend lackiert ist. Denn so lässt es sich nicht "mal eben einfach so" entfernen (außer, man überklebt's). Es stört den Gesamteindruck, das passt aus meiner Sicht nicht auf so eine schöne Gitarre, es degradiert sie. Ich hätte mir das als Aufkleber gewünscht - zum Abmachen und Wegschmeißen desselben...
Anlieferungszustand und Justage
Im Anlieferungszustand waren die Pickups extrem hoch eingestellt.
Überhaupt der Anlieferungszustand... Auch die Saiten waren nicht nur viel zu hoch über dem Griffbrett eingestellt, sondern Ibanez hatte da offenbar auch einen dicken Roundwound-Schweißdraht drauf, der Farbkennung der Ballends nach zu urteilen, waren es Saiten von D'Addario. Viel zu dick aus meiner Sicht, denn aufgrund der geringeren Mensur von 628 mm vergleichsweise zu der einer Strat (648 mm), lassen sich die Saiten gefühlt ohnehin etwas schwerer ziehen. Na gut, vielleicht hat es ja ein Jazzer nicht so mit dem Ziehen...
Der dicke Draht flog runter und ich zog einen Satz 010er Gibson Brite Wires Light drauf. Die klangen mir aber selbst noch mit den zu hoch eingestellten Pickups zu dünnpladderig. Ich wechselte auf meine D'Addario EXL 010er Saiten. Runterdrehen und Feinjustage der Pickups waren als Nächstes dran.
So schaut's jetzt aus:
Anschließend justierte ich erst einmal die Halskrümmung runter, d.h. stellte den Hals flacher ein. Ist mir schleierhaft, warum ab Werk der Hals trotz der dicken Saiten so krumm eingestellt war. Auch mit den dünneren Saiten mit ihrem geringeren Zug war der Hals immer noch noch viel zu krumm. Runter damit, flacher! Jetzt ließ sich die Griffigkeit zugunsten einer fluffigen Bespielbarkeit deutlich verbessern. Nun scheppert oder schnarrt nichts bei sehr flacher Saitenlage!
Der Hals ist knüppeldick. Für sehr kleine Hände ist das womöglich nichts. Mein erster Schreck wich schneller Gewöhnung. Inzwischen merke ich diesen Hals gar nicht mehr; dem kommt zugute, dass die Hälse meiner Classic 70s Stratocaster und meiner 72' Telecaster Deluxe ebensolche halbierten (und grifftechnisch längst gewohnten) Baseballschläger sind.
Der Test des cleanen Sounds konnte beginnen.
Klang
Spielt man die Gitarre trocken, d.h. ohne Amp an, so entfährt einem ein "Wa? Ganz schön dünne, da soll wat Ooondliches rauskommen?". Das ändert sich sofort, wenn die Ibanez am Amp hängt. Hier ist es der Blues Deville mit seinen vier Jensen C10R. Die seitlich montierte Klinkenbuchse der Gitarre packt stramm zu. Der Pickup-Schalter schaltet nicht lommelig, sondern sauber und präzise rastend.
Erst einmal stelle ich verblüfft fest, dass bezüglich des Kombinationssounds beider Pickups diese Ibanez die erste Gitarre ist, die ich habe, bei der auf Anhieb (!) der Sound beider Pickups passt. Das heißt, man stöpselt ein und es kommt ein angenehmer und gefälliger Klang der beiden Pickups, ohne, dass ich das Verlangen bekomme, den Sound meist durch Herumschrauben am Steg-Pickup verändern bzw. anpassen zu müssen. Die beiden scheinen bezüglich ihres Sounds in der Zwischenposition bestens aufeinander abgestimmt zu sein - klasse.
Die Pickups haben einen relativ geringen Output. Wieder klasse, denn als Stratspieler hat man dann so nicht den Pegelsprung im Ton, wenn man zum Beispiel von der Strat zur Ibanez wechselt. Man muss praktischerweise am Amp nicht soo viel verstellen.
Und schon wieder klasse: Regelt man den oder die sehr gut agierenden Volumeregler mit ihren überaus griffigen Knöpfen herunter, so ist kein, aber auch gar kein (!) Höhenverlust zu hören.
Anders als seinerzeit bei der PRS S2 Vela kommt kein steriler Sound aus dem Amp. Es klingt auch anders als bei der 72' Telecaster Deluxe, die naturgemäß recht telecasterisch mit ihrem typischen Twang kommt.
Die Wiedergabe ist ausgewogen, weich, schmeichelnd und leicht schmatzend. Der Charakter geht bestens in Richtung der 57' Classic der Gibson-Pickups meiner damaligen Epiphone The Dot. Gegenüber den knackigeren Höhen der Widerange-Pickups meiner 72' Telecaster Deluxe kommt die Ibanez nicht an, aber das stört mich als Stratspieler, der "Knacken" gewönt ist, nicht - und das will schon was heißen! Es sind nämlich genügend Höhen vorhanden! Es schwingt und schwirrt mit akustischem, holzigen Timbre. Da ist Luftigkeit, da ist Lebendigkeit, Vibrieren und Charakter im Ton, dass es eine Freude hat. Dynamik ohne Ende, ein wunderbares Reagieren auf Anschlagart und -stärke ist da, keine Trägkeit.
Noch entfaltet sich der Ton etwas gehemmt, aber er ist da und ich möchte nur zu gerne wissen, wie diese Gitarre klingen wird, wenn sie eingespielt ist. Egal, ob gespielter Chord oder Arpreggio: Die Saiten sind bestens getrennt zu hören. Keine prescht in ihrer Lautstärke vor, nichts dröhnt akustisch-resonant im Bass. Dreht man die mit bester Regelcharakteristik arbeitenden Toneregler mehr oder weniger zu, so kommen auch mit Roundwound-Saiten bereits amtlich jazzig klingende Einzelnoten, so man diese spielt.
Mit den tiefer justierten Pickups ist das Ansprechverhalten deutlich gestiegen. Die Artikulation ist feiner und klarer geworden. Der angenehme Kombinationssound ist geblieben.
Spielt man nur den Steg-Pickup, so kann man ihn bereits schon clean mit verschiedenen Anschlagtechniken mit dem Plektrum so kitzeln, so dass er klanglich in verschiedene Nuancen und Tonformungen kippt. Das entspricht klanglich dem, wie ich es von meinem Gibson 57' Classic her kenne. Will schreiben, der Pickup ist nicht einfach nur leblos und "auf Bratsound" getrimmt, sondern da steckt mehr drin, was sich vermutlich erst richtig im Zerrbetrieb zeigen wird, wenn dort sein Potential abgefragt wird... Werde ich testen, klarer Fall.
Fazit
Trotz der Verarbeitungsthemen (hier hängt die Reizschwelle bei mir als DIY allerdings recht hoch) muss ich gestehen, dass ich noch nie so positiv geflasht von einer Gitarre bin, wie von dieser. Ich bin ich schlicht und einfach hemmungslos begeistert. Noch glaube ich es selbst kaum, aber da ist eine Gitarre, die die Gene in sich hat, meine Lieblingsgitarre zu werden.
Was gibt es als Alternative? Da ist die Ähnlichkeit mit einer Gibson ES-LP zu verzeichnen.
Die Ibanez AGS73FM-VLS ist fernab von den "Üblichen Verdächtigen" eine Gitarre mit gewaltig viel Potential für's Geld, die für viele cleane Stilarten geeignet ist. Wer sich auf sie einlässt und sie mit Zeit und Ruhe mal antestet...
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