Zunächst einmal gilt es, 2 Aspekte voneinander zu unterscheiden: Die Angabe einer Belastbarkeit von Lautsprechern dient einzig und allein dazu, eine Orientierung zu geben, ab welcher Leistungsabgabe der Endstufe die Gefahr der Zerstörung des Lautsprechers besteht. Klangliche Aspekte sind hier vollkommen außen vor. Der Belastbarkeit kann man pauschal keine klanglichen Eigenschaften zuordnen, mal abgesehen davon, dass dies bei Instrumentenboxen eh hochgradig subjektiv ist.
Ich möchte zum Thema Belastbarkeit etwas ausholen, um das Verständnis zu verbessern. Im Grunde ist das Denken in Leistungen eine Krücke, die eingeführt wurde, um Dinge zu vereinfachen und die dabei dem tatsächlichen Verständnis eher im Wege steht.
Viel besser ist es, in Spannungen statt Leistungen zu denken. Ein (Transistor-)Verstärker ist in erster Linie eine Spannungsquelle, spricht, er hat eine maximale Ausgangsspannung. Schließt man eine Last daran an, in unserem Fall einen Lautsprecher, so fließt ein Strom und daraus lässt sich eine Leistung berechnen.
Die Belastbarkeit eines Lautsprechers lässt sich ebenso durch die maximale Eingangsspannung beschreiben. Soweit so einfach, kompliziert wird es leider, weil wir mit Wechselspannung und Strom über einen weiten Frequenzbereich arbeiten.
Am einfachsten ist das noch bei reinen Sinus-Signalen zu verstehen. Wir haben hier immer zwei Werte, den Spitzenwert und den Effektivwert. Ersterer ist das Maximum über der Zeit (tritt also pro Periode nur einmal auf), letzterer ist eine Art Mittelwert über eine Periode. Er wird auch als RMS-Wert bezeichnet, da dies das mathematische Verfahren ist, ihn zu berechnen (root-mean-square).
Das Verhältnis Upk/Ueff ist bei einem Sinus Wurzel(2) oder 3 dB logarithmisch ausgedrückt. Diese Verhältnis wird auch als Crest-Faktor bezeichnet.
Kramen wir also unsere Formeln aus dem Physikunterricht heraus und wenden diese auf die Daten des Kustom Groove 1200 an.
Er ist mit 450 W an 8 Ohm angegeben, daraus folgt:
Urms = sqrt(450 W * 8 Ohm) = 60 V rms
Upk = Urms*sqrt(2) = 85 V pk
Rechnen wir dasselbe für die 4 Ohm Werte, so kommen wir auf 55 V rms / 77 V pk. Hier sehen wir, dass der Verstärker in der Praxis doch nicht eine reine Spannungsquelle darstellt. Entweder das Netzteil oder der maximale Ausgangsstrom begrenzen hier die maximale Ausgangsspannung.
Als Randnotiz zu beachten ist, dass Kustom die Werte bei einem ungewöhnlich hohen THD von 5 % angibt. Dieses Maß an Verzerrungen bedeutet, dass wir es keinesfalls mehr mit einem reinen Sinus zu tun haben. Spannend finde ich auch die Angabe, dass es sich um einen ClassB-Verstärker handelt. Dieser Typ erzeugt normalerweise starke Übernahmeverzerrungen, welche ihn für Audioverwendungen eigentlich aussschließen. Aber wenns klingt...
Jetzt wissen wir, welche Spannung der Verstärker liefert. Betrachten wir nun die Lautsprecherseite. Es gibt standardisierte Verfahren, wie deren Belastbarkeit ermittelt wurde. Leider sind Hersteller von Instrumentenboxen da selten auskunftsfreudig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten dies auch gar nicht selbst testen, sondern nur die Belastbarkeit der verbauten Chassis verwenden. Dies ist im Grunde eine unzutreffende Annahme, da das Gehäuse hier einen Einfluss haben kann, aber lassen wir das mal außen vor.
Viele Hersteller von Lautsprecherchassis testen mit einem Rauschsignal mit 6 dB Crestfaktor. Das Rauschen stellt quasi ein standardisiertes, universelles Musiksignal dar. Die einfache Betrachtung mit reinen Sinussignalen hilft uns in der Praxis wenig, weil sie so nicht vorkommen. Musik und auch das Signal eines E-Basses, ist viel komplexer.
6 dB Crestfaktor bedeutet, im Testsignal ist der Effektivwert/RMS-Wert halb so groß, wie der Spitzenwert.
Nehmen wir die Werte deiner Lautsprecher und rechnen wir über die angegebene Impedanz auf die Spannung um:
Urms(115) = sqrt(400 W * 8 Ohm) = 57 V rms
Upk(115) = 2*Urms(115) = 113 V pk
Urms(210) = sqrt(200 W * 8 Ohm) = 40 V rms
Upk(210) = 2*Urms(210) = 80 V pk
(wer sich wundert, ich runde auf ganze Volt)
Was fällt auf? Der Verstärker kann ausgehend von seinen Daten (und der Annahme, dass die Ausgangsleistung mit einem Sinus-Signal ermittelt wurde) eine Peak-Spannung liefern, die nur knapp über der liegt, welche die 210er verträgt (85 V / 80 V). Die Betrachtung der Spannung zeigt auf, dass die "Leistung" von Verstärker und Lautsprecher direkt schwer in Relation zu setzen ist, wenn sie nicht mit denselben Testsignalen ermittelt wurde. Eine Spannung, insbesondere eine Maximalspannung, ist dagegen immer eindeutig.
Die Belastbarkeit gibt im Grunde an, welche Wärmeleistung das Chassis auf Dauer abführen kann. Der Wirkungsgrad von Lautsprechern ist sehr gering, wir reden bei Basslautsprechern von 1-5 %. Das heißt, von den 400 W werden 380 - 396 W in Wärme umgewandelt, die abgeführt werden muss, um das Chassis nicht zu beschädigen. Man spricht auch von thermischer oder elektrischer Belastbarkeit.
Und jetzt wenden wir uns ab von den Testsignalen und hin zu realen Basssignalen. Deren Crestfaktor ist im Allgemeinen wesentlich größer, als 6 dB. Das heißt, das Durchschnittslevel (RMS) liegt in Relation zum Spitzenwert noch viel tiefer, als beim Sinus oder beim 6 dB Testsignal. Wo genau wir uns befinden, lässt sich pauschal nicht beantworten. Generell sorgen Verzerrung und Kompression für einen kleineren Crestfaktor, je unbearbeiteter das Signal ist, desto größer ist er.
Ist der Spitzenwert fix (und das ist er durch den Spitzenwert der Endstufe), so sinkt mit steigendem Crestfaktor die RMS-Spannung, damit auch die Leistung und die thermische Belastung. Ein Chassis mit einem E-Bass-Signal thermisch zu überlasten istin der Praxis nur bei sehr starker Überdimensionierung der Endstufe möglich.
Leider ist das nicht das Ende der Geschichte. Wir haben bisher die Frequenzabhängigkeit der gesamten Problematik außen vor gelassen, was nicht zulässig ist.
Wir haben festgestellt, dass man bei Lautsprechern statt einer Belastbarkeit in W auch eine maximale Eingangsspannung in V angegeben kann. Diese ist im Allgemeinen aber nicht über der Frequenz konstant, sondern variiert sehr stark.
Dies wird zum einen klar, wenn man bedenkt, dass auch die Impedanz alles andere als konstant über der Frequenz ist. Das heißt, unsere einfachen Rechnungen von oben sind im Grunde alle nicht korrekt.
Zum anderen ist die frequenzabhängige Belastbarkeit im Tieftonbereich stark von der Mechanik des Lautsprechers in Kombination mit dem Gehäuse abhängig. Je tiefer die Frequenz, desto weiter muss das Chassis für den identischen Schalldruck auslenken. Diese Auslenkung ist mechanisch durch den Platz der Schwingspule im Luftspalt begrenzt (Hub, xmax). Legt man bei tiefen Tönen eine zu große Spannung an, so schlägt die Schwingspule an und wird mechanisch beschädigt. Weitere Schäden an der Aufhängung sind möglich.
Man spricht deswegen davon, dass Chassis neben der elektrisch/thermischen Belastbarkeit auch eine mechanische Belastbarkeit haben. Je nach Situation (Signal, Gehäuse) kann diese deutlich unter der elektrisch/thermischen liegen. Wenn in der Praxis Defekte auftreten, ist dies in der Regel die Ursache.
Oder anders ausgedrückt: Die 210 verträgt vermutlich keine 80 V pk im Tieftonbereich. Es ist gerade hier viel besser, in Spannungen zu denken, da wir über kurze, pulsartige Signale sprechen, die problematisch sein können (z.B. Saiten auf die Pole der Tonabnehmer schlagen, Kabel aus Bass ziehen, Einschalt- und Ausschaltplopps von Verstärkern etc.).
Leider lässt sich aus der angegebenen Belastbarkeit wenig über diese Eigenschaften ableiten. So bleibt dem Laien-Nutzer im Grunde nur, Verstärker und Lautsprecher vom Aspekt der Belastbarkeit nach dem Bauchgefühl her auszuwählen und eine extreme Mehrleistung beim Verstärker zu vermeiden. Bei deiner Konstellation hätte ich aber keine Bauchschmerzen, solange du den Amp nicht am Anschlag fährst und keine Anhebung bei 30 Hz und 50 Hz am EQ einstellst. Eine Absenkung schützt vor mechanischer Belastung.
Verstärker die mit dem Clipping anfangen sind für die Lautsprecher problematischer als ein 1000 Watt Verstärker der sauber seine 50 Watt rausgibt.
Diese Ansicht ist weit verbreitet, ist aber meiner Meinung nach nicht korrekt. Schlussendlich zählt nur das Signal, das hinten aus dem Verstärker herauskommt.
Nehmen wir einen Amp, der eine Ausgangsspannung von 20 V rms sauber liefert. An 8 Ohm sind das 50 W. Jetzt übersteuern wir diesen Verstärker maximal, am Ausgang liegt ein perfektes Rechteck an. Die Spitzenspannung beträgt weiterhin 28 V pk, diese ist nun identisch zu Effektiv-Spannung. Damit haben wir eine Ausgangsleistung von 100 W, mehr bekommen wir physikalisch nicht aus diesem Verstärker heraus. Kann der angeschlossene Lautsprecher die 100 W ab, wird er nicht beschädigt.
Einen Lautsprecher zerstöre ich durch zu hohe Eingangsspannung, entweder schnell, wenn ich seine mechanischen Grenzen übersteigt, oder langsam, wenn ich seine elektrisch/thermischen Grenzen überfahre. Wie das Signal dazu zustande kommt, ist nicht relevant.
Ich hatte schon geglaubt, dass die 2x10"er Box mit 200 Watt zur 15"er Box mit 400 Watt passt, denn nach oben hin werden die Watt ja immer weniger. Beispielsweise habe Hochtöner ja schon weniger als 100 Watt.
Die Annahme ist im Grunde richtig, setzt aber etwas voraus, dass hier nicht zutrifft und zwar eine Frequenztrennung zwischen den Lautsprechern. Wenn die 210er einen Hochpass bekommt und damit vom Tiefbass befreit wird (Stichwort mechanische Belastbarkeit), ist die Verwendung an deinem Verstärker vollkommen unkritisch. Du betriebst aber alle Boxen parallel über den gesamten Frequenzbereich.