Um mal zum Ausgang zurückzukommen:
Angesichts der immer komplexer werdenden Synthesizer, Workstations und DAWs sollte man sich fragen, ob es überhaupt noch vereinbar ist, diese Geräte und Software in Gänze zu beherrschen, um eigene Sounds oder Songs zu kreieren, und gleichzeitig sein - hoffentlich - tägliches Übungspensum am - ebenfalls hoffentlich - Klavier zu absolvieren.
"Geräte und Software in Gänze zu beherrschen" schafft sicher kaum jemand. Übrigens genauso, wie kaum jemand alle Spieltechniken auf schwarzen und weißen Tasten zur Gänze beherrschen kann, egal wie groß das Übepensum ist. Unser Leben ist endlich (und Zeit, Geld und Nerven schon weit vorher), und das Leben ganz allgemein wie auch Muskmachen im Besonderen findet in diesen manchmal ziemlich engen Grenzen statt.
Deswegen sind die Schlüsselfähigkeiten für gute (bis hin zu genialen) Musikern Inspiration, Kreativität und Ausdauer in der Umsetzung. Damit gleichen sie die niemals perfekte Gerätebeherrschung und niemals perfekte Instrumentaltechnik aus. Und gerade bei Keyboardern sind alle Bereiche, wie ich finde, sehr eng verknüpft. Beziehungsweise müssen sie es sein, wenn man ein guter Keyboarder sein will.
Eine Lehrstunde ist für mich in dieser Hinsicht ist immer wieder auf Youtube "Jordan Rudess Keyboard Madness 2 Performance Programming":
Gerade das
Performance Programming finde ich entscheidend, nämlich, wie man sich seine Einzelsounds spieltechnisch organisiert. Soundprogrammierung (Erstellung und Optimierung von Einzelsounds) ist auch gut und wichtig, aber Jordan zeigt den Vorgang der
musikalischen Integration in eine bestehende Umgebung. So wie ein Arrangeur oder Orchestrator arbeitet, allerdings auch, wie er alles mit einem hochinteressanten Mix aus Klavier- und Synthesizer-Spieltechniken alleine spielen kann. Er zeigt auf professionellem Level ein Ideal und eine Denkweise, die jeder für sich herunterbrechen, reduzieren und in kleinerem Maße für sich persönlich verwirklichen kann.
Und mit dieser anderen Herangehensweise als deine, anonymusus, ergibt sich auch eine Antwort auf deine Frage: man muss seine Geräte nicht zur Gänze beherrschen, sondern soweit, wie man es im eigenen Umfeld braucht. Aber es gilt natürlich auch: je mehr, desto besser. Man sollte soviel Üben bis man das kann, was man braucht. Je mehr, desto besser. Davor, danach und währenddessen sind aber
Inspiration, Kreativität und Ausdauer in der Umsetzung weit wichtigere Faktoren, die man haben, begünstigen, realisieren und anstreben sollte.