Be-3
Mod Emeritus
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Nein, zufällig ist das nicht.Die schwarzen Tasten der Pianotastatur bilden nun eben (zufällig???) fünf solche Töne,
Das neben der Oktave "reinste" Intervall ist die Quinte. Wenn man bei bei einem beliebigen Ton beginnt und viermal eine Quinte nach oben geht (oder auch viermal nach unten), dann hat man einen Pentatonik-Vorrat, wie ihn schon die alten Chinesen kannten und nutzten. Dann noch kurz sortieren und alle 5 Töne durch Oktavieren in eine Oktavlage bringen - fertig ist der pentatonische Tonvorrat.
Wenn man beim B beginnt und immer eine Quinte nach unten geht, erhält man: B, Es, As, Des, Ges. Das sind genau die schwarzen Tasten. Geht natürlich auch mit jedem anderen Startton.
Wenn man noch zwei Quinten dranhängt, erhält man den Tonvorrat unserer "vollständigen" heptatonischen (siebentönigen) Tonleitern, der sich wiederum bei einem geschickt gewählten Startpunkt komplett auf die weißen Tasten legen lässt.
Das aber nur am Rande und es sprengt das Thema.
Es gibt an Keyboards auch Modes, die sämtliche Tasten je nach Playback Harmonie so umstimmen, dass es passt.
Oh, das hatte ich noch überhaupt nicht gewusst.
Ich kenne nur automatisch erzeugte Zweitstimmen oder automatisch erzeugte ganze Melody-Chord-Voicings.
Aber so ist das natürlich katastrophal - da wird man es ja nie schaffen, eine Verknüpfung zwischen Tonvorstellung und zu drückender Taste aufbauen können, wenn das Gerät immer "irgendetwas" spielt und automatisch "korrigiert". Vom Korsett ganz zu schweigen.
Aus Fehlern lernt man - und wenn das Keyboard (vermeintliche) Fehler automatisch korrigiert, lernt man auch nichts.
Ich gehe zur Fahrschule und dort werden selbst fahrende Autos benutzt.
Das ist großartig, ignoriert aber etwas grundlegendes.
Du wirst lachen, in abgemilderter Form habe ich genau das gerade bei meiner großen Patentochter erlebt:
Das Fahrschulfahrzeug entstammt der neuesten Generation mit technischer Vollausstattung: beispielsweise elektrische Hand-/Feststellbremse incl. Berg-Anfahrhilfe und eine Luxus-Rückfahrkamera incl. vom Lenk-Einschlag abhängig eingeblendetem Fahrweg.
Wenn nun ein so geschulter Anfänger seinen ersten alten Gebrauchtwagen ohne all den Zauber hat, wird es lustig.
Ja. Und genau deshalb sind solche selbst auferlegten Einschränkungen wie die schwarze-Tasten-Pentatonik eine gute Einstiegshilfe, aber mehr auch nicht.Improvisieren war früher für mich ein Minenfeld.
Es kommt darauf an, richtig zu lernen und zu üben.
Rhythmus nicht vergessen!
Ich weiß. Es ist sehr schwer, auf sehr viele Dinge gleichzeitig zu achten.
Ich möchte auch niemanden überfordern, sondern auf einen ganz wesentlichen Punkt beim Improvisieren hinweisen:
Der "Groove" ist wichtiger als die tatsächlich gespielten Töne!!!
Ein langweiliges Dudelsolo mit "richtigen" Tönen wirkt weniger attraktiv als ein "groovendes" Solo mit falschen Tönen. Tatsache!
Deshalb ist es kein schlechter Einstieg, zu Beginn den Tonvorrat extrem einzuschränken, wenn es sein muss, auf einen einzigen Ton.
Maxitos Workshopleiter hatte also recht:
Auf einem Jazzworkshop hat der Workshopleiter mal den Spruch gesagt, der denke ich, nach wie vor uneingeschränkt gilt: Wenn du nicht mit 3 Tönen improvisieren kannst, dann kannst du das auch nicht mit 100.000.
Es ist toll, mit ein, zwei oder drei Tönen zu beginnen und
- vor allem mit rhythmischen Ideen und Variationen zu spielen
- versuchen, die zwei oder drei Töne gezielt (d. h. nach Tonvorstellung, nicht zufällig) zu spielen.
Hierzu gehört auch (wie immer!), dass man sein Solo auch ohne Instrument singen kann und das Gesungene gezielt spielen kann.
Es geht nicht um die Einschränkung an sich, aber diese hilft, Hirnkapazitäten freizuhalten und vor allem ermöglicht sie das gezielte Spielen.
Und eben die Konzentration auf den Rhythmus - es muss grooven!: "It Don't Mean a Thing If It Aint't Got That Swing!".
Erstes Ziel nach den "Dudelübungen"
Mache Dich mit dem "Klang" der Pentatonik vertraut.
Singe! Ohne Instrument! Das geht auch in der Dusche, beim Autofahren, beim Waldspaziergang: immer und überall: singe!
"Improvisieren" bedeutet ja letztendlich, sich auszudrücken - und dazu muss man etwas zu sagen haben.
Zusammenhanglos Skalen hoch- und runterzunudeln ist unmusikalisch und bringt nicht weiter.
Der begrenzte Pentatonik-Tonvorrat erleichtert die Sache bzw. die Umsetzung der Tonvorstellung auf das Instrument (immerhin nur 5 statt möglicher 12 Töne).
Der bekannte "Vorteil" der Pentatonik, praktisch keine falschen Töne spielen zu können, ist hier aber nicht maßgeblich, denn Dein Spiel soll ja nicht nur zufällig gut klingen, sondern so klingen, wie Du Dir das (im Kopf!) vorstellst. Alles andere ist Murks, denn wenn das Ergebnis nicht nur die Zuhörer, sondern auch den Spieler überrascht, dann läuft etwas gewaltig schief!
Wenn Du im Kopf (also durch Vorstellung, Singen, Summen, Pfeifen) zunächst einfache Phrasen improvisieren kannst, kommt die Übertragung aufs Instrument.
"Vor-Übung": Spielen nach Gehör
Weil der Mensch leicht überfordert ist, wenn er sich auf viele Dinge gleichzeitig konzentrieren muss (z. B. gleichzeitig Melodie erfinden und sofort spielen), scheint mir das Spielen einer bekannten Melodie nach Gehör eine unabdingbare Voraussetzung zu sein, um improvisieren zu können. Denn beim Improvisieren geht es schließlich darum, etwas aus dem Stegreif erdachtes direkt mit seinem Instrument spielen zu können.
Ich weiß, das ist nicht unbedingt einfach, aber man sollte es unbedingt als Ziel im Auge behalten.
Einfache Kinder- und Volkslieder, jetzt auch jahreszeitlich passende Weihnachtslieder sind ein wunderbarer Einstieg!
Das alles geht aber wiederum nicht ohne Gehörbildung und einer soliden Intervall-Vorstellung:
Gehörbildung: Intervalle singen können
Eine "Melodie" ist ja zunächst einmal völlig unabhängig von irgendwelchen Tonarten. Der Wiedererkennungswert besteht alleine aus den Intervallabständen zwischen den Tönen:
Mit welchem Ton muss ich anfangen und wie geht es dann weiter?
Oder: "Woher soll ich wissen, welche Töne ich spielen/singen muss?"
Das geht mit etwas Übung allein im Kopf. Singe Dir notfalls die Tonleiter vor.
- "Alle meine Entchen" beginnt mit dem Grundton und läuft dann die Dur-Tonleiter hoch. Der erste Ton ist also der Grundton der gewählten Tonart.
- "Morgen kommt der Weihnachtsmann". Beginnt auch mit dem Grundton und springt dann eine Quinte hoch. Wenn Dir die Melodie vertraut ist, hast Du sofort eine Vorstellung, wie ein Quintsprung nach oben klingt. Das ist der beliebte "Liedanfangs-Trick", um Intervalle zu identifizieren.
- "Hänschen klein": Fängt nicht mit dem Grundton an, sondern der 5. Stufe, der Quinte. Singe notfalls die Dur-Tonleiter hoch, bis Du den Einstiegston gefunden hast: "da, da, da, da, Häns-chen klein". Aha. Die Quinte. Der 5. Ton. Und dann eine (kleine Terz) nach unten. Genau wie bei "Kuckuck, Kuckuck".
- usw.
Hier sind Knopf-Akkordeons durch ihre "gleichberechtige" Knopfanordnung ein bisschen im Vorteil.
So wirst Du nach und nach mit immer weniger Fehlern einfache Melodien direkt nach Gehör spielen lernen. Und später auch kompliziertere.
Eigentlich unabhängig von der Tonart. Das, was eine Melodie ausmacht, z. B. "große Terz nach oben" ist völlig unabhängig von der Tonart.
Und auch später: Singen, singen, singen!
Es ist egal, wie es klingt, aber nichts schult die Tonvorstellung wie das Singen.
George Benson singt ja oft seine Soli mit (d. h. er weiß natürlich genau, was er spielt, da ist kein Ton ein Zufallstreffer).
Der Klaviervirtuose Horowitz hat gesagt "It's all about singing."
Singen kann also nicht überbewertet werden!
Der "Wert" von Skalen, Modi (Kirchentonarten) usw. besteht beim Improvisieren mehr darin, sich in diesen Klangwelten heimisch zu fühlen. Die technischen Fingerfertigkeiten sind notwendig, aber nicht wesentlich.
Wenn man das Alphabet als Tonskala unserer Sprache betrachtet, ergibt weder das Auf- und Ab-Buchstabieren noch das wahllose aneinanderreihen von Buchstaben eine sinnvolle Aussage.
Übe Dich in deiner musikalischen Phantasie. Höre viel Musik (das gibt Anregungen und öffnet manchmal Welten).
Die Idee muss "in Dir" entstehen.
Ohne Tonvorstellung und musikalische Aussage wird jedes Solo zum ziellosen Gedudel, so virtuos dieses Gedudel auch sein mag.
Viele Grüße
Torsten