Reparatur einer überdrehten oder ausgerissenen Gurtpin-Schraube (Workshop)

GeiGit
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[Workshop] Reparatur einer überdrehten oder ausgerissenen Gurtpin-Schraube


Hintergrund


Leider geht es ganz schnell, dass man eine Gurtpin-Schraube überdreht. Das liegt an dem Werkstoff "Holz" und dessen Faserstruktur. Die Gurtpin-Schrauben werden ja in Faserrichtung eingeschraubt. Man schraubt sie also in sogenanntes "Hirnholz". Die Schraube hat dadurch viel weniger Halt als wenn man sie quer zur Faser einschrauben würde. Das liegt daran, dass die Gewindegänge beim Reindrehen leider die Fasern durchschneiden und diese kurzen Faserverbindungen nicht viel aushalten.
IMG_20201028_143434.jpgHolz hat quer zur Faser eben eine viel geringere Zugfestigkeit als in Faserrichtung. IMG_20201028_160609.jpg Diese rot markierten, kurzen Bereiche in den Gewindegängen können einfach leicht abscheeren.

Was tun, wenn es passiert ist?


Soweit zur Theorie "warum" das denn passieren kann. :nix: Aber lasst uns konkret werden was man den tun kann wenn es passiert ist und die Schraube einfach nur noch "hohle dreht", oder durch den Gurt rausgezogen wurde und nun das Loch im Korpus so groß wie die Schraube selber ist. :confused:

Natürlich gibt es eine Menge an verschiedenen Reparaturmethoden die alle nicht unbedingt falsch sind. Manche gehen schneller als andere, manche brauchen spezielle Kleber, oder Materialien und nicht jede dieser Methoden hält gleich gut. Ich möchte euch jetzt eine einfache Methode vorstellen, die keine besonderen Materialien braucht und zuverlässig funktioniert, denn genau darauf kommt es ja an, schließlich ist diese Schraubverbindung die einzige Sicherheit gegen Absturz für eure Gitarre. Auch ein Security Lock hilft nicht wenn die Schraube nicht hält.

Einfach, aber gut. GeiGit's Reparaturmethode, Schritt für Schritt erklärt


Demontage:
- Man schraubt den Gurtpin, bzw. dess Schraube aus dem Korpus
Reinigen:
- Man bläst das Loch mit einem beherzten Pusten, einer Druckluftpistole, einer leeren Spritze, oder ähnlichem aus. Aussaugen geht auch, ist aber nicht so effektiv. Es geht letztendlich darum die ausgerissenen Faserreste aus dem Loch zu entfernen und es möglichst staubfrei zu bekommen damit sich nachher der Leim besser mit dem Holz des Korpusses verbindet.
Vermessen:
- Nun schaut man sich die Größe des Loches an und vermisst vorallem seine Tiefe. Das geht z.B. mit einer aufgebogenen Büroklammer, oder mit einem dünnen Bohrer mit z.B. 1,5 - 2mm, den man in das Loch von Hand reinschieben kann. Wenn man sie/ihn nun bündig zum Korpus festhält und rauszieht, kann man mit einem Lineal messen wie lang der Überstand ab dem Finger und dementsprechend die Tiefe des Loches ist.
Auffüllen:
Nun kann man sich ein passendes Stück Holz zuschneiden. Nehmt bitte kein Streichholz, das ist meist aus Espenholz (klick) und für diesen Zweck viel zu weich! Ihr könnt einen Span von einem Stück Buchenholz abschneiden/-sägen, oder ihr habt vielleicht Zahnstocher (klick) die auch aus Buchenholz gefertigt wurden, oder ihr schneidet ein Stück aus einem Eisstil (z.B. von einem "Magnum") heraus. Ich würde es etwa 2-5mm länger als das gemessene Maß und so dick anfertigen, dass man es eben noch mit einem Hammer relativ leicht eintreiben kann. Ich habe hier z.B. die Dreiecksform gewählt und kann dadurch die Schraube gut in der Lücke zwischen Holzdübel und Korpus ansetzen.
Wenn das Holz passt, drückt ihr etwas Weißleim (z.B. Ponal) z.B. aus der Flasche ins Loch und klopft dann vorsichtig den Holzspan/Zahnstocher mit einem Hammer ins Loch. Dabei solltet ihr aufpassen und nicht schräg klopfen, sonst bricht es!
Reinigen:
- Den ausgetretenen Leim wischt ihr mit einem nassem (Küchen-)Tuch ab
Kürzen:
- Nun kürzt ihr das Holz z.B. mit einem Seitenschneider bündig zum Korpus
Nachwischen:
- und wischt nochmal mit dem nassen Tuch drüber
Einschrauben:
- Nun schraubt den Gurtpin "leicht handfest" zwischen eingesetzem Dübel und Korpus ein. "Leicht handfest" bedeutet, dass der Pin ganz leicht gegen den Korpus drückt aber noch nicht fest angezogen ist. Wir wollen ja nicht die feuchte Klebestelle des Holzes aufreißen. Eventuell austretender Weißleim sollte sofort mit dem nassen Tuch weg gewischt werden.
Nachziehen:
- Nach ca. 30 Minuten oder mehr, könnt ihr dann die Schraube nachziehen. Aber auch da: Es ist weiterhin "Hirnholz", also nicht übertreiben! Nach fest kommt ab!

Bilder der Reparatur


IMG_20200620_112645.jpg IMG_20200702_185858.jpg IMG_20200702_190044.jpg IMG_20200702_190113.jpg IMG_20200702_190135.jpg IMG_20200702_190200.jpg IMG_20200702_190212.jpg IMG_20200702_190224.jpg IMG_20200702_190337.jpg IMG_20200702_190415.jpg IMG_20200702_190446.jpg

Warum Buche, warum Weißleim?


Buchenholz ist ein kurzfaseriges Hartholz, welches sich im feuchten Zustand schön verformen lässt. Somit ist es für diesen Zweck ideal geeignet.
Weißleim ist ein Leim, der unter Druck gut leimt, sich gut mit dem Holz verbindet und auch ausgehärtet noch schlagzäh und flexibel bleibt. Somit wird er nicht ausbrechen oder abscheren auch wenn man mal die Schraube aus- und wieder eindrehen muss um z.B. den Gurtpin zu tauschen.
Außerdem tritt das "zu viel" an Leim sehr gut aus und kann ganz leicht und rückstandsfrei mit einem feuchten Tuch abgewischt werden.


Fazit


Ich habe auf diese Art und Weise schon einige Gurtpin-Schraub-Löcher repariert und bin sehr zufrieden mit der zu erreichenden Festigkeit! Die Schraube verklemmt durch das eingebrachte Buchenholz schon mal mechanisch im alten Loch wie z.B. ein Dübel in der Wand und bekommt durch den Weißleim noch ausreichend zusätzliche Festigkeit.
Die letzte Kandidatin war diese Schönheit:
IMG_20200702_185653.jpg

Von ihr stammen auch die Aufnahmen der Reparatur.
Ich wünsche euch gutes Gelingen und viel Erfolg bei der Reparatur!

...wer noch mehr von mir lesen möchte, darf gerne durch meine Reviews und Workshops stöbern. :coffee:

Vielen Dank für Euer Interesse! Seid gesegnet!
 
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Schön beschrieben, genau so habe ich das auch schon gemacht :great:
 
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Moin.... gefällt mir.

Nach ca. 30 Minuten oder mehr, könnt ihr dann die Schraube nachziehen. Aber auch da: Es ist weiterhin "Hirnholz", also nicht übertreiben! Nach fest kommt ab!

... und schon die Idee zur nächsten Reparatur-Anleitung zum Thema abgebrochene/gerissene Schraube. :great:
 
Weißleim wird nie so fest am Metal der Schraube, dass man durch seine Verklebung eine Schraube abreißen könnte! Und nach einer halben Stunde ist das definitiv ausgeschlossen! Ein erneutes Überdrehen und Abreißen der Holzstruktur innerhalb der Gewindegänge der Schraube liegt da viel näher und ist die eigentliche Gefahr.
 
Hey GeiGit, toll, dass du ein Tutorial dafür einstellst!
Ich würde das vorhandene Loch aber eher mit einem 6er Bohrer aufbohren und dann ganz nach deiner Anleitung einen 6er Buchenholzdübel einleimen. Vor dem nächsten Einschrauben dann Vorbohren nicht vergessen und dann ist doch alles prima.
 
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...allerdings ein kleiner Tipp von mir, bei jeder neuen Gitarre schraube ich die Gurtpins erstmal raus, Tropfen Weißleim drauf und wieder rein.
Hatte noch nie Probleme mit ausgenudelten Gurtpinlöchern.

...aber wenn es passiert, hilft ja Dein Tutorial! ;)
 
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Schöner Workshop und tolle Custom!! :great:
Wir haben früher dafür auch immer Zahnstocher verwendet, witzigerwiese war das zu meiner Jugendzeit öfter mal das da was ausgerissen ist, nun ist mir das schon sehr sehr lange nicht mehr passiert :D
 
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Hey GeiGit, toll, dass du ein Tutorial dafür einstellst!
Ich würde das vorhandene Loch aber eher mit einem 6er Bohrer aufbohren und dann ganz nach deiner Anleitung einen 6er Buchenholzdübel einleimen. Vor dem nächsten Einschrauben dann Vorbohren nicht vergessen und dann ist doch alles prima.
Das ist eine gute Methode, wenngleich hier natürlich für "Ungeübte" einige Schwierigkeiten und Stolpersteine lauern: Der Lack kann ausreißen, der Bohrer kann abrutschen, wenn man den Bohrer etwas verkantet und nicht präzise genug einführt, ist das Loch für den 6mm-Buche-Dübel zu groß.... Wenn man den Dübel schlecht verleimt, hält er vielleicht nicht so gut, und letzten Endes muss ich ihn auch noch bündig absägen ohne den Lack zu berühren...
Im Großen und Ganzen steckt da mehr Risiko drin und der Halt ist anschließend nicht besser, als bei der "kleinen" Reparatur, die ich beschrieben habe. :nix:
 
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Eine weitere Möglichkeit sich das Abkneifen bzw. Absägen des überstehenden Spans/Dübels inkl. der Gefahr weiterer Beschädigung der
Lackoberfläche zu ersparen, ist, den Span/Dübel nach dem ermitteln der Tiefe, 2-3 Millimeter kürzer zu fertigen und auf Anhieb bündig
einzutreiben. Weitere Bearbeitung ist aber dann erst nach Aushärten des Leims möglich.

Soll ein Dübel bevorzugt werden unbedingt mit dem richtigen Maß vorbohren, es besteht die Gefahr, dass der Korpus beim Eintreiben
des Dübels aufplatzt.
Auch das sachgemäße Aufbohren, z.B. 6mm für einen 6mm Dübel kann schon solche Probleme bereiten, wenn der Dübel
nicht 100%ig gefertigt worden, oder durch Feuchtigkeit aufgequollen ist.
Also beim Eintreiben Vorsicht walten lassen, es sollte nicht zu viel Kraft erfordern.

Ich sach ja nur...
 
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