Stollenfiddler
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Einführung und Beschreibung des Instruments
In pandemischer Isolation stöberte ich letztens durch das Sortiment des großen T und stieß auf ein unerwartet ungewöhnliches Produkt: eine halbakustische E-Geige. Die Instrumentengattung der E-Geigen wird üblicherweise von mehr oder weniger gut erkennbaren „Gerippen“ dominiert, bei denen kein mitschwingender Korpus das Saitensignal verfälscht. Nicht so bei diesem Exemplar: es verfügt über einen verkleinerten Korpus mit einer ungewöhnlichen aber doch ästhetischen Form. F-Löcher sind nicht zu finden, hätten auf dem schmalen Korpus auch keinen Platz. Wie das mit dem Stimmstock gelöst ist, kann ich nur vermuten: vielleicht durch die Montageöffnung des Preamps? Oder es ist gar keiner drin?
Die Zargen sind klassisch gebaut und orientieren sich am Standard „solide Fertigung einfacher Instrumente“. Außergewöhnlich aber der Harley Benton Schriftzug unterhalb des Halsansatzes. Die Schrift ist nicht eingestanzt sondern erhaben, so dass sie auch haptisch deutlich wahrnehmbar ist.
Die Befestigung üblicher Schulterstützen ist möglich, allerdings nur „halsnah“, wer seine Schulterstütze auf der akustischen Geige weiter zur Schulter trägt, wird hier nicht glücklich. Glücklicherweise gehöre ich aber zu jenen Geigern, die die Stütze eher nah am Hals befestigen, dennoch bin hier mit der Stütze am Limit. Was kein Grund zur Beschwerde ist, eher ein „passt genau!“ Der Hals ist gut angepasst und von mittlerer Breite. Der Saitenkasten ist unauffällig, wie auch die „Schnecke“, welche ohne jede Verzierung gehalten ist. Muss man nicht mögen, passt aber gut zum Design des Instruments.
Auch mitgeliefert: Hartschaumkoffer, Bogen und Kolophon, alles in einfachster Ausführung.
Verarbeitung
Es ist ein einfaches Instrument. Grundsätzlich ist das auch alles solide zusammengebaut, es findet sich allerdings ein deutlicher Lackfehler, fehlender Lack an der Schnecke und Bearbeitungsspuren an der Zarge im Umfeld der Klinkenbuchse.
Handling und akustischer Klang
Beim ersten Stimmen fällt auf, dass die Wirbel gut eingepasst sind, nicht unkontrolliert rutschen und hantieren mit Sandpapier und Wirbelseife unnötig machen. Das ist fein.
Die schmale Halbakustikerin fühlt sich leicht und elegant an und lässt sich leicht spielen, spricht auch schnell an. Die Saitenlage ist gut gelungen, an dieser Stelle hatte ich mich gedanklich auf einen „Rant“ vorbereitet, wurde aber eines Besseren belehrt.
Das erste Anspielen – akustisch – führte allerdings auch zu einem soliden Maß an Ernüchterung: hell kommt sie daher und harsch. Dabei ist es nicht der durchdringend helle Klang einer gut tragenden klassischen Geige, es geht eher in Richtung Flex. OK, die Saiten sind frisch, vermutlich von einfacher Machart und gänzlich gar nicht eingespielt. Wie auch die Geige dies nicht ist. Ich gebe ihr ein paar Stunden und schaue mal, ob ich sie zum Schwingen bringen kann.
Nach 2 Übungsstunden und einer Bandprobe von 2 Stunden trage ich jetzt Gehörschutz beim geigen. Zum Ende der Bandprobe wurde mir nahegelegt, wieder mit einer der sonst üblichen Geigen anzutreten. Im Sinne aller Beteiligten. Ich wehre mich nicht dagegen. Was hat das Durchhalten verändert? Wenig. Diese Geige klingt nicht gut.
Pickup und elektrischer Klang
Zuallererst: die Buchse für das Kabel ist auf der „rechten“ Seite der Geige. Ich glaube, dies ist ein Alleinstellungsmerkmal. Und wird es auch bleiben, denn diese Platzierung ist nicht vorteilhaft: das Kabel baumelt vor dem Körper herum, Konflikte mit der Bogenhand nicht ausgeschlossen. Und gut sieht das fürs Publikum auch nicht aus.
Der verbaute Shadow Pickup mit aktiver Elektronik hat einen guten Ruf. Gut auf jeden Fall: es braucht keinen zusätzlichen Preamp, man kann direkt mit der Geige in den Amp gehen. Weniger gut dabei: die Klangregelung des Preamps ist eher rudimentär ausgelegt und da man als Geiger unabhängig vom elektrischen Klang noch die harsche Akustik der Geige am Ohr hat, mischt man sich schnell „dumpf“ ab. Unabhängig von dieser Problematik: der Pickup liefert ein taugliches Signal, Impedanz ist angepasst, dennoch kommt da elektrisch nicht viel Saft rüber, für eine Effektkette würde ich einen zusätzlichen Preamp vor die Effekte hängen. Wie auch ein wenig mehr Klangregelung, was aber Geschmacksache ist.
Gibt es Hoffnung für diesen Versuch?
Um am Klang etwas zu ändern wäre es sinnvoll, mit dem Stimmstock zu starten. Sofern da einer drin ist. Und wie kommt man an den heran? Vermutlich kein Weg. Oder die Saiten wechseln. Das würde aber nichts daran ändern, dass dem Korpus das Volumen für die tiefen Töne fehlt. Und selbst wenn ich da geeignetere Saiten fände – sie würden das Problem vermutlich nur reduzieren, nicht lösen.
Würde der Herr Thomann mich fragen, was er an dem Instrument ändern sollte, damit er es mir verkaufen könne, so täte ich ihm sagen: vergiss das mit der Halbakustik. Öffne den Boden der Geige, entkopple die Decke, aber erhalte optisch die Form. Vielleicht noch etwas flacher. Gib dem Preamp eine parametrische Regelung der Hochmitten (1,5-4kHz) verlege die Anschlussbuchse nach unten. Und biete die Geige als Creative Bundle an, so dass man sich Koffer, Bogen und Zubehör aussuchen kann.
Fazit:
Wofür ist diese Geige gut? Erhofft hatte ich mir eine leisere, wohlklingende Geige. Die HBV880SA ist nicht viel leiser als eine akustische Geige klassischer Form. Dafür fehlt ihr jegliche Wärme, keinerlei dunkle Färbung ist im Klang erkennbar. Diskant dominant.
Als E-Geige macht sie etwas mehr Spaß, aber sie ist halt anders am Ohr als aus dem Lautsprecher. Aber ich finde sie sieht echt toll aus. Ich finde es gut, wenn im Geigenbau auch mal neue Wege gegangen werden. Auch gut, dass manche Läden für 30 Tage Rückgaberecht einräumen.
In pandemischer Isolation stöberte ich letztens durch das Sortiment des großen T und stieß auf ein unerwartet ungewöhnliches Produkt: eine halbakustische E-Geige. Die Instrumentengattung der E-Geigen wird üblicherweise von mehr oder weniger gut erkennbaren „Gerippen“ dominiert, bei denen kein mitschwingender Korpus das Saitensignal verfälscht. Nicht so bei diesem Exemplar: es verfügt über einen verkleinerten Korpus mit einer ungewöhnlichen aber doch ästhetischen Form. F-Löcher sind nicht zu finden, hätten auf dem schmalen Korpus auch keinen Platz. Wie das mit dem Stimmstock gelöst ist, kann ich nur vermuten: vielleicht durch die Montageöffnung des Preamps? Oder es ist gar keiner drin?
Die Zargen sind klassisch gebaut und orientieren sich am Standard „solide Fertigung einfacher Instrumente“. Außergewöhnlich aber der Harley Benton Schriftzug unterhalb des Halsansatzes. Die Schrift ist nicht eingestanzt sondern erhaben, so dass sie auch haptisch deutlich wahrnehmbar ist.
Die Befestigung üblicher Schulterstützen ist möglich, allerdings nur „halsnah“, wer seine Schulterstütze auf der akustischen Geige weiter zur Schulter trägt, wird hier nicht glücklich. Glücklicherweise gehöre ich aber zu jenen Geigern, die die Stütze eher nah am Hals befestigen, dennoch bin hier mit der Stütze am Limit. Was kein Grund zur Beschwerde ist, eher ein „passt genau!“ Der Hals ist gut angepasst und von mittlerer Breite. Der Saitenkasten ist unauffällig, wie auch die „Schnecke“, welche ohne jede Verzierung gehalten ist. Muss man nicht mögen, passt aber gut zum Design des Instruments.
Auch mitgeliefert: Hartschaumkoffer, Bogen und Kolophon, alles in einfachster Ausführung.
Verarbeitung
Es ist ein einfaches Instrument. Grundsätzlich ist das auch alles solide zusammengebaut, es findet sich allerdings ein deutlicher Lackfehler, fehlender Lack an der Schnecke und Bearbeitungsspuren an der Zarge im Umfeld der Klinkenbuchse.
Handling und akustischer Klang
Beim ersten Stimmen fällt auf, dass die Wirbel gut eingepasst sind, nicht unkontrolliert rutschen und hantieren mit Sandpapier und Wirbelseife unnötig machen. Das ist fein.
Die schmale Halbakustikerin fühlt sich leicht und elegant an und lässt sich leicht spielen, spricht auch schnell an. Die Saitenlage ist gut gelungen, an dieser Stelle hatte ich mich gedanklich auf einen „Rant“ vorbereitet, wurde aber eines Besseren belehrt.
Das erste Anspielen – akustisch – führte allerdings auch zu einem soliden Maß an Ernüchterung: hell kommt sie daher und harsch. Dabei ist es nicht der durchdringend helle Klang einer gut tragenden klassischen Geige, es geht eher in Richtung Flex. OK, die Saiten sind frisch, vermutlich von einfacher Machart und gänzlich gar nicht eingespielt. Wie auch die Geige dies nicht ist. Ich gebe ihr ein paar Stunden und schaue mal, ob ich sie zum Schwingen bringen kann.
Nach 2 Übungsstunden und einer Bandprobe von 2 Stunden trage ich jetzt Gehörschutz beim geigen. Zum Ende der Bandprobe wurde mir nahegelegt, wieder mit einer der sonst üblichen Geigen anzutreten. Im Sinne aller Beteiligten. Ich wehre mich nicht dagegen. Was hat das Durchhalten verändert? Wenig. Diese Geige klingt nicht gut.
Pickup und elektrischer Klang
Zuallererst: die Buchse für das Kabel ist auf der „rechten“ Seite der Geige. Ich glaube, dies ist ein Alleinstellungsmerkmal. Und wird es auch bleiben, denn diese Platzierung ist nicht vorteilhaft: das Kabel baumelt vor dem Körper herum, Konflikte mit der Bogenhand nicht ausgeschlossen. Und gut sieht das fürs Publikum auch nicht aus.
Der verbaute Shadow Pickup mit aktiver Elektronik hat einen guten Ruf. Gut auf jeden Fall: es braucht keinen zusätzlichen Preamp, man kann direkt mit der Geige in den Amp gehen. Weniger gut dabei: die Klangregelung des Preamps ist eher rudimentär ausgelegt und da man als Geiger unabhängig vom elektrischen Klang noch die harsche Akustik der Geige am Ohr hat, mischt man sich schnell „dumpf“ ab. Unabhängig von dieser Problematik: der Pickup liefert ein taugliches Signal, Impedanz ist angepasst, dennoch kommt da elektrisch nicht viel Saft rüber, für eine Effektkette würde ich einen zusätzlichen Preamp vor die Effekte hängen. Wie auch ein wenig mehr Klangregelung, was aber Geschmacksache ist.
Gibt es Hoffnung für diesen Versuch?
Um am Klang etwas zu ändern wäre es sinnvoll, mit dem Stimmstock zu starten. Sofern da einer drin ist. Und wie kommt man an den heran? Vermutlich kein Weg. Oder die Saiten wechseln. Das würde aber nichts daran ändern, dass dem Korpus das Volumen für die tiefen Töne fehlt. Und selbst wenn ich da geeignetere Saiten fände – sie würden das Problem vermutlich nur reduzieren, nicht lösen.
Würde der Herr Thomann mich fragen, was er an dem Instrument ändern sollte, damit er es mir verkaufen könne, so täte ich ihm sagen: vergiss das mit der Halbakustik. Öffne den Boden der Geige, entkopple die Decke, aber erhalte optisch die Form. Vielleicht noch etwas flacher. Gib dem Preamp eine parametrische Regelung der Hochmitten (1,5-4kHz) verlege die Anschlussbuchse nach unten. Und biete die Geige als Creative Bundle an, so dass man sich Koffer, Bogen und Zubehör aussuchen kann.
Fazit:
Wofür ist diese Geige gut? Erhofft hatte ich mir eine leisere, wohlklingende Geige. Die HBV880SA ist nicht viel leiser als eine akustische Geige klassischer Form. Dafür fehlt ihr jegliche Wärme, keinerlei dunkle Färbung ist im Klang erkennbar. Diskant dominant.
Als E-Geige macht sie etwas mehr Spaß, aber sie ist halt anders am Ohr als aus dem Lautsprecher. Aber ich finde sie sieht echt toll aus. Ich finde es gut, wenn im Geigenbau auch mal neue Wege gegangen werden. Auch gut, dass manche Läden für 30 Tage Rückgaberecht einräumen.
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