In meiner laienhaften Begeisterung für Technik könnt ich anfügen, daß es vielleicht drei Dinge sind, die "den" Neve Sound ausmachen.
A) der Eingangstrafo (da gab es im lauf der Zeit mehrere Modelle) federt wie jeder Trafo schon mal Lautstärkespitzen etwas weg, das ist ein kleiner Schritt näher am mix-fertigen Signal. Trafo-lose super-cleane Preamps sind oft für Mikrofonierung geeignet, wo das Mikro ne Ecke weg steht. Neve spezifisch macht der kleine Trafo Obertöne im Bass dazu (kommt ein dicker Grundton mit 40Hz, dann macht der Oberton 80Hz so ein bißchen dazu usw.) das klingt dann "fetter" und braucht dabei (im Gegensatz zu "dreh mal Bass rein, Digggaah!") kaum Pegelreserven auf. Erwart dir da nicht zuviel, das ist nicht so auffällig. Und auch nur wo's ein wenig lauter wird.
B) das Signal im Preamp wird nicht in eine Plus- und Minushälfte geteilt und verstärkt, sondern als "ganzes" durch einen altmodischen Transistor gejagt (ich vereinfache, okay?) und der frißt auch noch so gegen oberem Ende der Lautstärke ein wenig an der Pegelspitze, tut so als ob er Compressor wäre, macht ein paar Obertöne. Dabei ist im Gegensatz zu IC-basierten Preamps ein musikalisch reagierende Kurve von "läßt das Signal in Ruhe" bis zu "haut mitm Hammer drauf und zerrt" im Gerät eingebaut...während der IC schlicht eine Betongwand bietet, an die das Signal ohne Vorwarnung knallt. IC: kurz vor Zerre ist noch tückisch alles okeh - dann ohne Warnung Durchfallsound / Neve Transistor: ist clean...macht Obertöne...macht meeehr Obertöne...noch ein bißerl... klingt langsam knarzig ...zerrt sympathisch vor sich hin...harmonische Obertonreihe (steht also in musikalischer Beziehung zum Signal. IC-Preamps zerren eher unmusikalisch, "kchzzzzkrchblbrb!" Dieser "Airbag" für Spitzen, der IC-Preamps fehlt, ist in Transistor (oder diskrete Op-Amps, siehe API) Geräten schon vorhanden und in Röhrenpreamps am weitesten und musikalischsten ausgeprägt. Ne Menge Röhrenpreamps klingen dann aber für manche Zwecke zuu weich, Transistor knallt schön (Snare, Kick, Blockflöte), IC geht immer auf Nummer sicher, quasi der Streber.
C) hinten am Neve hängt nochmal so ein Trafo wo das Signal rausgeht, der ist schon dicker, sowas kostet Geld. Macht das selbe wie bereits erwähnt was Trafos halt so tun und so nen kleinen Weichzeichner, ist ganz knuddelig, man sieht die Pickel auf der Nase nicht auf 100 Meter.
Die ganzen Eigenschaften waren früher voll Panne, man hat so theoretisch von superclean geträumt aber konnte das nicht bauen, ging halt mit viel Aufwand so nahe ran wie machbar. Die hätten sich in die Hosen geschissen wenn sie nen supercleanen Preamp gehabt hätten, Hallelujah! Vor Freude wein. Und dann kommt die Bandmaschine und macht wieder den ganzen cleanen Sound kaputt. Heul! Kotz! Immerhin sehen wir heute, daß diese "Ich-wollt-echt-nen-voll-cleanen-Sound-machen-Mutti!" Preamps gutmütige Eigenschaften haben, die im Zeitalter von digital nützlich sein können damit nicht jedes Signal wie roher Teig klingt.
Preampvergleiche werden gern so angestellt, daß die Situation keine großen Anforderungen stellt, damit auch Rotzepreamps gut aussehen. Laß es mich so vergleichen: du kannst mit dem Fahrrad oder mit dem Schaufelradbagger zum Brezenholen fahren. Aber mit dem Fahrrad baggern oder mit der großen Kiste elegant durch die Fußgängerzone.. das gibt eher ne lustige Pressemeldung oder ein paar Punkte in Flensburg. Situation easy: kannste an Preamp nehmen, wasste willst. Komische Impedanzen vor oder hinter Preamp (1176...), ganz leise Signale, Signale mit irrsinnigen Pegelsprüngen und Frequenzen von supi-tief bis Fledermaus erschrecken... da brauchst du langsam nen spezielleren Preamp.
Man kann den ganzen Tag mit okayen Preamps aufnehmen und das paßt dann schon, muß man halt so ein bißchen aufpassen, mitdenken, evtl. Gain mittendrin nachregelen (immer ein guter Tip). Man kann den selben Job auch mit $$$$-Preamps machen, ist auch kein Problem. Sobald du willst, daß der Preamp dir beim Job aktiv hilft, etwas "schöner" macht oder dich näher an ein pflegeleichtes Signal im Mix bringt, rutscht du näher an teurere Preamps.
Wobei im richtigen Leben nicht der Preamp das Thema ist, sondern daß (hier Arschloch-Name einsetzen) trotz bitten flehen und weinen zu laut auf die Hihat trümmert, oder (hier wieder Tiernamen einsetzen) seine Gitarre nicht oft genug stimmt, in kurz: das Signal in der Luft vorm Mikrofon noch nicht aus purem Gold besteht. Der Preamp wird dir, außer bei Spezialaufgaben, nicht den Arsch retten, sondern höchstens so ein bißchen das Makeup auffrischen, eine kleine rote Kirsche aufs Signal geben. Ich hab trotzdem einen Haufen guter Preamps, weil ich dann weiß daß das Ende der Kette so oder so okay gehen wird und ich mich auf andere Sachen konzentrieren kann. Ist schon Luxus für 1% am Signal nen Haufen Kohle rauszulatzen. Macht die Arbeit aber auch nicht automatisch zum Meisterstück. Wenn du überlegen mußt, warum die Sache nicht vollsuper klingt, dann kannst du die allermeiste Zeit sicher sein, daß der Preamp (außer bei Fehlbedienung) nicht das Problem war.
Mensch ich wieder mit voll viel Text. Du willst Klarheit? Teil ausleihen und selber ein paar Tage damit rumprobieren. Hülft nix, Sound erklären ist immer Banane.