Hallo
@Ralphgue :
Danke für Deine positive Erwähnung meiner Songs im Zusammenhang mit Deinem Beitrag
Dein Engagement, konstruktive und differenzierte Feedbacks zu MB-Hörproben zu geben, finde ich beispielhaft und sehr lobenswert!
Zu Deiner eingangs erwähnten These ...
These:
Der "Sound" aktueller Homestudio Produktionen ist unglaublich beliebig, austauschbar, langweilig und immer gleich.
(ich rede vom Klang, nicht dem musikalischen Inhalt).
... ist es mir ein Bedürfnis in diesem Thread auch noch meine Sicht zum Thema ""Sound" aktueller Homestudio Produktionen" einzubringen.
1. "Heutige digitale Recording/Mixing/Mastering-Technologie" vs. "Die gute alte analoge Recording/Mixing/Mastering-Technologie"
Mit Blick auf die heute verfügbare Recording/Mixing/Mastering-Technlogie bin ich der Meinung, dass es noch nie bessere Zeiten für kreative (Hobby)-Songwriter und Home Recorder gegeben hat als dies heute der Fall ist: Für nahezu jeden (Hobby)-Musiker ist heute qualitativ hochwertige Technologie zu sehr erschwinglichen Preisen verfügbar. Mit ca. 1.000 EUR kommt man bzgl. der Recording/Mixing/Mastering-Software da schon sehr weit.
Diese (mitunter negativ betrachtete) Homerecording-Technologie (welche teilweise davon auch in professionellen Studios verwendet wird) ist in mehrfacher Hinsicht der Technologie aus den 70er-80er Jahren, sowohl klanglich als auch in punkto Anschaffungspreise überlegen. Die in dieser Zeit entstandenen Produktionen sind zudem auch nicht durch die Bank klanglich klasse produziert. Und ich bin z.B. davon überzeugt, dass ich mit meiner heutigen Home Recording-Technologie teilweise klanglich bessere Coversongaufnahmen erstelle als dies beim Original der Fall ist.
Wenn ich mich selbst in die Zeit zurück versetze und z.B. einmal den APHEX Aural Exciter heranziehe, so finde ich diesen u.a. auf meinem Grover Washington Jr. "Winelight"-Album erwähnt.
Das Gerät wurde ab Mitte der 70er Jahre (bis ca. Ende der 70er) für einen Minutenpreis für 30 USD (!) für das Mixing an professionelle Studios vermietet. Heute bekomme ich ein entsprechendes Software-Plugin für ziemlich genau diesen Minutenpreis. (Die Diskussion, dass diese Plugins ja teilweise auch nur 90% des Originalsounds hinbekommen schenlke ich mir dabei).
Ich erinnere mich an Anfang der 80er Jahre als ich mit einem Cassettenrecorder und mitgeliefertem Mikro eine Bassspur aufgenommen habe. Zu dieser Spur habe ich dann mit einer Gitarre ein paar Powerchords gespielt und so einen Song entwickelt. Was waren das für Welten im Vergleich zu heute !!!
Ich erwähne diese Vergleiche zu früher, um zu verdeutlichen, dass es aus meiner Sicht in den überwiegenden Fällen
nicht an der heutigen Technologie liegt, wenn manche Songaufnahmen "beliebig, austauschbar, langweilig und immer gleich klingen". Der Hauptgrund dafür sitzt ganz einfach:
- vor dem Gesangsmikrofon,
- an der Gitarre, am Keyboard, etc.
- vor dem DAW-PC beim Mixing/Mastering.
Dass heute vielfach (auch in professionellen Studios) immer weniger analoges Equipment (Mischpulte, Effekt-Racks, etc.) für das Recording/Mixing/Mastering von Songs verwendet wird, sondern vieles "in the Box" (also mit Software im PC) entsteht, ist aus meiner Sicht auch kein Hauptgrund für "Gleichförmigkeit, Leblosigkeit, etc." im Endergebnis. Bei Massenproduktionen ist das schlicht so gewollt, um dem Massengeschmack, der ausschließlich über Abspielraten maßgeblicher Spotify-Listen bestimmt wird, Rechnung zu tragen.
Des weiteren bin ich auch nicht von der maßgeblichen Bedeutung von Musik-Technologie an der Gesamtperformance eines Songs überzeugt.
Früher, wie heute ist es aus meiner Sicht zu ca. 80% der kreative Musiker, der Songwriter, der kreative und dafür ausgebildte Tontechniker (als Home Recorder, sehr häufig in einer Person), der einen Song als Endprodukt ausmacht. Selbt wenn es daher so wäre, dass die heutige Home Recording-Technlogie so dermaßen gleiche Sounds erzeugt, so stünden dieser immer noch ca. 80% musikalische Kreativität und Spielvermögen am Instrument gegenüber, die für ausreichend Differenzierung und Qualität sorgen sollten.
2. Home Recording - "Willkommen im schönen Wahnsinn"
Wie
@mjmueller aus meiner Sicht schon sehr treffend bemerkt hat: Home Recording ist das Jonglieren mit vielen Bällen, bei dem immer wieder welche herunter fallen:
Es geht hierbei ja nicht "nur" um das Erreichen eines ordentlichen Tiefganges bei einem Instrument, sondern um das Abdecken einer Vielzahl von musikalischen/technischen Fertigkeiten in einer großen Breite. Denn im Prinzip startet man ja den Versuch von der Instrumentenseite her, das Können einer kompletten Band zu ersetzen. Im Recording/Mixing/Mastering wird man dann einmal schnell zum hervorragenden Tontechniker. Bei der Videoerstellung (falls das auch noch dazu käme) setzt man sich den Art-Director Hut auf, um dann als Socialmedia-Manager seinen Song auf Hobbyniveau-Level zu "vermarkten".
Dass da JEDER Home Recorder davon nicht alles abdecken kann ist selbstredend. Die meisten von uns Home Recordern haben da 2-3 Standbeine (z.B. das Songwriting, Gitarre, Mixing/Mastering). Bei den anderen Themengebieten (z.B. Gesang, Keys, Drums, Bass) macht man mit seinen vorhandenen Möglichkeiten das Beste daraus bzw. es gelingt einem, einen ehemaligen Musikerkollegen (oder MB-User ???) für die Mitwirkung an einem Songprojekt zu motivieren.
Und je länger man das Home Recording betreibt und durch seine Lernkurve geht, umso mehr realisiert man, dass es immer neue Türen zu neuen Räumen gibt, die man sich zuvor nicht vorstellen konnte. Das alles erfordert: Zeit, Leidenschaft für Musik, Durchhaltevermögen und eine "Stehaufmännchen-Eigenschaft".
Home Recording ist aber auch eine schöne Reise mit sich selbst, entlang einer Songentstehung. Auch wenn mir das Endergebnis schon wichtig ist, möchte ich die vielen schönen Teilerlebnisse wie eine Drumspur, eine passende Keysspur, etc. entsteht über die ich mich des Abends daran freuen kann, wirklich nicht vermissen.
Ich habe vor diesem Hintergrund daher großen Resepkt, viel Verständnis und Symphatie für Musikerkollegen, die ernsthaft und ambitioniert Songwriting und Home Recording betreiben.
3. Erstellung authentischer Drumspuren
Das spezielle Thema wurde in diesem Thread ja schon mehrfach erwähnt. Auch hier bin ich der Meinung, dass die heutigen Drum-Plugins (wie z.B. Toontrack EZ Drummer 2 oder Superior Drummer 3) hervorragende Sound-Libraries haben, mit denen sich ganz prima songdienliche Drumtracks erstellen lassen. Diese Sound-Libraries sind ja auch nicht von hirnlosen Computern erstellt, sondern von clickfesten Profi-Drummern eingespielt worden. Diese Software-Tools sind in jedem Fall dazu geeigent professionelle Songs zu veröffentlichen (und nicht nur Demos).
Dass sehr gute (professionelle) Live-Drummer noch mehr Qualität, Kreativität in eine Songrhythmik hineinzaubern können, steht außer Frage.
Darüber hinaus ist der Einsatz von Drum-Plugins für die allermeisten Home Recorder, mangels Räumlichkeiten und/oder eigener Kenntnisse, schlicht alternativlos.
Wenn ich dann noch einmal in meiner Erinnerung krame, mit welchen Live-Drummern ich es zu tun hatte, dann waren da auch einige reale Exemplare dabei, die meinen heutigen Software Drum-Plugins in punkto Variabilät, Clickfestigkeit, Durchhaltevermögen beim Loopen definitiv NICHT das Wasser reichen können. Ein realer Drummer ist, offen gestanden, daher auch nicht immer die bessere Lösung.
Gerade bei den Drumspuren von Home Recording-Aufnahmen fällt mir ebenfalls auf, dass diese bei MB-Hörenproben gelegentlich die Schwachstelle darstellt.
Das liegt aus meiner Sicht aber nicht an den verwendeten Plugins, sondern an der mangelnden Erfahrung desjenigen, der diese Drumspur erstellt. Denn eine Drumspur klingt nur dann authentisch, wenn sie nicht nur wie ein Drum klingt, sondern wenn auch die einzelnen Drumparts so erstellt sind, wie sie ein Drummer spielen würde. Alleine für die Klangeinstellung bedarf es schon einer gewissen Zeit, die man dafür investieren muss, um das Tools und dessen klanglichen Möglichkeiten, kennen zu lernen.
Die weitaus größere Baustelle ist aus meiner Sicht jedoch die fehlende Erfahrung, wie ein Drummer die einzelnen Parts spielen würde. Diese kann man sich in Teilen auch dadurch aneigenen, in dem man viele Jahre in Bands mit Drummer gespielt hat. Das ist aber ein mehrjähriger Lernprozess.
Ich finde daher den nachfolgenden Hinweis von
@Ralphgue ...
Ich bleib mal bei den Drums, an den ich letztlich Kritikpunkte bei manchen Home Produktionen hatte.
Einmal die immer gleich klingenden (sowas wie "amtlich") Sounds/Sets, die ja auch z.T. vorbehandelt sind (Kompressor, EQ, FX etc.), wobei doch wohl auch bei den Platzhirschen andere Sets geben müsste (hat ja selbst Garageband).
Und einmal die entweder recht einfallslose Programmierung, da eben Skills fehlen, oder als Gegenteil, Fills und Übergänge, die ein echter Drummer nie so spielen würde oder es technisch nicht möglich ist.
Dann die oft fehlende Dynamik im Sinne von, der Drummer folgt dem Song durch nuancierte Lautstärke plus Einsatz adäquater Stilmittel wie HiHat langsam öffnen zur Steigerung, Ride Becken bei Refrain, Rideglocke zur Betonung z.B. bei Solobegleitung und vieles mehr.
... zutreffend.
Vielleicht wäre es ja auch eine gute Idee, wenn Du
@Ralphgue als Drummer so eine Rubrik im MB-Forum erstellst, wo Du und andere Drummer den MB-Songwritern Feedback zur Spielweise (und ggf. auch Klang) bei ihren Drumspuren geben würdest.
Wieder 'mal ein Monsterbeitrag geworden - sorry
Grüße aus Franken - wolbai