Ich kann halt leider keine Noten lesen, aber kann man das auch anhand der Vorzeichen erkennen?
Nein. C-Dur/A-Moll, G-Dur/E-Moll,.... sind jeweils sog. parallele Tonarten, die aus den selben Tönen bestehen - und damit auch die selben Vorzeichen haben.
Und ich fürchte, die schlechten Nachrichten gehen auch direkt weiter:
Wie in dem ersten verlinkten Beispiel zu sehen ist (
https://kapelle-josefmenzl.de/wp-content/uploads/2018/03/Pfatterer-Marsch-Partitur.pdf):
Die erste und zweite Stimme sind "in C". Gut, 4 bs vorgezeichnet bedeutet, das wir wohl im Tonraum von As-Dur bzw. F-Moll unterwegs.
Was man nämlich zusätzlich da noch wissen muss: Bei der Klarinette etwa ist die Stimme "in Es". Eine Klarinette ist ein sog. transponierendes Instrument, weil man sie aus baulichen/historischen Gründen so herstellt, dass sie - in diesem Fall - von sich aus, ohne das man ein Ventil drückt die Naturtonreihe aufbauend auf Es und nicht auf C (was Vorzeichenlos wäre) produziert. Oder anders: Eine Es-Klarinette hat sozusagen 3 bs im Vorhinein "mit inkludiert". Deswegen notiert man sie "in Es" - ich spare die "Notenleseerklärung", es ist so wesentlich logischer zum lesen, allerdings spielt sie wenn sie das C spielt, womit es in dem Beispiel anfängt in Wahrheit ein ("klingend") ein Eb.
Achtung übrigens, akute Verwirrungsgefahr droht da durch den Umstand, das "in C notiert" bedeutet, dass es Noten für ein C-Instrument sind, nicht zu verwechseln mit einem Stück, das "in C(dur)" steht, wo der Grundton C bzw. der Akkord C-Dur die sogenannte Tonika ist.
Also jedenfalls: Die Flöte in C hat wie schon erwähnt 4 bs vorgezeichnet
Die Klarinette in Es 1b, zusätzlich der 3, die das Instrument sowieso inkludiert hat- wieder 4.
Es wird kaum überraschen, dass die Klarinette in B mit 2 bs vorgezeichnet wieder auf 4 kommt - womit wir wie eingangs ausgeführt im Tonraum von As-Dur bzw. F-Moll unterwegs sind.
So, erster Takt (den Auftakt lassen wir mal aus):
Flöten spielen auf Zählzeit 1 ein
Eb, auf 2 wieder und geht auf 3 und 4 über F und Gb zum
Ab im 2. Takt, bzw. die andere chromatisch über D und Db zum
C.
Klarinette in Eb auch
2x Eb --> F --> Gb zum
Ab im 2. Takt
Auch bei den anderen Klarinetten klingt jeweils
2x Eb, eine macht auch wieder die Figur --> F --> Gb zum
Ab im 2. Takt, die andere folgt der chromatischen Spur D und Db zum
C.
Trompete in B auch ein Eb folgt auch dem --> F --> Gb zum
Ab
Flügelhorn steht nichts dabei, aber die sind idR. immer in B notiert (sonst passen auch die Vorzeichen nicht) -> wieder einmal
Eb -- >
Eb --> F --> Gb zum
Ab und einmal Eb Eb D Db
zum C
Bariton in C -->
Eb (Achtung, "eingeschobener" Bassschlüssel zwischen lauter Violinschlüsseln) folgt der Chromatik zum
C
Tenorhorn wieder dasselbe wie beim Flügelhorn, gibt's fast nur in B -->
Eb , dann auch wieder Eb F Gb zum
Ab
Posaunen setzen auf 1 aus, auf Zähler 2 folgt der Dreiklang Gb - B - Db, sowie auf 3 wieder
Die C-Posaunen doppeln diesen Dreiklang jeweils eine Oktave tiefer
Und schließlich die Tuba, beginnt mit
Eb, hier ist die einzig andere Figur, die läuft nämlich nicht chromatisch sondern "normal" Db, C, B nach unten und will auch wieder zum
Ab im 2. Takt
Das ist zum schreiben natürlich viel Aufwand (was idR. ja keiner macht, es reicht ja, dass nur zu denken), aber was man schnell sieht:
Eb ist offenbar ziemlich wichtig im ersten Takt.
Im Zweiten läuft alles entweder zum Ab oder dessen großer Terz C.
Die Tonart Ab-Dur hat die Tonika Ab-Dur (den Akkord), bestehend aus den Tönen Ab-C-Eb
Die sog. Dominante Eb-Dur (wieder den Akkord), bestehend aus Eb-G-B.
(vorweg, Takt 3 ist wieder Eb der Grundton, Takt 4 wieder Ab)
Die Verbindung Dominante-Tonika ist genau das, was eine Tonart etabliert, weswegen der Anfang in Ab-Dur steht. Aber Achtung: Der Anfang.
Wenn du weiter schaust, es ändern sich dann noch die Vorzeichen. Einmal auf 5 bs, und einmal auf 2 bs (was bei einem Instrument wie der Klarinette, die 3bs schon mit im Gepäck hat bedeutet, dass es ein Kreuz bekommt). Da ändert sich die Tonart jeweils -
und, bevor ich das ganze Stück so durchanalysiere; offenbar glaubst du, dass du ja eh nur die Tonart wissen musst um dazu spielen zu können. Das ist nicht so ganz falsch, aber auch nicht richtig. Spiel mal ein Db zu einem Ab-Dur Akkord. Es gibt ja nicht nur die Tonart, den "großen Gesamtzusammenhang über mehrere Takte", es gibt ja trotzdem innerhalb dieser Tonart jeweils lokale Harmonien - du wirst kein Stück finden, dass nur aus dem Akkord, der auf den Grundton aufbaut besteht. Und je nach dem, welche lokale Harmonie gerade innerhalb dieser Tonart erklingt passen jeweils andere Töne dieser Tonart "besser/schlechter" bzw. haben eine jeweils andere Wirkung.
Und das muss man in irgendeiner Form lernen, ob jetzt von der eher abstrakten Seite oder der mehr praxisorientierten Seite bzw. welcher Mischform auch immer sei mal dahingestellt, aber "Ich bestimme die Tonart, guck nach, welche Töne da drin sind und kann dann frei spielen" ist eine komplette Fehlannahme.
Das ist nicht nur beim frei spielen von Einzeltönen so, auch wenn du wissen willst, welche Akkorde passen- wenn man keine Noten lesen kann kann man schwer feststellen, was an welcher Stelle da gerade passiert.
Was aber gehen sollte: Man muss ja nicht wirklich "flüssig lesen können". Es reicht, für folgendes einfach auch mit lange hin und her zählen sich den Notennamen "herleiten" zu können (das geht ausm Stehgreif mit Wikipedia und Co).
Dann wie ich vorhin die fett markierten Noten (im 4/4 Takt ist das der Zähler auf 1 und ggf., so sich was tut meist auf 3) raus schreiben.
Wenn du dir das Prinzip der >>Stufenakkorde<< und der >>Terzschichtung<< anschaust (das ist nicht so böser Stoff^^) sowie die Grundlagen von >>Rhythmus<< solltest du damit genug Anhaltspunkte haben, um nicht komplett blind dazustehen.
Grüße