Das Video von Rick Wakeman ist interessant, denn er ist einer der besten Rock-Pianisten, der auch in diesem Piano Solo-Arrangement aus dem Vollen einer soliden klassischen Klavierausbildung schöpfen kann.
Die Läufe und Ornamenente kommen wie an der Schnur aus dem Lehrbuch gezogen.
youtube.com/watch?v=VebVIXSQFC0
Wie das ohne Repertoireerfahrung (Menuette, Sonatinen, Etüden...) und Klavierspieltechnik (Synkopen, Polyphonie...) von zwei bis eher drei Unterrichtsjahren hörenswert spielbar sein soll, weiß ich nicht.
Das Klavier lernt man am besten, wenn man eine lange bewährte Reihenfolge an Lernschritten einhält.
Bisher hat noch niemand überzeugend demonstriert, dass sich mit Apps oder sonstwas ein leichter und schneller Weg zum Klavierlernen aufgetan hat.
Wenn es dagegen selbst nach Jahren noch am Lesen objektiv einfacher Notendarstellungen hapert, dann ist
das die erste Baustelle, die unbedingt und mit allem Nachdruck behoben werden sollte.
Normalerweise lernt man das Notenlesen 1:1 mit dem manuellen Spielen. Wie Du sehen kannst führt es nur zu chronischen Problemen, Abkürzungen zu suchen und statt Grundlagen bis zum sicheren Spielen zu üben einfach nur "so schnell wie möglich zu den richtigen Stücken" zu wollen.
Am einfachsten wäre, mit Heumann wieder von vorne anzufangen und eine Nummer erst dann abzuhaken, wenn sie nicht nur gespielt, sondern auch flüssig vorgelesen werden kann (Notennamen und Notenwerte in allen Takten beider Systeme).
Man kann aber auch einfach nur Notenlesen üben (lesen und von Hand immer wieder aufschreiben, auch aus dem Kopf).
Für Spielen in die Richtung wie Rick Wakeman im Video ist der Weg m.E. vorgezeichnet:
1. Unbedingt flüssig Notenlesen lernen, wesentlich vom großen C bis dreigestrichenen g.
Es ist eine überflüssige wie kräftig sprudelnde Frustrationsquelle, sich damit schwer zu tun. Notenanalphabetismus behindert beim Klavierspielen lernen nach Noten jeden Fortschritt nachhaltig.
2. Klassisches Klavierspiel so gründlich üben, dass es nach gut gespielter Musik klingt. Das gilt auch für einfachste Stücke wie z.B. D.G. Türk, Hans ohne Sorgen (bei Feils "Frühling" genannt).
Nach Heumann Band 1 sind dann Band 2 und Band 3 der Russischen Klavierschule eine gute Wahl (Ausgabe mit CDs).
Damit lernt man den konservativen Teil des Repertoires der Unterstufe ganz gut kennen und wird auch Läufe und Ornamentik von Wakeman wiederfinden.
Abwechslung bietet nach Bewältigung von Heumann Band 1 z.B. Mike Schoenmehl, seine Little Stories in Jazz und die Piano Studies in Pop werden offenbar weltweit gerne in der Ausbildung gespielt (s. Youtube).
Das halte ich mal für das Minimalprogramm und es ist natürlich nur zu bewältigen, wenn es nicht schon am Notenlesen hapert.
Ansonsten bleibt nur das Spielen nach Gehör, aber ohne den Genius von Errol Garner klingt man dann halt bestenfalls wie ein übermüdeter Chilly Gonzales und ganz sicher niemals wie Rick Wakeman.
Vielleicht orientieren die sich auch an amerikanischen Recht
Seit ein paar Jahren kann man sich in Deutschland mit Urheberrechtsverletzungen durch illegale Notenkopien richtig strafbar machen, das wird auch ohne Haftstrafe teuer.
"Nichtwissen" ist dann keine gute Ausrede, zumal an jeder Ecke im Netz und auch im Board immer wieder darauf hingewiesen wird, sich dazu schlau zu machen.
Gruß Claus