Stratomano
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Review über die im Titel genannte Gitarre, Masterbuilt by Greg Fessler.
Bis dato hatte ich immer nur Stratocasters mit Rosewood-Fretboard und das waren so einige. In fast 40 Jahren nie eine mit Maple-Neck. Kam für mich irgendwie nicht in Betracht.
Nun war es aber mal echt Zeit für so etwas.
Nachdem ich das Buch von Gary Davies „Anniversary Strat, celebrating 40 Years of the Fender Commemorative Model Stratocaster“ (sämtliche Anniversary-Strats von 1979 bis 2019 werden besprochen) gelesen hatte, wuchs der Wunsch, mir so ein echtes „Old School Teil“ zu zulegen.
Und wenn schon Old School, dann aber richtig Old School!
Here we are:
Über den Fender Custom Shop habe ich ja schon mal geschrieben, das will ich mir nun ersparen.
Kommen wir zur Gitarre:
Einführende Worte:
Auch wenn Leo Fender in Interviews mal behauptete, er hätte schon 1943 (ein andermal 1948 und wieder ein andermal 1950) an dem Entwurf der Stratocaster gearbeitet, so hat er sicher erst 1953 damit begonnen. Aus Leos Sicht gab es in seinen Erinnerungen nur die „Fender-Gitarre“. Die Unterschiede der Esquire, Broadcaster und Telecaster waren ihm natürlich bewußt, spielten für ihn aber keine Rolle. Es war einfach die sich weiterentwickelnde Fender-Gitarre als Ganzes. So gesehen war die Zeitangabe mit 1943 korrekt („Radio-Shop-Gitarre“ von Kauffman und Fender).
Er entwickelte die Stratocaster als Fortführung/Ersatz für die Telecaster. Die Telecaster sollte seiner Meinung nach ein Auslaufmodell werden und er wollte es selber proklamieren bevor es andere taten. Der Entwurf der Gitarre kam von Leo und Freddie Tavares. Der Precision Bass diente als Vorlage. Praktischer Input kam von den Musikern Bill Carson und Rex Gallion. Der Name „Stratocaster“ kam von Don Randall (der weiter an der Telecaster festhielt). Erste Lieferungen der Gitarre an Händler waren für den 15.05.1954 avisiert, die Produktion der Gitarren startete ab April 1954.
Die erste große Serienproduktion begann erst im Oktober 1954 (Aufzeichnungen von Forrest White, damaliger Betriebsleiter).
1954: Preis mit Vibrato 249,50 USD (ohne Vibrato 229,50 USD). Leo Fender nannte das Vibrato immer Tremolo.
Erste Werbeanzeige für die Stratocaster 1954:
2003/2004:
2003 war klar, dass Fender ihr beliebtestes Modell, die Stratocaster, im folgenden Jahr gebührend feiern mussten. Nichts anderes wurde erwartet.
„Hey, die Stratocaster wird 50 Jahre alt (1954-2004)!“
In der Vergangenheit waren sämtliche Anniversary-Modelle keine exakten Repliken der Ursprungsgitarre, sondern eher im Sinne des „Gedenkens an“, sozusagen eine „Homage“.
Das erste Modell ist die 1979 erschienene 25th Anniversary. Die Gitarre war nicht sehr erfolgreich, obwohl bekannte Musiker wie Rory Gallagher (er besaß ein frühes Model, noch in Pearl White, Ser.-Nr.: 000004, welche er auf dem Album „Jinx" benutzte) oder Eric Clapton sie spielten, wenn auch nur kurz. Das lag sicher auch am Gewicht und an den Problemen mit dem Lack.
Weitere Modelle folgten u.a. 35th Ann. und 40th Ann.. Modelle mit einem zeitgemäßen Touch, die keine exakten Kopien der Ursprungs-Stratocaster sein wollten oder konnten. 1994 (40th Anniversary) hatte man nicht die Möglichkeiten, die man 2004 zur Verfügung hatte. Speziell die Knöpfe und Pickup-Cover wurden 1994 noch nicht exakt nachgebildet.
Die 50th Anniversary Custom Shop wollte es aber sein, eine exakte Replik einer frühen 1954er Stratocaster. Das gilt allerdings nur für das Custom Shop Masterbuilt Model.
Fender Marketing Manager Mike Tonn initiierte Mitte 2003 die Idee der 50th Anniversary als eine exakte Kopie einer 1954 Stratocaster. Allerdings dachte er mehr an die reguläre Fenderproduktion, nicht an den Custom Shop. Hier war Mike Eldred der Marketing Manager, der zunächst Zurückhaltung übte. Schließlich hatte man im Custom Shop schon 54er Reissues gebaut.
Aber wie im Film „Inception“: Ein Gedanke war gepflanzt, ganz tief, noch verhüllt.
Und als dann noch original Plastikteile zur Laboranalyse am Start waren, fiel Eldred schließlich um. Das hatte man auch im Custom Shop bis dato (2003) noch nie gemacht.
Das Problem mit alten Stratocastern ist allerdings, dass keine der anderen gleicht. Es gibt nicht „die“ Stratocaster von 1954. Viel wurde diskutiert, wie denn die alte Strat auszusehen hat, welche Teile sie hat und woraus sie bestehen. Welche Winkel wo sind und warum das so ist.....
Laut Greg Fessler wurden ca. fünfzehn 54er Strats analysiert und alle waren unterschiedlich.
Wie sieht sie also aus, „die 1954er Strat“? Viele Debatten über noch mehr Halbwahrheiten…..!!
Welche Strat sollte man als Vorlage nehmen?
Schließlich entschied man sich als Leitschiene für eine sehr frühe Strat vom April 1954 mit der Seriennummer 0100. Die Gitarre, die als „die erste Stratocaster“ in die Geschichte einging.
Halsdatum: Januar 1954, Korpusdatum: April 1954.
Sie wurde auch schon für die 40th Anniversary benutzt, aber nicht so detailliert untersucht (siehe unten).
Ein Musikgeschäft in El Monte, Kalifornien verkaufte sie im Juli 1954 an einen Musiker (kein Profi). In den 80er Jahren kaufte sie Richard Smith (u.a. Autor des Buches: Fender: The Sound Heard ’Round the World) vom Erstbesitzer ab. 2014 wurde sie für den stolzen Preis von 250.000,- USD in Kommission bei Gruhn Guitars verkauft (Youtube: https://youtu.be/JNbD5zkzFWA).
Sie ist sicherlich die teuerste 1954 Stratocaster, die niemals einem berühmten Musiker gehörte. Sie ist die älteste Fender Stratocaster mit einer Seriennummer. Auch die Stratocaster mit der Seriennummer 0001 (gehört David Gilmour) ist jüngeren Datums.
Die Leitung des Projekts „50th Anniversary Stratocaster Custom Shop“ hatte Chris Fleming. Er und George Blanda untersuchten die zugänglichen originalen 1954 Strats und entschieden, welche Specs verwendet werden sollten. Es wurden großenteils die alten Maschinen benutzt um die Gitarren zu bauen.
Nach Aussage von Chris Fleming war es nicht immer ganz einfach für ihn als relativ junges Mitglied den „alten Hasen“ im Custom Shop zu erklären, wie die Gitarre zu sein hatte. Die ersten 25-30 Gitarren wurden wohl von ihm gebaut und einige frühe Modelle hatten kein klassisches Two-Tone-Sunburst sondern eher ein Tobacco-Burst.
Die Gitarre sollte „Closet Classic“ sein (checking des Lacks, oxidierte Hardware, evt. verfärbte Plastikteile, kleinere Dellen), aber das Relic ist bei einigen Modellen auch etwas stärker ausgefallen. Die Masterbuilder verwirklichten im gesteckten Rahmen ihre eigenen Noten bei den Instrumenten. Aber kein Heavy Relic, lediglich „Closet Classic“ bis „heavy Closet Classic“. Es sei denn, ein Kunde wünschte das. Somit kann es auch Heavy Relics geben, die auf Kundenwunsch gebaut wurden.
Die Hälse können je nach Masterbuilder etwas unterschiedlich sein, bleiben aber beim U-Shape der ersten Strats. Der Lack kann sich leicht unterscheiden. Eben wie es auch 1954 war.
Alle Masterbilder bauten 50th Anniversarys. Das waren:
Specials:
Kunststoff-Teile
Pickguard, Kontroll-Knöpfe, Pickup-Cover, Tremolo-Abdeckung, Umschalter-Knopf und Tremolohebel-Griff, all diese Teile sollten dem Original inkl. Material entsprechen. Aber was für Kunststoff hatte man damals für die Stratocaster benutzt? Bakelit? So wird es immer beschrieben. Welche Schriftart für den Volume- und die Ton-Knöpfe?
Es sollte möglichst die gleiche Kunststoffmischung sein, die in den ersten Monaten 1954 benutzt worden war. Die gleiche Schriftart, die exakte Dicke des Materials. Nur wie? Es gab ja keine Dokumentation, wie das damals gemacht wurde.
Also suchte man nach originalen Plastikteilen, die man im Labor analysieren konnte.
Nur: Wer gibt schon gerne einen Knopf seiner 54er Strat ab oder läßt ein Stück Pickguard abbrechen, damit das im Labor untersucht werden kann?
Schließlich fand man jemanden, der einen gebrochenen Ton-Knopf, einen Volumen-Knopf und ein Stück Pickguard hatte. Das Material ging über Dan Smith und George Blanda ins Labor und das ganze Prozedere kostete Fender einige Tausend Dollars.
Bis dahin dachte man, dass die Kunststoffteile der ersten Strats aus Bakelit wären. Entwickelt vom belgischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland und 1907 zum Patent angemeldet. Bakelit war der erste vollsynthetische Kunststoff, der in größeren Mengen produziert werden konnte (Phenol und Formaldehyd), allerdings nicht recycelbar.
Ab Juli 1954 wurde tatsächlich Bakelit verwendet, welches sehr weißlich erscheint.
Aber nicht bei den ersten Strats!
Überraschend stellte sich heraus, dass der Kunststoff der frühen Strats aus einer Mischung aus Acrylnitril, Butadien und Styrol war (ABS). Dieser Kunststoff wurde ab 1946 von der US Rubber Company erzeugt.
Somit entschied sich Fender zur Verwendung von ABS für die Kunststoffparts der 50th Anniversary CS Masterbuilt.
Specs:
Korpus
Premium Esche (bis Ende 1956 das Standard-Holz), 2 Teile (off center side seam). Die meisten frühen Strat-Bodies bestehen aus 2 oder mehr Teile, Comfort Contoured.
Finish: Two-tone Sunburst (803) Nitrolack.
In den Pickup-Ausfräsungen findet man die Initialen des Masterbuilders
Oberer Gurtpin
Der obere Gurtpin sitzt bei den untersuchten Strats an verschiedenen Positionen. Ursächlich ist wohl, dass es damals keine eindeutige Vorschrift gab wie der Gitarrenbauer den Pin zu setzen hatte. So findet man auch bei den 50th Anniversarys aus dem Custom Shop den oberen Gurtpin an verschiedenen Stellen.
Closet Classic mit weather checking (cracking):
Hals:
One piece maple, U-Shape (leichtes V-Shape gab es erst ab 1955), Nitrolack, 7,25 inch Radius.
Black Dots mit korrektem Abstand, "small headstock" mit speziellem Winkel zum Sattel, den es nur bei den Strats der ersten 2 Monate gab. Spaghetti-Logo mit korrektem Decal. Einzelner, runder Saitenhalter am Headstock.
21 Vintage Bünde, Vintage Trussrod mit Nussbaum Verschluss (Skunk-Stripe). Echter Knochensattel, Sattelbreite: 42mm.
Korrekte Dicke des Headstocks. Griffbrett-Ränder und Headstock-Kanten deutlich abgerundet.
Rückseite des Headstock mit verantwortlichem Masterbuilder. Am Halsfuß findet man in der Regel die Initialen des Masterbuilders.
Knöpfe, Switch Tip
Die Knöpfe wurden erstmalig komplett mit richtiger Form (Miniskirt, Tall Boys) kopiert und mit der korrekten Schriftart wie bei den frühen Strats versehen. Der Switch-Tip hat die Form eines Rugbys, auch dieser wurde exakt kopiert. Ab September 1954 änderte sich die Form der Knöpfe in die, wie wir sie heute kennen. Zu diesem Zeitpunkt wurden die PU-Coverkanten eckiger und der Switch-Tip änderte ebenfalls seine Form.
Traditioneller 3-Wege Schalter (5-weg Schalter optional), Master-Volume, Tone-Regler für den Neck- und mittleren PU.
Die Potis sind nicht Vintage akkurat, da die alten Potis solide Schäfte hatten, was zu häufigen Brüchen der Knöpfe führt. Da der Kunststoff Vintage korrekt ist wurden für die Potis gespaltene Schäfte verwendet.
Pickups
Bill Turner (1995 zu Fender gekommen, Mitentwickler der Noiseless PU und der S1-Schaltung, Mitbegründer von EMG-Pickups, † 2011) untersuchte die alten 54er Pickups bis in kleinste Detail. Dabei entdeckte er, dass die AlNiCo 3-Magnete etwas dicker waren als die bisher verwendeten. Der Kupferdraht war härter als der später verwendete Draht und mit Formvar isoliert.
Die Cover der Pickups sind vintage korrekt deutlich abgerundet, was bei den bisherigen Reissues und Anniversary nicht umgesetzt wurde.
Die Pickups der Custom Shop-Gitarre wurden komplett neu entwickelt um möglichst akkurat die 54er PUs nachzubilden. Handgewickelt, laut Literatur von Abigail Ybarra.
Unter dem Pickguard findet man die Initialen des Masterbuilders mit Handschrift geschrieben.
Vintage korrekte Dicke des einlagigen, weißen Pickguard (0,70 inch anstatt 0,60 inch wie sonst bei Fender üblich) mit 8 Schraublöchern.
Tremolo-Abdeckung mit runden Löcher für die Saiten (später wurden die Löcher länglich), Seriennummer auf der Tremolo Abdeckung mit originalem Prägestempel gestempelt (Handgestempelt von Roger Centeno, seit 1964 bei Fender).
Metall
Vintage style Nickel/Chrome Hardware: Vibrato (landläufig Tremolo genannt) mit korrekter Aufschrift (Fender Pat. Pend.) auf den Saitenreitern, Ashtray Abdeckung, Fender/Gotoh Tuner, exakte Repliken der längeren Schrauben der Saitenreiter.
Jeder Masterbuilder hat leichte Variationen an diesen Gitarren verwirklicht. Die Gitarren sind somit nicht komplett identisch: Mehr oder weniger Relic, Lackfarbe, leichte Änderungen am U-Shape des Halses, Initialen-Signatur. Aber im Gesamtbild stimmen die Gitarren überein.
Gewicht: 3,3kg
Koffer
Der replizierte Originalkoffer der Custom Shop Stratocaster kam von einem Texaner namens John Andrews, der ein gut erhaltenes Exemplar und ein original Ledergut von 1954 besaß. Mit der Gitarre kommen 2 Koffer. Eben eine Replik des 1954er Pudel-Koffers mit 50th Anniversary Logo innen und ein Fender Standard Koffer.
Case Candy:
Replik des Original Leder-Gitarrengurtes, COA mit Masterbuilder Unterschrift, Dokumentation der 50th Anniversary in Form des Fender Frontline Kataloges 2004, sonstiges übliches Case Candy wie Imbusschlüssel, Putztuch, etc.
Bestellbar war die Gitarre vom 15.01. - 31.12.2004.
Preis in 2004: 5400,- USD
In Deutschland: 5990,- €
Seriennummern:
William „Bill“ Schultz (30. Juli 1926 – 21. September 2006), Fender Präsident von 1981 bis 2005, besaß in der Regel immer das erste Modell einer speziellen Serie. So natürlich auch die 50th Anniversary Custom Shop, Masterbuilt by Chris Fleming, Ser.-Nr. 4000.
Ritchie Fliegler, Musiker, Autor und Fender Marketing Senior Vice President 1998 - 2010, erhielt von Bill Schultz dieses erste Model als Anerkennung für seine Arbeit geschenkt.
Mark Kendrick baute die 2. Gitarre (Ser.-Nr. 4001), welche an Bill Carson (Musiker und Mitentwickler der Strat in den 50ern) ging.
Die Seriennummern beginnen alle entweder mit 4 oder mit 5, gefolgt von 3 weiteren Zahlen. Sie halten sich (bis auf die 4000 und 4001) an keine Reihenfolge, so dass keine Datierung anhand der Seriennummern möglich ist. Die Seriennummern sind so wie bei den ersten Strats auf die Tremoloabdeckung geprägt (Fender machte das bis ca. Ende Juni 1954, danach wurden die Seriennummern auf die Halsplatte gepresst). Die Auflagenzahl ist nicht bekannt, theoretisch gibt es maximal 2000 Exemplare. Das „limited Edition“ bezieht sich auf den Zeitraum, in dem die Gitarren gebaut wurden (nur in 2004).
Weitere 50th Anniversary Modelle, neben den CS-Masterbuilt Instrumenten:
In der Regel schreibe ich nichts zum Sound, weil subjektiv. Aber was ich im Vergleich zu meinen anderen beiden Strats (2010 CS Custom Deluxe, Esche Korpus, Maple Hals mit Rosewood Fretboard, sowie 1995 CS 1960 Stratocaster, Erlekorpus, Maplehals mit Rosewood Fretboard) sagen kann, dass sie trocken gespielt sehr voll und laut klingt. Am Amp im cleanen Modus ist sie sehr detailreich und trennt bei Akkorden die einzelnen Saiten sehr schön. Gute Bässe und schöne Höhen, sehr resonant.
Gewöhnungsbedürftig ist der Hals. Wenn man die modernen Fenderhälse gewöhnt ist, Medium Jumbofrets oder ähnliches, der merkt deutlich, dass bei dieser Gitarre ein anderes Kaliber vorliegt. Das U-Shape macht den Hals „chunky“ aber die deutlichen Abrundungen am Halsrand machen ein bequemes Spielgefühl möglich. Ich musste mich aber daran gewöhnen. Je länger ich sie spiele, desto mehr gefällt mir der Hals.
Das nächste Video mache ich mit dieser Gitarre. Das ist sinnvoller als tausend Worte.
Literatur beim Verfasser.
Vielen Dank für's lesen.
Bis dato hatte ich immer nur Stratocasters mit Rosewood-Fretboard und das waren so einige. In fast 40 Jahren nie eine mit Maple-Neck. Kam für mich irgendwie nicht in Betracht.
Nun war es aber mal echt Zeit für so etwas.
Nachdem ich das Buch von Gary Davies „Anniversary Strat, celebrating 40 Years of the Fender Commemorative Model Stratocaster“ (sämtliche Anniversary-Strats von 1979 bis 2019 werden besprochen) gelesen hatte, wuchs der Wunsch, mir so ein echtes „Old School Teil“ zu zulegen.
Und wenn schon Old School, dann aber richtig Old School!
Here we are:
Über den Fender Custom Shop habe ich ja schon mal geschrieben, das will ich mir nun ersparen.
Kommen wir zur Gitarre:
Einführende Worte:
Auch wenn Leo Fender in Interviews mal behauptete, er hätte schon 1943 (ein andermal 1948 und wieder ein andermal 1950) an dem Entwurf der Stratocaster gearbeitet, so hat er sicher erst 1953 damit begonnen. Aus Leos Sicht gab es in seinen Erinnerungen nur die „Fender-Gitarre“. Die Unterschiede der Esquire, Broadcaster und Telecaster waren ihm natürlich bewußt, spielten für ihn aber keine Rolle. Es war einfach die sich weiterentwickelnde Fender-Gitarre als Ganzes. So gesehen war die Zeitangabe mit 1943 korrekt („Radio-Shop-Gitarre“ von Kauffman und Fender).
Er entwickelte die Stratocaster als Fortführung/Ersatz für die Telecaster. Die Telecaster sollte seiner Meinung nach ein Auslaufmodell werden und er wollte es selber proklamieren bevor es andere taten. Der Entwurf der Gitarre kam von Leo und Freddie Tavares. Der Precision Bass diente als Vorlage. Praktischer Input kam von den Musikern Bill Carson und Rex Gallion. Der Name „Stratocaster“ kam von Don Randall (der weiter an der Telecaster festhielt). Erste Lieferungen der Gitarre an Händler waren für den 15.05.1954 avisiert, die Produktion der Gitarren startete ab April 1954.
Die erste große Serienproduktion begann erst im Oktober 1954 (Aufzeichnungen von Forrest White, damaliger Betriebsleiter).
1954: Preis mit Vibrato 249,50 USD (ohne Vibrato 229,50 USD). Leo Fender nannte das Vibrato immer Tremolo.
Erste Werbeanzeige für die Stratocaster 1954:
2003/2004:
2003 war klar, dass Fender ihr beliebtestes Modell, die Stratocaster, im folgenden Jahr gebührend feiern mussten. Nichts anderes wurde erwartet.
„Hey, die Stratocaster wird 50 Jahre alt (1954-2004)!“
In der Vergangenheit waren sämtliche Anniversary-Modelle keine exakten Repliken der Ursprungsgitarre, sondern eher im Sinne des „Gedenkens an“, sozusagen eine „Homage“.
Das erste Modell ist die 1979 erschienene 25th Anniversary. Die Gitarre war nicht sehr erfolgreich, obwohl bekannte Musiker wie Rory Gallagher (er besaß ein frühes Model, noch in Pearl White, Ser.-Nr.: 000004, welche er auf dem Album „Jinx" benutzte) oder Eric Clapton sie spielten, wenn auch nur kurz. Das lag sicher auch am Gewicht und an den Problemen mit dem Lack.
Weitere Modelle folgten u.a. 35th Ann. und 40th Ann.. Modelle mit einem zeitgemäßen Touch, die keine exakten Kopien der Ursprungs-Stratocaster sein wollten oder konnten. 1994 (40th Anniversary) hatte man nicht die Möglichkeiten, die man 2004 zur Verfügung hatte. Speziell die Knöpfe und Pickup-Cover wurden 1994 noch nicht exakt nachgebildet.
Die 50th Anniversary Custom Shop wollte es aber sein, eine exakte Replik einer frühen 1954er Stratocaster. Das gilt allerdings nur für das Custom Shop Masterbuilt Model.
Fender Marketing Manager Mike Tonn initiierte Mitte 2003 die Idee der 50th Anniversary als eine exakte Kopie einer 1954 Stratocaster. Allerdings dachte er mehr an die reguläre Fenderproduktion, nicht an den Custom Shop. Hier war Mike Eldred der Marketing Manager, der zunächst Zurückhaltung übte. Schließlich hatte man im Custom Shop schon 54er Reissues gebaut.
Aber wie im Film „Inception“: Ein Gedanke war gepflanzt, ganz tief, noch verhüllt.
Und als dann noch original Plastikteile zur Laboranalyse am Start waren, fiel Eldred schließlich um. Das hatte man auch im Custom Shop bis dato (2003) noch nie gemacht.
Das Problem mit alten Stratocastern ist allerdings, dass keine der anderen gleicht. Es gibt nicht „die“ Stratocaster von 1954. Viel wurde diskutiert, wie denn die alte Strat auszusehen hat, welche Teile sie hat und woraus sie bestehen. Welche Winkel wo sind und warum das so ist.....
Laut Greg Fessler wurden ca. fünfzehn 54er Strats analysiert und alle waren unterschiedlich.
Wie sieht sie also aus, „die 1954er Strat“? Viele Debatten über noch mehr Halbwahrheiten…..!!
Welche Strat sollte man als Vorlage nehmen?
Schließlich entschied man sich als Leitschiene für eine sehr frühe Strat vom April 1954 mit der Seriennummer 0100. Die Gitarre, die als „die erste Stratocaster“ in die Geschichte einging.
Halsdatum: Januar 1954, Korpusdatum: April 1954.
Sie wurde auch schon für die 40th Anniversary benutzt, aber nicht so detailliert untersucht (siehe unten).
Ein Musikgeschäft in El Monte, Kalifornien verkaufte sie im Juli 1954 an einen Musiker (kein Profi). In den 80er Jahren kaufte sie Richard Smith (u.a. Autor des Buches: Fender: The Sound Heard ’Round the World) vom Erstbesitzer ab. 2014 wurde sie für den stolzen Preis von 250.000,- USD in Kommission bei Gruhn Guitars verkauft (Youtube: https://youtu.be/JNbD5zkzFWA).
Sie ist sicherlich die teuerste 1954 Stratocaster, die niemals einem berühmten Musiker gehörte. Sie ist die älteste Fender Stratocaster mit einer Seriennummer. Auch die Stratocaster mit der Seriennummer 0001 (gehört David Gilmour) ist jüngeren Datums.
Die Leitung des Projekts „50th Anniversary Stratocaster Custom Shop“ hatte Chris Fleming. Er und George Blanda untersuchten die zugänglichen originalen 1954 Strats und entschieden, welche Specs verwendet werden sollten. Es wurden großenteils die alten Maschinen benutzt um die Gitarren zu bauen.
Nach Aussage von Chris Fleming war es nicht immer ganz einfach für ihn als relativ junges Mitglied den „alten Hasen“ im Custom Shop zu erklären, wie die Gitarre zu sein hatte. Die ersten 25-30 Gitarren wurden wohl von ihm gebaut und einige frühe Modelle hatten kein klassisches Two-Tone-Sunburst sondern eher ein Tobacco-Burst.
Die Gitarre sollte „Closet Classic“ sein (checking des Lacks, oxidierte Hardware, evt. verfärbte Plastikteile, kleinere Dellen), aber das Relic ist bei einigen Modellen auch etwas stärker ausgefallen. Die Masterbuilder verwirklichten im gesteckten Rahmen ihre eigenen Noten bei den Instrumenten. Aber kein Heavy Relic, lediglich „Closet Classic“ bis „heavy Closet Classic“. Es sei denn, ein Kunde wünschte das. Somit kann es auch Heavy Relics geben, die auf Kundenwunsch gebaut wurden.
Die Hälse können je nach Masterbuilder etwas unterschiedlich sein, bleiben aber beim U-Shape der ersten Strats. Der Lack kann sich leicht unterscheiden. Eben wie es auch 1954 war.
Alle Masterbilder bauten 50th Anniversarys. Das waren:
- Yuri Shishkov
- Dennis Galuszka
- John Cruz
- John English († 2007)
- Art Esparza
- Chris Fleming
- Todd Krause
- Greg Fessler
- Mark Kendrick
Specials:
Kunststoff-Teile
Pickguard, Kontroll-Knöpfe, Pickup-Cover, Tremolo-Abdeckung, Umschalter-Knopf und Tremolohebel-Griff, all diese Teile sollten dem Original inkl. Material entsprechen. Aber was für Kunststoff hatte man damals für die Stratocaster benutzt? Bakelit? So wird es immer beschrieben. Welche Schriftart für den Volume- und die Ton-Knöpfe?
Es sollte möglichst die gleiche Kunststoffmischung sein, die in den ersten Monaten 1954 benutzt worden war. Die gleiche Schriftart, die exakte Dicke des Materials. Nur wie? Es gab ja keine Dokumentation, wie das damals gemacht wurde.
Also suchte man nach originalen Plastikteilen, die man im Labor analysieren konnte.
Nur: Wer gibt schon gerne einen Knopf seiner 54er Strat ab oder läßt ein Stück Pickguard abbrechen, damit das im Labor untersucht werden kann?
Schließlich fand man jemanden, der einen gebrochenen Ton-Knopf, einen Volumen-Knopf und ein Stück Pickguard hatte. Das Material ging über Dan Smith und George Blanda ins Labor und das ganze Prozedere kostete Fender einige Tausend Dollars.
Bis dahin dachte man, dass die Kunststoffteile der ersten Strats aus Bakelit wären. Entwickelt vom belgischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland und 1907 zum Patent angemeldet. Bakelit war der erste vollsynthetische Kunststoff, der in größeren Mengen produziert werden konnte (Phenol und Formaldehyd), allerdings nicht recycelbar.
Ab Juli 1954 wurde tatsächlich Bakelit verwendet, welches sehr weißlich erscheint.
Aber nicht bei den ersten Strats!
Überraschend stellte sich heraus, dass der Kunststoff der frühen Strats aus einer Mischung aus Acrylnitril, Butadien und Styrol war (ABS). Dieser Kunststoff wurde ab 1946 von der US Rubber Company erzeugt.
Somit entschied sich Fender zur Verwendung von ABS für die Kunststoffparts der 50th Anniversary CS Masterbuilt.
Specs:
Korpus
Premium Esche (bis Ende 1956 das Standard-Holz), 2 Teile (off center side seam). Die meisten frühen Strat-Bodies bestehen aus 2 oder mehr Teile, Comfort Contoured.
Finish: Two-tone Sunburst (803) Nitrolack.
In den Pickup-Ausfräsungen findet man die Initialen des Masterbuilders
Oberer Gurtpin
Der obere Gurtpin sitzt bei den untersuchten Strats an verschiedenen Positionen. Ursächlich ist wohl, dass es damals keine eindeutige Vorschrift gab wie der Gitarrenbauer den Pin zu setzen hatte. So findet man auch bei den 50th Anniversarys aus dem Custom Shop den oberen Gurtpin an verschiedenen Stellen.
Closet Classic mit weather checking (cracking):
Hals:
One piece maple, U-Shape (leichtes V-Shape gab es erst ab 1955), Nitrolack, 7,25 inch Radius.
Black Dots mit korrektem Abstand, "small headstock" mit speziellem Winkel zum Sattel, den es nur bei den Strats der ersten 2 Monate gab. Spaghetti-Logo mit korrektem Decal. Einzelner, runder Saitenhalter am Headstock.
21 Vintage Bünde, Vintage Trussrod mit Nussbaum Verschluss (Skunk-Stripe). Echter Knochensattel, Sattelbreite: 42mm.
Korrekte Dicke des Headstocks. Griffbrett-Ränder und Headstock-Kanten deutlich abgerundet.
Rückseite des Headstock mit verantwortlichem Masterbuilder. Am Halsfuß findet man in der Regel die Initialen des Masterbuilders.
Knöpfe, Switch Tip
Die Knöpfe wurden erstmalig komplett mit richtiger Form (Miniskirt, Tall Boys) kopiert und mit der korrekten Schriftart wie bei den frühen Strats versehen. Der Switch-Tip hat die Form eines Rugbys, auch dieser wurde exakt kopiert. Ab September 1954 änderte sich die Form der Knöpfe in die, wie wir sie heute kennen. Zu diesem Zeitpunkt wurden die PU-Coverkanten eckiger und der Switch-Tip änderte ebenfalls seine Form.
Traditioneller 3-Wege Schalter (5-weg Schalter optional), Master-Volume, Tone-Regler für den Neck- und mittleren PU.
Die Potis sind nicht Vintage akkurat, da die alten Potis solide Schäfte hatten, was zu häufigen Brüchen der Knöpfe führt. Da der Kunststoff Vintage korrekt ist wurden für die Potis gespaltene Schäfte verwendet.
Pickups
Bill Turner (1995 zu Fender gekommen, Mitentwickler der Noiseless PU und der S1-Schaltung, Mitbegründer von EMG-Pickups, † 2011) untersuchte die alten 54er Pickups bis in kleinste Detail. Dabei entdeckte er, dass die AlNiCo 3-Magnete etwas dicker waren als die bisher verwendeten. Der Kupferdraht war härter als der später verwendete Draht und mit Formvar isoliert.
Die Cover der Pickups sind vintage korrekt deutlich abgerundet, was bei den bisherigen Reissues und Anniversary nicht umgesetzt wurde.
Die Pickups der Custom Shop-Gitarre wurden komplett neu entwickelt um möglichst akkurat die 54er PUs nachzubilden. Handgewickelt, laut Literatur von Abigail Ybarra.
Unter dem Pickguard findet man die Initialen des Masterbuilders mit Handschrift geschrieben.
Vintage korrekte Dicke des einlagigen, weißen Pickguard (0,70 inch anstatt 0,60 inch wie sonst bei Fender üblich) mit 8 Schraublöchern.
Tremolo-Abdeckung mit runden Löcher für die Saiten (später wurden die Löcher länglich), Seriennummer auf der Tremolo Abdeckung mit originalem Prägestempel gestempelt (Handgestempelt von Roger Centeno, seit 1964 bei Fender).
Metall
Vintage style Nickel/Chrome Hardware: Vibrato (landläufig Tremolo genannt) mit korrekter Aufschrift (Fender Pat. Pend.) auf den Saitenreitern, Ashtray Abdeckung, Fender/Gotoh Tuner, exakte Repliken der längeren Schrauben der Saitenreiter.
Jeder Masterbuilder hat leichte Variationen an diesen Gitarren verwirklicht. Die Gitarren sind somit nicht komplett identisch: Mehr oder weniger Relic, Lackfarbe, leichte Änderungen am U-Shape des Halses, Initialen-Signatur. Aber im Gesamtbild stimmen die Gitarren überein.
Gewicht: 3,3kg
Koffer
Der replizierte Originalkoffer der Custom Shop Stratocaster kam von einem Texaner namens John Andrews, der ein gut erhaltenes Exemplar und ein original Ledergut von 1954 besaß. Mit der Gitarre kommen 2 Koffer. Eben eine Replik des 1954er Pudel-Koffers mit 50th Anniversary Logo innen und ein Fender Standard Koffer.
Case Candy:
Replik des Original Leder-Gitarrengurtes, COA mit Masterbuilder Unterschrift, Dokumentation der 50th Anniversary in Form des Fender Frontline Kataloges 2004, sonstiges übliches Case Candy wie Imbusschlüssel, Putztuch, etc.
Bestellbar war die Gitarre vom 15.01. - 31.12.2004.
Preis in 2004: 5400,- USD
In Deutschland: 5990,- €
Seriennummern:
William „Bill“ Schultz (30. Juli 1926 – 21. September 2006), Fender Präsident von 1981 bis 2005, besaß in der Regel immer das erste Modell einer speziellen Serie. So natürlich auch die 50th Anniversary Custom Shop, Masterbuilt by Chris Fleming, Ser.-Nr. 4000.
Ritchie Fliegler, Musiker, Autor und Fender Marketing Senior Vice President 1998 - 2010, erhielt von Bill Schultz dieses erste Model als Anerkennung für seine Arbeit geschenkt.
Mark Kendrick baute die 2. Gitarre (Ser.-Nr. 4001), welche an Bill Carson (Musiker und Mitentwickler der Strat in den 50ern) ging.
Die Seriennummern beginnen alle entweder mit 4 oder mit 5, gefolgt von 3 weiteren Zahlen. Sie halten sich (bis auf die 4000 und 4001) an keine Reihenfolge, so dass keine Datierung anhand der Seriennummern möglich ist. Die Seriennummern sind so wie bei den ersten Strats auf die Tremoloabdeckung geprägt (Fender machte das bis ca. Ende Juni 1954, danach wurden die Seriennummern auf die Halsplatte gepresst). Die Auflagenzahl ist nicht bekannt, theoretisch gibt es maximal 2000 Exemplare. Das „limited Edition“ bezieht sich auf den Zeitraum, in dem die Gitarren gebaut wurden (nur in 2004).
Weitere 50th Anniversary Modelle, neben den CS-Masterbuilt Instrumenten:
- 50th Anniversary Custom Shop Team-built limited Edition Relic Gold stratocaster (56, 60 und 65 Model)
- Erlenkorpus, Aztec Gold Nitrolack, Relic
- 50th Anniversary 1954 stratocaster, painted by John Matos (CRASH)
- Factory Built:
- 50th Anniversary American series
- 50th Anniversary American deluxe
- 50th Anniversary Mexico-built
In der Regel schreibe ich nichts zum Sound, weil subjektiv. Aber was ich im Vergleich zu meinen anderen beiden Strats (2010 CS Custom Deluxe, Esche Korpus, Maple Hals mit Rosewood Fretboard, sowie 1995 CS 1960 Stratocaster, Erlekorpus, Maplehals mit Rosewood Fretboard) sagen kann, dass sie trocken gespielt sehr voll und laut klingt. Am Amp im cleanen Modus ist sie sehr detailreich und trennt bei Akkorden die einzelnen Saiten sehr schön. Gute Bässe und schöne Höhen, sehr resonant.
Gewöhnungsbedürftig ist der Hals. Wenn man die modernen Fenderhälse gewöhnt ist, Medium Jumbofrets oder ähnliches, der merkt deutlich, dass bei dieser Gitarre ein anderes Kaliber vorliegt. Das U-Shape macht den Hals „chunky“ aber die deutlichen Abrundungen am Halsrand machen ein bequemes Spielgefühl möglich. Ich musste mich aber daran gewöhnen. Je länger ich sie spiele, desto mehr gefällt mir der Hals.
Das nächste Video mache ich mit dieser Gitarre. Das ist sinnvoller als tausend Worte.
Literatur beim Verfasser.
Vielen Dank für's lesen.
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