Mein Setup habe ich mittlerweile noch mal geändert.
Da ich eine zwar schon ältere, aber sehr gute Full-HD Videokamera habe (Panasonic SD707), wollte ich lieber diese statt des ZoomQ2 nutzen und zusätzlich ein gutes externes Mikrofon. Das Q2 brachte zwar gute Ergebnisse und es reicht eigentlich definitiv für den Online-Unterricht aus, zumal er ja an unserer Musikschule nur als ein provisorisches und zeitlich auf die Ausfallzeit beschränktes Angebot gedacht ist. Aber da ich sowieso gerne ab und zu mit Technik experimentiere, und wenn sie schon vorhanden ist ... jedenfalls die Kamera, gute Mikros und (Klein-)Mischpulte sowieso.
Was fehlte, war eine Capture-Card, da man solche Videokameras nicht unmittelbar als Webcam am PC nutzen kann. Besorgt habe ich mir die "AverMedia LGP Lite GL310", und zwar aus drei Gründen:
1. weil ich nicht mehr als die Full-HD-Auflösung brauche (die LPG Lite bietet keine höheren Auflösungen),
2. weil sie unter Windows 7 läuft und keinen dezidierten USB3-Anschluss braucht, und
3. weil sie recht preiswert ist.
Die Bildqualität ist in der Tat sehr gut, wobei man allerdings keine zu hohe Bild-Datenrate für das Streaming einstellen sollte (in der Avermedia-Software "Stream Engine") um die Internet-Bandbreite von vorne herein nicht zu überfordern. An den Line-Eingang der "LGP Lite" kann man ein externes Mikro anschließen, respektive natürlich den Ausgang eines Mischpultes, an dem das Mikro angeschlossen ist (kleines Behringer reicht). Um wiederum den Audio-Eingang des "LPG" nicht zu übersteuern, habe ich in der "Stream-Engine" die Empfindlichkeit des Eingangs auf -5 eingestellt. Dann ist auch der Ton prima.
Die Panasonic-Kamera hat einen weiten Zoom-Bereich mit einem ordentlichen Weitwinkel und besonders praktisch daran ist, dass man über die mitgelieferte Funk--Fernbedienung den Zoom fernsteuern kann.
Den Monitor kann man ausklappen und nach vorne drehen, womit man ein besseres Monitoring für das eigene Bild hat als in den üblichen mini-Fenstern der Meeting-Plattformen (kann man diese zwar switchen und groß machen als Vollbild, aber dann ist die andere Seite nur noch mini).
"Zoom" (hier die Meeting-Plattform) kann den Stream der LPG direkt übernehmen, aber da wir Zoom nicht mehr nutzen, musste ich mir noch einen umfangreicheren Workaround ausdenken.
Dazu später mehr.
Da vom VdM (Verband der Musikschulen) ursprünglich eine Empfehlung für "Zoom" ausgesprochen wurde, auch weil es die kostenlose Basis-Variante gibt, sind wir an unserer Musikschule zunächst mit "Zoom" für unser provisorisches Online-Angebot gestartet. Schon bald sind wir aber auf die sehr bedenklichen Datenschutzprobleme bei "Zoom" gestoßen und ich habe dann recherchiert, welche kostenlosen und unbedenklichen Alternativen es gibt, die gleichzeitig einfach zu handhaben sind. Überzeugt hat mich dann "Jitsi-Meet", ein Open-Source-Projekt, das einfach in einem Browser-Fenster läuft ohne dass erst eine Software installiert werden muss (auf Smartphones und Tablets mit Android- oder iOS-Betriebssystem muss aber die Jitsi-Meet-App installiert werden). Eine Registrierung ist auch nicht nötig und zudem gibt es reichlich Server in Deutschland auf denen Jitsi-Instanzen laufen.
Wir haben dann mit dem ganzen Kollegium zu Jitsi gewechselt, es ist auch in der Handhabung sehr einfach.
"Jitsi" kann allerdings den Video-Stream des LPG-Interfaces nicht direkt ansprechen, auch nicht, wenn die "Stream-Engine" läuft, die normalerweise den Stream für den PC bereit stellt.
Der Workaround dazu ist die (kostenlose) "OBS"-Software und darin das PlugIn "Virtual Cam". Jetzt kann Jitsi das Bild der Panasonic sauber übernehmen.
Blöd war nur, dass OBS nicht ebenfalls den Ton des LPG-Line-In über "Virtual Cam" weiter gibt, denn das AverMedia-Interface und OBS zusammen produzieren eine zusätzliche Latenz. Wenn man in Jitsi nun den Ton von einer anderen Quelle abnimmt, sind Bild und Ton nicht mehr synchron, sondern heftig auseinander.
Ich wollte das Projekt mit der Panasonic als Webcam an dieser Stelle schon in die Tonne kloppen, da habe ich noch einen Versuch mit einem zweiten kleinen Behringer-Pult mit USB-Anschluss gemacht (502USB, für gelegentlichen Submixer-Bedarf habe ich mehrere kleine Pulte hier herum liegen, sind ja sehr billig). Jetzt geht der Ton aus OBS erst in dieses zweite Pult und Jitsi holt ihn sich von dort ab. Jetzt war endlich alles synchron ... uff!
Die zusätzliche Latenz stört im übrigen in der Praxis nicht, da weder mit der "Zoom"- noch mit der "Jitsi"-Plattform und auch der zunächst eingesetzten ZoomQ2 als Webcam die Latenzen durchgängig und konstant genug so niedrig waren, dass ein Zusammenspiel wie im Live-Unterricht auch nur annähernd möglich war. Da macht die halbe Sekunde mehr auch nichts mehr aus.
Möglicherweise hätte es dieser zugegebenermaßen ziemlich aufwändigen und umständlichen Workarounds bei teureren Capture-Cards von AverMedia oder Elgato nicht bedurft. Aber sie wären eben deutlich teurer gewesen und ich hätte sie nicht unter Windows 7 (mit dem ich nach wie vor arbeite) nutzen können, und ob die USB3-Anschlüsse meines schon älteren Lenovo-Notebooks zu diesen Interfaces voll kompatibel gewesen wären, wer weiß?
Unter dem Strich muss ich aber nach den bisherigen Erfahrungen mit den Online-Stunden das Fazit ziehen, dass sich dieser Aufwand nicht durchgängig lohnt.
Die Bild- und Tonqualität hängt ganz entscheidend von der Qualität und der Datenübertragungsrate der gesamten Strecke von meinem Notebook bis zum Endgerät auf der Schülerseite ab.
Wenn es da irgendwo schwächelt (oft wacklige WLAN-Netze auf der Schülerseite - ich habe extra ein LAN-Kabel von meinem Notebook im Musikzimmer zum Router gelegt!), dann bekommt das ganze schnell eher den Charme wie sie wohl die Pionier-Technik zu Zeiten von Philipp Reis und Alexander Graham Ball gehabt haben mag. Wobei solche Stunden weniger "charmant" als vielmehr eine echte Qual sind.
Es ist (leider) damit zu rechnen, dass der Schulbetrieb nach den Osterferien noch nicht unmittelbar wieder vollständig aufgenommen wird, wenn überhaupt. Deshalb gehe ich davon aus, noch voraussichtlich bis Ende April das provisorische Online-Angebot weiter durchzuführen.
Von meiner Seite habe ich alles machbare eingerichtet, um die technische Qualität auf ein möglichst gutes Niveau zu heben, aber ich freue mich schon sehr auf den Tag, wo ich wieder ganz normal unterrichte.