Ich weiß nicht recht, wie ich mein Gefühl und meinen Eindruck zu diesem Thread am besten beschreiben soll ... das Wort "surreal" trifft es wohl am besten.
Wieso "surreal"?
Es gibt so viele ernst und hilfreich gemeinte Posts hier von Leuten, die richtig Ahnung haben und gewiss zu den hilfreichsten hier im Forum gezählt werden dürfen. Ist das Ansinnen des TE aber ebenso ernsthaft und ernst gemeint? Mir kommen da immer mehr Zweifel, je mehr der Thread sich in die Länge zieht, und bis jetzt gut 100 Posts sind schon sehr viel, vor allem, wenn sich alles immer mehr im Kreis dreht.
Auch auf die Gefahr hin, meinen Status als "HfU" aberkannt zu bekommen, juckt es mich, hier den "Advocatus Diaboli" zu spielen.
Das Tonbeispiel aus dem ersten Post empfinde ich mehr als Joke, fast schon als "Fake". An einigen Stellen hört man eine bemerkenswert gute Stimmqualität heraus, obwohl dieses "Imagnie" in Gänze betrachtet natürlich ´für die Tonne´ ist.
Das ist auch schon eine Leistung, auf so eine "richtige" Art daneben zu singen. Die Aufnahmequalität ist u.a. durch die stümperhaften Nebengeräusche auch weitgehend unterirdisch. Stand da eventuell eine Absicht dahinter, also ein "Joke", eventuell eine arrangierte Provokation, ein Spiel?
Manche Äußerung des TE kommt mir schon sehr provokant vor. Auch das geradezu abstruse Insistieren auf einen an jeglicher Realität vorbei gehenden Begriff von "Talent" und "Perfektion".
Talent und Perfektion sind ja auch wirklich Begriffe, die man schön in einen diffusen Bedeutungsnebel einhüllen kann.
Echte Perfektion zu erreichen ist eine Gnade, die nur wenigen Menschen, hier Musikern, zuteil wird. Und um diese zu erreichen, mussten auch jene, denen man dieses Attribut zugesteht oder sogar die Bezeichnung "Genie", in aller Regel sehr viel Zeit und Arbeit investieren.
Von Vladimir Horowitz ist die folgende Anekdote überliefert: "Wenn ich einen Tag nicht übe, fällt es mir auf, wenn ich zwei Tage nicht übe, hört es meine Frau und wenn ich drei Tage nicht übe, hört es das Publikum". Arturo Benedetti Michelangeli hat die Courage, besser Konsequenz, besessen, auch ausverkaufte Konzerte in großen Häusern kurzfristig dann abzusagen, wenn er den Eindruck hatte, an dem Abend nicht "perfekt" spielen zu können. Seinen eigenen Flügel hatte es sowieso immer dabei.
Für alle "normal sterblichen" ist der Maßstab der Perfektion im Grunde uninteressant, zumal er eigentlich nur Stress macht. Gerade angehende professionelle Musiker werden aber mit diesem eigentlich praktisch unerfüllbarem Anspruch unermüdlich maltraitiert.
G.O. van de Klashorst, der Begründer der "Dispokinesis für Musiker" hatte in seinem Arbeits-/Behandlungszimmer eine Schrifttafel hängen mit dem Text: "Mache es gut - nicht sehr gut!" Wie weise, macht dieser Spruch doch eindrucksvoll klar, was das eigentliche menschliche Maß sein kann und nur sein dürfte.
Und Talent ist einer der typischen Begriffe, die man zwar intuitiv versteht, aber nicht ganz so leicht erklären kann, wenn man ihn näher definieren soll. Dabei gehört er auch in den Fundus umgangssprachlicher Allerweltsbegriffe, die in vielen, auch oberflächlichen Zusammenhängen benutzt werden, dabei auch gar nicht immer im positiven Sinne. Der eine hat das Talent, sich beliebt zu machen, der andere, sich unbeliebt zu machen. Wieder ein anderer hat das Talent, die Dinge leicht verständlich auf den Punkt zu bringen, ein anderer, auch den abgestandesten Quark elendig breit zu treten.
Ohne den Zusammenhang herzustellen "Talent wofür", "um welches Ziel zu erreichen", "wie schnell dieses Ziel zu erreichen" ist das Hinterfragen des Talents ziemlich müßig. Wenn jemand Geiger bei den Berliner Sinfonikern werden will ist es offensichtlich, dass er an der Geige hochtalentiert sein muss. Für die Mitwirkung im heimischen Pfarr-Spielkreis reicht ein deutlich bescheideneres Talent. Wer gar nur bei sich zu hause hinter der verschlossenen Tür für das eigene Vergnügen vor sich hinträllern möchte, kann das ohne Probleme auch völlig talentfrei machen. Who cares?
Nun ja, irgendwie werde ich nicht den Eindruck los, dass der TE mit seinem so gerne zur Schau gestellten analytischen "Talent" erst mal analysiert hat, womit und wie man hier im Forum etliche Engagierte über einen längeren Zeitraum beschäftigen und einen eher ziellosen Thread eine längere Weile einigermaßen am Laufen halten kann.
Gelungen ist das ja, schließlich konnte ich mich ja auch nicht zurück halten, hier zu posten.
Hier noch ein paar Repliken von mir:
Ich scheue die Arbeit nicht, viel mehr das Risiko etwas nicht gut zu machen, dass mich genaustens überlegen lässt, ob die Arbeit lohnenswert ist und Früchte tragen kann. Das führt letztendlich dazu, dass ich wirklich ALLES hinterfrage, auch wenn das wohl nicht besonders konstruktiv ist.
In der Tat ist das überhaupt nicht konstruktiv. Vor allem, wenn man keine Antworten findet oder zulässt. Irgendwann mündet das in einem ziellosen Stochern im Nebel. Zeitverschwendung pur. "Denken" ohne "Tun" ist in der Musik sinnlos, weil ohne Klang.
Wenn man von Perfektionismus im Zusammenhang negativer Auswirkungen auf Differenzialdiagnosen spricht, nennt man es dysfunktional. Es kann also tatsächlich seelische Krankheiten negativ beeinflussen.
Das einzige, was ich überhaupt nicht verstehen will, dass der Du (ServusTV) bei einer so emotionalen Sache wie Gesang, eine Aufwand/Ertrags-Analyse wie im Controlling durchführst und es oft eben auch "Arbeit" nennst...finde das ein wenig seltsam. Das macht doch (zumindest die überwiegende Zeit) Spaß?! Es wirkt dann halt nicht so, als würden bei Dir wirklich Emotionen und "Feeling" dabei eine Rolle spielen.
Das hat der TE später genau so bestätigt:
Ich bin einfach kein emotionaler Typ.
Wenn du es mit Emotionen nicht so hast, und die Musik für dich nicht der Ort ist, emotional sein zu können und zu dürfen, dann möchte ich ebenfalls dazu raten, dass du besser keine Musik machst. Musik ohne Emotionen, Töne ohne Ausdruck sind das überflüssigste, was ich mir denken kann.
Wobei ich auch hier nicht wirklich glaube, dass diese Einlassung (völlig) den Tatsachen entspricht.
Bohlens Worte: "Du kannst einfach nicht singen" sind ein klares Statement. Hier geht es eher um konstruktives Feedback und gegenseitige Rücksichtnahme. Ich persönlich bin jemand der Statements bevorzugt. Das Statement eurerseits lautet also: Du kannst singen lernen, denn das kann jeder, was wiederum heißt, dass ich entschieden habe diese These zu überprüfen und tatsächlich zu singen. Die Kritik an meinem Geplärre nehme ich natürlich dankend an.
Umgekehrt heißt das ich bin weiterhin offen für die Meinungen anderer. Das ist nicht skurril oder gar seltsam, das ist Offenheit - auch gegen den Konsens des Forums.
Wie du merkst, bin ich ganz offen. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen
.
Wenn du wirklich die Einstufung als "Geplärre"
dankend annimmst, dann würde ich regelrecht masochistische Züge bei dir vermuten. Dankend nimmt jeder wohl eher wohlwollende und positive Statements an, geradezu vernichtende Kritik doch meistens eher mindestens zerknirscht.
Ich finde John Lennon übrigens furchtbar. Das Lied höre ich mir einmal an und dann reicht das für die nächsten Wochen, ich hörte nur, dass es einfach zu singen wäre
Ein ´auf Links´ gedrehtes Statement. Warum solltest du den Wunsch haben, aus eigenem Antrieb ein Lied zu singen, das du "furchtbar" findest, auch wenn es möglicherweise noch so einfach ist? Und dann auch noch ausgerechnet diesen aus Unlust und Abneigung geborenen Erguss in einer stümperhaften Aufnahme hier der Kritik zu stellen? Jemand, der so analytisch und kalkuliert vorgeht wie du (bzw. sich hier so präsentiert)?
Ich glaube dir kein Wort.
Ich werde wohl dein absurdester Schüler
Durchschaubarer und wie ich finde, recht platter, allerdings auch milder Versuch einer Provokation. Why not.
Wenn du 30 Jahre alt bist, dann gehörst du wohl zu den Menschen, deren Pubertät sich zum Dauerbrenner entwickelt hat. Kann ja auch einen gewissen Spaß machen.
Ach ja, was dein Singen betrifft: Wie schon andere sagten, singe einfach und wenn du besser werden willst, nimm Unterricht.
Aber ernsthaft und gerne auch mit Leidenschaft, und komm hinter deiner Beton-Absperrung hervor. In der Musik kann man sich verlieren. Lohnt sich, weil man sich dann im besten Fall als anderer wiederfindet. Sozusagen aus dem Dunst heraus tritt ins Frische.