Sind Fehler wichtig für gutes Musizieren?

Wenn ich beim Kuchen backen Salz mit Zucker verwechsel, war das ein Fehler und das Resultat dementsprechend ;)
Mag sein, dass ein salziger Schokokuchen trotzdem jemandem schmeckt, aber vermutlich nur sehr wenigen.
Das heißt "was sind denn eigentlich Fehler?" Eine Note die überhaupt nicht passt? Klingt meist daneben, auch wenn es Manche "künstlerische Freiheit" nennen wollen, es klingt Kacke.
Dass "tot quantisierte Musik" meist auch leblos klingt, ist bekannt.
 
Ich möchte mal einen weiteren Aspekt aufgreifen:
Es ist relevant, ob dem Spieler Fehler überhaupt als solche bewusst sind.
Mal unabhängig davon, was unter „Fehler“ überhaupt zu verstehen ist. Ein Anfänger wird viel mehr Fehler machen, die er gar nicht als solche bemerkt und sein Spiel ganz ok finden subjektiv. Es ist ja gerade der Lernverlauf, der dazu führt, immer bewusster zu werden auf die eigentliche Musik. Ein nicht selbst wahrgenommener Fehler bringt dem Spieler ja nichts für seine Entwicklung und ist daher höchstens für den Zuhörer interessant, wenn es gut klingt. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben des Lehrers, angemessen solche Fehler = Entwicklungsmöglichkeiten bewusst zu machen und Lösungen anzubieten.
Insofern ist natürlich immer das Ziel, sich zu verbessern, indem Fehler aufgespürt und bearbeitet werden.

Doch was ist in diesem Sinn mit Fehler gemeint?
Ich formuliere es mal als mangelnde Kontrolle. Und die gilt es IMMER zu überwinden, egal was man lernt.
Und die gibt es auch auf jedem Niveau individuell. Selbst virtuose Spieler verlieren diese häufig in der Art, dass sie oft viel zu schnell spielen und es erst bemerken, wenn sie hinterher Aufnahmen von sich hören. Mit mehr Kontrolle würden solche und andere Fehler sicherlich vermieden und das Ergebnis wäre letztlich schöner.

Eine ganz andere Sache ist es aber, wenn ich ganz bewusst Fehler in Kauf nehme, diese wahrnehme und musikalisch vertreten kann, weil:
- sie marginal sind und von Hörern sowieso nicht wahrgenommen werden
- der Spieler ihn technisch nicht 100% bewältigen kann und bewusst in Kauf nimmt
- er gar kein Fehler im engeren Sinn ist, sondern im Interpretationsspielraum
- die Art des Stückes an sich sehr frei ist und es Fehler an sich nur dadurch ergeben, dass es langweilig klingt :)
- ...

Ich stimme zu, dass großes Können/ Perfektion nicht bedeutet, dass das Spiel leblos oder abgespult klingen muss. Das hängt eher vom musikalischen Charakter des Spielers ab, behaupte ich.
Ich kenne jedenfalls sehr gute Spieler, die sich außerhalb von Wettbewerben gar nichts aus Fehlern machen und äußerst lebendig bis hin zu spontan spielen können und man regelrecht merkt, dass hier gerade Kreativität und etwas Waghalsigkeit im Spiel ist.
Und das wiederum ist sehr schön :)

Zusammengefasst

Unvermögen- eher nein, dann einfacher bleiben im Rahmen der Möglichkeiten

Virtuosität- grundsätzlich ja

Perfektionismus- nein außer zum eigenen Üben

Fehler an sich- wenn es lebendig, authentisch und interessant klingt, sind es ja überhaupt keine :) und echte Fehler immer einberechnen, das entspannt sehr :)
 
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Fehler an sich- wenn es lebendig, authentisch und interessant klingt, sind es ja überhaupt keine :)
Sehe ich genau so. Viele Stücke spiel ich zuhaus oder auch im Proberaum quasi fehlerlos. Aber in der Hektik eines Auftritts - und eine gewisse Nervosität ist da immer dabei - passiert es schon mal, dass ich daneben greife oder ein Pedal vergesse einzuschalten und ähnliches. Dann klingt es halt anders als gewohnt, aber ich hab auch gelernt darüber hinwegzusehen und es locker zu nehmen. Es passiert eigentlich selten, dass ein solcher Fehler mich aus dem Konzept bringt. Denn eines ist mir mit der Zeit klar geworden: The show must go on und je besser man es überspielt, desto weniger fällt es irgendwem auf. Ich erinner mich hingegen oft Jahrzehnte später noch daran. :D

Und ja, solche Fehler können auch was kreatives haben. Da hab ich ein Stück jahrelang immer gleich gespielt und in meinen Augen perfektioniert. Und dann passiert er, der böse Fehler. Und es stellt sich heraus, dass das gut ist. Und schon hab ich vielleicht was gutes noch besser gemacht. Ist ja auch nicht schlecht.
 
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Fählär !!! ??? Es gibt keine Fehler, es gibt nur lustige Missgeschicke !

Ist ja schon vieles geschrieben worden - jetzt noch diese Aspekte:

'Es gibt keine Fehler, es gibt nur lustige Missgeschicke !'
Bob Ross hat das häufig gesagt - genialer Maler von Landschaften. Die Motove sind zwar wenig nach unserem Geschmack, aber die Art und Weise der Entstehung ist großartig.

'Es gibt keine Fehler, es gibt nur lustige Missgeschicke !' Gilt auch für's Leben, da gibt es allerdings auch bedauerliche, gelegentlich auch tragische Missgeschicke.

Beim Musizieren konnte unsereins feststellen, dass das gelegentliche "daneben greifen" überwiegend hilfreich war, Hoppla, das hört sich gut, meist besser an als das Original. Also gschwind eingebaut und einer Musiker-Freundin (studierte Cellistin) vorgespielt. "Ja, das hört sich besser an - man nennt das Vorhalt", Aha.
Früher- unter dem strengen Regiment des Orchesterdirigenten- waren das auszumerzende Fehler. (Deswegen zählt sich unsereins ja auch zu den „Survivors of accordeon orchestra conductors“.)
Heute entstehen Verzierungen, Varriationen, Neues, Anderes aus den vermeintlichen 'Fehl'griffen - da ist unentwegt aufregend Neues zu entdecken, wie die Erkundung eines unbekannten neuen und wunderbaren Landes.

Beim Kinder- und Clowntheater, wo ich zum Akkordeonspielen 'verdonnert' wurde, war unsereins anfangs immer tierisch nervös, da haben mir buchstäblich die Finger gezittert - auch ein Erbe der Akkordeon-Orchester Anfangszeit - "VORSPIELEN !!!"
Wir haben das dann eingebaut - die Mitspielerin hat auf einem imaginären Block eine Strichliste geführt und jedes Mal freudig "Fählär !!!" gekräht. Die ersten 3-5 Aufführungen war das auch notwendig. Danach musste unsereins absichtlich daneben spielen. Die Kinder hatten eine unbändige Freude dabei. Eine schöne Erinnerung: Nach ner 3/4 Std. hielt's ein vermutlich 4 jähriger (er konnte nämlich offensichtlich schon bis 4 zählen) nicht mehr aus: "Du hasch scho 4 Fählär gmacht !" Musste die Fassung wahren, um weiter spielen zu können und nicht selbst laut rauszulachen. Diese Erinnerung zaubert uns noch heute ein Lächeln ins Gesicht.
Kaspar spielt.jpg
Frau Holle.jpg

Kaschperl spielt Akkordeon auf der alten Verdi I M______________________________________________________Frau Holle und die fleißige Glücks-Marie

Shoshon wa wasureru bekarasu ! (jap. Sprichwort ursprünglich aus dem NO-Theater 14.Jhd.) Du darfst nie den Anfangsgeist, das Anfängerherz verlieren. Diese Begeisterung, die Aufmerksamkeit, der Enthusiamus, das Aufregende des Anfangs, wie das frisch Verliebt-sein, auf rosa Wölkchen schweben. So im Theater, beim Tanzen und beim Musizieren. Mit guter Technik kann man Erwachsene täuschen, Kinder nicht. Die sehen auf's Herz und die Lebendigkeit im Spiel. Ein Sprichwort auch gut für ein bisschen Demut und Bescheidenheit, sich daran zu erinnern, wie es war Anfänger gewesen zu sein und nicht auf die "weniger Bemittelten" herab zu schauen. Derartige Arroganz hab' ich häufig beim sog. Tango Argentino erlebt.

Neuerdings durfte unsereins gerade lernen, das "Vorspielen-Trauma" zu bewältigen, immer verkrampft und stereotyp, um ja keine "Fehler" zu machen. "Warum spielt unsereins nicht frei, lebendig, und improvisiert, so, das die Musik die Seele streichelt und das Herz erfreut, wie es beim hier allein spielen für die Hundini der Fall ist ? (kommt, legt sich vor uns hin hört tatsächlich zu)" Hmmm, gesagt, gewagt, getan - Mini-Konzert für die Nachbarn im Garten - und sollte mal ein Griff daneben gehen und es sich ausnahmsweise schräg anhören, dann noch mal drauf und nochmal - ah das tut gut -und weiter immer weiter, weder aufhören, noch die Stelle wiederholen. Das war wirklich sehr, sehr befreiend.

Unser Fazit: Missgeschicke sind lehrreich, bringen weiter. "Also Mut zur Lücke"
VG
 
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Wir hatten mal bei einem Gig ein paar Kritiker unter den Gästen, die meinten, es würde ja sowieso alles vom Band kommen, und wir würden ja nur so tun, als ob wir spielen. Hab dann einfach mal bewusst daneben gegriffen, als er an mir vorbeitanzte, und siehe da, in der nächsten Tanzpause kam er mit ner Rutsche Bier, und war ganz begeistert, dass es noch Bands gibt, die Live spielen.
Ja, es gibt in dem Metier ne Menge 'grau', wofür ich auch wenig Verständnis habe. Wenn ein Alleinunterhalter oder ein Duo Playbacks einsetzt, dann ist das so, weil's nicht anders geht. Aber es gibt auch 6-Mann-Bands, bei denen alles vom Band kommt.
Aber mal von dem Midifile/Playback-quatsch ab, es kommen bei uns auch mal ein paar böse Fehler vor, z.B. dass die Sängerin in einer völlig falschen Tonart anfängt, oder ein Einsatz komplett daneben geht. Das kann passieren, und dann ist es wichtig, dass man damit professionell umgeht. Ganz schlimm finde ich, wenn dann mit dem Finger auf den Verursacher gezeigt wird, oder einer der Musiker auf der Bühne ganz offensichtlich mit den Augen rollt.
 
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ich hab mal mit einem Kontrabassisten gespielt, der hat auch gesungen - beides für sich ging super, meistens gings auch zusammen sehr gut.
Ab und an hatte er aber die Marotte am Ende vom Gesang am Baß aufs Timing zu verzichten, auch mal bis zu einem halben Takt zu verlieren/wegzubescheißen - da waren der Pianist und ich am Schlagzeug schon gefordert, das innerhalb vom nächten Takt wieder in der Kiste zu haben.
 
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