DerZauberer
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Review:
Recording King RPS-7 (Dirty 30's Series 7 Acoustic Guitar, Single 0 Parlor), Version RPS-7-Lefty-TS
Kaufentscheidungsprozess
Es ist ganz einfach: Erstens spiele ich mehr, wenn ich eine Gitarre im Wohnzimmer zur Hand habe. Zweitens habe ich eine 15 Monate alte Tochter, für alles im Wohnzimmer besteht also Unfallgefahr. Drittens sind Wandhalter im Wohnzimmer bei uns schon rein optisch indiskutabel. Es musste also eine Billig-Gitarre her, okay bespielbar aber eben auch egal wenn die Kleine im schlimmsten Fall einfach mal reinlatscht.
Erschwerte Bedingungen: Ich bin Linkshänder, spiele gerne kleine Korpus-Größen für Blues, spiele eigentlich nur mit den Fingern. Das macht die Auswahl schon mal klein, viele klassische China-Marken haben gerade für Leftys im Wesentlichen große Gitarren wie Dreadnought und Co im Programm.
So bin ich denn nach einiger Suche auf die Marke Recording King und deren Dirty 30s Serie gestoßen. Die passen eigentlich perfekt für mich, sind sie doch von der Optik und auch Form her an alte Blues- und Country-Gitarren angelehnt. Einen Überblick gibt’s hier: https://www.recordingking.com/products/guitars/small-body
Die Auswahl des konkreten Modells wurde mir wie so oft drastisch erleichtert: Das einzig verfügbare Lefty-Modell war die RPS-7, also fix beim Thomann für rund 150 EUR bestellt. Warum gab es keine Phase des Anspielens in physischen Shops? Nochmal – ich bin halt Lefty, Lefty-Gitarren stehen fast nirgends in der Ausstellung, und wenn sind es nur eine Handvoll Alibi-Teile und Vergleichstests sind damit auch nicht drin. Online-Bestellung ist deshalb seit Jahren der von mir beschrittene Weg.
Bekommen habe ich sie Anfang Juli 2018, jetzt ist Januar 2019, also kommt dieser Bericht nach einem halben Jahr und ist daher nicht nur ein Ersteindruck, sondern ein echter Erfahrungsbericht.
Technische Daten
Mein konkretes Modell ist die RPS-7-Lefty-TS, was im Klartext in Series 7, Lefty, Tobacco Sunburst bedeutet. Die Herstellerangaben findet ihr hier: https://www.recordingking.com/p/rps-7
Ein paar Kommentare zu aus meiner Sicht interessanten Details:
Qualitäts-Anmutung
In Summe war ich wirklich positiv überrascht. Der Satin-Lack ist ganz anständig gemacht (ist aber natürlich auch recht dick aufgetragen). Hier mal eine Rückansicht:
Die kleinen Details geben eine in Summe wertige Anmutung, die Gitarre war direkt aus dem Versandkarton wirklich gut bespielbar (und das mit einer wirklich brauchbaren Saitenlage).
Sogar die ab Werk installierten Saiten habe ich erstmal drauflassen können, die waren gut in Schuss und sogar Marken-Ware (habe aber nicht dokumentiert was es jetzt konkret war, ist mir entfallen). Mittlerweile auf .12er Elixir gewechselt, aber die ersten waren eine ganze Zeit lang drauf.
Also optischer Ersteindruck wirklich top!
Wenn man jetzt tiefer einsteigt, ist natürlich auch nicht alles Gold was glänzt. Hier mal eine recht ausführliche Dokumentation diverser kleiner Macken und Unschönheiten. Gleich vorab – diese liegen für mich alle absolut im Rahmen dessen, was ich für diesen Preis erwartet hätte, also aus meiner Sicht kein Grund zur Beschwerde oder Reklamation.
Kleber(?)-Rückstände auf den „Revebond“-Teilen: Griffbrett und die Leiste bei der Bridge sind ja aus diesem „Revebond“-Material, und an beiden Stellen sieht man sowas wie Kleber-Flecken. Sieht halt etwas fleckig aus, ist aber nicht klebrig oder so. Optik-Thema.
Dings und Dongs: An zwei Stellen im Top gibt’s eine kleine eingedrückte Stelle, so ein klassischer Streifen entlang der Holzfaser. Kann gut sein, dass die nach Bearbeitung noch im Holz war und dann wurde halt drüberlackiert, oder irgendwas ist reingedrückt worden – wie dem auch sei, so sieht’s aus:
Binding: Aus der Ferne Top, aus der Nähe nicht ganz so sauber:
Innen: Ist alles funktional und technisch soweit in Ordnung, aber man hat eben keinen Aufwand reingesteckt das irgendwie hübsch zu machen:
Funktion und Bespielbarkeit
Ich habe ja schon mehrfach gesagt, dass die Saitenlage wirklich gut war. Habe ich nicht nachgemessen, habe aber alles von der Einstellung her genau so belassen wie ab Werk geliefert. Ganz großes Kompliment hier! Kann sein, dass da noch etwas mehr geht, aber ich wüsste nicht wozu.
Beim ersten Saitenwechsel habe ich die (kompensierte) Bridge, die nur locker eingesteckt ist, mal rausgenommen und da kam mir drunter noch ein sehr dünner Shim (offenbar Plastik) entgegen – habe ich wieder so reingetan. Vorerst kein Grund hier optimieren zu wollen.
Natürlich: Es kann sein, dass hier noch Optimierungspotenzial besteht, was Saitenlage angeht. Habe mir die Kerben der Bone Nut noch nicht angeschaut, nichts vermessen, nicht mal die Halskrümmung habe ich mir angeschaut. Weil es erstens eben passt und es zweitens eben eine Gitarre zum einfach mal spielen ist.
Nochmals: Für den Preis ist das wirklich großes Kino.
Die Bünde sind eigentlich das einzige Thema, das mich ein bisschen gestört hat. Die Bünde waren nicht wirklich poliert, das hat man bei Bendings doch mit deutlichen Nebengeräuschen gemerkt. Habe aber nie mit dem Gedanken gespielt, das nachzupolieren – mit mehr Spiel schleift sich das gut genug ein.
Schwieriger wird’s bei den doch etwas herausstehenden Bund-Enden in den höheren Lagen. Die sind ein bisschen scharfkantig (so ab ca. dem 10. Bund oder so), vielleicht mache ich mich da mal dran des Komforts wegen. Wie Murphys Law so besagt, sind sie natürlich nur „unten“ nicht gut (also genau da, wo man mit der Greifhand hinkommt), „oben“ sind sie sauber gemacht. Ist nicht so schlimm dass ich mir die Hand aufschneide, aber es ist halt etwas hakelig und nicht so smooth.
Erst mit der Zeit habe ich entdeckt, dass es bei den beiden Hohen Saiten im ca. 13. Bund entweder nicht gut abgerichtete Bünde oder nicht gescheit sitzende Bünde gibt. Greift man hier am 11. Bund, ist der Ton tot (Beispiel folgt). Der „Wackeltest“ mit einem geraden Metallstück über jeweils drei Bünde zeigt hier eine kleine „Welle“ auf. Es geht vom 12. auf den 13. Bund und dann nochmals vom 13. auf den 14. Bund nach oben, von Bund 14 auf 15 dann wieder leicht nach unten. Hier muss ich entweder Hammer oder Feile ansetzen, habe ich bisher noch nicht gemacht.
Den Fehler habe ich erst sehr spät gefunden. Wie das immer so ist – ich habe natürlich alles mögliche probiert und gespielt und getestet, aber man fällt halt doch in seine vertrauten Lagen. Gefunden habe ich es erst kürzlich, als ich mal im Robert Johnson Original-Tuning mitspielen wollte und den Capo am 2. Bund angesetzt habe, dann rutscht die A7-Shape zu Beginn vom 8./9. Auf den 10./11. Bund und es knirscht.
Sowas ist natürlich nur schlecht auf einem Foto festzuhalten, hier trotzdem mal probiert:
Wenn man jetzt weiter kritisieren will, kann man noch die Tuner ins Feld führen. Sie funktionieren und halten die Stimmung (so weit so gut), sind aber im Vergleich zu meinen teureren Gitarren etwas schwieriger präzise beim Durchstimmen des Instruments. Man kommt schon hin, aber irgendwie ist die Übersetzung etwas seltsam/ungewohnt, dauert also minimal länger als bei anderen Gitarren in meinem Haushalt. Kleiner Punkt, aber wir wollen ja genau sein.
Sound und Soundbeispiele
Die Website gibt ja schon einen Hinweis: “The Series 7 Single 0 delivers great small-body tone thanks to our cross lap bracing, and bone nut and saddle. It's the go-to guitar for that classic woody, boxy vintage sound.”
Da ist neben dem Marketing-Blabla zu Wertigkeit und Vintage vor allem das Wort „boxy“ hervorzuheben. Die Gitarre klingt in der Tat schon etwas „kistig“, also ein bisschen bedeckt und nicht nach super frei schwingender offener Super-Gitarre. Aber hey, nochmal, das teil hat 150 EUR gekostet. Man muss aber auch sagen, dass eine Single O halt auch „in gut“ anders klingt als eine 000 oder Super Jumbo oder Dreadnought, und auch genau das mag man ja auch dran.
Für meine Zwecke, als Gitarre zum mal fix drauf Rumklimpern und meinen stümperhaften Fingerstyle Blues, finde ich den Sound durchaus angemessen.
Die folgenden Klangbeispiele sind allesamt über das Mikrophon meines iPhones aufgenommen. Vorteil ist, dass da nix geschönt ist, Nachteil ist, dass es halt nur ein iPhone-Mikro ist. Mein richtiges Recording-gear ist in Deutschland eingelagert, habe ich hier in UK derzeit halt nicht im Zugriff. Alle Dateien sind unbearbeitet, ich habe sie lediglich von Apples M4A-Format ins gängigere MP3 konvertiert. Alle Dateien sind ohne große Planung mehr oder weniger als „one Take“ eingespielt, wie ich halt so spiele (bzw. spielen kann). Alles nur mit Fingern gespielt, wie ich halt so spiele.
Beispiel 1: Akkorde
Ein paar Akkorde, um den Klang-Charakter darzustellen – kommt aus meiner Sicht ganz gut rüber, wie das Teil so klingt.
Beispiel 2: Ein wenig Blues
Standard-Stimmung, bisschen Robert Johnson inspiriert – sowas spiele ich halt und bin der Meinung, dass die Gitarre für sowas gut geeignet ist.
Beispiel 3: Es knirscht!
Hier das oben angesprochene Absterben des Klangs durch zu hohe Bünde bei den hohen Saiten. Wollte ich nicht undokumentiert lassen. Kommt meiner Meinung nach schon etwas rüber, dass auch in den etwas höheren Lagen die Bespielbarkeit wirklich gut ist.
Beispiel 4: Noch mehr Blues
Diesmal in Open G, auch das geht. Orientiert am „Special Rider Blues“ von Skip James.
Ich denke, dass der Charakter der Gitarre schon so ganz gut rüberkommt. Würde ich sie für feine Aufnahmen hernehmen? Sicherlich nicht. Kann sie einen tollen Akkord-Teppich legen? No way. Aber sie hat eben schon einen gewissen Punch und ihrem Namen nach ist sie für einen etwas „dirty“ Sound schon ganz gut unterwegs. Man kann auch sagen: sie klingt billig, aber gut billig.
Fazit
In diesem Review gehe ich ganz bewusst auch auf die Dinge ein, die nicht so toll gemacht sind. Für mich ist das ein wichtiger Teil eines jeden Reviews. Während mich einige dieser Themen bei einer „richtigen“ Gitarre schon stören würden, liegen beim Preispunkt von 150 EUR alle kleinen Unzulänglichkeiten für mich aber absolut im Rahmen.
Daher nochmal gesagt: Meine Erwartungen an die Qualität dieses Instruments wurden nachhaltig und eindeutig weit übertroffen! Nur das Thema „Bünde“ werde ich bei Gelegenheit mal adressieren, hier geht doch etwas Spielfreude verloren.
Entgegen meiner Erwartungen ist sie nicht wieder in ihren Karton verbannt worden, sondern steht auf einem Kork-Ständer im Wohnzimmer und wird von mir abends nach der Arbeit (wenn das Kind im Bett ist) gerne gespielt, die Kleine haut drauf rum und zieht sich dran hoch und greift in die Saiten und ich habe keine Angst um ein teures Instrument. Volltreffer!
Na klar, im Vergleich zu einer Stufe besser (ich denke hier z.B. an meine Sigma OOOM-15L, die ja auch noch eine China-Gitarre ist aber eben auf einem anderen Level) hat sie ein paar mehr Schwächen, aber das ist ja auch zu erwarten. Andererseits spielt sie dank der netten optischen Details von der Qualitätsanmutung her aus meiner Sicht eine Liga über ihrer Preisklasse ganz gut mit.
Nun bin ich kein Experte für Billig-Gitarren, hatte dank Linkshändigkeit habe ich auch nicht verglichen was der Markt sonst so hergibt... in Summe bin ich bei dem Preis wirklich mehr als zufrieden.
Anekdote zum Ende
Wer sich auf Netflix „The Ballad of Buster Scruggs“ anschaut – lohnt sich! – der sieht gleich im ersten Teil des Films diese Gitarre im Einsatz (in der schwarzen Variante). Macht sich also wirklich gut als kleine Old-Time Blues und Country Gitarre, sogar in einem Film der Coen Brothers.
Trailer hier: https://www.netflix.com/de-en/title/80200267
Recording King RPS-7 (Dirty 30's Series 7 Acoustic Guitar, Single 0 Parlor), Version RPS-7-Lefty-TS
Kaufentscheidungsprozess
Es ist ganz einfach: Erstens spiele ich mehr, wenn ich eine Gitarre im Wohnzimmer zur Hand habe. Zweitens habe ich eine 15 Monate alte Tochter, für alles im Wohnzimmer besteht also Unfallgefahr. Drittens sind Wandhalter im Wohnzimmer bei uns schon rein optisch indiskutabel. Es musste also eine Billig-Gitarre her, okay bespielbar aber eben auch egal wenn die Kleine im schlimmsten Fall einfach mal reinlatscht.
Erschwerte Bedingungen: Ich bin Linkshänder, spiele gerne kleine Korpus-Größen für Blues, spiele eigentlich nur mit den Fingern. Das macht die Auswahl schon mal klein, viele klassische China-Marken haben gerade für Leftys im Wesentlichen große Gitarren wie Dreadnought und Co im Programm.
So bin ich denn nach einiger Suche auf die Marke Recording King und deren Dirty 30s Serie gestoßen. Die passen eigentlich perfekt für mich, sind sie doch von der Optik und auch Form her an alte Blues- und Country-Gitarren angelehnt. Einen Überblick gibt’s hier: https://www.recordingking.com/products/guitars/small-body
Die Auswahl des konkreten Modells wurde mir wie so oft drastisch erleichtert: Das einzig verfügbare Lefty-Modell war die RPS-7, also fix beim Thomann für rund 150 EUR bestellt. Warum gab es keine Phase des Anspielens in physischen Shops? Nochmal – ich bin halt Lefty, Lefty-Gitarren stehen fast nirgends in der Ausstellung, und wenn sind es nur eine Handvoll Alibi-Teile und Vergleichstests sind damit auch nicht drin. Online-Bestellung ist deshalb seit Jahren der von mir beschrittene Weg.
Bekommen habe ich sie Anfang Juli 2018, jetzt ist Januar 2019, also kommt dieser Bericht nach einem halben Jahr und ist daher nicht nur ein Ersteindruck, sondern ein echter Erfahrungsbericht.
Technische Daten
Mein konkretes Modell ist die RPS-7-Lefty-TS, was im Klartext in Series 7, Lefty, Tobacco Sunburst bedeutet. Die Herstellerangaben findet ihr hier: https://www.recordingking.com/p/rps-7
Ein paar Kommentare zu aus meiner Sicht interessanten Details:
- Die Korpusforum als „Single O“ ist wirklich klein und schnuckelig, genau wie ich es wollte.
- Vom Material her ist erwartungsgemäß nicht so viel Tolles zu berichten: Seiten und hinten aus anonymem „Whitewood“ (das kann wirklich alles mögliche sein), das „Spruce Top“ ist natuerlich nicht „solid“ sondern gesperrt, auf dem „Nato“-Hals sitzt ein „Revebond“ Fingerboard (was mir nach etwas Recherche ein Verbundwerkstoff zu sein scheint, also Holz+Harz oder so in der Art). Immerhin sind die X-Braces innen angeblich aus „Sitka Spruce“.
- Wertig hingegen finde ich Nut&Bridge aus Knochen, den klassischen Dovetail Joint am Hals, und die Mühe die man sich mit kleinen Deko-Details gemacht hat, also Bindings etc., das sieht nett aus.
- In Summe präsentiert sich die kleine Dame also ganz hübsch wie ich finde:
- Die Bundmarkierungen auf dem Griffbrett sind übrigens keine Inlays, die sind schlicht per Schablone aufgemalt:
Qualitäts-Anmutung
In Summe war ich wirklich positiv überrascht. Der Satin-Lack ist ganz anständig gemacht (ist aber natürlich auch recht dick aufgetragen). Hier mal eine Rückansicht:
Die kleinen Details geben eine in Summe wertige Anmutung, die Gitarre war direkt aus dem Versandkarton wirklich gut bespielbar (und das mit einer wirklich brauchbaren Saitenlage).
Sogar die ab Werk installierten Saiten habe ich erstmal drauflassen können, die waren gut in Schuss und sogar Marken-Ware (habe aber nicht dokumentiert was es jetzt konkret war, ist mir entfallen). Mittlerweile auf .12er Elixir gewechselt, aber die ersten waren eine ganze Zeit lang drauf.
Also optischer Ersteindruck wirklich top!
Wenn man jetzt tiefer einsteigt, ist natürlich auch nicht alles Gold was glänzt. Hier mal eine recht ausführliche Dokumentation diverser kleiner Macken und Unschönheiten. Gleich vorab – diese liegen für mich alle absolut im Rahmen dessen, was ich für diesen Preis erwartet hätte, also aus meiner Sicht kein Grund zur Beschwerde oder Reklamation.
Kleber(?)-Rückstände auf den „Revebond“-Teilen: Griffbrett und die Leiste bei der Bridge sind ja aus diesem „Revebond“-Material, und an beiden Stellen sieht man sowas wie Kleber-Flecken. Sieht halt etwas fleckig aus, ist aber nicht klebrig oder so. Optik-Thema.
Dings und Dongs: An zwei Stellen im Top gibt’s eine kleine eingedrückte Stelle, so ein klassischer Streifen entlang der Holzfaser. Kann gut sein, dass die nach Bearbeitung noch im Holz war und dann wurde halt drüberlackiert, oder irgendwas ist reingedrückt worden – wie dem auch sei, so sieht’s aus:
Binding: Aus der Ferne Top, aus der Nähe nicht ganz so sauber:
Innen: Ist alles funktional und technisch soweit in Ordnung, aber man hat eben keinen Aufwand reingesteckt das irgendwie hübsch zu machen:
Funktion und Bespielbarkeit
Ich habe ja schon mehrfach gesagt, dass die Saitenlage wirklich gut war. Habe ich nicht nachgemessen, habe aber alles von der Einstellung her genau so belassen wie ab Werk geliefert. Ganz großes Kompliment hier! Kann sein, dass da noch etwas mehr geht, aber ich wüsste nicht wozu.
Beim ersten Saitenwechsel habe ich die (kompensierte) Bridge, die nur locker eingesteckt ist, mal rausgenommen und da kam mir drunter noch ein sehr dünner Shim (offenbar Plastik) entgegen – habe ich wieder so reingetan. Vorerst kein Grund hier optimieren zu wollen.
Natürlich: Es kann sein, dass hier noch Optimierungspotenzial besteht, was Saitenlage angeht. Habe mir die Kerben der Bone Nut noch nicht angeschaut, nichts vermessen, nicht mal die Halskrümmung habe ich mir angeschaut. Weil es erstens eben passt und es zweitens eben eine Gitarre zum einfach mal spielen ist.
Nochmals: Für den Preis ist das wirklich großes Kino.
Die Bünde sind eigentlich das einzige Thema, das mich ein bisschen gestört hat. Die Bünde waren nicht wirklich poliert, das hat man bei Bendings doch mit deutlichen Nebengeräuschen gemerkt. Habe aber nie mit dem Gedanken gespielt, das nachzupolieren – mit mehr Spiel schleift sich das gut genug ein.
Schwieriger wird’s bei den doch etwas herausstehenden Bund-Enden in den höheren Lagen. Die sind ein bisschen scharfkantig (so ab ca. dem 10. Bund oder so), vielleicht mache ich mich da mal dran des Komforts wegen. Wie Murphys Law so besagt, sind sie natürlich nur „unten“ nicht gut (also genau da, wo man mit der Greifhand hinkommt), „oben“ sind sie sauber gemacht. Ist nicht so schlimm dass ich mir die Hand aufschneide, aber es ist halt etwas hakelig und nicht so smooth.
Erst mit der Zeit habe ich entdeckt, dass es bei den beiden Hohen Saiten im ca. 13. Bund entweder nicht gut abgerichtete Bünde oder nicht gescheit sitzende Bünde gibt. Greift man hier am 11. Bund, ist der Ton tot (Beispiel folgt). Der „Wackeltest“ mit einem geraden Metallstück über jeweils drei Bünde zeigt hier eine kleine „Welle“ auf. Es geht vom 12. auf den 13. Bund und dann nochmals vom 13. auf den 14. Bund nach oben, von Bund 14 auf 15 dann wieder leicht nach unten. Hier muss ich entweder Hammer oder Feile ansetzen, habe ich bisher noch nicht gemacht.
Den Fehler habe ich erst sehr spät gefunden. Wie das immer so ist – ich habe natürlich alles mögliche probiert und gespielt und getestet, aber man fällt halt doch in seine vertrauten Lagen. Gefunden habe ich es erst kürzlich, als ich mal im Robert Johnson Original-Tuning mitspielen wollte und den Capo am 2. Bund angesetzt habe, dann rutscht die A7-Shape zu Beginn vom 8./9. Auf den 10./11. Bund und es knirscht.
Sowas ist natürlich nur schlecht auf einem Foto festzuhalten, hier trotzdem mal probiert:
Wenn man jetzt weiter kritisieren will, kann man noch die Tuner ins Feld führen. Sie funktionieren und halten die Stimmung (so weit so gut), sind aber im Vergleich zu meinen teureren Gitarren etwas schwieriger präzise beim Durchstimmen des Instruments. Man kommt schon hin, aber irgendwie ist die Übersetzung etwas seltsam/ungewohnt, dauert also minimal länger als bei anderen Gitarren in meinem Haushalt. Kleiner Punkt, aber wir wollen ja genau sein.
Sound und Soundbeispiele
Die Website gibt ja schon einen Hinweis: “The Series 7 Single 0 delivers great small-body tone thanks to our cross lap bracing, and bone nut and saddle. It's the go-to guitar for that classic woody, boxy vintage sound.”
Da ist neben dem Marketing-Blabla zu Wertigkeit und Vintage vor allem das Wort „boxy“ hervorzuheben. Die Gitarre klingt in der Tat schon etwas „kistig“, also ein bisschen bedeckt und nicht nach super frei schwingender offener Super-Gitarre. Aber hey, nochmal, das teil hat 150 EUR gekostet. Man muss aber auch sagen, dass eine Single O halt auch „in gut“ anders klingt als eine 000 oder Super Jumbo oder Dreadnought, und auch genau das mag man ja auch dran.
Für meine Zwecke, als Gitarre zum mal fix drauf Rumklimpern und meinen stümperhaften Fingerstyle Blues, finde ich den Sound durchaus angemessen.
Die folgenden Klangbeispiele sind allesamt über das Mikrophon meines iPhones aufgenommen. Vorteil ist, dass da nix geschönt ist, Nachteil ist, dass es halt nur ein iPhone-Mikro ist. Mein richtiges Recording-gear ist in Deutschland eingelagert, habe ich hier in UK derzeit halt nicht im Zugriff. Alle Dateien sind unbearbeitet, ich habe sie lediglich von Apples M4A-Format ins gängigere MP3 konvertiert. Alle Dateien sind ohne große Planung mehr oder weniger als „one Take“ eingespielt, wie ich halt so spiele (bzw. spielen kann). Alles nur mit Fingern gespielt, wie ich halt so spiele.
Beispiel 1: Akkorde
Ein paar Akkorde, um den Klang-Charakter darzustellen – kommt aus meiner Sicht ganz gut rüber, wie das Teil so klingt.
Beispiel 2: Ein wenig Blues
Standard-Stimmung, bisschen Robert Johnson inspiriert – sowas spiele ich halt und bin der Meinung, dass die Gitarre für sowas gut geeignet ist.
Beispiel 3: Es knirscht!
Hier das oben angesprochene Absterben des Klangs durch zu hohe Bünde bei den hohen Saiten. Wollte ich nicht undokumentiert lassen. Kommt meiner Meinung nach schon etwas rüber, dass auch in den etwas höheren Lagen die Bespielbarkeit wirklich gut ist.
Beispiel 4: Noch mehr Blues
Diesmal in Open G, auch das geht. Orientiert am „Special Rider Blues“ von Skip James.
Ich denke, dass der Charakter der Gitarre schon so ganz gut rüberkommt. Würde ich sie für feine Aufnahmen hernehmen? Sicherlich nicht. Kann sie einen tollen Akkord-Teppich legen? No way. Aber sie hat eben schon einen gewissen Punch und ihrem Namen nach ist sie für einen etwas „dirty“ Sound schon ganz gut unterwegs. Man kann auch sagen: sie klingt billig, aber gut billig.
Fazit
In diesem Review gehe ich ganz bewusst auch auf die Dinge ein, die nicht so toll gemacht sind. Für mich ist das ein wichtiger Teil eines jeden Reviews. Während mich einige dieser Themen bei einer „richtigen“ Gitarre schon stören würden, liegen beim Preispunkt von 150 EUR alle kleinen Unzulänglichkeiten für mich aber absolut im Rahmen.
Daher nochmal gesagt: Meine Erwartungen an die Qualität dieses Instruments wurden nachhaltig und eindeutig weit übertroffen! Nur das Thema „Bünde“ werde ich bei Gelegenheit mal adressieren, hier geht doch etwas Spielfreude verloren.
Entgegen meiner Erwartungen ist sie nicht wieder in ihren Karton verbannt worden, sondern steht auf einem Kork-Ständer im Wohnzimmer und wird von mir abends nach der Arbeit (wenn das Kind im Bett ist) gerne gespielt, die Kleine haut drauf rum und zieht sich dran hoch und greift in die Saiten und ich habe keine Angst um ein teures Instrument. Volltreffer!
Na klar, im Vergleich zu einer Stufe besser (ich denke hier z.B. an meine Sigma OOOM-15L, die ja auch noch eine China-Gitarre ist aber eben auf einem anderen Level) hat sie ein paar mehr Schwächen, aber das ist ja auch zu erwarten. Andererseits spielt sie dank der netten optischen Details von der Qualitätsanmutung her aus meiner Sicht eine Liga über ihrer Preisklasse ganz gut mit.
Nun bin ich kein Experte für Billig-Gitarren, hatte dank Linkshändigkeit habe ich auch nicht verglichen was der Markt sonst so hergibt... in Summe bin ich bei dem Preis wirklich mehr als zufrieden.
Anekdote zum Ende
Wer sich auf Netflix „The Ballad of Buster Scruggs“ anschaut – lohnt sich! – der sieht gleich im ersten Teil des Films diese Gitarre im Einsatz (in der schwarzen Variante). Macht sich also wirklich gut als kleine Old-Time Blues und Country Gitarre, sogar in einem Film der Coen Brothers.
Trailer hier: https://www.netflix.com/de-en/title/80200267
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