escarbian
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Marshall Class5 Head - Class-A-Röhren-Verstärker, der "Baby-Plexi"
Gleich vorab: wer ein Review zu neu erschienenem Equipment erwartet, bitte weiterklicken.
Das hier ist eher etwas Antiquarisches, für Vintage-Fans, oder für Sammler.
Vorgeschichte:
Eigentlich war ich ja auf der Suche nach einem der 1-Watt-Anniversary-Amps von Marshall, dem JTM-1H. Leider sind diese ganz selten anzutreffen, und wenn überhaupt, dann reichlich teuer. Ganz zufällig flatterte mir kürzlich bei einem Kleinanzeigen-Portal ein Angebot eines Marshall Class5 Head (im Netz oft kurz C5H genannt) vor die Augen. Ein Plexi-artiger Röhren-Amp zum Preis eines mittelpreisigen Boutique-Pedals?? Da mußte ich einfach zuschlagen.
Bislang sagte mir der Class5, den es zunächst als Combo, später auch als Head gab, nicht wirklich viel. Es finden sich im Netz einige alte (recht positive) Testberichte (Bonedo, Amazona, Gitarre & Bass) und diverse Erfahrungen in einschlägigen Foren. Hier im Board gab es 2009 mal ein Review zur Combo-Version des Class5 mit einem 10"-Speaker.
Produziert wurde der Combo wohl auch nur von 2009 bis 2012/2013(?). Anläßlich einer Neuauflage des Combo wurde die Serie 2011 um die Head-Version mit dazu passendem 1x10" Cabinet mit Celestion G10F15 Speaker ergänzt. Daneben gab es 2013 vom Head eine streng limitierte Custom Shop Pin-up Version (Bonedo-Test). Der Amp muß sich als Combo und Head gut verkauft haben, und von vielen wird bedauert, daß die Produktion so schnell eingestellt worden war. Es gab/gibt diverse Foren, die sich mit Modifikationen des C5 oder C5H beschäftigen. Insbesondere eine Bass-Lastigkeit des Amps wird oft diskutiert.
Details und Ausstattung:
Der Class5 Head erscheint im typischen Marshall-Vintage-Look mit messingfarbener und gebürsteter Frontplatte, mattschwarzem Tolex ohne Eck-Kappen und goldfarbenem Piping. Die Abmessungen sind allerdings kleiner als bei den großen Vorbildern und entsprechen etwa einem heutigen Studio Vintage SV20H. Vom Gewicht her ist er ein richtiges Leichtgewicht. Im Manual wird er auch als "Baby-Plexi" bezeichnet.
Auf der recht übersichtlichen Frontplatte befinden sich gut definiert drehbare Klang-Regler für Bass, Middle, Treble und ein Volume-Regler. Der Amp hat also letztlich kein Master-Volume! Neben dem Power-Schalter zeigt eine rote Leuchte den Betriebszustand an. Es gibt nur einen Eingang für das Gitarren-Signal, und auf Standby-Schalter und Presence-Regler hat man auch verzichtet. Eine Effekt-Loop wird man bei so einem puristischen Amp natürlich ebenfalls vergeblich suchen.
Rückseitig finden sich Speaker-Anschlüsse für 8 und 16 Ohm Cabinets. Daneben gibt es einen Kopfhörer-Ausgang. Mittels eines kleinen Schalters kann zwischen 16 Ohm Cabinet- und Kopfhörer-Ausgang gewählt werden. Im Kopfhörer-Modus wird keine Dummy-Load benötigt.
Topseitig hat der Class5 einen stabilen gummierten Tragegriff. Daneben sorgt ein messingfarbenes Entlüftungsgitter für Abluft. Vier Gummi-Füße geben dem Head sicheren Stand.
Auf Vorstufen-Ebene ist der Class5 mit zwei ECC83-Röhren bestückt. Die Endstufe wird von einer EL84-Röhre in Class A Schaltung betrieben und liefert 5 Watt Leistung. Alle drei Röhren sind in einer Metallhalterung mit Gummiring stabilisiert (siehe Bilder).
Gefertigt wurde der Class5 im Gegensatz zu anderen preisgünstigen Marshall-Amps noch im Marshall-Werk in Bletchley, England. Die Fertigungsqualität ist sehr gut. Das Tolex ist einwandfrei verarbeitet. Schutzkappen an den Ecken gibt es wie bei den Plexi-Marshalls keine.
Mein mindestens sieben Jahre altes Exemplar wurde zum Glück sehr pfleglich von den Vorbesitzern behandelt und zeigt keinerlei äußerliche Schäden oder Abnutzungen.
Abmessungen: Breite 496 mm, Höhe 200 mm, Tiefe 210 mm
Gewicht: 6,4 kg
Bilder:
Der C5H frisch geputzt.
Links unten neben den Speaker-Ausgängen ist der Regler für das Post-Phasen-Inverter-Master-Volume (PPIMV) zu sehen.
Innenansicht des C5 Head.
Die Röhren des C5H, links zwei Vorstufen-Röhren ECC83 (12AX7), rechts die EL84 Endstufen-Röhre.
Die V1 (links) ist größer als die V2 (Mitte). Ob das noch die Stock-Röhren sind, ist mir nicht bekannt.
Laut Musicians Roadhouse-Forum müßte die V1 eine ECC83S JJ Low Microphony Red Logo sein, die V2 eine 12AX7B/ECC83 Shuguang No Selection White logo. (Marshall-Röhren-Codes)
Bedienung und Klang:
Meine große und freudige Erwartung an den Amp wurde zunächst einmal sehr schnell enttäuscht. Ich hatte zuvor von Marschall die 1-Watt Amps JCM-1H und JVM-1H gespielt, und die funktionieren zuhause wirklich richtig gut. Der Class5 hingegen ist im Wohnzimmer mit seinen 5 Watt Class A einfach ohrenbetäubend laut! Kein Vergleich auch zu meinem DSL20 HR, der trotz seiner 20/10 Watt aus zwei EL34 problemlos zu bändigen ist.
Beim Class5 spielt es auch meiner Erfahrung nach eine größere Rolle, welche Pick-Ups zum Einsatz kommen. Mit Single Coils kann man etwas weiter aufdrehen (3-4) und der Amp bleibt länger clean. Mit P90 oder Humbucker wird es zwischen Volume 1-2 bereits sehr laut und etwas bass-lastig. Und richtig clean ist er mit leistungsstärkeren PUs nicht wirklich spielbar. Aber das ist ja auch nicht sein primärer Einsatzzweck. Ich konnte den Amp also nicht höher als maximal bis Volume 2 (HB) bzw. 4 (SC) aufdrehen, ohne Ärger von der Frau zu bekommen, oder Angst um das eigene Hörvermögen haben zu müssen. Das mag für Clean-Sound okay sein, doch selbst der Clean-Sound klang für mich mit Volume zwischen 1-2 nicht wirklich gut. Zunehmend satten Crunch- und Overdrive-Sound bekommt man aber erst bei Volume-Levels über 4-5 geliefert, und das ist zuhause (für mich) definitiv nicht realisierbar. Für Proberaum oder kleine Bühnen sind die höheren Volume-Einstellungen und die Leistungsreserven sicher gut nutzbar, sofern man keinen Clean-Sound braucht. Für größere Bühnen sind andere Marshall-Amps sicher besser geeignet.
Da ich den Amp als Hobby-Gitarrist nur in den eigenen vier Wänden benutzen möchte, hatte ich eigentlich die Verkaufs-Anzeige schon wieder fertig. Da berichtete mir ein anderer Class5-User (@memarcusta, vielen Dank nochmal!) aus dem Musiker-Board über seine guten Erfahrungen mit einem nachgerüsteten Master-Volume (PPIMV, Post-Phaseninverter-Master-Volume). Also habe ich mal meinem Class5 auch von User "Bierschinken" ein PPIMV als kleinen Regler unauffällig auf der Rückseite einbauen lassen (auf den Bildern links unten zu sehen).
Welche Freude, mit dem PPIMV ist der Amp nun auch zuhause richtig in voller "Sound-Bandbreite" einsetzbar und beherrschbar, ohne daß ich Ärger mit den Nachbarn oder eigenen Gehörschaden befürchten muss. Gespielt wird er wahlweise an einer Marshall 1912 Lead oder einer Mesa TransAtlantic 1x12". Er soll aber auch gut an einer 4x12"-Box klingen, dies kann ich mangels einer 4x12" leider nicht selbst testen.
Nach der eingangs geschilderten Enttäuschung spiele ich den Class5 nach seiner Modifikation aufgrund seiner einfachen und schnörkellosen Bedienbarkeit und des typischen Marshall-Sounds inzwischen richtig gern, insbesondere wenn es um rockigere Sounds im 70er Jahre-Stil geht. Okay, er hat nur diesen einen Kanal, aber diesen Sound kann er richtig gut. Inwiefern der Class5 nun einem "Plexi"-Sound nahe kommt, kann ich nicht beurteilen, da ich noch keinen echten Plexi-Marshall gespielt habe.
Mit dem PPIMV läßt sich nun der Zerrgrad aus dem Amp mit dem Volume-Regler sehr gut dosieren. Volume steht nun meist zwischen 5 bis 10. Dabei reagiert der Amp sehr dynamisch auf die Anschlagsstärke und auf das Spiel mit dem Volume-Regler der Gitarre. Man kann also bei entsprechendem PPIMV-Level und Amp-Volume auf 10 mit dem Volume-Regler der Gitarre fast bis in den Clean-Bereich herunterkommen, insbesondere mit Single-Coils. Der EQ ist effektiv einsetzbar und für meine Ansprüche völlig ausreichend. Je nach Gitarre/PUs muss man aber die Bässe (und eventuell Mitten) mal mehr mal weniger zurücknehmen und die Höhen eher etwas betonen.
Daneben ist der Class5 auch eine sehr gute Basis für Zerr-Pedale. Hier hat mir von meinen Overdrive-Pedalen am besten die Z.Vex Box of Rock gefallen. Man bekommt mit der BoR durch die unabhängig schaltbare Boost/Drive-Regelung praktisch einen sehr variablen 2-Kanal-Amp. Aber auch ein JHS "The AT" (oder Angry Charlie) passen gut, um den Amp noch mehr zu pushen. Andere neutralere Boost/Overdrive-Pedale, zum Beispiel mein Jan Ray Clone oder der J.Rockett Archer Ikon, vertragen sich ebenfalls sehr gut mit dem Class5.
Kurz noch ein Wort zum Kopfhörer-Ausgang. Der rückseitige Schalter schaltet bei Kopfhörer-Auswahl ein angeschlossenes 16 Ohm Cabinet still. Falls am 8 Ohm-Ausgang ein Cabinet angeschlossen ist, hat man Signal am Kopfhörer und am Cabinet. Eine Dummy-Load wird für Kopfhörer-Betrieb nicht benötigt. Der Klang des Kopfhörer-Ausgangs ist mit der fixen Speaker-Emulation recht brauchbar, gefällt mir aber nur mit Single-Coil-Gitarren gut. Mit Humbucker-PUs ist es schnell sehr baß-lastig und läßt sich auch mit dem Bass-Regler auf 0 nicht ausreichend kompensieren. Aber wenn ich über Kopfhörer spielen muss, habe ich andere Alternativen.. Ohne PPIMV wird es übrigens auch am Kopfhörerausgang schnell gefährlich laut.
Insgesamt möchte ich den Class5 Head in meiner "Wohnzimmer-Amp-Sammlung" nicht mehr missen, und er hat mir definitiv das GAS auf den neuen, teuren und wohl noch lauteren Studio Vintage SV20H ausgetrieben (obwohl das schon nochmal eine andere Klasse ist).
Um nun nach dem ganzen Text auch einen akustischen Klangeindruck gewinnen zu können, gibt es hier ein paar Videos zum Class5 von Leuten, die besser spielen und aufnehmen können als ich:
Soundbeispiele auf YouTube:
(Marshall Amplification)
(The Tone King, Part 1)
(Rob Chapman)
(Budda Guedes)
(gearmanndude)
https://youtu.be/AWwKOx-3y8k (The APW)
https://youtu.be/mb4R9SqY0jM (The Tone King, Part 2)
https://youtu.be/HsMqHpfArwc (The Tone King, Part 3)
Fazit:
Der Marshall Class5 Head ist ein puristisch ausgelegter 1-Kanal Plexi-Style Amp (O-Ton Marshall: "Baby-Plexi"), dessen 5 Watt Class A Leistung allerdings nicht unterschätzt werden darf. Wer ihn im Wohnzimmer spielen will, sollte unbedingt in die Nachrüstung eines Master-Volume (PPIMV) investieren, denn erst damit ermöglicht man dem Amp, bei erträglichem Lautstärke-Level sein klangliches Potential wirklich auszuschöpfen. Auch für Pedal-Fans bietet er eine gute Basis, wobei hier mein Favorit die Z.Vex Box of Rock ist, da man effektiv mit einem Pedal einen 2-Kanal-Amp bekommt. Der Class5 (Head und Combo) ist ein "Made in England"-Marshall und das Preis-Leistungsverhältnis ist sehr gut, sofern man eines der raren Second-Hand-Angebote finden kann.
Pro:
Preis:
Die aktuelle Second Hand Preis-Spanne liegt laut Reverb.com zwischen 254 - 351 Euro.
(Stand 30.04.2019)
Interessante Links mit ergänzenden Informationen:
https://www.marshallamps.de/fileadmin/_marshall/downloads/all-manuals/CLASS5-Handbuch.pdf (Handbuch)
https://www.thetubestore.com/lib/thetubestore/schematics/Marshall/Marshall-Class-5-Schematic.pdf (Schaltplan)
http://www.marshallforum.com/threads/a-touch-of-class-class5-owners-welcome.17536/ (260 Seiten zum Class5 im Marshall-Forum)
http://www.marshallforum.com/threads/class-5-review.9843/ (Review im Marshall-Forum)
https://www.thegearpage.net/board/index.php?posts/7340406/ (Foto vom Innenleben des C5 Combo)
https://www.musiker-board.de/attach...6/?temp_hash=e4212869e0f38470f71c573084c703e1 (Advertisement zum Class5 Head und Combo)
Vielen Dank für's Lesen.
Fragen und Anmerkungen sind gerne willkommen.
Gruß,
Helmut
Gleich vorab: wer ein Review zu neu erschienenem Equipment erwartet, bitte weiterklicken.
Das hier ist eher etwas Antiquarisches, für Vintage-Fans, oder für Sammler.
Vorgeschichte:
Eigentlich war ich ja auf der Suche nach einem der 1-Watt-Anniversary-Amps von Marshall, dem JTM-1H. Leider sind diese ganz selten anzutreffen, und wenn überhaupt, dann reichlich teuer. Ganz zufällig flatterte mir kürzlich bei einem Kleinanzeigen-Portal ein Angebot eines Marshall Class5 Head (im Netz oft kurz C5H genannt) vor die Augen. Ein Plexi-artiger Röhren-Amp zum Preis eines mittelpreisigen Boutique-Pedals?? Da mußte ich einfach zuschlagen.
Bislang sagte mir der Class5, den es zunächst als Combo, später auch als Head gab, nicht wirklich viel. Es finden sich im Netz einige alte (recht positive) Testberichte (Bonedo, Amazona, Gitarre & Bass) und diverse Erfahrungen in einschlägigen Foren. Hier im Board gab es 2009 mal ein Review zur Combo-Version des Class5 mit einem 10"-Speaker.
Produziert wurde der Combo wohl auch nur von 2009 bis 2012/2013(?). Anläßlich einer Neuauflage des Combo wurde die Serie 2011 um die Head-Version mit dazu passendem 1x10" Cabinet mit Celestion G10F15 Speaker ergänzt. Daneben gab es 2013 vom Head eine streng limitierte Custom Shop Pin-up Version (Bonedo-Test). Der Amp muß sich als Combo und Head gut verkauft haben, und von vielen wird bedauert, daß die Produktion so schnell eingestellt worden war. Es gab/gibt diverse Foren, die sich mit Modifikationen des C5 oder C5H beschäftigen. Insbesondere eine Bass-Lastigkeit des Amps wird oft diskutiert.
Details und Ausstattung:
Der Class5 Head erscheint im typischen Marshall-Vintage-Look mit messingfarbener und gebürsteter Frontplatte, mattschwarzem Tolex ohne Eck-Kappen und goldfarbenem Piping. Die Abmessungen sind allerdings kleiner als bei den großen Vorbildern und entsprechen etwa einem heutigen Studio Vintage SV20H. Vom Gewicht her ist er ein richtiges Leichtgewicht. Im Manual wird er auch als "Baby-Plexi" bezeichnet.
Auf der recht übersichtlichen Frontplatte befinden sich gut definiert drehbare Klang-Regler für Bass, Middle, Treble und ein Volume-Regler. Der Amp hat also letztlich kein Master-Volume! Neben dem Power-Schalter zeigt eine rote Leuchte den Betriebszustand an. Es gibt nur einen Eingang für das Gitarren-Signal, und auf Standby-Schalter und Presence-Regler hat man auch verzichtet. Eine Effekt-Loop wird man bei so einem puristischen Amp natürlich ebenfalls vergeblich suchen.
Rückseitig finden sich Speaker-Anschlüsse für 8 und 16 Ohm Cabinets. Daneben gibt es einen Kopfhörer-Ausgang. Mittels eines kleinen Schalters kann zwischen 16 Ohm Cabinet- und Kopfhörer-Ausgang gewählt werden. Im Kopfhörer-Modus wird keine Dummy-Load benötigt.
Topseitig hat der Class5 einen stabilen gummierten Tragegriff. Daneben sorgt ein messingfarbenes Entlüftungsgitter für Abluft. Vier Gummi-Füße geben dem Head sicheren Stand.
Auf Vorstufen-Ebene ist der Class5 mit zwei ECC83-Röhren bestückt. Die Endstufe wird von einer EL84-Röhre in Class A Schaltung betrieben und liefert 5 Watt Leistung. Alle drei Röhren sind in einer Metallhalterung mit Gummiring stabilisiert (siehe Bilder).
Gefertigt wurde der Class5 im Gegensatz zu anderen preisgünstigen Marshall-Amps noch im Marshall-Werk in Bletchley, England. Die Fertigungsqualität ist sehr gut. Das Tolex ist einwandfrei verarbeitet. Schutzkappen an den Ecken gibt es wie bei den Plexi-Marshalls keine.
Mein mindestens sieben Jahre altes Exemplar wurde zum Glück sehr pfleglich von den Vorbesitzern behandelt und zeigt keinerlei äußerliche Schäden oder Abnutzungen.
Abmessungen: Breite 496 mm, Höhe 200 mm, Tiefe 210 mm
Gewicht: 6,4 kg
Bilder:
Der C5H frisch geputzt.
Links unten neben den Speaker-Ausgängen ist der Regler für das Post-Phasen-Inverter-Master-Volume (PPIMV) zu sehen.
Innenansicht des C5 Head.
Die Röhren des C5H, links zwei Vorstufen-Röhren ECC83 (12AX7), rechts die EL84 Endstufen-Röhre.
Die V1 (links) ist größer als die V2 (Mitte). Ob das noch die Stock-Röhren sind, ist mir nicht bekannt.
Laut Musicians Roadhouse-Forum müßte die V1 eine ECC83S JJ Low Microphony Red Logo sein, die V2 eine 12AX7B/ECC83 Shuguang No Selection White logo. (Marshall-Röhren-Codes)
Bedienung und Klang:
Meine große und freudige Erwartung an den Amp wurde zunächst einmal sehr schnell enttäuscht. Ich hatte zuvor von Marschall die 1-Watt Amps JCM-1H und JVM-1H gespielt, und die funktionieren zuhause wirklich richtig gut. Der Class5 hingegen ist im Wohnzimmer mit seinen 5 Watt Class A einfach ohrenbetäubend laut! Kein Vergleich auch zu meinem DSL20 HR, der trotz seiner 20/10 Watt aus zwei EL34 problemlos zu bändigen ist.
Beim Class5 spielt es auch meiner Erfahrung nach eine größere Rolle, welche Pick-Ups zum Einsatz kommen. Mit Single Coils kann man etwas weiter aufdrehen (3-4) und der Amp bleibt länger clean. Mit P90 oder Humbucker wird es zwischen Volume 1-2 bereits sehr laut und etwas bass-lastig. Und richtig clean ist er mit leistungsstärkeren PUs nicht wirklich spielbar. Aber das ist ja auch nicht sein primärer Einsatzzweck. Ich konnte den Amp also nicht höher als maximal bis Volume 2 (HB) bzw. 4 (SC) aufdrehen, ohne Ärger von der Frau zu bekommen, oder Angst um das eigene Hörvermögen haben zu müssen. Das mag für Clean-Sound okay sein, doch selbst der Clean-Sound klang für mich mit Volume zwischen 1-2 nicht wirklich gut. Zunehmend satten Crunch- und Overdrive-Sound bekommt man aber erst bei Volume-Levels über 4-5 geliefert, und das ist zuhause (für mich) definitiv nicht realisierbar. Für Proberaum oder kleine Bühnen sind die höheren Volume-Einstellungen und die Leistungsreserven sicher gut nutzbar, sofern man keinen Clean-Sound braucht. Für größere Bühnen sind andere Marshall-Amps sicher besser geeignet.
Da ich den Amp als Hobby-Gitarrist nur in den eigenen vier Wänden benutzen möchte, hatte ich eigentlich die Verkaufs-Anzeige schon wieder fertig. Da berichtete mir ein anderer Class5-User (@memarcusta, vielen Dank nochmal!) aus dem Musiker-Board über seine guten Erfahrungen mit einem nachgerüsteten Master-Volume (PPIMV, Post-Phaseninverter-Master-Volume). Also habe ich mal meinem Class5 auch von User "Bierschinken" ein PPIMV als kleinen Regler unauffällig auf der Rückseite einbauen lassen (auf den Bildern links unten zu sehen).
Welche Freude, mit dem PPIMV ist der Amp nun auch zuhause richtig in voller "Sound-Bandbreite" einsetzbar und beherrschbar, ohne daß ich Ärger mit den Nachbarn oder eigenen Gehörschaden befürchten muss. Gespielt wird er wahlweise an einer Marshall 1912 Lead oder einer Mesa TransAtlantic 1x12". Er soll aber auch gut an einer 4x12"-Box klingen, dies kann ich mangels einer 4x12" leider nicht selbst testen.
Nach der eingangs geschilderten Enttäuschung spiele ich den Class5 nach seiner Modifikation aufgrund seiner einfachen und schnörkellosen Bedienbarkeit und des typischen Marshall-Sounds inzwischen richtig gern, insbesondere wenn es um rockigere Sounds im 70er Jahre-Stil geht. Okay, er hat nur diesen einen Kanal, aber diesen Sound kann er richtig gut. Inwiefern der Class5 nun einem "Plexi"-Sound nahe kommt, kann ich nicht beurteilen, da ich noch keinen echten Plexi-Marshall gespielt habe.
Mit dem PPIMV läßt sich nun der Zerrgrad aus dem Amp mit dem Volume-Regler sehr gut dosieren. Volume steht nun meist zwischen 5 bis 10. Dabei reagiert der Amp sehr dynamisch auf die Anschlagsstärke und auf das Spiel mit dem Volume-Regler der Gitarre. Man kann also bei entsprechendem PPIMV-Level und Amp-Volume auf 10 mit dem Volume-Regler der Gitarre fast bis in den Clean-Bereich herunterkommen, insbesondere mit Single-Coils. Der EQ ist effektiv einsetzbar und für meine Ansprüche völlig ausreichend. Je nach Gitarre/PUs muss man aber die Bässe (und eventuell Mitten) mal mehr mal weniger zurücknehmen und die Höhen eher etwas betonen.
Daneben ist der Class5 auch eine sehr gute Basis für Zerr-Pedale. Hier hat mir von meinen Overdrive-Pedalen am besten die Z.Vex Box of Rock gefallen. Man bekommt mit der BoR durch die unabhängig schaltbare Boost/Drive-Regelung praktisch einen sehr variablen 2-Kanal-Amp. Aber auch ein JHS "The AT" (oder Angry Charlie) passen gut, um den Amp noch mehr zu pushen. Andere neutralere Boost/Overdrive-Pedale, zum Beispiel mein Jan Ray Clone oder der J.Rockett Archer Ikon, vertragen sich ebenfalls sehr gut mit dem Class5.
Kurz noch ein Wort zum Kopfhörer-Ausgang. Der rückseitige Schalter schaltet bei Kopfhörer-Auswahl ein angeschlossenes 16 Ohm Cabinet still. Falls am 8 Ohm-Ausgang ein Cabinet angeschlossen ist, hat man Signal am Kopfhörer und am Cabinet. Eine Dummy-Load wird für Kopfhörer-Betrieb nicht benötigt. Der Klang des Kopfhörer-Ausgangs ist mit der fixen Speaker-Emulation recht brauchbar, gefällt mir aber nur mit Single-Coil-Gitarren gut. Mit Humbucker-PUs ist es schnell sehr baß-lastig und läßt sich auch mit dem Bass-Regler auf 0 nicht ausreichend kompensieren. Aber wenn ich über Kopfhörer spielen muss, habe ich andere Alternativen.. Ohne PPIMV wird es übrigens auch am Kopfhörerausgang schnell gefährlich laut.
Insgesamt möchte ich den Class5 Head in meiner "Wohnzimmer-Amp-Sammlung" nicht mehr missen, und er hat mir definitiv das GAS auf den neuen, teuren und wohl noch lauteren Studio Vintage SV20H ausgetrieben (obwohl das schon nochmal eine andere Klasse ist).
Um nun nach dem ganzen Text auch einen akustischen Klangeindruck gewinnen zu können, gibt es hier ein paar Videos zum Class5 von Leuten, die besser spielen und aufnehmen können als ich:
Soundbeispiele auf YouTube:
(Marshall Amplification)
(The Tone King, Part 1)
(Rob Chapman)
(Budda Guedes)
(gearmanndude)
https://youtu.be/AWwKOx-3y8k (The APW)
https://youtu.be/mb4R9SqY0jM (The Tone King, Part 2)
https://youtu.be/HsMqHpfArwc (The Tone King, Part 3)
Fazit:
Der Marshall Class5 Head ist ein puristisch ausgelegter 1-Kanal Plexi-Style Amp (O-Ton Marshall: "Baby-Plexi"), dessen 5 Watt Class A Leistung allerdings nicht unterschätzt werden darf. Wer ihn im Wohnzimmer spielen will, sollte unbedingt in die Nachrüstung eines Master-Volume (PPIMV) investieren, denn erst damit ermöglicht man dem Amp, bei erträglichem Lautstärke-Level sein klangliches Potential wirklich auszuschöpfen. Auch für Pedal-Fans bietet er eine gute Basis, wobei hier mein Favorit die Z.Vex Box of Rock ist, da man effektiv mit einem Pedal einen 2-Kanal-Amp bekommt. Der Class5 (Head und Combo) ist ein "Made in England"-Marshall und das Preis-Leistungsverhältnis ist sehr gut, sofern man eines der raren Second-Hand-Angebote finden kann.
Pro:
- einfache und übersichtliche Bedienung
- sehr dynamischer Marshall 1-Kanal-"Plexi"-Sound
- gute Basis für Zerr-Pedale
- flexibel an diversen Cabinets von 1x10" bis 4x12" anschließbar
- solide Fertigungs-Qualität, Made in England
- relativ gerine Abmessungen, leichtes Gewicht
- sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (sofern man noch ein Angebot findet)
- ohne PPIMV für's Wohnzimmer nicht wirklich brauchbar
- nur 1 Kanal, keine Effekt-Loop (kann ich gut mit leben)
Preis:
Die aktuelle Second Hand Preis-Spanne liegt laut Reverb.com zwischen 254 - 351 Euro.
(Stand 30.04.2019)
Interessante Links mit ergänzenden Informationen:
https://www.marshallamps.de/fileadmin/_marshall/downloads/all-manuals/CLASS5-Handbuch.pdf (Handbuch)
https://www.thetubestore.com/lib/thetubestore/schematics/Marshall/Marshall-Class-5-Schematic.pdf (Schaltplan)
http://www.marshallforum.com/threads/a-touch-of-class-class5-owners-welcome.17536/ (260 Seiten zum Class5 im Marshall-Forum)
http://www.marshallforum.com/threads/class-5-review.9843/ (Review im Marshall-Forum)
https://www.thegearpage.net/board/index.php?posts/7340406/ (Foto vom Innenleben des C5 Combo)
https://www.musiker-board.de/attach...6/?temp_hash=e4212869e0f38470f71c573084c703e1 (Advertisement zum Class5 Head und Combo)
Vielen Dank für's Lesen.
Fragen und Anmerkungen sind gerne willkommen.
Gruß,
Helmut
- Eigenschaft
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