Probenmitschnitt: Exsultate, jubilate

Ich möchte an dieser Stelle das Thema des Threads nutzen, um ein Loblied auf den Amateurstatus zu ´singen´.
Sicher ist es richtig und angemessen, die Leistung guter bzw. hervorragender Profis als Maßstab für die Qualität des eigenen Musizierens heran zu ziehen, egal, an welcher Stelle des Musiklebens man sich selber befindet, sei es als Amateur oder auch, wenn man selber Profi ist. Wo sollte man auch sonst irgendwelche Maßstäbe und Orientierungen hernehmen als von jenen überragenden und bedeutenden Solisten, die mit ihrem Wirken sozusagen über allem schweben und selbstredend andere Musizierende in ihrem Schaffen beeinflussen, sei es alleine durch ihre Performance oder direkt als Lehrende?

Dennoch möchte ich davor warnen, allzu strenge Urteile und Beurteilungen vorzunehmen, vor allem nicht bei Amateuren, denn der dadurch unweigerlich ausgelöste Frust ist nur hinderlich und auf keinen Fall fördernd und motivierend für den sich redlich Bemühenden. Das heißt nicht, dass solche Vergleiche und Ratschläge untauglich sind, im Gegenteil. Angemessene, sachliche und wohlwollende Hinweise sind immer angebracht, wenn jemand weiter kommen möchte. Das gilt sowohl für die Äußerungen Dritter als auch und vor allem für die Selbstkritik, die unverzichtbar ist, um dazu zu lernen, die aber unbedingt sich selber gegenüber ebenfalls konstruktiv, wohlwollend, ja unbedingt auch liebevoll sein darf und soll!

Denn das steckt ja in dem Begriff des "Amateurs". Er/sie ist der "Liebhaber", der Musik um des puren Interesses, der Freude, der Besinnung, der Liebe um der Sache selber willen macht. Nicht wegen des kommerziellen Erfolges oder der materiellen Notwendigkeit des Broterwerbs heraus, wie es für Profis nun einmal nicht abwendbar ist.
Das bedeutet aber auch, dass der Amateur jegliche Freiheit besitzt und sich nehmen darf meiner Auffassung nach, sich beliebig im Rahmen seiner angenäherten Möglichkeiten mit den musikalischen Subjekten seines persönlichen Interesses zu beschäftigen, und das eben ohne den Anspruch nach besonderer Qualität oder gar Perfektion erfüllen zu müssen.

Das ist im Profibereich anders, denn da steht man unausweichlich im Fokus der Kritik und hat die Ansprüche an die professionelle Ausführung von Musik zu erfüllen, und das hat man einfach zu akzeptieren. Das schränkt die Freiräume unweigerlich ein und zwingt zum Einhalten von Maßstäben, die durch den professionellen Rahmen gesetzt sind.
Wenn eine Profi-Sängerin diese Mozart-Arie aufführen möchte, dann muss sie dabei dieses Mindestmaß an Qualitätskriterien erfüllen - und die Latte hängt üblicherweise verdammt hoch! Es handelt sich immerhin um eine höchst anspruchsvolle Bravour-Arie, die Mozart seinerzeit für einen offensichtlich hervorragenden Kastraten schreiben konnte (Rauzzini). Da wird man als Profi lieber von einer Aufführung absehen als zu riskieren, sich zu blamieren - zumal sich letzteres schnell Ruf- und Geschäftsschädigend auswirken kann -, und das Stück auch als Profi lieber nur zu hause im Übezimmer für sich selber studieren.

Anders als Amateur. Ich bewundere die Leidenschaft von @Silvieann, sich mit diesem wirklich sehr anspruchsvollen Stück zu beschäftigen, und Du musst dich für nichts schämen, wenn es nicht so klingt wie bei den hier verlinkten Beispielen! Alleine die Beschäftigung mit diesem Stück wird Dich weiter bringen in jeder Hinsicht und gute Ratschläge und Hinweis dazu wurden hier ja schon gegeben.
Diese Beispiele bringen außergewöhnlich gute Leistungen und ein Niveau, das auch unter Profis nur wenige erreichen. Es macht große Freude, diese Spitzen-Sängerinnen zu hören (und zu sehen), aber @Silvieann, lasse Dir Deine Freude am Musizieren nicht dadurch verleiden oder klein machen, wenn es bei Dir nicht ebenso klingt. Nutze die Freiräume des Amateurs, der eben nicht den professionellen Ansprüchen und Erwartungen genügen muss, sondern einfach machen darf.

Man kann im übrigen auch bei den Profi-Beispielen unterschiedlicher Meinung sein. Die unglaubliche Leichtigkeit, mit der Julia Lezhneva diese Arie singt, ist fantastisch und bewundernswert. Aber die stimmliche "Masse" die eine Cecilia Bartoli einbringt, tut für mich dieser Arie kein Unrecht an, denn als "Bravour-Arie" darf sie meiner Meinung nach auch mit mehr von eben dieser "Masse" gesungen werden. Beides hat seinen Reiz und seine Berechtigung und bereichert die Möglichkeiten an Interpretationen. In der Musik gibt es meiner Auffassung nach nur selten ein "absolut richtig" bzw. "absolut falsch".
 
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Im folgenden ergänze ich nach Rücksprache mit "moniaqua" den Thread um eine Mail, die sie mir zu diesem Thema geschickt hat und meine Antwort auf ihre Mail. Sorry, wenn es damit etwas sehr in OT-Richtung driftet, aber mein "Loblied" auf den Amateurstatus kann und soll gerne kontrovers betrachtet und diskutiert werden (neuer Thread?). Die Welt der Amateure ist ja ebensowenig ´heil´ wie die der Profis, das ist mir sehr bewusst. Deshalb ist es mir ein Anliegen, den Blick auf die durchaus beneidenswerten, in meinen Augen so positiven Aspekte des Amateurstatus zu lenken.


Mail von moniaqua:

Ich hoffe, es kam nicht so rüber, dass ich Silvieann das Exsultate verleiden wollte. Ich stimme auch im Großen und Ganzen mit Dir überein. Nur das hier passt imho nicht:

Zitat Lobomix:
"Das ist im Profibereich anders, denn da steht man unausweichlich im Fokus der Kritik und hat die Ansprüche an die professionelle Ausführung von Musik zu erfüllen, und das hat man einfach zu akzeptieren. Das schränkt die Freiräume unweigerlich ein und zwingt zum Einhalten von Maßstäben, die durch den professionellen Rahmen gesetzt sind.
Wenn eine Profi-Sängerin diese Mozart-Arie aufführen möchte, dann muss sie dabei dieses Mindestmaß an Qualitätskriterien erfüllen - und die Latte hängt üblicherweise verdammt hoch! Es handelt sich immerhin um eine höchst anspruchsvolle Bravour-Arie, die Mozart seinerzeit für einen offensichtlich hervorragenden Kastraten schreiben konnte (Rauzzini). Da wird man als Profi lieber von einer Aufführung absehen als zu riskieren, sich zu blamieren - zumal sich letzteres schnell Ruf- und Geschäftsschädigend auswirken kann -, und das Stück auch als Profi lieber nur zu hause im Übezimmer für sich selber studieren.


Anders als Amateur." (Zitat Ende)

Es wurden, auch schon hier am Board, Anforderungen an mich herangetragen, durch die durchaus der Eindruck entsteht, dass auch Amateure mit Profis verglichen werden. Ich hab mir da meine Blessuren schon abgeholt, weil ich einfach nicht verstehen will, warum etwas so oder so unbedingt klingen muss (und zwar nicht nur im klassischen Bereich, das erstreckt sich auf vieles - Jazz hat so zu klingen, Soul so, Rock so und Klassik eben so
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) Meist sind dabei gerade die Laien die schlimmsten. Amateur mag ich da gar nicht sagen, nachdem Du das so schön herausgearbeitet hast
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Mir kommt oft das Lied "Meine engen Grenzen" in den Sinn. Und auch Amateure haben einen u.U. Ruf, den sie verlieren können. Gerade wenn man unbedingt Solo singen möchte, muss man - meiner Erfahrung nach - das Spiel mitspielen. Oder man singt halt nicht Solo. Silvieann hat hier aber schon recht oft geäußert, dass Chorsingen sie ankiest und sie so gern Solo singen würde. Da behindert sie sich mit diesem Exsultate imho nur, gerade in dem so wie es aus ihren Schilderungen ausschaut sehr engstirnigen Umfeld von ihr.


Antwort Lobomix:

Hallo Monika,

ich hatte nicht den Eindruck, dass dein Beitrag Sivieann abgeschreckt hätte und ich habe auch keinen Anlass, dir zu unterstellen, jemanden vor etwas abschrecken zu wollen. Was du da schreibst, ist auch alles nachvollziehbar und mit den "offenen Messern" die du dort erwähnst oder dass die Laien/Amateure oft die schlimmsten sind, hast du ebenfalls recht.

Mit meinem "Plädoyer" für die Freiheit des Amateurs möchte ich ja eben genau einen Anstoß geben, die Messer besser in der Tasche zu lassen oder gleich noch besser erst gar nicht mitzuführen. Und auch nicht ´päpstlicher sein zu wollen als der Papst´, wie ich es bei Amateuren selber auch schon öfter erlebt habe. Ich finde es verheerend für das schöne Hobby Musizieren, wenn krampfhaft und verkrampft nach einer Perfektion gestrebt wird, die man voraussichtlich unmöglich erreichen kann, schon alleine, weil man gar nicht so viel Zeit investieren kann wie dazu nötig wäre. Die man aber auch gar nicht erreichen muss, weil man den Profistatus ohnehin nicht anstrebt.

Wer natürlich beabsichtigt, auf der professionellen Ebene mit zu machen, muss erstens den dazu nötigen Aufwand aufbringen und wird sich zweitens den dort üblichen Kritik-Maßstäben beugen müssen, das stimmt auch - gerade im Klassik-Bereich. Ob das aber immer gut und richtig ist und ob dabei die Freude erhalten bleibt ... ?

Deshalb war mein Anliegen, den Amateurstatus aus einem positiven Blickwinkel zu betrachten und sich die Freiheiten und Freuden bewusst zu machen, die dieser Status völlig unverkrampft bieten kann. Das geht leider öfter schon mal unter.
In England hatte ich öfter die Gelegenheit, tiefer in eine sehr rege und gut organisierte Amateurszene Einblick zu nehmen (Konzerte eines "Music-Club"-Kreises) und obwohl sich dort gelegentlich mancher eine Aufgabe zugemutet hatte, die mindestens eine Nummer zu groß für ihn war, stand doch stets die Freude am Musizieren im Vordergrund und es wurde niemandem etwas übel genommen. In der Auseinandersetzung mit der Musik bildet man sich weiter und das würde ich nicht gering schätzen.
 
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Ich liebe mein Amateurdasein und gestehe: An Stücken vom Kaliber "Exsultate" habe ich mich durchaus auch schon versucht, aber nur im stillen Kämmerlein, sprich Üben und Unterricht. Mit einem Stück habe ich mich mal in einen Workshop gewagt, aber es war von vorneherein klar, dass alle allem Unterricht zuhören und das "Abschlusskonzert" rein intern, sprich ohne weitere Zuhörer stattfinden wird. Davon haben alle Teilnehmer unheimlich profitiert, weil jeder auch auch die Entwicklung bei den anderen mitverfolgen konnte. In diesem Kontext sehe ich auch das Hörbeispiel von @Silvieann und hoffe, dass ich sie mit meinen Anmerkungen nicht verschreckt habe.

Niemalsnienicht würde ich so etwas aber öffentlich oder mit der Zielsetzung Solopartien zu bekommen machen. Weil - und da bin ich ganz bei @moniaqua - dort gelten andere Gesetze, die ich nicht erfüllen kann und mag. Gerade bei den Sängerinnen ist das Geschäft verdammt hart und auch risikoreich. Wer nicht einen potenten Sponsor hat, muss sein Auskommen hart erkämpfen und da muss ich nicht als Amateur Preise und Reputation für eine ganze Gruppe ruinieren. Im (richtigen!) Chor bin ich auch so sehr glücklich.
 
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Wie im andren Thread geschrieben, habe ich die Woche mit meinem Bruder geprobt und mitgeschnitten.
Die Proben sind noch so ziemlich am Anfang, und die Technik macht mir so ihre Probleme.
Wer dennoch reinhören möchte, schickt mir bitte eine PN.
 

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