Soulagent79
Registrierter Benutzer
Fender Mustang 90 - Review, Bilder, Sounddemo...
Hörbeispiele ganz unten...!
Hörbeispiele ganz unten...!
Worum geht’s?
Ich liebe Mustangs. Diese „kleinen“ Fender Gitarren, die Leo eigentlich für Schüler entworfen hat, haben es mir schon seit längerer Zeit angetan. Ich bin ein großer Fan der 60er Jahre, ich mag Surfmusik, aber auch Psych- und Garagerock und auch moderneren Richtungen wie Alternative und Grunge bin ich nicht abgeneigt. Mit diesem Musikgeschmack ist man wohl prädestiniert dafür, irgendwann bei den Fender Offset-Modellen wie der Mustang zu landen. Bisher hatte ich ein paar günstige Modelle von Squier, aber auch ein paar authentische Reissues von Fender Japan, die den Originalen aus den 60ern schon sehr nahe kamen.
Insgesamt sind die Mustangs eher etwas für den besonderen Geschmack. Obwohl sie ursprünglich für Schüler entworfen wurden, würde ich sie eher keinem Anfänger empfehlen, weil die richtige Einstellung der Floating Bridge und des insgesamt hakeligen Tremolos eher etwas für fortgeschrittene Spieler sind, die wissen wie man eine Gitarre einstellt (und selbst für die könnte es erstmal kniffelig werden). Auch Profis und ambitioniertere Spieler werden eher die Nase rümpfen, weil eine klassische Fender Mustang kein Tone-Monster ist. Wer auf warme, volle und komplexe Sounds einer guten Tele, Strat oder gar Les Paul steht, wird der kleinen Fender nicht viel abgewinnen können. Die singt nicht, sondern kratzt und beißt, hat wenig Mitten, kaum Sustain und klingt mehr nach Metall als nach edlem Holz.
Genau diesen Fallstricken hat sich Fender nun angenommen und letztes Jahr eine Serie in Mexiko hergestellter Mustangs vorgestellt, die allesamt mit Hardtail Bridges, teils anderen PUs und vereinfachter Schaltung aufwarten. Obwohl diese Modelle mich nach anfänglichem Interesse eher kalt ließen, gingen sie mir nicht aus dem Kopf.
Werden die Mexiko-Modelle mit den edlen japanischen Reissues, die ich bereits mein Eigen nennen durfte, mithalten können? Das wird sich zeigen. Leicht wird es die Mexikanerin nicht haben.
Ist es nicht insgesamt ein Rückschritt von der oberen Qualitätsskala, jetzt auf diese kastrierten MIM Mustangs umzusteigen? Okay, das war überspitzt formuliert. Die Mexiko Fenders sind ja schon lange ein paar Ligen aufgestiegen, seit den eher durchwachsenen frühen Modellen von vor knapp dreißig Jahren.
Ich konnte meine anfängliche Skepsis allerdings nicht überwinden und hakte die neue Modellreihe, trotz des verführerisch günstigen Preises, zunächst ab, bis ich bei Ebay-Kleinanzeigen auf ein gebrauchtes Modell in Olympic White mit P90s stieß, dessen Preis so gut war, dass meine Neugier überwog und ich beschloss der Mustang 90 eine Chance zu geben.
Technisches...
Eine Mustang mit Hardtail und String Thru-Body.
Ist das nicht eigentlich eine Duo Sonic?
Kurze Antwort: Nein, eine Duo Sonic sieht zwar ähnlich aus, hat aber keinen schrägen Offset-Korpus, sondern die beiden „Hüften“ liegen sich parallel gegenüber, wie bei einer Tele oder Strat.
Das erste was einem an der Mustang auffällt, ist die Tatsache, dass aufgrund ihrer kürzeren Mensur (610mm) und des gedrungenen Offset-Korpus die gesamte Gitarre kleiner wirkt. Hier drängt sich einem die Assoziation einer Schülergitarre sofort auf und als solche wurde sie ja auch von Leo Fender konzipiert. In den 60ern gab es gar eine Variante der Mustang mit einer noch kürzeren Mensur.
Das Griffbrett dieses 2017er Modells besteht aus einem dunklen, Palisander-ähnlichen Holz das jeglichen CITES-Konflikt zu vermeiden sucht, aber dennoch absolut passend und in Ordnung wirkt. Ich persönlich vermute ja, dass die großen Hersteller dieses Holz mitunter auch schon vorher verwendet haben und seit Anfang 2017 aufgrund der neuen Artenschutzgesetze, die Art einfach spezifischer angeben, damit der Käufer sich keine Sorgen machen muss. Ehrlich, nennt es Palisander, nennt es Pao irgendwas - es ist wirklich egal. Haptik, Optik und Klang stimmen jedenfalls. Die Halsrückseite ist ab Werk matt lackiert, so dass man nicht so leicht kleben bleibt. Scheinbar ein neuer Standard bei Fender Mexiko. Früher gab es das jedenfalls noch nicht.
Die kürzere Mensur sorgt dafür, dass die Saitenspannung geringer ist, weswegen man auf Mustangs leichter benden und sie mit dickeren Saiten bespannen kann, ohne dass sie zu schwergängig wird.
Auf meine früheren Mustangs mit der klassischen Floating-Bridge hatte ich meistens 11er Saiten gezogen, um die Bridge zusätzlich zu stabilisieren, da dieser Faktor auf dem vorliegenden Modell wegfällt, bleibe ich hier bei 10er Saiten.
Für Stimmstabilität sorgen klassischen Fender Standard Tuner an der großen Kopfplatte, die man auch auf vielen Strats und Teles findet. Hier gibt es nichts auszusetzen. Auf die klassischen Mustang Schiebeschalter wurde verzichtet, stattdessen schaltet man mit einem Toggle-Switch zwischen den Pickups hin und her. Die Potis sind angenehm schwergängig, so dass man nicht bei jeder zufälligen Berührung die Gitarre leiser wird oder die Höhen zurückgedreht werden. Hier verlässt sich Fender auf die altbekannten Fullsize Mexiko-Potis aus koreanischer Fertigung, die praktisch identisch mit denen von CTS sind. Aufgrund der P90 Single Coils kommen hier allerdings etwas exotischere Potis mit 375 KOhm zum Einsatz. Das ist schon etwas Besonderes und zeigt, dass Fender sich hier wirklich Gedanken gemacht hat. Im Grunde hätten sie ja einfach auf 250er oder 500er Potis zurückgreifen können, um Kosten und Aufwand zu sparen.
Die Bridge entspricht der einer Hardtail Strat. Sechs einzelne Saitenreiter mit eingestanztem Fender-Logo befinden sich auf einer Metallplatte durch die die Saiten von der Korpusrückseite, wie bei einer Telecaster geführt werden. Dies ist an der Mustang 90 der größte und entscheidende Unterschied zu ihren klassischen Artgenossinnen. Mit dieser Bridge hat man einerseits keinerlei Ärger, sie ist wertig verarbeitet und leicht einzustellen, andererseits verändert sie die gesamte Charakteristik der Gitarre. Eine klassische Mustang erzeugt ihren metallischen Surf-Sound nicht zuletzt durch die Floating-Bridge und die Konstruktion des Tailpieces und Tremolos, das dem einer Jazzmaster oder Jaguar sehr ähnlich ist. Die Mustang 90 beruft sich allerdings eher auf die Tradition von (Hardtail-)Strat und Telecaster. Das merkt man am Spielgefühl und man hört es natürlich auch.
Ein weiteres Novum sind natürlich die P90 Pickups. Fender nennt sie hier „MP90s“ und sie wurden bisher in einigen Instrumenten der in China hergestellten Modern Player- Serie verwendet. So gab es beispielsweise vor ein paar Jahren kurzzeitig eine Modern Player Mustang und auch eine Telecaster (beide Made in China), die ebenfalls mit (M)P90s ausgestattet waren. Ich bin ein Fan dieser Art von Pickups und hatte schon etliche Gitarren, in denen sie verbaut waren, allerdings waren das meistens SGs und Gibson-ähnliche Hollowbodies und bisher keine Fender-artigen Instrumente.
Bei P90s besteht generell das Problem, dass es hier offenbar keine allgemein gültige „Industrienorm“ gibt, wie bei Humbuckern oder anderen Single Coils. Das hat zur Folge, dass sie sich in Sachen Maß Konstruktion von Hersteller zu Hersteller oft sehr deutlich unterscheiden können. Vor allem asiatische Soapbar P90s sind meist länger und eckiger, als die Originale von Gibson oder andere in den USA gefertigte Marken.
Oft wird hier auch auf das Magnetmaterial kaum wert gelegt und es werden einfache Keramikmagnete verwendet anstatt Alnico II und V, wie bei den Ur-P90s aus den 40ern und 50ern. Sogar die Gibson-Tochter Epiphone verbaut in vielen ihrer Modelle leicht anders geformte Soapbar P90s, die von der Form her nicht in eine Gibson passen würden. In der Fender Mustang steckt eindeutig auch die „asiatisch“ geformte P90-Variante, die etwas länger und eckiger ist. Unter der Kappe befindet sich aber die für diese Tonabnehmer übliche Konstruktion: Zwei Alnico-Balkenmagnete, die von unten die in der Höhe verstellbaren Polepieces magnetisieren. Die Spulen sind gewachst und mit schwarzem Stoffband umwickelt. Ohne das Material der übrigen Bauteile genau zu kennen, muss ich sagen, dass das alles ziemlich korrekt und wertig aussieht. Ich vermute, dass diese Pickups ebenfalls aus Asien kommen, vielleicht sogar aus Korea, wie die Elektronik. Man muss aber ganz klar sagen, dass Fender sich hier trotzdem nicht für eine absolute Billiglösung entschieden hat. Selbst wenn es asiatische OEM-Massenware ist, die Fender hier als „MP90“ Eigenkreation umbranded, gibt es daran nichts auszusetzen, vor allem bei einer doch immer noch recht günstigen Gitarre. Am Multimeter bringen es beide PUs auf circa 9 kOhm, daher gehe ich davon aus, dass sie identisch sind. Die Soapbars in meiner Gibson SG Special haben übrigens mit 8 kOhm einen etwas geringeren Output.
Praxis...
Die Mustang 90 spielt sich sehr komfortabel und fast schon leichtfüßig, vorausgesetzt, man mag die kurze Mensur und hat nicht zu große Hände. Bendings gehen leicht von der Hand und es wirklich Spaß mit den Fingern über das Griffbrett zu flitzen – die geringere Saitenspannung erfreut die geschundene Greifhand doch sehr.
Die P90s sind outputstark und klingen charakteristisch sehr mittig am cleanen Amp, wie man es auch von einer Gibson mit dieser Tonabnehmerbestückung kennt. Die darunterliegenden Fender-Gene kommen aber immer noch deutlich durch. Es klingt drahtig, metallisch, bissig, mit viel Attack, aber ohne den Mahagoni-Wumms dahinter, dafür mit mehr Definition und Saitentrennung. Mit ein bisschen Overdrive läuft die Mustang dann zur Hochform auf. Crunch bis leichte Distortion sind ihr Ding, also alles das, was der Tubescreamer (oder einer seiner Klone) abdeckt. Bei höheren Zerrgraden gefällt sie mir am Boss DS-1 ganz gut.
Je mehr Gain man zulegt desto mehr Twang kann man aus den Soapbars herauskitzeln. Ich weiß, das ist eigentlich Paradox, aber ich habe das bei einigen Humbuckern auch schon erlebt. Bis zu einem gewissen Maße sorgen Overdrive und Distortion hier für mehr Definition. Wahrscheinlich, weil Verzerrung ja zwangsläufig auch Kompression bedeutet. Zudem entwickelt die Mustang bei hohen Zerrgraden ein richtig schönes Mitten-Growl und brüllt wie ein Löwe.
Die Hardtail Bridge mit Saitenführung durch den Korpus sorgt für ein klangliches Fundament, dass die hakelige Original Mustang mit ihrer Floating Bridge nicht zustande bringt. Auch Sustain ist hier ungewöhnlich viel vorhanden.
Dafür kann die Mustang 90 nicht so schön Surfen, wie das Originalmodell mit den klassischen Features. Es fehlt hier das Tremolo und die Drahtigkeit. Man kann halt nicht alles haben.
Fazit...
Ich habe an der Mustang 90 eigentlich nichts auszusetzen. Die Verarbeitung ist makellos, alles funktioniert wie es soll, der typische P90 Klang ist vorhanden und der Rest ist einfach Geschmackssache. Ich denke, dass Fender dieses Modell früher oder später wieder aus dem Programm nehmen wird, wenn der momentane Offset-Hype abflaut. Eventuell wird die Mustang 90 dann mit den Jahren zum gesuchten Kultobjekt, wie z.B. die Fender Cyclone, das nicht jeder hat.
Mir gefällt auch das leicht exzentrische an diesem Modell. Fast ein bisschen surreal, wie eine Strat aus einer Paralelldimension.
Den Vergleich mit Japan muss die Mexikanerin übrigens nicht scheuen, qualitativ gibt es hier echt keine Unterschiede zu den MIJ Mustangs, die ich bisher hatte. Im Gegenteil, ich finde die Elektronik der Mustang 90 sogar besser.
Last, but not least - das Demo-Video...
- Eigenschaft
Zuletzt bearbeitet: